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Full text of "Jahreshefte des Vereins f©r vaterl©Þndische Naturkunde in W©rttemberg"

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OF 

COMPARATIVE    ZOÖLOGY, 

AT  HARVARD  COLLEGE,  CAMBRIDGE,  MASS. 

jFountie"ö  h^  jcfijate  suöscrfptfon,  fn  1861. 

The  gift  of  LOUIS  AGASSIZ. 

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JAHRESHEFTE 


des 


Vereins  für  vaterländische  Natiirkuncfe 


in 


WÜRTTEMBERG. 


Herausgegeben  von  dessen  Redactionscommission 

Prof.  Dr.  H.  v.  Mohl  in  Tübingen;    Prof.  Dr.  H.  v.  Fehllnff,  Prof.  Dr. 
O.  Fraas,  Prof.  Dr.  T.  Krauss,  Dr.  W.  Menzel    in  Stuttgart. 


ACHTZEHNTER  JAHRGANG, 

(Mit  fünf  Steiutafelu. , 


STUTTGART. 

Verlag  von  Ebner  &  Seiibert. 
'  1862. 


Druck  von  E.  Grein  er  in  Stiittgiu 


Inhalt. 


I.  Angelegenheiten  des  Vereins.  Seite 
ßerielit   über   die   sechszehnte  Generalversammlung    in    Stuttgart 

den  24.  Juni  18G1.     Von  Prof.  Dr.  Krauss 1 

Kechenschaftsbericbt  für  1860—61.  Von  Prof.  Dv.  Krauss.     .  2 

Zuwachs  der  Vereinssammlung 4 

Zuwachs  der  Vereinsbibliothek 10 

Rechnungsabschluss.     Von  Hospital-Verw.  Seyffardt.   ...  16 

Wahl  der  Beamten 10 

Wahl  des  Versammlungsorts  für  1862        20 

Nekrolog  des  Herzogs  Paul  Wilhelm  von  Württemberg.   Von 

Oberstudienrath  Dr.  v.  Kurr 20 

Nekrolog  des  Oberfinanzraths  v.  Nördlinger.    Von  Finanz- 

rath  Dr.  Zell  er         24 

11.  Aulsätze  und  Vorträge. 

1)  Zoologie  und  Anatomie. 

Ueber  einige  für  Württemberg  neue  Säugethiere  und  über  die 

in  Württemberg  erlegte  Gemse.  Von  Prof.  Dr.  Krauss  .  32 
Ueber  einen  weissen  Dachs  und   andere  Varietäten  württemb. 

Säugethiere.     Von  Prof.  Dr.  Krauss 36 

Ueber    einen    Rehbock    mit    monströsem  Geweih.     Von  Prof. 

Dr.  Krauss 43 

Ueber  Papagaien-Zucht  in  Württemberg.  Von  W.  Neubert  49 
Ueber  das  Gift    des  Erdsalamanders.     Von  Oberamtsarzt  Dr. 

Finckh  in   Urach • 132 

2)  B  0  t  a  n  i  k. 

Ueber  das  Wachsthuin  der  Weliingtonia  gigantea.  Von  Kunst- 
gärtner A.  Hvass 30 

Ueber  rankende  Gewächse.   Von  Obermedicinalrath  Dr.  v.  Jäger.  62 

Die  württemb.  Oscillatorien.  Von  Finanzrath  Dr.  Zell  er   .     .  71 

Die  Laubmoose  Württembergs.     Von  Georg  von  Martens     .  76 


Seite 
Beiträge  zur  württemb.  Flora.  Von  Oberamtsarzt  Dr.  Finkli 

in  Urach 189 

Die  Farben  der  Pflanzen.    Von  Georg  von  Martens.  (Hiezu 

Farbentafel  V.) 239 

3}  Mineralogie  und  Geognosie. 

Ueber    die    geologischen  Verhältnisse    des  Tunnels    zwischen 

Heilbronn  u.  Weinsberg.     Von  Bauinspektor  Binder   .     .       45 

Ueber  den  Lehm.     Von  Prof.  Dr.  Fr  aas 59 

Ueber  die  Verunreinigung  der  Kohlenstadelquelle  zu  Ulm  und 

die  Entfernimg  des  Uebelstandes.    Von  Dr.  B ruckmann       135 

4)  Paläontologie. 

Ueber  ein  Schädelstück  eines  Keupersauriers.  Von  Finanzrath 

Eser 47 

Die  tertiären  Hirsche  von  Steinheim.     Von  Prof.  Dr.  Fr  aas. 

(Hiezu  Taf.  I  und  II) 113 

Der  Hohlenstein  und  der  Höhlenbär.  Von  Prof.  Dr.  Fr  aas    .     156 

Die  Streitberger  Schwammlager  und  ihre  Foraminiferen-Ein- 
schliisse.  Von  Bergmeister  Gümbel  in  München.  (Hiezu 
Taf.  III  u.  IV) 192 

5)  Physik  und  Chemie, 

Ueber    den    sogenannten   Muskelkalk    zum    Betelkauen.     Von 

Oberstudienrath  Dr.  v.  Kurr 30 

Ueber  die  Erscheinungen  der  Spectral-Analyse.  Von  Prof.  Dr. 

Zech        59 


I.  Angelegenheiten  des  Vereins. 


Bericht  über   die   secliszelinte  Generalversammlung* 
den   24.  Juni  1861   in  Stuttgart. 

Von  Prof.  Dr.  Krauss. 

Die  Versammlung  -wurde  wie  bisher  in  den  Sälen  des  Mu- 
seums gehalten.  Herr  A.  Hvass  hatte  die  Gefälligkeit,  daselbst 
eine  kleine  Ausstellung  schöner  und  interessanter  Gewächshaus- 
pflanzen in  best  kultivirten  Exemplaren  zu  machen.  Unter  diesen 
sind  hervorzuheben  :  Araucaria  Cimninghami  glauca ,  Crescentia 
nohilis,  schöne  Palmen,  wie  Chamaedorea  Ernesti  Augusti,  Tri- 
thrinax  mauritiaeformis  Martius ,  prachtvolle  Musaceen :  3Iusa 
glauca,  M.  zebrina,  ferner  eine  Sammlung  brasilianischer  Coni- 
feren  und  mehrere  seltene  Farnkräuter. 

Ausser  dieser  -und  andern  Pflanzen  waren  einige  seltene 
Säugethiere  aus  Württemberg  aufgestellt,  unter  welchen  insbe- 
sondere der  im  vorigen  Jahr  beim  Schloss  Wartstein,  OA.  Mün- 
singen erlegte  Gemsbock,  ein  Geschenk  Sr.  Majestät  des 
Königs,  unseres  gnädigsten  Protectors,  ferner  ein  Rehbock  mit 
abnormer  Bildung  des  Geweihs,  welchen  Herr  Oberförster  Ploch- 
mann  in  Blaubeuren  dem  Verein  geschenkt  hat ,  und  zwei  weisse 
Spielarten  vom  Dachs,  die  Aufmerksamkeit  der  Anwesenden  auf 
sich  zogen.  Auch  die  Paläontologen  hatten  Gelegenheit,  einige 
interessante  FossiUen  zu  sehen;  sehr  merkwürdig  waren  die  von 
Kriegsrath  Kap  ff  meisterhaft  herausgemeiselten  Schädelbruch- 
stücke von  Belodon  Kapffii  und  Teratosaurus  suevicus  H.  v.  Meyer 
aus  dem  Stubensandstein. 

Württemb.  naturw.  Jahreshcftc.     1862.     Is  Heft.  1 


—    2    — 

Die  Verhandlungen,  wozu  sich  die  Mitglieder  aus  allen  Theilen 
des  Landes  zahlreich  eingefunden  hatten,  begannen  nach  9  Uhr. 

Der  Geschäftsführer,  Oberstudienrath  Dr.  v.  Kurr  eröffnete 
die  Versammlung  und  übernahm  dann  auf  den  allgemeinen  Wunsch 
der  Mitglieder  das  Amt  des  Vorsitzenden. 

Der  Vereinssecretär  Prof.  Dr.  Krauss  trug  folgenden 

Rechenschaftsbericht  für  das  Jahr  1860 — 61 

Yor: 

Meine  Herren! 

Von  Ihrem  Ausschuss  habe  ich  den  ehrenvollen  Auftrag  er- 
halten, über  die  Thätigkeit  des  Vereins  im  verflossenen  Jahr 
Bericht  zu  erstatten. 

Der  Verein  hat  nun  sein  siebenzehntes  Jahr  zurückgelegt. 
Es  gereicht  mir  zum  Vergnügen  den  Mitgliedern  mittheilen  zu 
können,  dass  auch  im  abgelaufenen  Jahr  die  Verhältnisse  dessel- 
ben in  erfreulicher  Weise  vorwärts  geschritten  sind  und  dass  die 
Theilnahme  an  unserem  gemeinnützigen  Institut  fortwährend  im 
Wachsen  begriffen  ist. 

Die  Jahreshefte  konnten  diessmal,  obwohl  die  J.  (j.  Spran- 
del'sche  Buchdruckerei  zur  Herausgabe  derselben  nicht  sehr  för- 
dernd mitwirkte,  dennoch  zu  Anfang  dieses  Monats  vollständig 
in  die  Hände  der  Mitglieder  abgeUefert  werden.  Die  darin  ent- 
haltenen Aufsätze  behandeln  fast  ausschliesslich  die  vaterländische 
Naturgeschichte  oder  beziehen  sich  darauf.  Sie  liefern  aufs  Neue 
den  Beweis,  dass  unser  engeres  Vaterland  immer  noch  Stoff  genug 
zur  Bearbeitung  der  verschiedenen  Zweige  der  Naturgeschichte  dar- 
bietet. Ihr  Ausschuss  hat  desshalb  geglaubt,  ein  Circular  an  die 
württembergischen  Naturforscher  und  insbesondere  an  diejenigen 
Mitglieder,  welche  sich  mit  einem  Theil  der  speciellen  Naturge- 
schichte beschäftigen ,  mit  der  Bitte  ergehen  lassen  zu  sollen,  sie 
möchten  die  Resultate  ihrer  Beobachtungen  und  Untersuchungen 
in  unseren  Jahresheften  niederlegen. 

Die  vaterländische  Naturalien-Sammlung  hat  im  ver- 
gangenen Jahr  einen  Zuwachs  von  46  Säugethieren  in  19  Arten, 
von  53  Vögeln  in  37  Arten,   von  2  Arten  Keptilien,   3  Fischen, 


—    3    — 

11  wirbellosen  Thiereii,  124  Arten  Pflanzen  und  217  Stück  Bohrpro- 
ben erhalten.  Ich  habe  das  Vergnügen,  Ihnen  auch  diessmal  wieder 
die  Mittheilung  machen  zu  können,  dass  die  Vereinssammlung  unter 
diesem  Zuwachs  mit  einigen  Thieren  deren  Vorkommen  in  der 
württembergischen  Fauna  bisher  nicht  bekannt  war,  ferner  mit  eini- 
gen seltenen  Spielarten,  welche  auch  für  die  allgemeine  Naturge- 
schichte von  Interesse  sind,  und  mit  28  für  Württemberg  neuen 
Pflanzen  bereichert  worden  ist.  Das  Nähere  hierüber  "werden  Sie 
in  dem  Verzeichniss  über  den  Zuwachs  der  Vereinssammlung  und 
heute  noch  in  einem  Vortrag  über  die  zum  Theil  hier  ausgestellten 
Gegenstände  erfahren.  Der  Verein  verdankt  diese  Beiträge  den 
unverdrossenen  und  uneigennützigen  Bemühungen  mehrerer  Mit- 
glieder und  Gönner,  deren  Namen  in  dem  Jahresbericht  und  an  den 
Gegenständen  selbst  aufgezeichnet  sind,  und  welchen  Ihr  Ausschuss 
hiefür  den  Dank  öffentlich  auszudrücken  sich  gedrungen  fühlt.  Aus 
den  öffentlichen  Blättern  werden  Sie  vernommen  haben,  dass  die 
vaterländische  Naturalien  -  Sammlung  den  Sommer  über  viermal 
wöchentlich  des  Nachmittags  von  2 — 4  Uhr  zur  Besichtigung  ge- 
öffnet ist. 

Die  Vereinsbibliothek  hat  sich  durch  Geschenke  und  durch 
den  Austausch  der  Jahreshefte  im  verflossenen  Jahr  um  73  Bände 
und  Jahresberichte  und  fast  ebenso  viele  Hefte  und  Brochüren  ver- 
mehrt; auch  hat  Ihr  Ausschuss  einen  neuen  Tausch  mit 

dem  Verein  für  Verbreitung  naturwissenschaftlicher  Kenntnisse 
in  Kiel, 

der  k.  physikalisch-ökonomischen  Gesellschaft  zu  Königsberg  und 

der  zoologischen  Gesellschaft  in  Frankfurt  a.  M. 
eingeleitet.    Im  Ganzen  steht  der  Verein  gegenwärtig  mit  3  inlän- 
dischen und  59  auswärtigen  Instituten,  Akademien  und  Gesellschaf- 
ten in  Verbindung.   Die  Bibliothek  ist  den  Vereiusmitgliedern  jeder 
Zeit  zur  Benützung  zugänglich. 

In  den  Winter-Versammlungen  wurden  wie  bisher  auch  im  ver- 
flossenen Winter  die  üblichen  belehrenden  Vorträge  gehalten, 
und  zwar  für  die  Vereinsmitglieder  von 

Oberreallehrer  Dr.  Blum  über  die  mechanische  Wärmetheorie, 
für  die  Mitglieder  mit  ihren  Frauen  und  Töchtern  von 


—    4    — 

Prof.  Dr.  Fraas  über  das  Mammiitlifeld  bei  Cannstatt, 
Prof.  Dr.  Köstlin  über  den  Schlaf  der  Menschen  und  Thiere, 
Dr.  Zech  über  die  Fixsternwelt. 

Endlich  bleibt  mir  noch  die  traurige  Pflicht  übrig,  die  Mitglie- 
der aufzuzählen,  welche  der  Verein  im  letzten  Jahr  durch  den  Tod 
verloren  hat.  Vor  allen  haben  wir  den  Verlust  des  ersten  Ehren- 
mitglieds des  Vereins,  des  Herzogs  Paul  Wilhelm  von  Württem- 
berg Hoheit  tief  zu  beklagen.  Ein  Verlust,  der  für  die  Wissenschaft 
um  so  empfindlicher  ist,  als  er  mitten  in  der  Thätigkeit  im  Ordnen 
der  auf  seinen  vielen  Reisen  gesammelten  Beobachtungen  und  na- 
turhistorischen  Sammlungen  hinweggerafft  wurde. 

Die  verstorbenen  Mitglieder  sind  : 

Mechanikus  Seeger  in  Stuttgart, 

Oberjägermeister  V.  Hiller  in  Gürtringen, 

Apotheker  Roser  in  Hall, 

Revierförster  Riegel  in  Adelmannsfelden, 

Apotheker  Hahn  in  Grüglingen, 

Prof.  Dr.  Schlossbergerin  Tübingen, 

Oberfinanzrath  v.  Nördlingerin  Stuttgart. 

lieber  das  letzgenannte  Mitglied  sowie  über  das  erste  Ehren- 
mitglied des  Vereins,  werden  Sie  heute  noch  beredte  Worte  der 
Erinnerung  vernehmen.  Der  Nekrolog  über  Prof.  Schlossberger 
wird  später  nachfolgen. 

Die  Vereins- Sammlung  hat  vom  24.  Juni  1360  bis  1861 
folgenden  Zuwachs  erhalten : 

I.   Säuge  thiere. 

a)  Als  Geschenke: 

Ves])eriiuo  mystacinus  Leisler^  Weibchen, 

Mus  Baiius  L.,  in  beiden  Geschlechtern,  alt  und  jung, 

3fus  decunianus  L,,  altes  Männchen  , 

yon  Herrn  Schulmeister  Ackermann  in  Sershelm; 
Vesperugo  discolor  Keys,  u.  Jjlas,,  Männchen, 

von  Herrn  Reviertorster  Stützen  berger  in  Mochenthal; 
Vesperiilio  Dauhentonü  Leisler,  altes  Männchen, 


—    5    — 

Vesperiilio  mysiaciniis  Leisler,  Männcten  und  Weibchen, 
Vespertilio  murinus  Schreh.,  Männeben, 
Flecotus  aiü'itus  Keys,  u.  Blas.,  Männeben, 
Schirus  vulgaris  L.,  Männeben,  grauliche  Varietät, 

Yen  Herrn  Kaufmann  Hermann  Reichert  in   Nagold; 
Crocidura  (Sorex  Sdireh.J  Araneus    Wagler , 

Ton  Herrn  Oberförster  Paulus  in  Zwiefalten  ; 
3£us  musculus  Z.,  Männchen,  isabellgelbe  Varietät, 

von  Herrn  H.  Ploucquet; 
JJijpudc&us  terreslris  i.,  Weibchen,  weiss  auf  dem  Kopf, 

von  Herrn  Apotheker  Mayer  in  Heilbronn; 
Tespertilio  mystacinus  Leisler,  Männchen  und  Weibchen, 

von  Herrn  Forstwarts-Verweser  Gawatz  in  Pflummern; 
Tesperugo  Nathusii  Keys,  u.  Blas,,  Männchen  und  Weibchen , 
Crocidura  leucodon    Wagler,  Männchen  und  Weibchen, 
Arvicola  arvalis  S.  Longch.,  Männchen  und  Weibchen, 
Mus  syhaticus  L.,  Männchen  und  Weibchen, 

von  Herrn  Prof.  Dr.   Krauss. 

b)    Durch  Kauf: 

2feles     Taxus    Fall,     jun. ,     acht    Monate    altes    Männchen    von    Eglos- 

heim, 
Meles  Taxus  Fall,  var,  alba.,  Männchen,  weisse  Varietät,  bei  Hossingen, 
Talpa  europaea  L,,  altes  Männchen  und  Junge,  von  Stuttgart, 
Synotus  Barbastellus  ICeys,  u.  Blas.,  Männchen  von  Sersheim, 
Mustela  Erminea  L.,  im  Uebergangskleid,  von  Sersheim, 

IL    Vögel, 
a)    Als  Geschenke: 

Fratincola  (Saxicola  Bechst.)  ruhetra  Koch,  junges  und  altes  Weibchen, 
Cortus  C'orone  L,,  junges  Männchen, 
Sylvia  hortensis  Lath.,  altes  Weibchen, 
Sylvia  cinerea  Bechst.,  altes  Männchen, 
Sylvia  Ilypolais  Lath.,  altes  Männchen, 

von  Herrn  Schulmeister  Ackermann  in  Sersheim; 
Garridus  glandarius  Briss.,  junges  Männchen, 

von  Herrn  Seifensieder  W.  Gärttner  in  Sersheim; 
Mypoiriorchis  subbuteo  Boie,  altes  Männchen. 
Bonasia  sylvestris  Brehm,  altes  Männchen, 

von  Herrn  Dr.  Emil  Schüz  in  Calw; 
Ästur  palumharius  Bechst.,  Weibchen  im  Jugendkleid, 

von  Herrn  Revierförster  Blattmacber  in  Steineck; 


Pierocyanea  circia  Bonap.,  altes  Weibchen  mit  einem  Jungen, 

Syrnium  ÄIucoBoie,  dreiwöchige  Junge, 

FuJica  aira  L.,  einwöchige  Junge, 

Corvtis  monedula  L.,  achttägige  Nesthocker, 

Piciis  major  L.,  Nesthocker, 

Yon  Herrn  Apotheker  Val  et  in  Schussenried; 
Mareca  (Anas  L.)  Penelope  Gould ,  Mannchen  und  Weibchen, 
Mergus  alhellus  i.,  Weibchen, 
Milcus  regalis  Briss.,  Junges , 

von  Herrn  Revierförster  Probst  in  Heiligkreuzthal j 
CoJymbus  sejptemtrionalis  L.,  junges  Weibchen, 

von  Herrn  Schreiber  in  üeberlingen; 
Colymbus  arcticus  L.,  junges  Weibchen, 
Ayiser  arvensis  Brehm,  alt, 

Bonasia    sylvestris    Brehm. ,  1,  4  und  6  Tage  alte  Junge,  (die  Eier  wur. 
den  durch  Unterlegen    einer  Bruthenne  ausgebrütet). 

von  Herrn  Hermann  Reichert  in  Nagold; 
Dryocopus  fPicus  L.)  marihis  Boie ,  altes  Männchen, 

von  Herrn  August  Reichert  in  Nagold; 
Oiis  ietrax  L.,  altes  Weibchen,  am  Böckinger  See  geschossen, 

Ton   Herrn  Fabrikant  Richard   Schäuffelen   in  Heilbronn 
Ajiser  arvensis  BreJim ,  altes  Männchen  , 
Podiceps  cristatus  Baili,^  junges  Männchen , 
Mergus  merganser  X.,  vier  Junge  mit  der  Alten , 

von  Herrn  Fabrikant  LaNicca    in  Langenargen; 
Mergus  merganser  L.,  zweijähriges  Männchen, 

von  Herrn  Revierförster  Gönner  in  Neufra , 
Mareca  (Anas  L.)  Penelo'pe  Gould,  junges  Männchen, 

von  Herrn  Baron  von  Gültlingen; 
Corvus  frugilegus  L.,  altes  Weibchen, 
Buticilla  iithys  Brehm,  altes  Weibchen, 

von  Herrn  Prof.  Dr.   Krauss. 

b)    Durch  Kauf: 

Mareca  (Anas  L.J  Penelope  Goidd ,  Männchen  von  Heiligkreuzthal , 

Ardea  cinerea  L.,  junges  Männchen  aus  Friedrichshafen, 

Mareca  Penelope  Goidd,  altes  Weibchen  bei  Riedlingen, 

Clangida  Glaucion  Boie,  altes  Weibchen  von  Neufra, 

Cygnus  musicus  Bechst.,  altes  Männchen  in  Spaltbach  ,   OA.  Crailsheim, 

Mergus  serrator  L,,  altes  Weibchen  von  Friedrichshafen, 

Ardea  minuia  L.,  altes  Weibchen, 

Athene  noctua  Goidd,  junges  Männchen  und  Weibchen, 


—    7    — 

JErythacus  rubecida  Cuv,,  altes  Mannclien, 

PyrrhuJa  Ruhieilla  Fall.,  Männchen,  sämmtlich  von  Sersheim» 

III.     Reptilien. 

Als    Geschenke: 

Coroyiella  laevis  Laur.,  Weibchen  mit  Embryonen , 

Ton  Fabrikant  Carl  Deffner; 
J3ufo  tulyaris  Laur.,  Jun^e  bei  Beimerstetten , 

von  Prof.  Dr.  Krauss. 


lY..    Fische. 

AlsGesc  henke: 

Leuciscus  rutilus    Tal.,  mittleren  Alters,  aus  dem  Neckar , 

von  Herrn  Kaufmann  Fr.  Drautz  in  Heilbronn; 
Eine  Reihenfolge  der   mit  Sachkenntniss   und  Pünktlichkeit   gesammelten 
Jugendzustände  unserer  Bachforelle,    vom   eintägigen    bis  zu    einem 
Jahre   alten  Jungen   in  10  verschiedenen  Altersstufen,    theils^  aus  dem 
Zuchtkasten,  theils  aus  dem  Albbach,  ferner 
Fetromyzon  fluviaiilis  X.,  aus  dem  Albbach , 

von  Herrn  Dr.  Kleinertz  in  Herrenalb, 

Y.    Insekten. 
Als    Geschenke: 

Larven  von  IlyrmeUoyi  formicarium  L.^  vom  "Wildbad, 

von  Herrn  Apotheker  Völter  in  Bonnigheim ; 

Sechs  Species  Dyiiscus  u.  Ilydrophilus  aus  Schussenried, 
von  Herrn  Apotheker  Valet  daselbst; 

Larve  von  Cossus  ligniperda  Schaeff.^  aus  Stuttgart, 
von  Herrn  Prof.  Dr.  Krauss. 

YI,    Annulaten. 

Als  Gesche  nk: 

Tubifex  rivulorum  Lamlc,,  aus  Wassergräben, 

von  Herrn  Apotheker  Yalet  in  Schussenried. 


YII.    Helminthen. 

Als    Geschenk: 

Oxyuris  veinnicularis  Bud,,  aus  dem  Mastdarm  eines  Knaben , 
von  Herrn  Prof.  Dr.  Krauss. 

VIII.    Mollusken. 

Als    Geschenk:    ^ 

Fisidium  fontinale  Pfeiff,^  aus  Sümpfen  von  Winnenden , 
von  Herrn  Präparator  Bauer. 

IX.     Gebirgsarten. 

Als  Geschenke: 

50  Stücke  Bohrproben  yon  Bulbach, 
48  Stücke  Bohrproben  von  Teinach, 
119  Stücke  Bohrproben  yom  Elsenthal  bei  Stuttgart  und  von  Berg, 
Ton  Herrn  Oberfinanzrath  v.  Nördlinger. 

X.    Pflanzen. 

(Zusammengestellt  von  G.  \,  Martens.) 

Vor  zwei  Jahren  wurde  ein  Grundstück  in  der  Nähe  von  Waiblingen 
mit  Abfällen  von  ausländischer  Wolle  gedüngt,  in  demselben  Jahre  noch 
erschienen  zwei  Arten  der  Spitzklette,  die  gemeine,  Xanthium  struma- 
rium  L,,  und  die  stachlige,  Xanthium  spinosum  i.,  auf  demselben  Grund- 
stück und  erhielten  sich  auch  im  folgenden  Jahre,  doch  in  geringerer 
Anzahl ,  ein  merkwürdiges  Beispiel  der  Verbreitung  dieser  im  südlichen 
Europa  häufigen  einjährigen  Gewächse,  deren  Früchte  sich  durch  zahl- 
reiche Hacken  fest  an  die  Wolle  der  vorbeigehenden  Schafe  hängen,  da- 
her die  Pflanze  in  Italien  den  Namen  Strappa  lana ,  Wollrupfer ,  er- 
halten hat.  Herr  Apotheker  Dieterich  in  Waiblingen  hat  die  Güte 
gehabt,  uns  schöne  Exemplare  von  beiden  für  das  Vereinsherbar  zu 
übersenden. 

Von  Herrn  Oberamtsarzt  Dr.  ß.  Finckh  in  Urach  erhielten  w^ir 
sieben  Arten,  von  denen  drei  uns  noch  fehlten,  darunter  Oarex  hinervis 
Sinith,  von  Herrn  Apotheker  Frickhinger  in  Nördlingen  an  trockenen 


—    9    — 

Eainen  bei  Thannhausen,  Oberarats  Ellwangen,  entdeckt,  dem  südlichsten 
Standorte  dieser  Segge. 

Herr  Regimentsarzt  Dr.  Hegelmaier  theilte  zwei  Ton  ihm  bei  Ulm 
aufgefundene  für  unsere  Flora  neue  Pflanzen  mit,  Erigeron  droebachien- 
sis  MilUer,  eine  der  von  der  Hier  herabgeführten  Alpenpflanzen,  und 
eine  von  ihm  neuentdeckte  Bastarddistel  Cirsium  lanceolatum-eriophorum 
Hegelmaier  ^  das  erste  Beispiel  einer  Bastarderzeugung  durch  die  woll- 
köpfige  Distel. 

Herr  Bergrathsregistrator  Krauser  gab  uns  Melittis  2IelissophyUum  L, 
und   Centaurea  maculosa  Lam, 

Von  Herrn  Professor  Dr.  Kraus s  erhielten  wir  drei  bei  Stuttgart 
gefundene  Pilze ,  wovon  zwei ,  Spumaria  alba  Dec,  die  wie  ein  Schaum 
Erdbeerstiele  überzog,  und  Hydnum  spadiceum  F,,  in  Württemberg  noch 
nicht  beobachtet  worden  waren. 

Herr  Apotheker  Valet  in  Schussenried  erfreute  uns  durch  Ueber- 
sendung  \on  43  Arten  und  Abarten,  wovon  8  im  Herbar  fehlten  und 
weitere  7  noch  nicht  als  in  Württemberg  einheimisch  bekannt  waren. 
Die  interessanteste  unter  den  letzteren  ist  Coccochloris  Pila  Suhr ,  zuerst 
von  dem  dänischen  Hauptmann  v.  Suhr  in  der  Eider  entdeckt,  dann 
Yon  Lenor'mand  bei  Vire  in  der  Normandie,  und  jetzt  von  Valet  im 
Schweigfurtweiher  bei  Schussenried ,  im  November  1860  und  weniger  gut 
erhalten  im  März  1861  aufgefischt;  es  sind  runde  Kugeln  von  der  Grösse 
einer  Nuss  bis  zu  der  eines  Apfels,  in  der  Jugend  angewachsen,  später 
frei  auf  den  Wellen  tanzend,  getrocknet  bleibt  wie  bei  Ilydrurus  nur  2 
Procent  der  Masse  als  Bild  der  lebenden  Pflanze  auf  dem  Papier  zurück. 
Aehnliche  Kugeln ,  Coccochloris  stagnitia  Spr. ,  sind  in  den  Ebenen  des 
nördlichen  Europas  nicht  selten,  aber  nie  südlicher,  als  bei  Darmstadt 
im  Springbrunnen  des  Hofgartens  zu  Bessungen  gesehen  W'Orden,  ein 
Versuch ,  sie  von  dort  in  einen  ähnlichen  Springbrunnen  in  Stuttgart  zu 
versetzen,  hatte  keinen  Erfolg. 

Herr  Finanzrath  Zell  er  entdeckte  diesen  Frühling  im  oberen  See 
des  Schlossgartens  in  Stuttgart  eine  Alge  aus  der  bei  uns  sparsam  ver- 
tretenen Familie  der  Desmidieen,  Closteriuni  lineatum  Ehrenberg,  in  zahl- 
loser Menge  und  theilte  sie  uns  mit,  nebst  einer  in  Gräben  bei  Canstatt 
entdeckten  neuen  Diatornee,  Surirella  suevica  Zeller, 

Bei  weitem  unsere  meisten  Pilze  erscheinen  mit  den  ersten  Herbst- 
nebeln und  scheiden  wieder  bei  dem  ersten  Frost,  diese  oft  sehr  kurze 
Frist  und  die  Schwierigkeit  ihrer  Erhaltung  sind  Ursache,  dass  noch 
nicht  der  vierte  Theil  der  in  Württemberg  wahrscheinlich  vorkommenden 
bisher  wirklich  beobachtet  worden  ist ,  so  hat  der  Gustos  des  Vereins^» 
herbars  die  Pilzzeit  im  Herbst  1860  vom  21.  September  bis  28.  October 
benützt  und  in  den  Wäldern  um  Stuttgart  61  Pilzarten  gesammelt,  wo- 
von 15  noch   nicht    als   württembergisch    bekannt   waren   und  14  weitere' 


—    10    — 

dem  Vereinsherbar  noch  fehlten.  Auch  lieferte  ihm  in  diesem  Herbst 
der  vor  dem  Neckarthor  aufgehäufte  Schutt  den  nur  in  einzelnen  Jahren 
mit  langen  Intervallen  bei  Stuttgart  erscheinenden  Stadtgänsefuss ,  Cheno- 
jpodium  urhicuin  L, ,  und  der  Garten  eines  Freundes  als  verhasstes  Un- 
kraut den  Himmelthau,  Panicum  sanguinale  i. ,  der  den  Slaven  eine 
angenehme  und  nahrhafte  Grütze  liefert. 

Das  Vereinsherbar  ist  sonach  seit  dem  letzten  Rechenschaftsbericht 
um  124  Gewächse  bereichert  worden,  wovon  54  in  demselben  noch  fehl- 
ten und  23  neu  für  Württemberg  sind. 


Die    Yereinsbibliothek    hat    folgenden   Zuwachs    er- 
halten: 

a)    Durch  Geschenke: 

Ueber  die  Krystallfornien  des  zweifach  chromsauren  Ammoniak -Queck- 
silberchlorids. Von  Ritter  v.  Zepharovich.  (Separatabdruck 
von  den  Wiener  Sitzungsberichten).  Wien  1860.  80. 
Geschenk  vom  Verfasser. 
Address  delivered  at  the  Anniversary  Meeting  of  the  geological  Society 
of  London  on  the  17.  Febr.  18G0;  etc.  by  J.  Phillips  President 
of  the  Society.  "London  1860.  8^.  (Separatabdruck.  Quat.  Journ. 
Vol.  XVI.) 

Geschenk  vom  Verfasser. 
Die  Klassen  und  Ordnungen  des  Thierreichs ,  wissenschaftlich  dargestellt 
in  Wort  und  Bild.    Von  Dr.  H,  G.  Bronn.    Bd.  IL  Lief.  9—13. 
1860.  8<J. 

Vom  Verleger  zur  Anzeige  in  den  Jahresheften. 
Die    nutzbaren   Mineralien    Württembergs ,    zusammengestellt    von    Prof. 
Dr.  O.  Fr  aas.     Stuttgart  1860.  8». 
Geschenk  vom  Verfasser. 
Württembergische    naturwissenschaftliche    Jahreshefie.      Jahrgang    XVI. 
Heft  %  3.     1860.  80.     Jahrgang  XVII.     Heft  2,  3.     186L     8<>. 
Geschenk  vom  Verleger. 
Observations    on  the  Genus  Unio  etc.   by  Isaac   Lea.     With   25   Plates. 
Vol.  VIL     Philad.  1860.  fol. 

Geschenk  vom  Verfasser. 
Verhandlungen  des  naturhistorisch-medicinischen  Vereins  zu  Heidelberg. 
Bd.  IL  Nr.  2,  3. 

Geschenk  vom  Verein. 
Ueber  die  Krystallformen  des  essigsalpetersauren  Strontian  und  des  wein- 


—  11  — 

steiusauren  Kali-Litliion  von  Y.  Ritter  v.  Zepharovich.     Wien  1860, 
8^.     (Separatabdruck.     ^Yiene^  Sitzungsberichte). 
Geschenk  vom  Verfasser. 
Der  zoologische  Garten.     Organ  für  die  zoologische  Gesellschaft  in  Frank- 
furt, herausgegeben  von  Dr.  AVeinland.    Jahrgang  I.  etc.  7 — 12 
sammt  Index. 

Yom  Verleger  zur  Anzeige. 
Illustrazione  della  Mumia  peruviana  esistente  nel  civico  Museo  di  Milano 
letta    dal  Dottore   Emilio  Cornalia.     Milano    1860.     (Separatab- 
druck.) 

Vom  Verfasser  zur  Anzeige  in  den  Jahresheften. 
Denkschriften   der   k.  Bayer,    botanischen  Gesellschaft  zu  Regensburg. 
Bd.  IV.  Abth.  1,     Mit  9  Taf.     Regensb.  1859.     40. 
Von  der  Gesellschaft. 
Dritter  Jahresbericht  des  naturhistorischen  Vereins  in  Pas  sau  für  1859. 
Passau  1860.  8«. 

Yom  Verein. 
Bericht  über  Gründung  und  Thätigkeit    des  landwirthschaftlichen  Vereins 
zu  Nossen  in  Sachsen,    zur  Feier  des    25jährigen  Bestehens  des 
Vereins.     1860.     4^ 
Vom  Verein. 
Erster  Bericht    des   Offenbacher   Vereins    für  Naturkunde    über   seine 
Thätigkeit  von  seiner  Gründung  am  10.  März  1859  bis  zum  13.  Mai 
1860.     OfTenbach  1860.     8«. 
Vom  Verein. 

Denkschriften  der  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  Isis  zu  Dresden. 
Festgabe  zur  Feier  ihres  25jährigen  Bestehens.  Dresden   1860.  8^. 
Von  der  Gesellschaft. 

Jahresbericht    der    naturwissenschaftlichen  Section    der  KK.    mälirisch- 
schlesischen  Gesellschaft    für   Ackerbau,  Katur-    und   Landes- 
kunde für  1858  und  1859.     Brunn  1859.     8«. 
Von  der  Gesellschaft. 

Siluria.  The  history  of  the  oldest  Known  Rocks  containing  organic 
remains ,  with  a  brief  sketch  of  the  distribution  of  gold  over  the 
earth  by  Sir  R.  J.  Murchison.     London  1854.     8. 

Geschenk  von  Med.  Dr.   Theod.  Günther  in  Stuttgart. 

H.  Crosse,  Kotice  sur  les  Bulimes  de  la  Nouvelle  Caledonie  et  des- 
cription  de  deux  especes  nouvelles. 

H.  Crosse,  Observations  sur  le  genreCone  et  description  de  3  especes 
nouvelles. 

n.  Crosse,  Kote  sur  le  genre  Dibap  hus  et  description  d"une  nouvelle 
espece  de  Capulus.      (Extraits  Mag.  Zool.) 


12 


H.  Crosse,  Descriptions  de  Coquilles  nouvelles  (Extr.  Journ.  Conchyl.) 

Geschenke  vom  Verfasser. 
Zehnter  Jahresbericht    der  naturhistorischen  Gesellschaft    zu  Hannover 
von  Michaelis  1859  bis  dahin  ISGO.     Hannover  186Ö.     8^, 
Geschenk  von  der  Gesellschaft. 

Zwanzigster  Bericht  über  das  Museum  Francisco-Carolinum  nebst  15.  Lie- 
ferung der  Beiträge  zur  Landeskunde  von  Oesterreich  ob  Enns.. 
Linz  18G0.     80. 

Geschenk  von  Carl  Ehrlich. 
Das  Denkmal    L.  v.  Buchs  im  oberösterreichischen  Alpengebiete  von  Carl 
Ehrlich.     80. 

Geschenk  des  Verfassers. 
Die  Trinkwasser  von  Frankfurt  a.  M.  in  chemischer,  physiologischer  und 
hygieinischer  Beziehung  untersucht  u.  beleuchtet  v.  Dr.  G.  Kern  er» 
Geschenk  von  Apotheker  Kern  er. 
Bericht  über  die  Thätigkeit  der  St.  Gallischen  naturwissenschaftlichen 
Gesellschaft    während    der    Vereinsjahre    1858  —60.      St.    Gallen., 
1860.     8^ 

Geschenk  von  der  Gesellschaft. 


b)  Durch  Austausch  unser  er  Jahr  esh  efte,  als  F  ortsetzung: 

Zeitschrift  der  deutschen  geologischen  Gesellschaft,     Bd.  XL    Heft 

3.  4.  Bd.  XH.  Heft  1.  2.     Berlin  1859—60.     8. 
Neunter   und   zehnter  Jahresbericht    über    die  Wirksamkeit    des  Werner- 
Vereins  zur  geologischen  Durchforschung  von  Mähren  und  Schle- 
sien im  Vereinsjahr  1859  und  1860.     Brunn  1860—61.     40. 
Jahresbericht   der  naturforschenden  Gesellschaft   Graubündens.     Iseue 

Folge.     Jahrgang  V.     1858—59.     Chur  1860.     8«. 
Verhandlungen    der  KK,    zoologisch-botanischen  Gesellschaft    in  Wie  n. 

Jahrgang  1859.  1860.     Bd.  IX.  X.     Wien  1860.     80. 
The  Quaterly  Journal  of  the  geological  Society. 
Vol.  XVL  P.  2.  3.  4. 
„     XVIL  P.  1.  Nro.  62—65.     London  1860—61.     80. 
Natuurkundig  Tijdschrift  voor  Nederlandsch  Indie,    uitgegeven  door 
de  natuurk.     Vereeniging  in  Nederlandsch    Indie    onder  Hoofdre- 
daktie  van  Dr.  P.  Bleeker. 

-     Deel  XX.     Vierde  Serie  Deel  VL     Aflevering  1—6. 

„     XXI.  XXII.  5  „         „     I.  II,         „       1.  2.     Batftvift 
1859—60.     80. 


—    13    — 

Bulletin  de  la  Societe  geologique  de  France. 

XYI.     P^euill.  65—73. 
2feme   Serie.     Tome  XYII.         „        21—52. 

„     XYIII.         „         1—21.      Paris  1859  — 
1861.     80. 
Bulletins  de  TAcademie  Koyale    des  Sciences,    des  Lettres    et  des  Beaux 

Arts  de  Belgique.     28e  Annee.    2e  serie.    T.  VII.  YIII.     1859. 

Bruxelles.     8«. 
Annuaire    de    l'Acad.    Royale    etc.    de  Belgique.     1860.     26e    Annee. 

Bruxelles  1860.     8». 
Rymbybel   yan  Jacob    van  Maerlant,    met  Yorrede,  Varianten   van  Hss., 

Aenteekeningen  en  Glossarium ,  ob  Last  van  het  Gouvernement  en 

in  Naem  der  k.  Akademie  van  Wetenschappen ,  Lettern  en  fraeije 

Künsten,    voor   de   eerste  mael  uitgegeven    door  J.  David.     Deel 

L— III.     Brüssel  1858—59.     8«. 
Der  Naturen  Bloeme  van  Jacob  van  Maerlant,    met  Inleiding,   Varianten 

van  Hss.  etc.  voor  de  eerste  mael  uitgegeven  door  J.  H.  Bormans. 

Deel  L     Brüssel  1857.     80. 
9r,  lOr  und  19r  über  das  Museum  Francisco-Carolinum.     Linz  1847.  48. 

59.     4P. 
8r  Bericht    der  .Oberhessischen    Gesellschaft    für   Natur-    und  Heilkunde. 

Gi  essen  1860.     8«. 
13r  Bericht  des  naturhistorischen  Vereins    in  Augsburg.     Veröffentlicht 

im  Jahre  1860.     8«. 
26r  Jahresbericht    des  Mannheimer   Vereines    für   Naturkunde.     Mann- 
heim 1860.     80. 
Annales  des  Sciences  physiques  et  naturelles  d'Agriculture    et  d'Industrie 

publiees  par  la  Soc.  imper.    d'Agriculture  etc.    de  Lyon.     3e  ser. 

T.  II.  III.     1858—59.     80. 
Memoires  de  TAcademie  imper.  des  sciences,  belles-lettres  et  arts  de  Lyon. 

Classe  des  Sciences.     T.  VIII.  IX. 

„         „     Lettres.     Nouv.  ser.     T.  VIL     Lyon  1858—59.     80, 
YVürttembergische  Jahrbücher   für  vaterländische  Geschichte,  Geographie, 

Statistik    und    Topographie ,    herausg.   v.   k.   stat.  topogr.  Bureau. 

Jahrg.  1858.     Heft  1.  2.     1860.     80. 
Memoires    de    la   Societe    Linneenne    de  Normandie.     Annees    1856 — 59. 

Vol.  XI.     Paris  1860.     40. 
Memoires  de  la  Soc.  imp.  des  sciences  naturelles  de  Cherbourg.     T.  VI. 

VU.     1858.  59.     Paris  1859—60.     80. 
37r  Jahresbericht  der  Schlesischen  Gesellschaft  für  vaterländische  Kultur. 

Enthält  Arbeiten  und  Veränderungen  der  Gesellschaft  im  J.  1859. 

Breslau.     40. 


14 


Smithsonian  Contributions  of  Knowledge.    Vol,  XI.    "Wasliingt.   1860.  foJ, 
Report  of  the  Commissoner   of  Patents  for  the  Year  1858.  59.     Agricul- 

ture.     Wash.  1859—60.     8». 
Chek  Lists  of  the  Shells    of  North  America.     Prepared    for   the  Srnithso- 

nian  Institution  by  J.  Lea  etc.     Wash.   1860.     80. 
Instructions   in   referrence    to  coUecting  Nests   und  Eggs   of  N.    american 

Birds.     1860.     80. 
Proeeedings  of  the  American  Association  for  the  Ad\ancement  of  Science. 

XIII.     Meeting.     Aug.  1859.     Cambridge  1860.     8«. 
Boston  Journal  of  natural  history.     Yol.  V.     Boston  1847. 

„  YII,  1.     „      1859.     80. 
Proeeedings  of  the  Boston  Society  of  nat.  bist.    Yol.  YII.    Bog.  13.  14.  15. 
Proeeedings  of  the  Acad.    of  nat.  Sciences    of  Philadelphia  for    1859. 

p.  271—355.     1860.  p.  1—96.     Phil.     8«. 
Jaarboek  van  de  k.  Akademie  van  Wetenschappen  te  Amsterdam  Yoor 

1859.  80. 

Yerslagen  en  Mededeelingen  der  k.  Akademie  van  "SYetenschappen.  Afdeel. 

Natuurkunde  Deel  X.     Amsterd.    1860.    80. 
Catalogus    van    de   Boekerij  der    k,  Akad.   v.    \Yetensch.    te  Amsterdam» 

Deel  I.    Stuck  2.    Amsterd.  1860.    80. 
Yerslag  over  den  Paalworm ,    nitgegeven  door  de  natuurk.  Afdeeling  der 

k.  Akad.  v.  Wetensch.    Amsterd.  1860.    80. 
Abhandlungen  der  naturforschenden  Gesellschaft  zu  Halle.    Bd.  Y,    Heft 

2—4.     Halle  1860.     40. 
Jahrbuch  der  kk.  geologischen  Reichsanstalt.    Jahrg.  XI,  1.    1860.    AYien 

1860.  80. 

Bulletin   de  la  Soc.    imp^r.    des  Naturalistes    de  Moscou.    1859,  2 — 4» 

1860,  1.    Moscou  1859—60.     80. 
Nouveaux  Memoires  de  la  Soc.  imper.    des  Natural*   de  Moscou.     T.  XL 

XII.  XIII.    (—  T.  XYII.  XYIII.  XIX,    de  la  Collection)    Moscou 

1859—60.    40. 
Yerhandlungen    der    naturforschenden    Gesellschaft    in   Basel.      Bd.    H, 

Heft  4.     Basel  1860.     80. 
Annales  de  l'Observatoire  physique  central  de  Russie  etc.    par  Kupfer, 

Annee  1857.    nr.  1.   2.     St.  Petersb.  1860.     40. 
Compte-Rendu    aimuel  etc.  par  Kupfer,     Annee    1858.     St.    Petersburg 

1860.    40, 
Recherches  experimentales    sur  Telasticite   des  metaux  faites    a  Tobserva- 

toire  physique  central  de  Russie  par  Kupfer.    T.  I.    St.  Petersb, 

1860,     4P, 
Abhandlungen   der  naturforschenden  Gesellschaft   zu  Görlitz.     Band  X. 

Görlitz  1860.    8. 


—    15    — 

Jahresberichte  über  die  Fortschritte  der  Chemie,  Physik,  Mineralogie  und 

Geologie.     Bericht  über  die  Fortschritte  der  Chemie  und  verwand. 

ter  Theile  anderer  Wissenschaften.    Für  1859.      Giesscn  1860.    8» 
Sitzungsberichte    der  kais.  Akademie    der  "Wissenschaften.     Math,   natur- 

wissensch.  Klasse.     Bd.  38—42.     Wien  1859-60.     8^. 
Mathematische,  desgl.  Physikalische  Abhandlungen  der  k.  Akademie  der 

Wissenschaften  in  Berlin.     Aus  dem  Jahre  1859.     4P. 
Memoires  de  la  Societe  Royale  des  sciences  de  Liege.     T.  XV.    Liege. 

1860.     80. 
Bulletin  de  la  Soc.  d'hist.    natur.    du  Depart.   de  la  Moselle,     Cah.  9. 

Metz  1860.     80. 
Verhandlungen  des  naturhist.  Vereins  der  preussischen  Rheinlande 

und  Westphalens.     Jahrg.  XVIL     Heft  1.  2.    Bonn  1860.    80. 
W^ürzburger    naturwiss.  Zeitschrift.     Herausg.    v.    d.  physik. -medicini- 

schen  Gesellschaft.     Bd.  I.  Heft  2—4.     Würzburg  1860.     80. 
Bulletin  de  la  Societe  Vau dois  e  des  sciences  naturelles.   T.  VL  Nr.  47. 

Laus.  1860.     80. 
Correspondenzblatt    des  zoologisch-mineralogischen   Vereins    in    Regens- 
burg.    Jahrg.   14.     Regensburg  1860.     SO. 
Jahresbericht    der  Wetterauer  Gesellschaft  für    die  gesammte  Naturkunde 

in  Hanau  pro  1858—60.     Hanau  1861.     80. 
Memoires  de   la  Societe   des   sciences   naturelles    de  Neuchatel.     T*  L 

n.  HI.     Neuch.  1835-46.     4o. 
Monatsberichte  der  k.  preuss.  Akademie  der  Wissensch.  zu  Berlin.  1857. 

Jan.  —  Aug.  1860.     Berlin  1861.     80. 

Register  vom  J.  1836—1858.     Berlin  1860.     80. 
Uebersicht  der  Witterung  im  nördl.  Deutschland  nach  den  Beobachtungen 

des  meteorologischen  Instituts  zu  Berlin.    Jahrg.  1859  u.  1860.  40. 
Bulletin  de  la  Societe  Linneenne  deNormandie.  Vol.  V.  Annee  1859 — 60. 

Caen  1861. 
Tübinger  Universitätsschriften  aus  dem  Jahre  1860.    Tübingen  1861.    40. 
VII.   Zuwachsverzeichniss     der    k.    Univ.   Bibliothek    zu   Tübingen    1859 
-60.     40. 

7  Medicinische  Dissertationen  80  und  40. 
Die  Metamorphose  des  Caryoborus  (Bruchus)  gonagra  Fabr.  mit  Abb.  von 

H.  L.  Elditt.     (Von  der  k.  phys.-öcon.  Gesellsch.  in  Königsberg 

dem  Prof,  Dr.  Rathke   zum  25jährigen  Jubiläum    gewidmet.)     Kö- 
nigsberg 1860.     40. 

c)  Durch  erst  in  diesem  Jahre  eingeleiteten  Tauschverkehr: 

Mittheilungen  des  Vereins  nördlich  der  Elbe  zur  Verbreitung  naturwissen- 
schaftlicher Kenntnisse.    Heft  1—4,     Kiel  1857—60.     8«. 


—    16    — 

Schriften  der  k.  physikalisch -öconomisclien  Gesellschaft  zu  Königsberg, 
Jahrg.  I.     Abth.  1.     Königsberg  1860.     40. 

Der  zoologische  Garten.  Organ  für  die  zoologische  Gesellschaft  zu  Frank- 
furt. Herausg.  von  Dr.  D.  F.  Weinland.  Jahrg.  II.  Nr.  1—6. 
1861.     80. 


Hospitalverwalter  Seyffardt  übergab  als  Kassier  des  Ver- 
eins folgenden 

Kechnungs-Abschluss  für  das  Jahr  1860 — 61 

der  in  seiner  Abwesenheit  von  Prof.  Dr.  Krauss  vorgelesen  wurde. 

Meine  Herren! 
Nach  der  revidirten  und  abgehörten  17.  Rechnimg  pro  1.  July 
1860  —  61  betragen 

die  Einnahmen 
A.  Reste. 

1)  Rechners  Kassenbestand  auf 

30.  Juni  1860 17  fl.  38  kr. 

2)  Activ-Ausstände       ....         2  fl.  42  kr. 

20  fl.  20  kr. 
B.  Grundstock. 

Heiiibezahlte  Kapitalien 1000  fl.  —  kr. 

C.  Laufendes. 

1)  Activ-Kapital-Zinse      .     .     .     156  fl.  14  kr, 

2)  Beiträge  von  den  Mitgliedern  1066  fl.  30  kr. 

3)  Staats-Beitrag 75  fl.  —  kr. 

4)  Ausserordentl.  Einnahmen    .       46  fl.  32  kr. 

1344  fl.   16  kr. 
Haupt-Surame  der  Einnahmen 
—  :•    2364  fl.  36  kr. 

Ausgaben. 
A.  Reste.  —    fl.  —  kr. 

B.  Grundstock. 
Kapitalien  gegen  Verzinsung  hiugeliehen     .     .     1100  fl.  —  kr. 


—    17    — 

C.  Laufendes. 

1)  Für  Vermehrung  der  Samm- 
lungen        173  fl.  59  kr, 

2)  Buchdrucker-   und  Buchbin- 
derkosten   870  fl.     S  kr. 

3)  fürMobilien 11  fl.  48  kr. 

4)  für  Schreibmaterialien,   Ko- 
pialien, Porti  etc 42  fl.  31  kr. 

5)  Bedienung ,      Reinigungsko- 
sten, Saalmiethe  etc.       .     .     155  fl.  38  kr. 

6)  Steuern  etc 11  fl.  2G  kr. 

7)  Ausserordentliche   Ausgaben         3  fl.  20  kr. 


1268  fl.  50  kr. 
Haupt-Summe  der  Ausgaben 

—  :•    2368  fl.  50  kr. 
Werden  von  den  Ausgaben  im  Betrage  von     2368  fl.  50  kr. 
die  Einnahmen 2364  fl.  36  kr. 


abgezogen,  so  erscheint  am  Schlüsse  des  Rech- 
nungsjahrs ein  Guthaben  des  Rechners  von 
4  fl.  14  kr. 

Vermögens  -  Berechnung. 

Kapitalien 4036  fl.  —  kr. 

Hie  von  ab  Guthaben  des  Rechners    ....  4  fl.  14  kr. 


Rest,  Vermögensstand  auf  1.  July  1861      .     .     4031  fl.  46  kr. 
Da  derselbe  vom  l.July  1860 3956  fl.  20  kr. 

betrug,  so  stellt  sich  gegenüber  dem  Vorjahre 
eine 

Vermögens -Zunahme 

von  —  :•    75  fl.  26  kr. 
heraus. 

Nach  der  vorigen  Rechnung  war  die  Zahl  der  Mitglieder  und 
Actien  388.  Iliezu  die  neu  eingetretenen  Mitglieder,  nämüch  die 
Herren : 

Wiirttemb.  naturw.  Jahresheftc.     1862.     Is  Heft.  ^ 


—    18    — 

Professor  Dr.  Strecker  von  Tübingen , 

Graf  Otto  v.  SalmHoogstraeten, 

Oekonom  Chr.  Hai  dien  auf  dem  Schaichliof, 

Revierförster  Pfitzenmaier  von  Bebenhausen, 

Forstassistent  P  r  e  s  eh  e  r  von  Bebenhausen , 

Apotheker  K  e  r  n  e  r  in  Besigheim , 

Oberförster  Paulus  von  Zwiefalten , 

Revierförster  Tritschler  von  Schussenried, 

Binkhorst  van  den  B  i n k h  or  s t  von  Mastricht , 

Chemiker  H  a  1  b  r  e  i  t  e  r  von  Heilbronn, 

Director  F  ü  r  e  r , 

Collegienrath  Dr,  v.  Buch  holz, 

Dr.  Kleinertz  von  Herrenalb, 

Director  Leidenfrost, 

Apotheker  S  u  c  r  o  von  Langenburg , 

Georg  Heinrich  S  ch  ö  t  tl  e, 

Oberregierungsrath  B  i  t  z  e  r , 

Dr.  Th.  Günther, 

Werkmeister  Arnold, 

Dr.  Dulk, 

Oberjustitzrath  Köstlin, 

Richard  Schaeuffelen  von  H  e  i  1  b  r  o  n  n , 

Apotheker  Walter, 

Reallehrer  Albert  Fischer, 

Salineninspector  Schlönbach  in  Salzgitter, 

van  Carp  aus  Holland, 

Apotheker  Finckh, 

Inspector  Schub  1er  von  Esslingen, 


Zusammen    28 


— :•   416 
Hievon  ab  die  ausgetretenen  Mitglieder ,  und  zwar  die  Herren : 
Oberförster  v.  Fromm  von  Esslingen, 
Fabrikant  Dr.  Weidenbusch  von  Darmstadt, 
Holzverwalter  W  a  1  c  h  e  r  von  Wolfegg , 
Hofrath  v.  Sauce  rotte  von  Strasburg, 
Flossinspector  K  u  1 1  r  o  f  f  von  Calmbach , 


19 


Freiherr  Ferd.  v.  Hörnst  ein  von  Weiterdingen, 
Revierfürster  J  a  e  g  c  r  von  Lichtenstern ,     - 
Stadtbaumeister  Fritz, 
Repetent  Wagner  von  Schönthal, 
Posamentirer  W,  A.  B  r  u  n  n  a  r  i  u  s , 
Apotheker  Fr.  N  e  i  d  h  a  r  d  t , 

Dr,  Hall  wachs, 12 

die  gestorbenen  Mitglieder,  nämlich  die  Herren: 
Professor  H  o  c  h  s  t  e  1 1  e  r  von  Esslingen , 
Kaufmann  Weiler, 
Mechanikus  S  e  e  g  e  r , 

Professor  Dr.  Schlossberger  von  Tübingen , 
Oberfinanzrath  von  Nördlinger, 
Apotheker  G.  R  o  s  e  r  von  Hall, 
Oberjägermeister  v.  Hill  er  von  Gärtringen, 
Apotheker  Hahn  v.  Güglingen , 
Revierförster  Riegel  von  Adelmannsfelden,     9 

21 


über  deren  Abzug  die  Zahl  der  Mitglieder  und  Actien  am  Rech- 
nungsschluss  beträgt  395 ,  somit  Zunahme  gegen  fernd  7  Mitglieder 
und  Actien. 

Wahl  der  Beamten. 
Der  erste  Vorstand,  Professor  Dr.  v.  R a p p  in  Tübingen, 
der  zweite  Vorstand,   Oberstudienrafth  Dr.  v.  Kurr  in  Stuttgart, 
sowie  die  statutengemäss  austretenden  Ausschussmitglieder 
wurden  durch  Acclamation  wieder  gewählt. 

DerAusschuss   besteht  somit  aus  folgenden  Mitgliedern: 
Zurückgebliebene: 
Oberreallehrer  Dr.  Blum  in  Stuttgart, 
Finanzrath  Eser  in  Stuttgart, 
Professor  Dr.  Fleischer  in  Hohenheim, 
Professor  Dr.  Fr  aas  in  Stuttgart, 
Obermedicinalrath  Dr.  v.  Jäger  in  Stuttgart, 
Professor  Dr.  Köstlin  in  Stuttgart, 


-     —   20    — 

Oberstudienratli  Dr.  v.  Kurr  in  Stuttgart, 

Finanzrath  Dr.  Zell  er  in  Stuttgart, 
Wiedergewählte  : 

Professor  Dr.  v.  Fehl  in  g, 

Medicinalrath  Dr.  Hering, 

Generalstabsarzt  Dr.  v.  Klein, 

Professor  Dr.  Krauss, 

Kanzleirath  v.  M  a  r  t  e  n  s , 

Dr.  W.Menzel, 

Bergrath  Dr.  v.  S  ch  ü  b  1  e  r , 

Hospitalverwalter  Seyffardt,  sämmtlich  in  Stuttgart. 
Zu  Ergänzungs-Mitglieclern  des  Ausschusses  wur- 
den in  der  Sitzung  des  Ausschusses  vom  5.  September  gewählt : 

Professor  C.  W.  Baur, 

Oberjustizrath  Gmelin, 

Chemiker  Haas, 

Chemiker  Dr.  M  a r x , 

Dr.  Paul  Zech,  sämmtlich  in  Stuttgart. 
In  eben  derselben  Sitzung  des  Ausschusses  wurden  die  bishe- 
rigen Secretäre,   Generalstabsarzt  Dr.  v.  Klein  und  Professor 
Dr.  Krauss,  sowie   der  bisherige  Kassier,   Hospitalverwalter 
Seyffardt  ersucht,  ihre  Aemter  beizubehalten. 

Die  Versammlung  schritt  alsdann  zur  Wahl  des  Ortes  für  die 
nächste  Generalversammlung.  Es  wurde  Esslingen  und 
Fabrikant  Karl  D  e  f  f  n  e  r  zum  Geschäftsführer  erwählt. 

Nekrologe. 

Nekrolog  des  Herzogs  Paul  Wilhelm  Friedrich  v  o  n  W  ü  r  t- 
t  e  m  b  e  r  g ,  vorgetragen  von  Oberstudienrath  Dr.  v.  Kur  r. 

IcLi  erfülle  heute  eine  ebenso  schmerzliche  als  ehrenvolle 
Pflicht ,  wenn  ich  es  versuche ,  ein  gedrängtes  Bild  von  dem  lieben 
und  Wirken  eines  Mannes  zu  entwerfen,  dessen  Namen  seitdem 
Entstehen  unseres  Vereins  unter  der  kleinen  Zahl  seiner  Ehren- 
mitglieder geglänzt,  wie  er  in  der  Reihe  reisender  Naturforscher 
von  jeher  eine  ehrenvolle  Stelle  eingenommen  hat.  Wenn  Fürsten 
Kunst  und  Wissenschaft  fördern  und  beschützen,  so  hat  es  immer 


21 


die  Mit-  und  Nachwelt  mit  gebührendem  Dank  erkannt,  wenn 
sie  aber  selbstlhätig  sich  dabei  erweisen ,  ja  Gut  und  Bhit  dafür 
einsetzen  und  den  schönsten  Theil  ihres  Lebens  der  "Wissenschaft 
aufopfern,  so  verdient  diess  gewiss  in  noch  höherem  Grad  unsere 
Anerkennung,  denn  dadurch  wird  die  Wissenschaft  nicht  nur  ge- 
ehrt, sondern  auch  wesentlich  erweitert  und  gefördert. 

S.  Höh.  Herzog  Paul  Wilhelm  Friedrich  von  Württemberg  war 
der  zweite  Sohn  des  verewigten  Herzogs  Eugen  Friedrich  Hein- 
rich von  Württemberg  aus  dessen  dritter  Ehe  mit  der  verewigten 
Frau  Herzogin  Louise,  gebornen  Prinzessin  von  Stolberg-Godern 
und  wurde  geboren  den  25.  Juni  1797. 

Er  erhielt  seine  Erziehung  in  Stuttgart  unter  der  Vorsorge 
des  verewigten  Königs  Friederich,  welcher  es  sich  zur  Pflicht 
machte,  ihm  die  besten  Lehrer  zu  verschaffen.  Ausser  den  Spra- 
chen zog  ihn  besonders  der  Unterricht  des  Professor  Lebret,  eines 
in  der  Schule  Cuvier's,  Jussieu's,  Hauy's  und  Gay-Lussac's  heran- 
gebildeten Mannes,  an,  welcher  ihm  eine  gründliche  Anleitung  zum 
Studium  der  Naturwissenschaften  gab  und  die  Seele  des  Schülers  für 
die  Naturgeschichte  insbesondere  zu  begeistern  verstand.  Schon  im 
Mai  1S06  ernannte  ihn  sein  königlicher  Oheim  zum  Hauptmann 
ä  la  suite  in  seiner  Garde.  Ob  und  wie  lange  er  in  dem  activen 
Dienststand,  wissen  wir  nicht.  Am  20.  Mai  1817  trat  er,  bereits 
zum  Generalmajor  befördert,  aus  und  widmete  sich  von  nun  an 
ausschliesslich  dem  Studium  der  Naturgeschichte ,  so  dass  er  schon 
im  October  1822  seine  erste  Reise  nach  dem  nördlichen  Amerika 
antreten  konnte;  dieselbe  dauerte  bis  Dezember  1824  und  wurde 
in  Begleitung  eines  der  Jagd  kundigen  Dieners  ausgeführt.  Sie 
erstreckte  sich  über  die  Länder  am  Mississippi ,  Ohio  und  Missouri 
und  wurde  zu  naturhistorischen  und  ethnographischen  Beobachtun- 
gen aller  xVrt,  sowie  zum  Einsammeln  von  Mineralien,  Pflanzen 
und  Tliiercn  aus  allen  Classen,  besonders  aber  von  Vögeln,  ver- 
wendet, welche  ihn  immer  ganz  besonders  anzogen.  Die  Ergeb- 
nisse dieser  mit  grossen  Strapazen  und  mancherlei  Fährlichkciteu 
verbundenen  Reise  wurden  in  einer  Schrift :  „Erste  Reise  nach  dem 
nördlichen  Amerika  in  den  Jahren  1822—24,  Stuttgart  Cotta  1835" 
niedergelegt,  welche,  in  Form  eines  Tagebuchs  abgefasst  und  von 


—    22    — 

einer  schonen  Karte  begleitet ,  den  Beweis  liefert ,  dass  der  Rei- 
sende niclit  nur  zu  beobachten  und  zu  sammeln ,  sondern  auch  zu 
schildern  verstand,  und  dass  sein  menschenfreundliches  Betragen 
ihm  überall  Eingang  und  Anerkennung  verschaffte.  Am  17.  April 
1827  vermählte  er  sich  mit  der  Prinzessin  Sophie  Dorothea 
Caroline  von  Thurn  und  Taxis ,  und  erhielt  das  vormals  deutsch- 
meistersche  Schloss  Mergentheim  zur  Residenz  angewiesen ,  wo  er 
hinlänglich  Raum  fand ,  seine  ersammelten  Naturalien  aufzustellen 
und  zu  ordnen.  Aus  dieser  Ehe  ist  ihm  ein  Sohn,  Herzog  Maxi- 
milian, geblieben,  welcher  den  3.  September  1828  geboren  wurde. 
Im  Jahre  1829  unternahm  er  seine  zweite  Reise  nach  Amerika 
und  durchforschte  bis  1832  die  nördlichen  Provinzen  von  Mexico, 
die  angrenzenden  Theile  der  Vereinigten  Staaten  und  die  noch 
wenig  bekannten  Inseln  und  Küsten  des  mexicanischen  Meerbusens. 
Als  im  J-ahre  1834  die  deutschen  Naturforscher  undAerzte  in  Stutt- 
gart ihre  Versammlung  hielten  und  er  selbst  persönlich  zu  erschei- 
nen verhindert  war,  wurde  in  seinem  Auftrag  ein  Theil  seiner 
Zeichnungen  und  Beobachtungen  denselben  vorgelegt,  welche  all- 
gemeine Anerkennung  fanden.  Im  September  1839  unternahm  er 
eine  Reise  in  die  theilweise  noch  unerforschten  Länder  des  obern 
Nil,  indem  er  sich  an  eine  militärische  Expedition  anschloss,  welche 
der  Vizekönig  von  Egypten,  Mehemed  Ali,  unternehmen  Hess,  von 
dessen  Seite  ihm  auch  die  freundlichste  Unterstützung  zu  Theil 
wurde.  Dieselbe  erstreckte  sich  über  Oberegypten ,  Nubien  und 
einen  Theil  von  Fazogl,  und  bot  dem  erlauchten  Reisenden  viel- 
fachen Stoff  dar,  geographische,  physikalisch-meteorologische  und 
naturhistorische  Beobachtungen  anzustellen  und  seine  Sammlungen 
zu  erweitern.  Im  August  1840  kehrte  er  vielfach  befriedigt  zurück 
und  nun  galt  es  die  reichen  Schätze  näher  zu  untersuchen  und  zu 
ordnen.  Dazwischen  folgten  kleinere  Reisen  nach  Algerien ,  Eng- 
land, Frankreich  und  Oesterreich;  auch  nahmen  ihn  Arbeiten  bei 
der  Kammer  der  Standesherren ,  deren  Mitglied  er  war ,  vielfach 
in  Anspruch.  Im  Frühjahr  1849  wurde  eine  dritte  Reise  nach 
Nordamerika  gemacht,  welche  sich  bis  zum  Herbst  1856  verlän- 
gerte; er  reiste  über  Bremen  nach  New-Orleans,  Texas,  Durango 
und   Mazatlan,    sodann    über    den  Isthmus  von  Panama,   durch- 


23 


kreuzte  die  östlichen  und  nördlichsten  Theile  der  Vereinigten 
Staaten,  die  Felsengebirge ,  später  auch  Südcarolina,  und  wollte 
auch  noch  nach  Australien  abgehen ,  allein  das  Schiff,  welches  er 
zu  diesem  Behufe  in  Xew-York  bestiegen  hatte ,  musste  in  Brasilien 
landen,  und  er  sah  sich  nun  veranlasst,  von  Bahia  aus  Rio  Janeiro, 
Montevideo  und  Uruguaj"  zu  besuchen.  Als  ihm  hierauf  von  dem 
Befehlshaber  der  französischen  Station  im  Laplata  Gelegenheit  ge- 
boten wurde,  durch  die  Maghellanische  Meerenge  an  die  Westküste 
von  Südamerika  zu  gelangen,  benützte  er  dieselbe,  um  der  Reihe 
nach  Chile,  Bolivia,  Peru  und  Ecuador  zu  besuchen.  Abermals 
durchzog  er  die  Landenge  von  Panama,  durchforschte  das  Ufer- 
gebiet der  südlichen  vereinigten  Staaten ,  einen  Theil  von  Canada 
und  das  Oregon-Gebiet,  zuletzt  noch  Florida,  bis  er  im  Herbst 
1S56  glücklich  und  reichlich  beladen  mit  Schätzen  zurückkehrte. 
Sein  Aufenthalt  in  Europa  wurde  theils  in  Bremen ,  theils  zu  Carls- 
ruhe in  Schlesien  zugebracht  und  dann  eine  abermalige  Reise  nach 
dem  untern  Mississippi  unternommen ,  um  weitere  Untersuchungen 
über  das  Delta  anzustellen.  Im  Jahr  1S58  sehen  wir  ihn  im  Begriff 
das  Endziel  seiner  ^Yünsche ,  Australien  zu  besuchen,  so  dass  er 
am  10.  August  1858  von  Melbourne  aus  berichten  konnte,  er  sei 
nach  einer  glücklichen  Fahrt  von  94  Tagen  glücklich  in  der  Phi- 
lippsbay  auf  Xeuholland  angekommen.  Von  hier  aus  gedachte  er 
der  Reihe  nach  Adelaide,  New-Sidney,  Neu-Seeland,  Tasmanien, 
die  Sundainseln,  Ceylon  und  China  zu  besuchen  und  dann  über 
Egypten  zurückzukehren,  was  auch  zu  Anfang  des  Jahrs  1859  ge- 
schah. Nach  seiner  Rückkehr  wurde  eifrig  an  dem  Ordnen  seiner 
umfassenden  Manuscripte  und  Sammlungen  gearbeitet.  Im  Novem- 
ber 1860  kehrte  er  aus  Carlsruhe  in  Schlesien  nach  Mergentheim 
zurück,  am  21.  November  erkrankte  er  und  erlag  am  25.  desselben 
einer  kurzen ,  aber  schmerzlichen  Krankheit ,  ohne  die  Freude  er- 
lebt zu  haben ,  die  Ergebnisse  seiner  vielfachen  Mühen  und  Stra- 
pazen in  gewünschter  Ordnung  aufgestellt  zu  sehen  und  zum  Ge- 
meingut der  Wissenschaft  gemacht  zu  haben.  Seine  Sammlungen 
erstrecken  sich  nicht  nur  auf  geographische ,  ethnographische  und 
antiquarische  Gegenstände ,  sondern  auch  auf  alle  Zweige  der  Mi- 
neralogie, Geognosie,  Botanik  und  Zoologie  und  bieten  daher  den 


—    24    — 

Besuchern  des  Schlosses.  Mergentheim,  wo  sie  aufbewahrt  sind, 
vielfaches  Interesse  dar.  Seine  hinterlassene  Bibliothek  und  viele 
Mappen  mit  den  werthvollsten  Zeichnungen  ausgestattet,  sowie 
die  zahlreichen  Manuscripte  des  Verewigten  verdienen  sicher  auch 
in  weiteren  Kreisen  bekannt  zu  werden.  Hoffen  wir,  dass  alle 
diese  Schätze  unserem  engeren  Vaterland  erhalten  werden! 

Herzog  Paul  war  ein  stattlicher,  eben  so  liebenswürdiger  als 
vielseitig  gebildeter  und  kenntnissreicher  Mann,  dessen  Freundlich- 
keit und  Wohlvvollen  nicht  allein  näherstehende  Freunde  und  Be- 
kannte ,  sondern  auch  Fremde  und  Nothleidende  zu  gemessen 
hatten.  So  traf  er  z.  B,  auf  seiner  letzten  Reise  über  den  Isthmus 
einen  jungen  Landsmann ,  welcher  aus  Californien  zurückkehrend, 
nicht  nur  alle  seine  Habseligkeiten,  sondern  auch  seine  Gesundheit 
eingebüsst  hatte.  Kaum  war  der  Herzog  davon  in  Kenntniss  ge- 
setzt, so  suchte  er  den  Kranken  auf,  verschaffte  demselben  die 
nöthige  Pflege  und  verliess  ihn  nicht  eher,  bis  er  ihn  hergestellt 
sah  und  mit  Mitteln  für  seine  Weiterreise  versehen  hatte.  Sein 
Name  wird  in  den  Jahrbüchern  der  Naturwissenschaften  und  der 
Länder-  und  Völkerkunde  stets  unvergessen  bleiben. 

Nekrolog  des  Oberfinanzraths  v.  Nördlinger,  vorgetragen 
von  Finanzrath  Dr.  Zell  er. 

Meine  Herren !  Bald  ist  ein  Jahr  vorüber  seit  aus  unserer  Mitte 
der  Nestor  dieses  Vereins  geschieden  ist,  ein  Mann  ,  der  wie  jener 
alte  Grieche  nicht  bloss  drei  Menschenalter  durchlebte,  sondern 
auch  bis  tief  in  das  dritte  hinein  eine  körperliche  und  geistige 
Frische  bewahrt  hat,  um  die  manche  Jüngeren  ihn  beneiden  moch- 
ten. Die  eigenthümliche  Art ,  wie  sein  Talent  unter  gedrückten 
äusseren  Verhältnissen  sich  Bahn  gebrochen  und  die  vielseitige 
Thätigkeit ,  womit  er  viele  Jahre  lang  in  verschiedenen  Berufszwei- 
gen gewirkt  hat ,  werden  es  rechtfertigen ,  wenn  ich  mir  erlaube, 
Ihnen  aus  seinem  Lebenslauf  nach  den  veröffentlichten  Nekrologen 
und  seinen  von  der  Familie  des  Entschlafenen  mir  freundlich  mitge- 
theilten  eigenen  Aufzeichnungen  Einiges  vorzutragen. 

Am  28.  September  1771  wurde  dem  Bortenmacher  Christoph 
Friedrich  Nördlinger  in  Pfullingen  sein  erstes  Kind ,  Julius  Simon, 


geboren,  mit  dem  er  im  folgenden  Jahr,  um  besseren  Fortkommens 
willen,  nach  Tübingen  übersiedelte.  Der  Knabe,  durch  Fleiss  und 
Talent  ausgezeichnet,  war  in  allen  Klassen  der  lateinischen  Schule, 
die  er  besuchte,  fast  immer  der  Erste  und  konnte  als  eine  Selten- 
heit von  sich  rühmen,  dass  er  ganze  Jahreskurse  ohne  Anwendung 
des  damals  vorherrschenden  hölzernen  Zuchtmittels  durchlaufen 
habe.  Der  dem  hervorragenden  Schüler  sehr  gewogene  Rector 
Schmid  suchte  zu  bewirken,  dass  sein  Vater  ihn  studir^n  lasse;  in- 
dessen hatte  der  Junge  selbst  keine  Lust  dazu,  weil  ihm  bei  den 
beschränkten  Mitteln  seiner  Eltern  nur  das  durch  die  unentgelt- 
liche Yerpfiegung  in  den  Seminarien  erleichterte  Studium  der  Theo- 
logie ,  das  ihm  nicht  zusagte,  in  Aussicht  stand.  Er  wurde  nun  im 
Alter  von  14  Jahren  als  Bortenmacher-Lehrling  bei  seinem  Vater 
eingeschrieben.  Allein  das  Handvrerk ,  obgleich  er  es  mit  Fleiss 
und  Gründlichkeit  erlernte,  befriedigte  ihn  nicht.  Er  hatte  be- 
sondere Anlage  zum  Zeichnen  und  zur  Mathematik.  In  jenem 
bildete  er  sich  weniger  durch  den  dürftigen  Unterricht,  den  er  um 
2  —  3  kr.  für  die  Stunde  erhielt,  als  durch  gemeinschaftliche  Ue- 
bung  mit  einigen  strebsamen  Freunden  aus,  zu  denen  gewöhnlich 
die  Sonntags-Xachmittage  verwendet  wurden ,  während  A'ormittags 
anstrengende  Spaziergänge  den  Grund  zu  der  kräftigen  Körperbe- 
schaffenheit legten,  durch  welche  der  in  den  Knabenjahren  eher 
schwächliche  und  viel  von  Kinderkrankheiten  heimgesuchte  Mann 
später  sich  auszeichnete.  Mathematische  Studien  trieb  Nördlinger 
theils  in  seiner  Dachkammer  bei  Mondschein,  theils  während  er  am 
Stulil  arbeitete;  denn  er  hatte  sich  angewöhnt,  neben  der  Web- 
arbeit Bücher  zu  lesen.  Treulich  stand  ihm  hiebei  sein  Freund 
Buzengeiger,  nachher  Professor  der  Mathematik  in  Freiburg  ,  zur 
Seite.  Der  Hang  zur  Malerei  veranlasste  in  Nördlinger  den  Wunsch, 
in  die  hohe  Karlsschule  aufgenommen  zu  werden;  als  er  aber  einst 
seinen  Vater  wie  zufällig  fragte,  was  wohl  geschehen  könnte,  wenn 
ein  junger  Mensch  persönlich  den  Herzog  um  Aufnahme  bäte  und 
ihm  die  Antwort  wurde:  „wenn  er  so  gross  wäre,  wie  du,  könnte 
er  wohl  in  die  Legion  (die  damalige  Leibgarde)  gesteckt  werden," 
vergingen  ihm  alle  derartige  Gedanken. 

Vom  17.  Jahr  an  wurde  Nördlinger  von  seinem  Vater  von  Zeit 


26 


zu  Zeit  auf  Reisen  geschickt ,  um  Seidehandel  zu  treiben ;  im  Jahr 
1792  ging  er  als  Geselle  auf  die  Wanderschaft  und  arbeitete  in 
Frankfurt,  Mainz  und  Strassburg,  wohin  er,  statt  der  National- 
kokarde ein  Sträusschen  von  blauen ,  rothen  und  weissen  Blumen 
am  Hut ,  unangefochten  kam.  Als  Anhänger  der  Grundsätze  der 
französischen  Revolution  besuchte  er  in  Strassburg  Abends  fleissig 
den  Jakobinerklubb ,  zog  auch  für  seinen  Meister  in  dessen  National- 
gardisten-Uniform auf  die  Wache.  Aber  bald  empörte  sich  sein 
sittliches  Gefühl  und  sein  Verstand  gegen  die  immer  zügellosere 
Richtung  der  zur  Herrschaft  gelangten  Jakobiner ,  und  als  nach  der 
Absetzung  des  allgemein  geachteten  Maire  Dieterich  unwürdige 
Menschen  in  die  Munizipalität  gelangten ,  unter  Anderen  ein  Schu- 
ster, über  den  ihm  im  Beiseyn  von  dessen  Gesellen  der  Spott  ent- 
fiel: ,,der  Schusterkneipen  werde  sich  schön  neben  der  dreifarbigen 
Schärpe  ausnehmen,"  fühlte  er  sich  in  Strassburg  nicht  mehr  sicher 
und  gelangte  nicht  ohne  Gefahr,  durch  die  Schweiz,  1793  wieder  in 
die  Heimath.  Auf  dieser  Reise  wurde  ihm  von  einem  Lieutenant, 
mit  dem  er  zusammen  reiste,  und  der  seine  durch  den  Zustand  der 
Kasse  begründete  Vorliebe  für  frische  Milch  bemerkte,  vergeblich 
zugeredet,  Melker  bei  dessen  Vater  zu  werden. 

Durch  Buzengeiger  mit  dem  kirchenräthlichen  Forstgeometer 
Zais  bekannt  gemacht,  trat  Nördhnger,  der  seine  Lieblingsstudien, 
Zeichnen  und  Mathematik  neben  dem  Handwerk  nie  vernachlässigt 
hatte,  bald  darauf  bei  diesem  als  Gehülfe  ein,  musste  jedoch  1796 
Soldat  werden,  wobei  er  aber  auf  Verwendung  des  Kirchenraths 
bedeutende  Erleichterung  im  Dienst  und  endlich  seinen  Abschied 
erhielt.  Von  nun  an  arbeitete  er  8  Jahre  lang  selbstständig  und 
mit  grossem  Erfolg  an  der  Vermessung  und  Kartirung  der  kirchen- 
räthlichen Waldungen  in  verschiedenen  Theilen  des  Landes,  beson- 
ders in  der  Gegend  von  Heidenheim,  wo  er,  längere  Zeit  in  Königs- 
bronn sich  aufhaltend,  sich  mit  den  dortigen  Hüttenwerken  bekannt 
machte  und  daneben  eifrig  Mineralogie ,  Botanik,  Entomologie  und 
Chemie  studirte.  Durch  eine  für  die  Hüttenverwaltung  gefertigte 
Arbeit  über  ein  neues  Cyhndergebläse  erregte  er  die  Aufmerksam- 
keit des  nachmaligen  Ministers  von  Otto ;  eine  Abhandlung  über  die 
Basaltfindlinge  in  der  Gegend  von  Offenhausen  veranlasste  die  na- 


—    27    —    - 

turforschende  Gesellschaft  in  Schwaben,  ihn  zum  correspondirenden 
Mitglied  zu  ernennen.  Hauptsächlich  aber  bewirkten  im  Jahr  1804 
eine  nach  der  damals  neuen  Lehmann'schen  Manier  ausgeführte 
Terrainkarte  der  Gegend  von  Heidenheim,  welche  auf  Befehl  des 
Kurfürsten  den  Genieoffizieren  zur  Nachahmung  zugestellt  wurde 
und  ein  spcäter  in  den  Verhandlungen  der  Forstacademie  zu  Dreis- 
sigacker,  welche  den  Verfasser  zum  Mitglied  ernannte,  'gedruckter 
Aufsatz  über  Waldwerthsberechnung,  dass  ihm  auf  Antrag  des 
Kirchenraths  die  Mittel  zu  einer  wissenschaftlichen  Reise  auf  Staats- 
kosten gewährt  wurden. 

Auf  dieser  meistens  zu  Fuss  und  unter  manchen  Abenteuern 
und  Entbehrungen  ausgeführten  Reise,  welche  vom  August  ISO 4 
bis  October  ISOG  dauerte,  besuchte  Xördlinger  alle  bedeutenderen 
Berg- und  Hüttenwerke  Deutschlands  und  Ungarns,  hielt  sich  län- 
gere Zeit  in  den  Forst-Instituten  zu  Tharand,  Dreissigaclvcr  und 
Dillenburg,  auch  in  Berlin  und  Göttingeu  auf,  machte  die  Bekannt- 
schaft der  ausgezeichnetsten  Gelehrten  der  damaligen  Zeit  und 
wurde  als  ein  Mann ,  dessen  Arbeiten  bereits  Aufmersamkeit  erregt 
hatten,  überall  mit  einer  Freundlichkeit  aufgenommen ,  die  er  in 
seiner  Bescheidenheit  kaum  gehörig  zu  benutzen  verstand.  Zu 
schüchtern  z.  B.  um  Humboldts  Einladung  zu  einem  Abschiedsbe- 
such zu  folgen,  erfuhr  er  erst  später,  dass  derselbe  bereits  eine 
Anzahl  Empfehlungsbriefe,  mit  denen  er  ihn  verschen  wollte,  ge- 
schrieben hatte.  Desto  eifriger  benützte  er  seine  Reise  zu  minera- 
logischen, chemischen  und  botanischen  Studien,  machte  mit  seiner 
grossen  Rüstigkeit  und  Ausdauer  Excursionen  nach  allen  Richtun- 
gen und  brachte  werthvolle  Sammlungen  und  Notizen  aller  Art  zu- 
sammen, wovon  einige  an  die  Regierung  eingesandte  und  mit  Bei- 
fall aufgenommene  Abhandlungen  zeugen.  Doch  fehlte  es  auch 
nicht  an  anderen  Genüssen;  z.  B.  während  eines  mehr\föchigen 
Aufenthalts  in  Eisenstadt  in  Ungarn,  wo  Nördlinger  die  unter  Haydns 
Direction  stehende  Kapelle  des  Fürsten  Esterhazy  bewunderte 
und  mit  dem  Componisten  Hummel  gewöhnlich  zusammen  speiste. 
Während  der  Reise  wurde  er  durch  die  Ernennung  zum  Professor 
der  Kameralwissenschuften  in  Tübingen  überrascht,  welche  aus 
Veranlassunf?  eines  Antrags  des  Kirchenraths  auf  weitere  Reiseun- 


—    28    — 

terstützung  am  6.  August  1805  erfolgte.  Bei  der  holieii  Vorstellung, 
welche  er  als  Autoclidact  sich  von  den  wissenschaftlichen  Erforder- 
nissen zu  einer  solchen  Stelle  machte,  glaubte  er  derselben  nicht 
gewachsen  zu  sein,  auch  befürchtete  er,  sein  früherer  Beruf  konnte 
seinem  Wirken  in  Tübingen  hinderlich  sein  und  bat  um  Enthebung 
von  der  Professur ,  welcher  anfangs  abgewiesenen  Bitte  durch  seine 
Ernennung  zum  Forst-  und  Bergrath  den  17.  März  1806  ent- 
sprochen wurde. 

Im  Jahr  1809,  nach  Ablehnung  eines  aus  Eisenstadt  erhal- 
tenen Antrags  in  die  Dienste  des  Fürsten  Esterhazy  zu  treten, 
wurde  er  zum  Oberöconomierath  im  landwirthschaftlichen  De- 
partement ernannt ,  behielt  sich  jedoch  seine  bisherige  Stelle 
vor  und  wurde,  nachdem  er  die  Gestütswaiden  zu  Offenhausen 
und  Marbach  eingerichtet  hatte,  1S12  von  der  landwirthschaft- 
lichen Stelle  wieder  enthoben.  Yfährend  dieser  drei  Jahre  war 
er  gleichzeitig  Oberöconomie -,  Forst-,  Berg-,  Salinen-  und 
Münzrath  und  hatte  in  fünf  verschiedenen  Collegien  Dienste  zu 
leisten.  1818  zum  Oberiinanzrath  ernannt,  war  er  alleiniger  Refe- 
rent der  Oberfinanzkanmier  in  allen  Forst-,  Berg-,  Hütten-  und 
Salmen-Angelegenheiten  und  versah ,  nur  in  Forstsachen  vom  Jahr 
1840  an  durch  einen  zweiten  Rath  unterstützt,  diese  umfangreiche 
Stelle  bis  zu  seinem  80.  Jahre,  indem  er  1850  bei  Auflösung  der 
Obernnanzkammer  mit  der  Eigenschaft  als  Ehren- Vorsitzender  der 
neu  gebildeten  Forstdirection  in  den  Ruhestand  trat.  Doch  nahm 
er  auch  nachher  an  den  Sitzungen  dieser  Behörde  sowohl,  als  auch 
der  Centralstelle  für  die  Landwirthschaft ,  deren  Mitglied  er  seit 
1847  war,  häufig  Theil  und  selbst,  nachdem  im  Mai  1857  ein 
Schlaganfall  seine  Kräfte  geschwächt  hatte,  erschien  er  noch  von 
Zeit  zu  Zeit  in  den  Sitzungen,  bis  zunehmende  Altersschwäche  ihm 
das  Ausgehen  verbot  und  er  nach  wiederholten  apoplectischen  An- 
fällen am  28.  Juni  1S60,  fast  89  Jahre  alt,  sanft  entschlief. 

Von  seiner  vielseitigen  Berufsthätigkeit  sei  es  nur  gestattet,  die 
vielen  durch  ihn  besorgten  Waldankäufe,  forstlichen  Wirthschafts- 
plane ,  die  Einrichtung  der  Scheiterholzflösserei  auf  dem  Kocher, 
die  nach  seiner  Anleitung  ausgeführte  Erbohrung  des  Steinsalzwerks 
Wilhelmsglück,  Bohrungen  in  den  Bädern  zu  Wildbad  und  Teinach, 


—    29    — 

die  Einriclitimg  der  Köhlereien  im  Elhvanger  Forst,  die  im  Ster- 
nenfelser  Stiibeiisandstein  1818  nicht  ohne  Erfolg  vorgenommene 
Goldwascherei,  anzuführen.  Er  bewirkte  die  Bildung  einer  Actien- 
gesellschaft  zur  Bodenseedampfschifffahrt  und  besorgte  30  Jahre 
lang  unentgeltlich  alle  technischen  Geschäfte  derselben;  ihr  1824  in 
Betrieb  gesetztes  Dampfboot  Wilhelm  war  das  erste  Dampfschiff  in 
Deutschland.  Er  war  Mitbegründer  und  bis  zum  Jahre  1840  Vor- 
stand des  hiesigen  Kirchengesang-Vereins,  Mitglied  des  Lieder- 
kranzes, des  Kunstvereins,  der  Weinverbesserungsgesellschaft,  des 
Griechenvereins  etc.  Auch  unser  Verein  für  vaterländische  Natur- 
kunde verdankt  ihm,  wenigstens  indirect,  die  Auffindung  mancher 
interessanter  Pflanzen  und  Thiere,  hauptsächlich  aber  die  Aufbe- 
wahrung der  Ergebnisse  der  unter  seiner  Leitung  vorgenommenen 
Bohrungen,  welche,  nebst  vielen  interessanten  naturwissenschaft- 
lichen Notizen,  von  der  Familie  des  Entschlafenen  für  unsere  Samm- 
lungen bestimmt  sind. 

Nördlinger  erfreute  sich  nicht  bloss  einer  guten  Gesundheit, 
sondern  er  war  auch  gegen  Strapazen  ungewöhnlich  abgehärtet. 
Noch  im  Alter  von  mehr  als  70  Jahren  konnte  er  Wochen  und  Mo- 
nate lang  Tag  für  Tag  und  bei  jeder  Witterung  die  anstrengendsten 
Märsche  ausführen,  angelaufene  Flüsschen  halbentkleidet  überschrei- 
tend und  zu  jeder  Jahreszeit  bei  offenem  Fenster  schlafend.  Bei  den 
Forstvisitationen  hatte  mancher  jüngere  Förster  nicht  über  das  per- 
sönlich humane  Benehmen  des  bejahrten  Visitators,  wohl  aber  über 
das  Maass  von  körperlicher  Anstrengung  und  Enthaltsamkeit,  das 
er  bei  seinen  Begleitern  in  Anspruch  nahm,  zu  klagen.  Wie  sein 
Körper,  so  war  auch  sein  Charakter  zäh  und  fest,  unbeugsam  an 
dem  für  richtig  Erkannten  festhaltend,  rückhaltslos  und  scharf  ent- 
gegenstehende Meinungen  bekämpfend.  Neue  Projecte  eignete  er 
sich  nur  nach  der  sorgfältigsten  Prüfung  an.  Grosse  Sorge  machte 
ihm  die  unter  den  jüngeren  Forstmännern  nach  und  nach  zur  Gel- 
tung gekommene  Ansicht  über  die  Zulässigkeit  von  stärkeren  Holz- 
fälluugen  und  liberalerer  Behandlung  der  Wald-Ausstockungs-Ge- 
suche ,  der  er  mit  Entschiedenheit  entgegentrat.  „Ich  würde  mich 
gerne  in  den  Pvuhestand  zurückziehen,"  sagte  er  mir  vor  etwa  15 
Jahren,   ,,aber  es  ist  mir  um  meine  Bäume."     „Auf  vorübergehend 


—    30    — 

wohlfeilere  Holzpreise,"  prophezeite  er  zu  Anfang  des  letzten 
Jahrzehends,  „werde  eine  um  so  grössere  Theurung  folgen,"  und 
diese  Yorhersagung  ist  allerdings  noch  bei  seinem  Leben  in  Erfül- 
lung gegangen. 

Nördlinger  war  zweimal  verheirathet.  Aus  der  ersten  Ehe 
überleben  ihn  eine  verheirathete  Tochter  und  drei  Söhne,  aus  der 
zweiten  eine  Tochter.  Die  hervorragenden  Eigenschaften  des  Va- 
ters haben  sich  auf  die  Söhne  gleichsam  vertheilt,  indem  der  Eine 
im  Gebiet  der  bildenden  Kunst,  der  Zweite  im  Forstfach,  der 
Dritte  als  Eisenbahn-Techniker,  dem  Namen  ihres  Vaters  Ehre 
machen. 

Vorträge. 

I.  Kunstgärtner  A.  Hvass  theilte  seine  Erfahrungen  über 
das  Wachsthum  der  Wellingtonia  gigantea  mit  und  zeigte  an  schönen 
Exemplaren,  wie  die  aus  Samen  gezogenen  Pflanzen  einen  stärkeren 
und  regelmässigeren  Wuchs  haben,  als  die ,  welche  durch  Stecklinge 
vermehrt  werden.  Diese  Pflanze  verdient  nach  seiner  Ueberzeu- 
gung  die  grösste  Aufmerksamkeit  von  Seiten  der  Forstwirthschaft, 
da  es  ausser  Zweifel  sei ,  dass  sie  in  unserm  Klima  im  Freien  aus- 
dauere. Die  Kultur  ist  äusserst  einfach  und  ganz  den  übrigen  Co- 
niferen  analog;  nur  ist  zu  bezweifeln,  ob  der  Samen  im  Freien 
keimen  wird.  Allein  selbst  wenn  die  erste  Anzucht  in  Frühbeeten 
geschehen  müsste ,  w^ie  diess  bis  heute  der  Fall  war ,  so  lohnt  es 
doch ,  dieselbe  im  grösseren  Massstabe  vorzunehmen ,  weil  für  die 
Bestockung  einer  bedeutenden  Fläche  verhältnissmässig  sehr  wenige 
Pflanzen  erforderlich  sind  und  man  so  lange  bis  sie  gehörig  erstarkt 
den  übrigen  Raum  für  andere  Kulturen  benützen  kann.  Ausserdem 
wächst  der  Baum  rascher  als  alle  übrigen  Coniferen  und  muss  dem- 
zufolge auch  bald  einen  Ertrag  gewähren.  —  Er  richtet  die  drin- 
gende Aufforderung  an  sämmtliche  Förster  des  Landes,  unverweilt 
diesen  für  die  künftigen  Generationen  so  nützlichen  Baum  in  unsern 
Wäldern  zu  pflanzen. 

IL  Oberstudienrath  Dr.  v.  K  u  r  r  sprach  über  den  sogenann- 
ten Muschelkalk,  welcher  in  Ostindien  beim  Betelkauen 
verwendet  wird. 


o  1 
Ol      — 

Bekanntlich  ist  in  Indien  der  Gebrauch  des  Betels  unter  dem 
Volk  so  allgemein  wie  in  manchen  Gegenden  Deutschlands  derjenige 
des  Tabaks,  und  zwar  ist  es  das  Kauen  der  Blätter  vom  Piper 
Betle  L.,  welches  unter  Zusatz  von  zerriebener  Arekanuss  und  etwas 
Kalk  allgemein  getrieben  wird.  Die  Betelblätter  sind  scharf  und 
gewürzhaft  und  erregen  beim  Kauen  eine  vermehrte  Speichel-  und 
Schleimabsonderung  im  Hunde,  welche,  wie  es  scheint,  durch 
die  eben  erwähnten  Zusätze  gesteigert  wird,  ^yie  weit  das  Betel- 
kauen erregend  auf  das  Nervensystem  und  vielleicht  schützend  ge- 
gen nachtheilige  klimatische  Einflüsse  wirke,  und  wie  w^eit  es  Hun- 
ger und  Durst  stille  oder  sonst  Befriedigung  gewähre ,  vermag  ich 
nicht  anzugeben ,  es  scheint  aber  hierin  eine  ähnliche  Wirkung  wie 
der  Tabak  zu  äussern,  und  jedenfalls  ist  so  viel  gewiss,  dass  durch 
frühen  und  anhaltenden  Gebrauch  desselben  die  Zähne  dermassen 
leiden,  dass  mau  häufig  junge  Männer  von  kauiff*25  Jahren  sehen 
kann,  welche  dadurch  um  alle  Zähne  gekommen  sind.  Dieser  Ue- 
belstand  scheint  hauptsächUch  dem  Zusatz  des  Kalkes  zugeschrieben 
werden  zu  müssen,  welcher  wie  Betel  unch Arekanuss  sammt  Reib- 
apparat in  besonderen  oft  zierlichen  Büchsen  in  der  Tasche  getragen 
wird.  Dieser  Kalk  (wovon  ich  hier  ein  Muster  zur  Einsicht  vor- 
lege) stellt  ein  schneeweisses  Pulver  dar ,  und  hat  einen  alkalischen 
Geschmack.  Nach  der  Angabe  eines  glaubwürdigen  schon  lange  in 
Indien  ansässigen  Bekannten  wird  er  aus  einer  Baumrinde  durch 
Einäscherung  gew^onnen  und  sehr  theuer  verkauft.  Die  Rinde,  wovoa 
ich  ebenfalls  ein  Stück  vorlege,  stammt  vom  Kalappenbaum  (Termi- 
nalia  coriacea  Migh.)  einem  stattlichen,  zu  der  Familie  der  Comhre- 
taceen  gehörigen  Baume ,  welcher  in  Ostindien  häufig  ist.  Ich  war 
begierig  zu  erfahren,  ob  es  wahr  sei,  dass  die  Asche  derselben 
,  wirkhch  so  kalkreich  sei,  und  äscherte  daher  ein  Stück  davon  ein. 
Wirklich  lieferten  dieselben  durchs  Verbrennen  eine  schneeweisse 
kalkreiche  Asche,  welche  mit  dem  aus  Indien  erhaltenen  Kalkmehl 
äusserlich  übereinstimmte.  Sie  ist  besonders  in  der  verhältniss- 
mässig  sehr  dicken  Bastschichte  in  solcher  Menge  enthalten ,  dass 
man  nach  dem  Verbrennen  ein  förmliches  Faserskelett  erhält ,  das 
vor  dem  Lötlirohr  wie  Kreide  leuchtet  und  die  vom  Kalk  be- 
kannte Röthung  der  Flamme  verursacht.    Mit  destillirtem  Wasser 


—    32    — 

* 

übergrossen  löst  sich  etwas  kohlensaures  Kali  daraus  auf  und 
die  Lösung  bläut  das  geröthete  Lakmuspapier  stark;  der  weisse 
Rückstand  löst  sich  unter  lebhaftem  Aufbrausen  völlig  in  verdünnter 
Salzsäure.  Der  weisse  staubartige  Kalk  aus  Ostindien  dagegen 
gibt  in  reinen  Wasser  eine  nur  geringe  Menge  Kali  ab ,  so  dass  es 
scheint,  die  Asche  sei  mit  Wasser  ausgelaugt  worden  ehe  sie  als 
Kalk  in  den  Handel  gebracht  wurde.  Ob  nun  das  vorliegende 
Kalkmehl  allein  aus  der  angeführten  Rinde  stammt  oder  vielleicht 
mit  gebranntem  gewöhnlichem  Kalk  oder  gebrannten  Muschel- 
schalen vermischt  wird,  vermag  ich  nicht  anzugeben;  jedenfalls 
scheint  es  mir  der  Beachtung  werth  zu  sein,  dass  die  Rinde  des 
Kalappenbaums  eine  so  erhebliche  Menge  kohlensauren  Kalkes 
durch  Einäscherung  liefert. 

in.  Professltr  Dr.  Krauss  sprach  über  einige  für  Württem- 
berg neue  Säuge thiere  und  über  die  in  Württemberg  erlegte 
Gemse. 

Es  ist  eine  der  Aufg'aben,  die  sich  der  Verein  gestellt  hat,  zur 
Kenntniss  der  geographischen  Verbreitung  der  Thiere  genaue  Ver- 
zeichnisse über  die  in  Württemberg  vorkommenden  Arten  zu  geben. 
Schon  in  früheren  Jahrgängen  der  Vereinsjahreshefte  sind  desshalb 
Verzeichnisse  über  die  Arten  einzelner  Thierklassen  bekannt  ge- 
macht worden.  Indessen  sind  durch  die  dankenswerthen  Bemü- 
hungen mehrerer  Mitglieder  und  Freunde  des  Vereins  wieder  einige 
Säugethiere  eingeschickt  worden ,  welche  bisher  in  der  Zusammen- 
stellung von  Obermedizinalrath  Dr.  v.  Jäger  (Jahrg.  I.  p.  236)  und 
in  den  Beiträgen  zur  Fauna  W^ürttembergs  von  Landbeck  (Jahr- 
gang IV.  p.  88),  Dr.  A.  Günther  (Jahrg.  IX.  p.  224),  Baron  R.  Kö- 
nig-Warthausen (Jahrg.  XII.  p.  72)  und  von  mir  (Jahrg.  XII.  p.  117, 
XIV.  p.  53,  XV.  p.  44)  als  in  Württemberg  vorkommend  nicht  an- 
geführt worden  sind. 

Als  einheimische  Fledermäuse  sind  bis  jetzt  8  Arten: 
Rhinolophus  hipposideros  Herm.y  Rh.  ferrum  equinum  Leach,  Pleco- 
tus  aurltus  Keys,  et  Blas.,  Synotus  Barhastellus  Keys,  et  ISlas.,  Ves- 
perugo  Noctula  K  et  BL,  V.  Pipistrellus  K.  et  BL,  V.  discolor  K.  et  Bl. 
und  VespertiUo  murinus  ßchreh.,  angeführt  worden.  Hiezu  kommen  : 


—    33   — 

Vesj^erugo  Nathusii  Keys,  et  Blas. 
Blasius,  Säugethiere  Deutschlands  pag.  58. 

Diese  Zwergfledermaus  ist  von  der  sehr  verwandten  V.  Pipi- 
strellus  nur  durch  die  Grösse  und  durch  kleine  Abweichungen  in  der 
Form  der  Zähne  verschieden  und  desshalb  bis  jetzt  übersehen  wor- 
den.    Icli  habe  sie  in  vorigem  Herbst  in  Stuttgart  gefangen. 

Vespertilio  mystacinus  Leisler. 
Blasius,  1.  c.  pag.  96. 

Die  Bartfledermaus  scheint  bei  uns  nicht  selten  vorzukom- 
men, denn  ich  habe  sie  im  vorigen  Jahre  vom  Mai  bis  Septem- 
ber in  mehreren  Exemplaren  von  unseren  für  die  Vermehrung 
der  vaterländischen  Sammlung  sehr  thätigen  VereinsmitgUedern 
Hermann  Reichert  aus  Nagold,  Schulmeister  Ackermann  aus  Sers- 
heim und  von  Forstwart  Gawatz  in  Pfummern  efhalten. 

Vespertilio  Dauhentonii  Leisler. 
Blasius,  1.  c.  pag.  96. 

Von  der  seltenen  Wasserfledermaus  hat  die  Sammlung  ein 
Männchen  im  Mai  1860  u.  April  1861  ebenfalls  durch  Kaufmann 
Hermann  Reichert  aus  Nagold  erhalten. 

Zu  den  früher  verzeichneten  den  Insektenfressern  angehöri- 
gen  Spitzmäusen:  Crossopus  [Sorex  Fall.)  fodiens  Wglr  und 
Sorex  vulgaris  L.,  (Araneus  L.J  habe  ich  zwei  weitere  Arten  hin- 
zuzufügen : 

Grocidura  (Sorex  Herrn.)  leucodon  Wagler. 
Blasius,  1.  c.  pag.  140. 

Die  Feldspitzmaus  ist  durch  die  weissen  Zähne  und  von  der 
folgenden  Art  durch  den  sehr  kleinen  dritten  einspitzigen  Backen- 
zahn des  Oberkiefers  leicht  zu  unterscheiden.  Sie  ist  im  Stutt- 
garter Thal  häufig  und  von  mir  mehremal  in  Gärten  gefangen 
worden.  Schulmeister  Ackermann  hat  im  März  auch  ein  Exem- 
plar von  Sersheim  eingeschickt,  das  in  einem  Garten  durch  Ab- 
nagen der  Nelken  grossen  Schaden  verursacht  hat.  Die  Spitz- 
maus   soll    die  Blätter    nicht  angenagt,    dagegen   die   ausserhalb 

AVürtteinb.  iiatarw.  Jalii'osliefto.     18C2.     Is  Hoft.  ^ 


—    34   — 

der  Erde  liegenden  holzigen  Ranken  und  Wurzeln  verzehrt 
haben,  was  sich  auch  bei  der  Section  bestätigt  habe. 

Grocidura  (Sorex  Schreh.)  Arayieus. 
Blasius,  1.  c.  pag.  144. 

Die  Hausspitzmaus,  obwohl  sicherlich  ebenso  verbreitet  als 
die  vorhergehende  Art,  habe  ich  aus  Zwiefalten  durch  Oberför- 
ster Paulus  und  aus  Nagold  durch  H.  Reichert  erhalten. 

Unter  den  Spitzmäusen  sind  der  Vereinssamlung  am  häufig- 
ten die  Wasserspitzmaus  (C.  fodiens)  und  die  Feldspitzmaus 
(C.  leucodon)  eingeschickt  worden;  es  ist  zu  erwarten,  dass  die 
weit  verbreitete  Zwergspitzmaus  (Sorex  i^ygmczus  Pallas)  auch 
noch  bei  uns  aufgefunden  werde.* 

Diesen  eben  verzeichneten ,  nunmehr  Württemberg  als  ein- 
heimisch angehörigen  Säugethieren  füge  ich  noch  ein  weiteres 
bei,  das  jedoch  keinen  Anspruch  auf  das  Bürgerrecht  in  unserem 
engeren  Vaterland  machen  kann.     Ich  meine  nemlich  die 

Gr  e  m  s  e 

welche  den  22.  September  1859  bei  dem  alten  Schloss  Wartstein 
auf  der  Markung  Erbstetten  OA.  Münsingen  durch  den  Jagd- 
pächter S  ti  e  h  1  e  in  Erbstetten  geschossen  worden  ist.  Seine  Maje- 
stät der  König  hat  das  frische  Thier  von  Landjäger  Reutter  in 
Hayingen  zum  Geschenk  erhalten  und  die  Haut  in  die  vaterlän- 
dische Naturaliensammlung  gestiftet. 

In  den  alten  würt.  Chroniken  ist  nirgends  eine  Notiz  zu 
finden,  nach  welcher  jemals  eine  Gemse  in  Württemberg  vorge- 
kommen sein  soll.  Auch  ist  anzunehmen,  dass  dieser  Gemsbock 
aus  den  bayerischen  Alpen  oder  dem  Voralberg  auf  irgend  eine 
Weise  verjagt  wurde  oder  sich  verirrt  hat.  Immerhin  bleibt  es 
auffallend,  dass  das  Thier  eine  so  weite  Strecke  durchlaufen  und 
so  lange  in  dieser  Gegend  sich  aufhalten  konnte,  ohne  erkannt 
und  getödtet  worden  zid  sein. 


*  Die  yerehrlichen  Mitglieder  des  Vereins  werden  ersucht,  ihre  Auf- 
merksamkeit auch  unsern  kleinen  Thieren,  insbesondere  den  Fleder-  und 
Spitzmäusen  zuzuwenden  und  die  Thiere  sogleich  nach  dem  Tode  an 
mich  zu  schicken,  Kraus.s. 


35 


Landjäger  Reutter  hat  mir  über  ihren  Aufenthalt  bei  uns 
mitgetheilt,  dass  die  Gemse  schon  etwa  ein  Vierteljahr,  ehe  sie 
erlegt  wurde,  durch  Jagdpächter  Krauss  in  den  Gemeindewal- 
dungen Ehestetten  im  obern  Lauterthal  bemerkt,  aber  für  einen 
jungen  Hirsch  gehalten  worden  sei.  Uügefähr  14  Tage  nachher 
sei  sie  auch  durch  Förster  Federle  in  den  Fürstenberg'schen  Wal- 
dungen Reisach  und  5—6  Wochen  vor  ihrem  Tod  dreimal  durch 
Waldschütz  Maier  in  den  Freiherrn  v.  Späth'schen  W^aldungen 
in  der  Nähe  von  Anhausen  und  zu  gleicher  Zeit  durch  Hirten- 
knaben, die  sie  für  ein  schwarzes  Scliaaf  hielten,  auf  den  höch- 
sten Felsen  des  Lauterthals  gesehen  worden.  Stichle,  der  sie 
für  einen  Bastard-Gaisbock  gehalten  hat,  hat  sie  schon  am  19. 
Sept.  gesehen  und  längere  Zeit  auf  sie  gelauert. 

Der  Gemsbock,  der  48  Pfd.  gewogen  hat,  ist,  nach  den 
Hörnern  zu  schliessen,  etwa  2  Jahre  alt  und  im  Sommerkleid  mit 
Haaren  im  Uebergang  ins  Herbstkleid. 

Die  graue  Rostfarbe  des  Leibes  und  der  hell  rostgelbliche  Bauch 
der  Gemsen  im  vollständigen  Sommerkleid  ist  bei  unserem  Bock 
matt  und  abgeschossen  Der  Fleck  vor  den  Augen,  zwischen  den 
Nasenlöchern  und  der  Oberlippe,  sowie  der  Nasenrücken  ist  matt 
fahlgelblich.  Die  Stirne,  Backen,  Lippen  und  das  Kinn  sind 
gelblichweiss.  Der  Vorderhals,  die  Brust  und  die  Vorderseite 
der  Oberarme  ist  schwärzlich  mit  Braungrau  gemischt.  An  der 
Seite  des  Leibs  unmittelbar  hinter  den  Vorderbeinen  ist  ein  drei- 
eckiger grauschwarzer  Fleck.  Am  ganzen  Thier  ist  nur  die  Stelle  zwi- 
schen den  Hinterbeinen  und  zwischen  den  Hoden  und  dem  Schwanz 
weiss.  Die  Vorderbeine  sind  vorn  braunschwarz,  hinten  mit  fahl- 
gelblichen Haarspitzen,  die  Hinterbeine  vorn  und  hinten  sowie 
über  den  Fersen  braunschwarz,  aussen  auf  dem  Unterschenkel,  so- 
wie vorn  und  hinten  am  Mittelfuss  mit  fahlgelblichen  Haarspitzen. 

Länge  des  Kopfs  von  dem  Rand  der  Oberlippe  über  den 
Nasenrücken  bis  zwischen  die  Hörner  18  C.M.,  Länge  des  Ko- 
pfes an  der  Seite,  von  der  Nasenkuppe  bis  zur  Mitte  des  Ohrs 
gemessen  20  CM,,  Breite  der  Stirn,  von  dem  Innern  Rand  des 
einen  Auges  bis  zum  andern  gemessen,  9  CM. ,  Höhe  des  Thie- 
res  an  der  Schulter  70  CM.,  Höhe  des  Thieres  am  Kreuz  74  CM., 


36 


Länge  des  ganzen  Thieres,  von  der  Oberlippe  über  die  Stirne  und 
den  Rücken  bis  zur  Schwanzspitze  105  CM. 

lY.  Prof.  Dr.  Krau  ss  sprach  ferner  über   einen: 

weissen    Dachs    und   andere   Varietäten    w^ürttemberg  i- 
scher   Säugethiere. 

Das  Vorkommen  der  von  dem  gewöhnlichen  Kleid  abweichen- 
der Färbungen  mancher  Thiere  bleibt  immerhin  eine  noch  nicht 
gehörig  erklärte  Erscheinung  und  ist  für  die  Specialfauna  eines 
Landes  ebenso  interessant  als  für  die  Naturgeschichte  der  Thiere 
im  Allgemeinen.  Aus  diesen  Gründen  sind  alle  Varietäten 
unserer  Thiere,  ob  sie  sich  nur  auf  einzelne  Körpertheile  be- 
schränken oder  über  den  ganzen  Körper  erstrecken,  für  die 
vaterländische  Naturalien-Sammlung  stets  erwünscht,  daher  die 
Mitglieder  und  Gönner  des  Vereins  wiederholt  um  gefällige  Ein- 
sendung aller  Farben-Abweichungen  auch  der  der  gemeinsten 
Thiere  ersucht  werden. 

Schon  im  12.  Jahrgang  unserer  Vereinsschrift  hat  Freiherr 
R.  König- Warthausen  interessante  Spielarten  von  Feldmäusen 
(Arvicola  arvensis  S.  Longch.)  und  eine  weissgraue  Varietät  eines 
Feldhasen  bekannt  gemacht,  auch  sind  von  mir  im  14.  und  15. 
Jahrgang  mehrere  Varietäten,  unter  anderm  das  seltene  Vorkom- 
men eines  vollkommen  weissen  Steinmarders,  Feldhasen  und  Eich- 
hörnchens, beschrieben  worden. 

Es  ist-  auffallend,  dass  der  Sammlung  von  manchen  württem- 
bergischen Thieren  nicht  selten  Abweichungen  in  der  Färbung 
eingeschickt  werden  und  dass  solche  überhaupt  auch  in  andern 
Ländern  zuweilen  vorkommen,  wie  z.  B.  die  vom  Maulwurf, 
Fuchs,  Marder,  Eichhörnchen,  Hasen,  Reh,  von  den  Mäusen  und 
Ratten,  während  Varietäten  bei  mehreren  andern  Thieren:  den 
Fleder-,  Spitz-  und  Haselmäusen,  dem  Igel,  Dachs,  Fischotter, 
Iltis,  Wildschwein  gar  nicht  oder  höchst  selten  vorzukommen 
scheinen.  Andere,  bei  uns  regelmässig  das  Hermelin  und  zu- 
weilen auch  der  Wiesel,  wechseln  mit  der  Jahreszeit  ihre  Farbe 
und  legen  im  Winter  ein  w^eisses  Kleid  an. 


—    37   — 

Zu  den  seltensten  Vorkommnissen  gehört  die 
weisse  Varietät  vom  Dachs. 

Schreber  führt  im  3.  Theil  seiner  Säugethiere  an,  dass  1724  in 
Sachsen  ein  weisser  Dachs  mit  gelbröthlichen  und  duukelkastanien- 
farbigen  Flecken  erlegt  worden  sei.  Blasius  gibt  in  seiner  Natur- 
geschichte der  Säugethiere  Deutschlands  keine  Varietät  vom  Dachs 
an  und  kennt  nach  mündlichen  IMittheilungen  auch  nicht  eine  solche. 

S6ltsamer^Yeise  wurden  in  Württemberg  in  einem  Zeitraum 
von  einem  Jahr  zwei  weisse  Dachse  und  zwar  in  ganz  entgegenge- 
setzten Theilen  des  Landes  erlegt.  Beide  kamen  leider  erst,  nach- 
dem sie  durch  unkundige  Hände  als  Schwarte  zum  Verkauf  an  den 
Kürschner  abgezogen  waren,  zu  unserer  Kenntniss.  Es  war  daher 
nicht  mehr  zu  ermitteln,  ob  sie  die  rothen  Augen  der  Kakerlaken 
hatten  und  welchem  Alter  sie  angehörten. 

Das  eine  Thier,  wahrscheinlich  ein  Weibchen,  wurde  im  Lem- 
bergwald  bei  Poppenweiler,  OA.  Ludwigsburg  im  Oktober  1859 
geschossen  und  befindet  sich  durch  die  Bemühungen  des  Herrn 
Theodor  Lindauer  in  der  Sammlung  des  Vereins.  Es  ist  weiss 
und  an  einigen  Stellen  ganz  unsymetrisch  graulich  gefärbt,  ähnlich, 
aber  heller,  wie  an  den  Seiten  des  gewöhnlichen  Dachs.  Es  hat 
zwischen  den  Augen  und  Ohren  und  zwar  auf  der  linken  Seite  viel 
deutlicher  als  auf  der  rechten,  einen  graulichen  Streifen,  der  das 
schwarze  Band  beim  gewöhnlichen  Dachs  andeutet;  hinter  dem 
linken  Ohr  wird  dieser  Streifen  fast  Handbreit  und  reicht  bis  fost 
an  die  Schulter,  hinter  dem  rechten  Ohr  verschmälert  er  sich 
ohne  soweit  rückwärts  zu  verlaufen.  Die  Ohren  sind  inn wendig 
und  an  der  Basis  des  Aussenrandes  ebenfalls  graulich  gefärbt. 
Die  grösste  Ausdehnung  erhält  die  grauliche  Färbung  auf  dem 
Rücken  und  zwar  wiederum  vorzugsweise  auf  der  linken  Seite. 
Sie  beginnt  oben  hinter  der  linken  Schulter  mit  einer  Spitze, 
breitet  sich  nach  hinten  und  links  immer  mehr  aus  und  erstreckt 
sich  bis  zum  Schwanz,  linken  Hintertheil  und  bis  herab  zum  linken 
Fuss,  der  am  Fersen  einen  grauen  Flecken  hat,  der  der  dunkelste 
am  ganzen  übrigen  Körper  ist  und  an  den  schwarzen  Fuss  des 
gewöhnlichen  Dachs  erinnert.     Auf  der  rechten  Seite  dagegen  sind 


38 


nur  am  Kreuz  und  in  der  Nähe  des  Schwanzes  einzelne  dunkler- 
gefärbte Haare  wahrzunehmen.  Die  beiden  Vorderfüsse  und  der 
rechte  Hinterfuss  sind  vollständig  weiss.  Der  Schwanz  ist  etwas 
blasser  als  beim  gewöhnlichen  Dachs.    Die  Krallen  sind  weisslich. 

Das  andere  Thier,  ein  altes  Männchen,  w^urde  im  Herbst  1858 
bei  Hossingen,  OA.  Balingen  geschossen  und  Herrn  H.  Ploucquet 
überbracht,  der  es  später  der  Vereins-Sammlung  zu  überlassen  so 
freundlich  war.  Es  ist  grösser  und  noch  weisser  als  unser  Exem- 
plar und  zeigt  ebenfalls  einige  unsymetrische  grauHche  Flecken, 
aber  sie  sind  noch  heller  als  bei  diesem,  rundlich,  fast  gleich 
gross,  von  der  Grösse  einer  Hand.  Sie  sind  in  der  Weise  ver- 
theilt,  dass  je  einer  auf  der  rechten  Schulter,  mitten  auf  dem 
Rücken,  oberhalb  des  linken  Schenkels  und  vor  dem  Schwanz 
sich  befindet.  Ausserdem  sind  nur  noch  die  Ohren  inwendig  und 
an  der  Basis  des  Aussenrandes  einfarbig  blassgraulich,  an  allen 
übrigen  Theilen  ist  das  Thier  einfarbig  weiss.  Die  Krallen  sind 
w^eisshch. 

Die  grauliche  Färbung,  die  übrigens  bei  beiden  Thieren 
schwächer  ist  als  beim  gewöhnlichen  Dachs,  wird  durch  die  Farbe 
der  steiferen  Haare  hervorgebracht,  die  an  der  Spitze  weiss,  etwa 
fingerbreit  unter  dieser  bräunlich  oder  graulich  gefärbt  und  an 
ihrer  Basis  immer  weiss  sind.  Aber  bemerkenswerth  ist  es,  dass 
gerade  die  reiuschwarze  Färbung  des  gewöhnlichen  Dachs,  am 
Kopf,  Bauch,  an  der  Brust  und  allen  Füssen,  von  der  weissen  voll- 
ständiger verdrängt  ist  als  die  hellere ,  graumelirte  auf  dem 
Rücken,  w^o  die  Haare  auch  beim  gewöhnlichen  Dachs  an  der 
Basis  weiss  sind. 

Ein  ähnliches  Verhältniss  der  Färbung  habe  ich  auch  an  dem 
surinamischen  Tayra  (Galictis  barbara  L.)  beobachtet,  wovon 
Kappler  ausser  mehreren  gewöhnlichen  auch  zwei  Exemplare 
einer  gelblichweissen  Varietät  geschickt  hat.  Hier  hat  gerade  der 
Vorderkopf  dieselbe  hellbraune  Farbe,  also  auch  wieder  den  hell- 
sten Theil  der  Färbung,  wie  beim  gewöhnlichen  Tayra  beibehalten, 
während  die  übrigen  Theile  des  Körpers  und  alle  Füsse,  die  sonst 
dunkelschwarz,  bei  der  Varietät  rein  einfarbig  gelblichweiss  ge- 
färbt sind. 


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Grauliclnveisse  Varietät  vom   Fuchs. 

In  der  Sammlung  von  Sr.  Durchlaucht  dem  Fürsten  Hohen- 
lohe-Langenburg  in  Weikersheim  befindet  sich  eine  interessante 
Varietät  eines  Fuchses  von  gewöhnlicher  Grösse,  der  im  Januar 
1859  bei  Weikersheim  geschossen  wurde  und  etwa  2 — 3  Jahre  alt, 
also  nicht  wegen  hohen  Alters  grau  gefärbt  war. 

Die  Farbe  des  Körpers  ist  graulich  weiss,  und  zeigt  nur  auf 
dem  Rücken  wegen  der  blassgelblichen  Haarspitzen  einen  röth- 
lichen  Schimmer.  Die  Wollhaare  sind  bläulich  grau.  Zwischen 
der  Nase  und  den  Augen  ist  er  graulich  mit  gelblichem  Anflug, 
zwischen  den  kohlschwarzen  Schnurrhaaren  und  dem  Auge  hat 
er  einen  schwärzlich  grauen  Fleck.  Hinter  den  Ohren  ist  er 
schwarz  und  auf  der  Brust  weiss  wie  der  gewöhnliche  Fuchs.  Die 
schwarze  Färbung  der  Füsse  erstreckt  sich  etwas  höher  herauf 
als  beim  gewöhnlichen,  und  durch  einige  weisse  Haarspitzen  er- 
scheint die  Färbung  wie  melirt,  was  an  den  Hinterfüssen  am  deut- 
lichsten ist.  Am  Schwanz  sind  die  Haare  oben  röthlich  grau  mit 
schwarzen  Spitzen. 

Schw^ärzliche   Varietäten   vom   Fuchs. 

Solche  Spielarten  kommen  häufiger  vor  als  die  graulich- 
weisse.  Die  vaterländische  Naturalien-Sammlung  besitzt  zwei 
Exemplare. 

Ein  schönes  Männchen  wurde  von  Seiner  Kön.  Hoheit  dem 
Kronprinzen  in  dem  Staatswald  von  Böbhngen  im  Januar  1858 
geschossen  und  von  Seiner  Hoheit  dem  Prinzen  Hermann  zu 
Sachsen  Weimar  dem  Verein  zum  Geschenk  gemacht. 

Dieser  Fuchs  hat  einen  schwärzlichen  Fleck  zwiscken  dem 
Auge  und  den  Bartborsten,  ist  am  Kinn,  an  der  Kehle,  Brust  und 
mit  scharfer  Abgränzung  am  Bauch  mattschwarz  und  hat  in  der 
Mitte  der  Brust  und  zwischen  den  Hinterbeinen  einen  weissen  Fleck, 
Der  übrige  Theil  des  Körpers  ist  graulich  mit  leichtem  rothgelbem 
Anflug.  Der  Schwanz,  an  der  Spitze  weiss,  und  die  Füsse,  vorn 
schwarz,  hinten  rothgelb,  sind  wie  beim  gewöhnlichen  Fuchs. 

Ein  altes  Weibchen  von  Donzdorf,  im  Januar   1853   erlegt 


40 


und  von  dem  verstorbenen  Revierförster  Haussier  dem  Verein 
geschenkt,  hat  eine  ähnliche  Färbung,  aber  es  ist  am  übrigen  Theil 
des  Körpers  mehr  rothgelb  und  dadurch  der  Färbung  des  gemeinen 
Fuchsen  ähnlicher. 

Ein  drittes  Exemplar,  das  sich  im  K.  Naturalien-Kabinet  be- 
findet und  1832  bei  Feuerbach  geschossen  wurde,  ist  noch  dunkler 
als  die  beiden  oben  beschriebenen.  Der  Fleck  vor  dem  Auge, 
die  Kehle  und  der  Bauch  sind  braunschwarz,  der  übrige  Theil  des 
Kopfes  und  die  Brust,  die  ebenfalls  einen  weissen  Fleck  hat,  ist 
schwärzlich  mit  Weiss  gemischt.  Die  Beine  sind,  was  am  auffallend- 
sten ist,  ganz  schwarz,  mit  einzelnen  rothbraunen  und  weisslichen 
Haarspitzen  am  obern  Theil  der  Beine.  Der  übrige  Theil  des 
Körpers  ist  etwas  dunkler  gefärbt  als  beim  gemeinen  Fuchs. 

Unter  den  meisten  Nagethieren  Württembergs  sind  Spiel- 
arten nicht  selten.     Eine  grosse  Farbenabv>'eichung  zeigt  das 

Eichhörnchen. 

Die  Vereins-Sammlung  besitzt  6  schwarze  Eichhörnchen, 
welche  in  den  Monaten  September  bis  März  erlegt  worden  sind. 
Sie  haben  all.)  rein  schwarze  Schwänze,  dagegen  am  Körper  bald 
eine  ins  Graue  oder  Braune  übergehende  schwarze  Färbung  mit 
weissem  Bauch,  bald  haben  sie  zwischen  dem  weissen  Bauch  und 
der  schwärzlichen  Färbung  des  Körpers  eine  mehr  oder  weniger 
deuthche  grau  und  braunroth  gemischte  Einfassung.  Bei  den 
graulichen  Spielarten  habe  ich  dieses  rothe  Saalband  bis  jetzt  nicht 
gesehen. 

Die  halbgewachsenen  Eichhörnchen  haben  schwarze  Ohren- 
pinsel, einen  dunkelbraunrothen  Schwanz ,  weissen  Bauch  und  sind 
am  übrigen  Theil  des  Körpers  dunkelbraunroth,  mit  Grau  gemischt. 

Das  Vorkommen  eines  rein  weissen  Eichhörnchens  wurde 
schon  im  15.  Jahrgang  pag.  44  angeführt. 

Unter  den  Mäusen  habe  ich  diessmal  nur  eine  in  Stuttgart 
gefangene  Wanderratte,  ein  Geschenk  von  Herrn  Ploucquet, 
zu  erwähnen,  welche  an  der  Schnauze,  den  Füssen  und  dem 
Schwanz  weiss,  sonst  aber  wie  die  gewöhnliche  gefärbt  ist.  Ferner 
hat  Herr  Apotheker  Mayer    in   Heilbronn   eine    Sc  herrmaus 


—   41    — 

(Hypudaeus  terrestris  L.)  dem  Vereine  geschenkt,  welche  auf  dem 

Kopf  einen  ^Yeisscn  Fleck  hat. 

Auch  die  Hasen  zeigen  eine  grosse  Mannigfaltigkeit  in  der 

Färbung. 

Weissgraue  Varietät  des  Feldhasen. 

Dieser  Hase  ist  auf  der  Stirn  und  dem  Rücken  schwarz  und 
weiss  melirt,  was  ihm  eine  silbergraue  Färbung  gibt,  die  an  den 
Seiten  des  Kopfs  und  Körpers  sowie  an  der  vordem  und  äussern 
Seite  der  Beine  verblasst,  manchmal  einen  röthlichbräunlichen  An- 
flug erhält  und  an  der  Kehle  und  am  Bauch  in  "Weiss  übergeht. 
Die  Brust  ist  graulich  weiss.  Die  Ohren  sind  weiss  eingefasst, 
inwendig  weisslich,  am  äussern  Rand  der  iimern  Fläche  und  am 
Innern  der  Aussenfläche  ebenfalls  schwarz  und  weiss  melirt,  an  der 
Spitze  schwarz.  Der  Schwanz  ist  v.ie  beim  gemeinen  Hasen  oben 
schwarz,  unten  weiss.  Die  Schnurrhaare  sind  weiss.  Der  Pelz 
ist  folgendermassen  beschaffen.  Auf  dem  Rücken  sind  die  Woll- 
haare an  der  Basis  weiss  atlasglänzend,  an  der  Spitze  schwarz,  die 
Steifhaare  schwarz,  in  der  Nähe  der  Spitze  blendend  weiss  ge- 
ringelt; an  den  Seiten  der  Hinterbeine  geht  die  schwarze  Farbe 
der  Woll-  und  Steifhaare  in  Grau  über  und  der  Grund  der  Woll- 
haare ist  matt  weiss.  Am  Hals,  an  den  Seiten  des  Körpers  und 
am  Bauch  sind  die  Haare  an  der  Basis  grau,  an  der  Spitze  bald 
weiss,   bald  ins   Röthlichbräunliche   oder   Grauliche   übergehend. 

Dieser  Hase,  ein  Ivlännchen,  wurde  bei  Ulm  im  Februar 
1860  geschossen  und  befindet  sich  in  der  Vereinssammlung. 

Ein  anderes  Männchen,  das  etwa  um  dieselbe  Zeit  bei  Mössin- 
gen  OA.  Tübingen  erlegt  wurde  und  sich  im  zoologischen  Museum 
von  H.  Ploucquet  befindet,  ist  blasser  als  das  obenbeschriebene 
und  hat  ausser  einem  Streifen  über  den  Augen  keinen  röthlich 
bräunlichen  Anflug. 

Eine  ähnliche  aber  noch  hellere  Spielart,  ganz  weiss  an  Kehle, 
Brust  und  Bauch,  mit  graulich  weissen  Füssen  und  braun  und 
weissgefleckten  Schnurrhaaren  befindet  sich  im  K-  Katuralien- 
Kabinet  und  wurde  1824  in  Württemberg  gescliossen. 

Die  Fusssohlen  sind  bei  allen  3  Varietäten  wie  beim  gemeinen 
Hasen  schmutzig  gelblichgrau.     Von  gleicher  Farbe  sind  auch  die 


—   42    — 

der  ganz  weissen  Spielart,  welche  ich  schon  im  14.  Jahrgang 
S.  53  angeführt  habe  und  überall,  selbst  an  der  Spitze  der  Ohren 
weiss  ist. 

Merkwürdig  ist  eine  w eissgescheckte  Hasenspielart  aus 
Württemberg  vom  Jahr  1833,  ebenfalls  im  K.  Naturahenkabinet 
aufgestellt.  Der  Kopf  ist  mit  Ausnahme  eines  weissen  Flecks 
(Sterns)  auf  dem  Scheitel  sonst  wie  beim  gemeinen  Hasen.  Die 
Oberseite  des  Körpers  ist  fahlgelblich  grau,  auf  dem  Rücken  mit 
Weiss  vermischt,  die  Brust,  die  Seiten  des  Körpers,  der  Bauch 
und  die  Vorderfüsse  sind  rein  weiss,  nur  an  der  Schulter  und 
am  Vorderlauf  der  linken  Seite  sind  einige  röthlichgelbe  Flecken. 
Die  Hinterbeine  sind  weiss  und  fahlgelb  gefleckt,  die  Zehen 
ganz  weiss.    Die  Schnurrhaare  weiss  und  dunkelbraun. 

Ausser  diesen  ist  im  K.  Nat.-Kabinet  aus  Württemberg  ein 
Feldhase  vom  Jahr  1833,  der  einen  weissen  Streifen  von  dem 
Scheitel  bis  zur  Nasenspitze  hat,  ferner  eine  leicht  rothgelbe 
Spielart,  weiss  an  der  Kehle  und  am  Bauch,  bei  welcher  die 
dunkle  oder  schwarze  Farbe  des  gemeinen  Hasen  gänzlich  in 
Kothgelb  umgewandelt  ist  und  daher  selbst  die  Unterhaare,  der 
Fleck  aussen  an  der  Spitze  der  Ohren  und  die  Oberseite  des 
Schwanzes  die  rothgelbe  Farbe  haben. 

Unter  unsern  wildlebenden  Wiederkäuern  kommen  weisse 
Spielarten  hin  und  wieder  vor.  Ein  junger  einfarbig  schmutzig 
weisser 

R  e  h  b  0  c  k 

von  22  Pfund  Schwere  hat  Herr  Fr.  Mauchert  in  den  letzten 
Tagen  Januars  dieses  Jahrs  bei  Eberstadt,  OA.  Weinsberg  ge- 
schossen. 

Das  Thier  hatte  noch  vollständig  die  zerbrechlichen  Winter- 
haare. Es  war  aber  merkwürdig,  dass  alle  Haare  auf  der  Ober- 
seite des  Thiers,  wenn  der  Pelz  auseinandergeblasen  wurde,  voll- 
ständig weiss,  dagegen  die  auf  der  ganzen  Unterseite,  nemlich 
vorn  am  Hals,  an  der  Brust,  an  den  Seiten  und  unten  am  Bauch 
sowie  an  den  Seiten  der  Beine  mehr  oder  weniger  rosenroth 
gefärbt  waren.  Betrachtete  man  nemlich  ein  einzelnes  Haar  unter 
der  Lupe,  so  war  es  mit  Ausnahme  -der  schmutzigweissen  Spitze 


—    43    — 

seiner  ganzen  Länge  nach  durchscheinend  und  von  schöner  ro- 
renrother  Farbe,  die  aber  wieder  verschwand,  sobald  das  aus- 
gestopfte Thier  völlig  trocken  war.  Die  Geweihe  waren  so  klein, 
dass  sie  nicht  über  die  Haare  hinausragten. 

Schliesslich  habe  ich  noch  den  einzigen  Insektenfresser  zu 
erwähnen ,  der  seine  Farbe  sehr  oft  zu  wechseln  scheint ,  nem- 
lich  den 

M  a  u  1  w  u  r  f. 

Herrn  Dr.  Schüz  in  Calw  verdanken  wir  vom  Oktober 
1859  zwei  interessante  Farben-Abweichungen,  welche  die  im  14. 
Jahrgang  p.  33  beschriebeneu  vervollständigen. 

Beide  sind  Männchen  aus  einem  Nest.  Das  eine  ist  silber- 
grau mit  röthlichgelbem  Untergrund  und  hat  in  der  Schulter- 
gegend einen  grossen  Fleck,  wo  die  Haare  au  der  Spitze  und 
am  Grunde  einfarbig  grau  §ind.  Das  andere  ist  schmutzig  röth- 
lichgelb  und  von  gleicher  Färbung  am  Grunde  der  Haare,  zeigt 
aber  einige  graue  Fleken  an  der  Schulter  und  am  Kreuz,  wo 
die  Haare  entweder  ganz  einfarbig  grau  oder  an  der  Spitze  grau 
und  an  der  Basis  schmutzig  röthlichgelb  sind;  an  der  Seite  des 
Kopfs  und  an  der  Kehle  ist  es  rothgelb.  Die  graue  Form  schliesst 
sich  an  die  von  Hohenheim,  die  andere  an  die  weissgelbliche 
von  Degerloch  und  Schussenried  an. 

V.  Prof.  Dr.  Krauss  zeigte  einen  Rehbock  mit  mon- 
strösem Geweih  vor. 

Herr  Oberförster  PI  och  mann  in  Blaubeuren  hat  den  1. 
Juni  1860  einen  Kehbock  mit  abnormem  Geweih  der  Sammlung 
zum  Geschenk  überschickt  und  dazu  bemerkt,  dass  er  im  Staats- 
wald Siesserhalde,  Reviers  Bermaringen  im  O.A.  Blaubeuren  ver- 
endet gefunden  wurde,  und  dass  auf  dem  Platze,  auf  dem  er 
lag,  der  Boden  vom  Laub  ganz  befreit  und  in  einem  Umkreis 
von  der  doppelten  Grösse  des  Bocks  ganz  abgerutscht,  bez.  fest- 
gedrückt war. 

Es  ist  wohl  anzunehmen,  dass  der  Bock  durch  den  Druck 
des  abnormen  Geweihs  auf  das  Gehirn  zu  Grunde  gegangen  ist, 
oder  dass  der  zu  Boden  gefallene  Bock  wegen  des  Gewichts  des 


—    44    — 

schweren  Geweihs  nicht  mehr  aufstehen  konnte  und  verhungern 
musste.  Auch  beweist  der  Umstand,  dass  die  Haare  auf  seiner 
ganzen  linken  Seite  und  auf  der  innern  der  rechten  Beine  be- 
schädigt, an  manchen  Stellen  gänzlich  abgerieben  waren,  dass  das 
Thier  auf  der  linken  Seite,  auf  die  es  umgefallen  war,  liegen 
bleiben  und  dass  ein  längerer  Todeskampf  Statt  gefunden  ha- 
ben musste. 

Der  Bock,  der  zu  den  grossen  und  alten  zu  rechnen  ist, 
hatte  am  Kopf,  Hals,  auf  dem  Rücken  und  der  ganzen  rechten 
Seite  des  Leibs,  wo  er  unverletzt  ist,  fast  vollständig  noch  seine 
"VVinterhaare ,  nur  an  wenigen  kleinen  Stellen  brachen  die  rost- 
rothen  Sommerhaare  durch.  Im  Fleisch  war  das  Thier  nicht 
gerade  abgemagert. 

Beide  Geweihe  sind  mit  zahlreichen  häutigen  Auswüchsen 
von  ziemlich  fester  Consistenz  überzogen,  und  durch  diese  zu 
einem  nur  an  der  Spitze  in  zwei  Zapfen  getheiiten  Klumpen 
von  26  CM.  Höhe  und  15  CM.  Breite  verwachsen.  Die  Aus- 
wüchse stellen  längliche,  rundliche  Lappen  und  Knollen  von 
1/2 — 2  Zoll  Grösse  dar,  die  dicht  und  traubenförmig  an  einander 
gereiht  sind  und  überall  mit  röthlichgrauen  Haaren  überzogen 
sind.  Sie  sind  mit  einer  Art  Stiel  auf  dem  Geweih  selbst  ange- 
heftet, und  auf  der  vordem  Seite  des  Klumpens  kleiner,  mehr 
zusammengedrängt,  kürzer  gestielt  und  gleichförmiger  als  auf 
der  hintern  Seite,  wo  einige  sogar  bis  zwischen  die  Ohren  herab- 
hängen, jedoch  bei  weitem  nicht  in  dem  Maasse,  als  bei  einer 
ähnlichen  Abnonnität  des  Rehbockes,  die  Oslander  in  seinen 
Epigramata  in  diver sas  res  musei  sui  anatomici,  Gott.  1814  auf 
Tafel  6  abgebilrlet  hat  und  bei  welchem  sie  über  das  Gesicht 
und  am  Halse  herunterhängen. 

Von  welchem  Gewicht  und  von  welcher  Grösse  diese  Abnor- 
mität ist,  erhellt  daraus,  dass  sie  mit  dem  Schädel,  nachdem 
die  Kopfliaut,  das  Gehirn  und  alles  Fleisch  entfernt  war,  noch 
9  Pfd.  und  6  Loth  gewogen  hat.  Zu  ihrer  Conservation  w^urde 
sie  längere  Zeit  in  eine  Auflösung  von  arseniksaurem  Natron  ge- 
legt und  dann  getrocknet. 

Nach    einer  Mittheiiung    des  Herrn  Oberförsters  Plochmann 


45 


waren  die  Hoden  bei  diesem  Bock  ^.ehr  klein  nnd  äusseiiich  kaum 
sichtbar.  Aelmliclie  Beobachtungen  haben  auch  Andere  gemacht. 
Bei  einem  llehbock  mit  einem  viele  zapfenförmige  Auswüchse 
bildenden  Geweih,  welches  im  Mai  1809  dem  K.  Naturali en-Ka- 
binet  eingeliefert  wurde,  fand  sich  bei  Eröffnung  des  Thicrs  so- 
gar, dass  der  Hodensack  sammt  den  Hoden  fehlte  und  die  Ruthe 
sehr  dünn  war.  Mau  nimmt  daher  an,  dass  die  Verkümmerung 
der  Geschlechtstheiie  während  der  Neubildung  des  Geweihs  die 
Ursache  dieser  hixurirenden  Entwicklung  des  Geweihs  sei. 

Werden  die  häutigen  und  mit  vielen  Gefässen  durchzogenen 
Knollen  und  Lappen  durch  Maceration  entfernt,  so  erscheint  das 
Geweih  als  eine  gewissen  Madreporen  nicht  unähnliche  poröse 
Knochenmasse,  die  mit  zahlreichen  dicht  aneinander  gedrängten 
und  verschiedenartig  gestalteten  Zacken  und  Verästelungen 
überzogen  ist  und  ein  grösseres  Volumen  zeigt,  als  das  Geweih 
in  seinem  normalen  Zustand  haben  würde.  Die  Nebensprossen 
sind  entweder  von  der  Hauptstauge  deutlich  getrennt  oder  mit 
dieser  zu  einer  knorrigen  Masse  verwachsen.  In  dem  K.  Natu- 
ralien-Kabinet  befinden  sich  mehrere  solcher  Geweihe  in  mace- 
rirtem  Zustande,  von  welchen  das  kleinste  nur  4  CM.  hoch  und 
ebenso  dick  ist  und  aus  mehreren  Zacken  besteht.  Das  grösste 
Paar  hat  eine  Stange  von  4  CM.  Durchmesser  an  der  Basis  und 
eine  Länge  von  21  CM.  und  zeigt  an  der  rechten  Stange  2,  an 
der  hnken  3  Sprossen.  Bei  Andern  sind  die  Stangen  eines 
Paars  unsymetrisch,  bald  ungleich  in  der  Länge,  bald  nach  ver- 
schiedenen Seiten  gerichtet.  Bei  einem  unsymetrischen  Geweih, 
das  wir  der  Güte  des  Hrn.  Oberförster  v.  Scheitel  verdanken, 
sind  die  Stangen  so  stark  in  madreporenähnhche  Masse  umge- 
wuchert, dass  die  Stange  an  der  Basis  5,  am  E-osenstock  sogar 
8  CM.  Durchmesser  hat. 

VI.  Bauinspector  Binder  aus  Heilbronn  sprach  über  die  geo- 
logischen Verhältnisse  des  3110  Fuss  langen  Tunnels,  welcher 
gegenwärtig  zwischen  Heilbronn  und  Weinsberg  durch  die  Gyps- 
mergel   des  untern  Keupers  getrieben  wird. 

Die    Gypsmergel  zwischen   der  Lettenkohle   und   den  Schilf- 


—   46    — 

Sandsteinen  liegend,  sind  überall  wo  sie  auftreten  als  bunte, 
rothe,  blaue,  grüne  mehr  oder  weniger  feste,  jedoch  stets  brüchige 
und  schüttige  Mergel  bekannt,  um  so  mehr  als  sie  in  Weinge- 
genden zur  Verbesserung  des  Bodens  sehr  gesucht  und  häufig 
aufgedeckt  sind. 

Solche  Mergel  stehen  an  dem  Hügel ,  welcher  mit  dem 
Tunnel  durchbrochen  wird,  in  einer  Mächtigkeit  von  ca.  400  Fuss 
an;  zur  sicheren  Orientirung  in  ihnen  dient  auf  der  Heilbronner 
Seite  eine  Schichte  aus  mehreren  Kalkbänken  bestehend,  welche 
sehr  zahlreiche  kleine  Muscheln  und  häufig  eingesprengten  Blei- 
glanz enthält. 

Es  war  nun  in  hohem  Grade  auffallend,  dass  beim  Fortgang 
des  Baues,  im  Innern  des  Berges  ein  ganz  anderes  Gestein  an- 
gebrochen wurde,  ein  sehr  fester  schwarzer  Thon,  durchzogen 
von  einzelnen  Bänken  derben,  festen,  grauen  Gypses,  der  sich 
auch  in  Nestern,  Klüften  und  Spalten  findet.  -  Die  angestellten 
Beobachtungen  haben  ergeben,  dass  dieser  Zustand  der  Ablage- 
rung zweifellos  der  normale  ursprüngliche  (wenigstens  älteste) 
ist  und  dass  derselbe  je  mehr  gegen  Tag  ein  um  so  mehr  ver- 
änderter wird,  offenbar  nur  durch  den  Einfluss  des  Wassers, 
welches  theils  durch  Erosion  theils  durch  chemische  Kräfte  wirkt. 
An  den  Stellen  wo  das  Wasser  anfängt  einzubrechen,  ist  der 
Thon  brüchiger  und  hat  eine  hellere  grünlichschwarze  Färbung, 
an  manchen  Orten  auch  eine  intensiv  dunkelrothe.  Der 
Gyps  in  den  Nestern  und  Klüften  nimmt  ebenfalls  eine  hellere, 
häufig  rothe  Färbung  an  und  erhält  ein  krystallinisch  fasriges 
Gefüge. 

Je  näher  gegen  Tag  das  Wasser  mehr  einwirkt,  um  so 
brüchiger  und  um  so  heller  und  bunter  gefärbt  wird  der  Thon; 
er  erhält  immer  mehr  das  Ansehen  der  Mergel  wie  wir  sie  zu 
Tage  kennen,  und  gleichzeitig  wird  auch  der  Gyps  immer  mehr 
zersetzt,  so  dass  er  am  Ende  nur  noch  als  Pulver  und  Staub  an 
den  Mergeln  haftet,  und  sehr  häufig  bis  auf  die  kleinste  Spur 
verschwindet. 

Besonders  auffallend  ist  es,  dass  im  Innern  die  leitende 
Petrefaktenschichte    aus   einem  Wechsel   von  Gyps-    und   Kalk- 


—    47    — 

bänken  besteht  und  die  verkalkten  Muscheln  im  Gypse  liegen^ 
Auch  in  dieser  Schichte  wird  der  Gyps  allmälig  vom  Wasser 
vollständig  zersetzt  und  ausgewaschen,  daher  sie  am  Ausgehen- 
den nur  noch  in  einzelne  Kalkbänke  gespalten  mit  zwischen- 
liegenden Petrefaktentrümmern  auftritt. 

Es  war  Anfangs  schwierig  den  Zusammenhang  der  in  ver- 
schiedenen Stadien  der  Umwandlung  begriffenen  Ablagerung  zu 
erkennen,  und  zu  seiner  genauem  Feststellung,  sowie  zu  näherer 
Untersuchung  der  wirkenden  Kräfte  hat  der  Vortrag  hauptsäch- 
lich den  Zweck  die  Geologen  auf  diesen  Aufschluss  aufmerksam 
zu  machen  und  sie  zur  Einsichtnahme  einzuladen;  freilich  ist 
diese  nur  noch  in  beschränkter  Weise  und  bis  in  die  ersten 
Monate  des  Jahrs  1862  möglich. 

Nach  Vollendung  des  Tunnels  werden  die  Verhältnisse  vollstän- 
diger dargestellt  werden  können,  und  steht  eine  mit  Profil-Zeich- 
nungen erläuterte  Abhandlung  für  die  Jahreshefte  in  Aussicht.  — 

VII.  Kriegsrath  K  a  p  f  f  zeigte  prachtvolle  Schädelstücke 
von  Belodon  Kapffi  und  Teratosaurus  suevicus  H.  v.  Meyer  aus 
dem  Stubensaudstein  vor  und  wies  auf  die  Zeitschrift  „Palaeonto- 
graphica''  hiu,  in  welcher  von  H.  v.  Meyer  diese  beiden  neuen 
Arten  beschrieben  und  abgebildet  worden  sind. 

VIII.  Finanzrath  Es  er  sprach  über  ein  Schädelstück  eines 
Keupersauriers  von  Aixheim. 

Angeregt  durch  die  ausgezeichneten  Funde  des  Hrn.  Kriegs- 
raths  Kapff  in  dem  Stuttgarter  Stubensaudstein  und  in  der  Erwä- 
gung dass  für  die  Erforschung  dieses  Gliedes  der  Keuperformation 
bis  auf  die  letzten  Jahre  viel  weniger  geschehen  ist,  als  es  ver- 
dienen dürfte,  beschloss  ich  mein  Glück  in  der  besagten  Keuper- 
schichte,  jedoch  gegen  30  Stunden  von  hier,  bei  Aixheim,  OA. 
Spaichiugen  zu  versuchen,  wo  ich  schon  früher  einige  Reptil- 
reste gefunden  hatte.  Der  Erfolg  war  ein  über  Erwartung  gün- 
stiger, indem  ich  die  dortigen  Steinbrüche  in  lebhaftem  Betriebe 
fand,  und  Herr  Strassenbau-Inspector  Calwer  von  Rottweil, 
dessen  beständige  Aufmerksamkeit  auf  diese  Fundstätte  gerichtet 


—    48   — 

ist,  mir  eben  aufgefundene  ansehnliche  Theile  eines  Saurier- 
Schädels  zu  überlassen  die  Güte  hatte. 

Ich  habe  das  Schädelfragment  sogleich  in  Arbeit  genommen, 
von  dem  Gestein  befreit,  und  sanimt  den  von  mir  früher  an  dem 
gleiclien    Fundorte    gesammelten    Gegenständen    hier    aufgestellt. 

Von  Belodon  Kapffi  v.  Meyer  unterscheiden  sich  diese  Reste 
durch  charakteristische  Eigeuthämlichkeiten  der  Schädelbiiduug, 
welche  sich  besonders  in  der  Stirnlinie  durcli  delphinartiges  ra- 
sches Abdachen  von  der  Zone  der  Nasenöffnungen  an  gegen  die 
Schnauze  und  durch  glatte  Bildung  des  Zwischenkiefers  ausspre- 
chen, während  die  Kieferbildung  von  Belodon  Kapffi  4  bis  5 
mal  höher  ist,  als  diejenige  des  von  mir  vorgelegten  Exemplares. 

Hinsichtlich  des  Vorkommens  des  Stubensandsteins  in  jener 
Gegend  ist  zu  bemerken,  dass  derselbe,  weil  die  mächtigen  La- 
gen des  Bau-  oder  Schilfsandsteins  fehlen,  statt  wie  in  unserem 
Thale  die  Anhöhen  zu  krönen,  an  den  tiefsten  Stellen  der  Thal- 
sohle des  Prim-Flusses  unter  einer  nur  3  bis  4  Fuss  mächtigen 
Humusdecke  auftritt,  und  zwar  der  obere  Theil  in  dünnen,  als 
Baumaterial  unbrauchbaren  Platten,  die  zur  Bereitung  des  Stu- 
bensands benützt  werden,  während  die  untern  Lagen  einen  ge- 
schätzten Baustein  liefern.  Beide  Abtheilungen  enthalten  Fossile, 
die  manchmal  schon  unmittelbar  unter  der  Humusdecke  gefunden 
w^erden.  Dieselben  beschränken  sich  auf  Wirbelthierreste,  da  die 
Zwischenlagen  von  bunten  Mergeln  mit  fossilen  Mollusken  nicht 
vorkommen.  Wie  aus  Vorstehendem  ersichtlich,  fehlen  hier  auch 
die  an  andern  Orten  den  grobkörnigen  weissen  Sandstein  be- 
deckenden rothen  Thone.  Nicht  minder  vermisst  man,  dem 
Thalrande  sich  zuwendend,  das  Bone-Bed  zwischen  Keuper  und 
Lias  und  selbst  die  Angulaten-Schichten  des  letztern;  vielmehr 
findet  man  auf  den  nächsten  Anhöhen  gegen  Osten  schon  die 
Arcuatenkalke  entwickelt  und  durch  Steinbrüche  aufgeschlossen. 
Eine  Stunde  weiter,  in  nordöstlicher  Richtung  erscheinen  sodann 
bei  Frittlingen  die  bekannten  Posidonienschiefer  mit  Ichthyo- 
sauren  und  Fischen  am  Fusse  der  aus  braunem  Jura  bestehenden 
Gosheimer  Höhe,  w^elche  von  den  weissen  Kalken  des  Lembergs, 
dem    westlichen   Abhänge    des   Oberhohenbergs    überragt    wird. 


49 


IX.  W.  Neubert  in  Stuttgart  sprach  über  Papagaien- 
Zuclit  in  Württemberg. 

Als  Freund  hübscher  Vögel  zogen  mich  auch  die  lieblichen 
australisclien  Zebra-Papagaien  (Melopsittacvs  nndidatus  Goidd) 
ganz  besonders  an,  ich  begrüsste  es  desshalb  auch  mit  Freuden, 
als  die  grössere  Einfuhr  dieser  kleinen  Antipoden  nach  Europa, 
den  Anfangs  ganz  enormen  Preis  derselben  (das  erste  Pärchen 
wurde  mit  Tausend  Gulden  bezahlt)  so  weit  ermässigte,  dass  es 
Privatleute  mit  ihrer  Kasse  vereinbar  finden  konnten ,  sich  ein 
Pärclien  zu  verscliaffen.  Meine  vielfältigen,  hauptsächlich  der 
Pflanzen-  und  Garten- Wissenschaft  gewiedmeten  Reisen  brachten 
mich  schon  öfters  nach  England,  wo  namentlich  in  London  bedeu- 
tende Handelsgeschäfte  mit  fremden  Tliieren  existiren,  die  ich  je- 
desmal besuche.  Bei  dem  bedeutendsten  dieser  Händler,  einem 
Deutschen  Namens  J  am  räch,  fand  ich  im  Jahre  1855  ausser  allen 
möglichen  grossen  und  kleinen  Thieren,  von  der  Maus  bis  zum  Ele- 
phanten,  unter  Anderen  auch  die  kaum  glaubliche  Anzahl  von  1500, 
sage  fünfzehnhundert  Zebra-Papagaien  in  einer  ganz 
schlechten  Kammer  beisammen  herumfliegen.  *  Des  ungelieuren 
Yorraths  wegen  war  damals  der  Preis  dieser  Yögel  ein  ungewöhn- 
lich billiger,  der  mich  auch  verleitete,  vier  Pärciien  zu  kaufen, 
deren  zwei  ich  an  einige  Freunde  abtrat,  die  beiden  andern  aber 
selbst  behielt.  Jedes  Paar  kam  in  einen  besondern  Käfig,  welcher 
4  Fuss  läng  und  mit  Nistkästchen  versehen  war,  weil  ich  wusste, 
dass  diese  Yögel  sehr  gerne  in  hohle  Räume  schlüpfen.  Im  nächsten 
Jahre  bekam  eines  der  Männchen  eine  eigenthümliche  Krankheit 


*  Jiimrach's  Et<ablissement  erstreckt  sich  auf  mehrere  Häuser  in 
drei  verschiedenen  Strassen,  in  deren  einer  sich  ein  hübscher  Laden  als 
Details-Verkaufslokal  befindet,  wo  eine  Auswahl  seiner  Yorräthe  ausge- 
stellt und  Jedermann  zugänglich  ist,  während  er  seine  Yorräthe  selbst  in 
den  andern  Strasen  in  Häusern  hat,  wo  er  nur  Leute,  die  er  einmal  ge- 
nau kennt,  hinführt.  Zu  solchen  Bevorzugten  zu  gehören,  ist  ein  wirk- 
licher Genuss,  denn  was  da  manchmal  zu  sehen  ist,  kann  man  vielleicht 
in  seinem  Lehen  nie  wieder  zu  sehen  bekommen,  wie  dies  bei  dem  einem 
Bienenschwarm  ähnlichen  Flug  der  1500  Papagaien  von  Einer  Sorte  der 
Fall  war. 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.    18G2.    Is  Heft.  4 


—    50    — 

am  Schnabel.  An  der  rechten  Seite  der  Schnabelwurzel  zeigte  sich 
ein  kleines  Geschwürchen,  welches  zuletzt  die  harte  Masse  des 
Schnabels  angriff.  Icli  reinigte  dieses  Geschwür  öfters,  allein  es 
griff  immer  weiter  um  sich ,  bis  der  Unterschnabel  zur  einen  Hälfte 
ganz  verzehrt,  und  das  Thierchen  zuletzt  ausser  Stand  war  zu  fres- 
sen, und  so  elend  umkommen  musste.  Das  zweite  Männchen  starb 
das  Jahr  nachher  (185 7).  Nun  liess  ich  die  beiden  Weibchen  in 
eine  Voliere  im  warmen  Gewächshause  zu  allerlei  andern  kleinen 
Vögeln,  Paradiesfinken,  Orangefinken,  Bengalisten  etc.,  wo  sie  sehr 
vergnügt  zusammen  lebten,  und  die  Oberherrschaft  über  die  an- 
dern Bewohner  der  Voliere  führten. 

Im  Winter  von  1858  auf  59  machten  sich  die  beiden  Weibchen 
sehr  viel  in  einem  mit  verschiedenen  Abtheilungen  und  Schlupf- 
löchern versehenen,  in  der  Voliere  befindlichen  Nistkästcheu  zu 
schaffen,  und  legten  endlich  Beide  mehrere  Eier,  bei  weichen  sie 
sich  zwar  viel  aufhielten ,  allein  doch  zu  keinem  rechten  Brüten  an- 
schickten, gleichsam  als  hätten  sie  gewusst,  dass  da^Bebrüten  der 
unbefruchteten  Eier  umsonst  wäre.  Im  Winter  von  1859  auf  CO 
wiederholten  sie  das  Gleiche.  Die  Vögel  blieben  nachher  gesund 
und  munter,  ich  nahm  mir  desshalb  vor,  bei  erster  Gelegenheit  ein 
oder  zwei  Männchen  dazu  zu  kaufen,  um  zu  versuchen,  ob  die 
Thierchen  nicht  Junge  hervorbrächten.  Leider  kam  ich  im  Sommer 
1860  in  keine  Seestadt,  wo  dergleichen  Thiere  zu  kaufen  sind,  die 
beiden  Weibclien  waren  also  noch  zu  längerem  Wittwenstand  ver- 
dammt ,  da  hörte  ich  ganz  zufällig ,  dass  ein  Herr  auf  einem  Land- 
gute bei  Durlach  zwei  Männchen  habe,  welche  durch  den  Tod  ihrer 
Weibchen  gleichfalls  im  Wittwerstande  waren.  Ohne  Zögern  schrieb 
ich  an  diesen  Herrn  und  fragte  ihn  unter  Erwähnung  meines  Falles, 
ob  er  nicht  zu  einem  Tausch  oder  Verkauf  geneigt  wäre ,  um  beiden 
verwittweten  Theilen  wieder  zu  einer  Ehe  zu  verhelfen.  Die  Ant- 
wort des  Herrn  bestand  darin,  dass  er  zwei  Tage  hernach  (den 
4.  November  1860)  mit  dem  Eilzug  nach  Stuttgart  kam,  eines  seiner 
Männchen  mitbrachte,  und  dagegen  eines  der  Weibchen  mit  nach 
Hause  nahm. 

Das  erste  Begegnen  dieser  Thierchen  war  sehr  interessant, 
Herr  Bulbach  {.-o  heisst  jener  Herr)  sagte,  da  der  Vogel  auf  der 


—    51    — 

Reise  noch  Nichts  gefressen,  so  wäre  es  gut,  ilin  sogleich  von  dem 
Transportkäfig  in  die  Voliere  zu  thun,  was  alsbald  ausgeführt  wurde. 
Der  Bräutigam  blieb  im  ersten  Augenblicke  auf  dem  Boden  sitzen, 
sah  zu  den  beiden  Weibchen  e;iipor,  und  gab  einen  ganz  besonderen 
Laut  von  sich,  welcher  sogleich  von  dem  einen  Weibchen  beant- 
wortet wurde.  Diese  Unterredung  wurde  mehrere  Male  schnell 
hintereinander  wiederholt  und  hiess  vielleicht  in  der  Papagai- 
Sprache  so  viel  als  „Hier  bin  ich,  gefalle  ich  dir ,  willst  du  mich? 
—  Von  Herzen  gern!"  Das  Uebereinkommen  war  schnell  getroffen, 
das  gesprächige  Weibchen  schoss  im  Nu  herab  zu  dem  Männchen, 
und  nun  erst  ging  das  Willkomm  mit  endlosem  Zwitschern  und 
Küssen  an.  Endlich  ging  das  fröhliche  Brautpärchen  in  die  Höhe, 
wurde  aber  dort  von  der  vorher  so  friedlichen  und  anhänglichen 
Genossin  auf  das  Unfreundlichste  empfangen.  Die  vieljährige 
Freundin  und  Genossin  im  Wittwenstande  wurde  mit  wahrer  Wutli 
angefallen.  Wie  zänkische  Vf  eiber  einander  gerne  am  Zopf  packen, 
so  wurde  auch  hier  der  beglückten  Braut  der  Schwanz  ausgerauft. 
Das  Männchen  blieb  unbelästigt,  und  mischte  sich  auch  nicht  in  den 
Streit.  War  die  Braut  von  dem  Bräutigam  entfernt ,  so  war  Friede, 
wagte  sie  sich  aber  wieder  in  seine  Nähe,  so  ging  der  Krieg  von 
Neuem  los.  Es  schien  mehr  gesellschaftliche  als  geschlechtliche 
Eifersucht  zu  sein,  welche  das  zweite  Weibchen  so  in  Harnisch 
brachte.  Einige  Zeit  liess  ich  der  Sache  den  Lauf,  weil  sie  sehr 
interessant  war,  endlich  aber  musste  durch  Entfernung  der  Xan- 
tippe  der  Hausfriede  hergestellt  werden.  Die  Liebe  der  Neuver- 
mählten war  eine  viel  augenfälligere ,  als  es  in  der  ersten  Ehe  der 
Fall  war,  das  Küssen,  Schäkern  und  Plaudern  w^ollte  kein  Ende 
nehmen ,  und  zuletzt  trat  auch  wirkliche  geschlechtliche  Zuthunlich- 
keit  ein. 

Frühere  Beobachtungen  hatten  mich  belehrt,  dass  diese  Vögel 
weder  Federn  noch  anderes  Nistmaterial  in  ihrem  Neste  haben 
wollten,  sondern,  als  in  hohle  Bäume  nistend,  nur  feine  weiche 
Holzspähne ,  welche  sie  in  wildem  Zustande  durch  Zernagen  selbst 
bereiten,  so  stellte  ich  in  das  Nistkästchen  ein  halbkugelförmiges 
hölzernes  Schüsselchen ,  wie  man  es  häufig  den  Kanarienvögeln  zum 


—   52   — 

Nisten  gibt  und  füllte  dasselbe  halbvoll  mit  ganz  feinen  weichen 
Sägespähnen,  gleichsam  wahrem  Holzmehl. 

Dieses  Gestehen  wurde  von  dem  Weibchen  sogleich  in  Besitz 
genommen ,  seines  Inhalts  aber  bis  auf  einen  kleinen  Rest  entleert. 
Am  17.  November  wurde  das  erste  Ei  in  das  Nestchen  gelegt.  Nun 
ging  das  Weibchen  nicht  mehr  zum  Fressen,  sondern  liess  sich  voll- 
ständig von  dem  Männchen  ätzen.  Das  erste  Ei  wurde  gleich  vom 
ersten  Tage  an  bebrütet.  Am  19.  kam  das  zweite  Ei  und  am  22, 
das  Dritte.  Das  Männchen  durfte  sich  dem  Neste  nicht  nähern, 
sondern  wurde  hinausgezankt.  In  wenigen  Tagen  wusste  sich  das 
Männchen  in  das  Verbot  zu  schicken,  sass  vergnügt  vor  dem 
Schlupfloch,  und  eiiipling  das  Weibchen  mit  allen  möglichen 
Schmeicheleien,  wenn  es  herauskam,  um  sich  von  ihm  ätzen  zu 
lassen.  Das  Excrementiren  des  Weibchens  fand  während  des  Brü- 
tens  in  der  Regel  nur  Einmal  des  Tages,  und  zwar  auch  in  bedeu- 
tender Masse  auf  Einmal  statt. 

Eine  Erscheinung  war  mir  sehr  auffallend ,  die  ich  noch  niemals 
bei  andern  Vögeln  bemerkte,  das  Weibchen  nämlich  suchte  die 
Eier  stets  auf  der  Spitze  stehend  zu  erhalten ,  indem  sie  dieselben 
durch  das  Holzmehl  zu  stützen  wusste.  Die  Eier  lagen  auch  nicht 
gedrängt  bei  einander,  sondern  so  weit  von  einander  entfernt,  dass 
keines  das  andere  berührte. 

Vom  12.  December  an  bemerkte  ich,  dass  das  Weibchen  die 
Eier  öfters  verhess  und  sich  den  ehelichen  Liebkosungen  des  Männ- 
chens hingab,  was  mich  auf  die  Vermuthung  brachte,  dass  die  Brut 
verloren  sei,  wesshalb  ich  mir  vornahm,  die  Eier  zu  untersuchen, 
allein  das  Weibchen  überhob  mich  dieser  Mühe,  indem  sie  am 
14.  December  alle  drei  Eier  zu  kleinen  Stückchen  zertrümmert 
hatte.  Sie  waren  nicht  befruchtet,  und  durch  die  Brutwärme  voll- 
ständig ausgetrocknet. 

Die  eheliche  Zärtlichkeit  gab  mir  nun  neue  Hoffnung,  und 
wirklich  kam  auch  am  17.  December  ein  neues  Ei  zum  Vorschein, 
w^elches  auch  unter  den  schon  erwähnten  Umständen  sogleich  be- 
brütet wurde.  Am  19.  kam  das  zweite  und  am  22.  das  dritte  Ei. 
Die  Brut  wurde  so  eifrig  betrieben  wie  das  Erstemal,  und  am 


—    Oö    — 

4.  Januar,  also  nach  18  Tagen,  fand  ich  ein  Junges  im  Nest,  den 
Tag  darauf  aber  die  beiden  andern  Eier  zertrümmert  und  unbe- 
fruchtet, wie  das  Erstemal.  Das  Junge  lebte  nur  drei  Tage.  Ohne 
Zweifel  ist  es  Hungers  gestorben ,  weil  die  Vögel  bei  Nacht  nicht 
ätzen,  und  die  Nächte  in  jener  Jahreszeit  gar  so  lang  sind. 

Die  Liebesscenen  wiederholten  sich  abermals,  und  siehe  da, 
das  Weibchen  legte  wieder  au  den  nämlichen  Monatstagen,  am 
17.,  19.  und  22.  Januar  drei  Eier.  Das  Benehmen  der  beiden  Vögel 
war  w^ährend  dieser  dritten  Brütezeit  das  ganz  gleiche,  wie  die 
beiden  Erstenmale.  Am  5.  Februar  schlüpfte  das  erste ,  am  6.  das 
zweite  und  am  7.  das  dritte  Junge  aus.  Das  erste  Junge  entwick- 
elte sich  auffallend  schnell,  so  dass  es  schon  eine  verhältnissmässig 
bedeutende  Grösse  erreicht  hatte,  als  das  dritte  Junge  zur  Welt 
kam ,  welches  als  das  schwächliche  Xestsitzerchen  von  den  beiden 
grösseren  Geschwistern  am  10.  zu  Tod  gedrückt  wurde.  Am  11. 
Morgens*,  als  ich  w'ie  gewöhnlich  sogleich  nach  dem  Aufstehen  nach 
den  Thierchen  sah,  waren  die  beiden  Jungen,  obgleich  noch  blind, 
aus  dem  schtisselförmigen  Nestchen  herausgeklettert;  jedes  lag  in 
einer  andern  Ecke  des  Kästchens,  das  Aelteste  frisch  und  munter, 
das  Jüngere  aber  todt  unter  der  Mutter,  welche  dasselbe  auf  dem 
flachen  Boden  des  Kästchens  ganz  breit  gedrückt  hatte.  Nun  nahm 
ich  das  Nestschüsselchen  ganz  heraus,  und  liess  das  überlebende 
Junge  in  dem  etwa  anderhalb  Fuss  langen  horizontalen  Kästchen 
frei  sitzen,  wo  es  sich  in  dem  Holzmehl  ganz-gut  zu  befinden  schien. 
Die  Mutter  war  von  da  an  nicht  unausgesetzt  bei  dem  Kinde,  son- 
dern ging  oft  heraus  und  unterhielt  sich  mit  dem  Männchen, 
welches,  wie  während  der  Brütezeit,  das  Weibeben  ätzen  musste, 
und  dieses  nachher,  nachdem  sich  die  von  dem  Männchen  empfan- 
gene Speise  in  ihrem  Kröpfe  in  eine  weiche  breiartige  Masse  ver- 
wandelt hatte ,  das  Junge. 

Nachdem  das  Weibchen  dreimal  so  drei  Eier  gelegt,  und  nun 
ein  Junges  aufzuziehen  hatte,  dachte  ich  an  keine  neue  Brut  mehr, 
alkin  da  täuschte  ich  mich ,  denn  es  kamen  jetzt  sogar  vier  Eier, 
nämlich  am  21.,  23.,  25.  und  27.  März,  Das  Weibchen  fing  sogleich 
wieder  zu  brüten  an,  allein  bei  Weitem  nicht  mit  der  festen  Aus- 
dauer, wie  vordem,  denn  sie  verliess  die  Eier  sehr  oft,  theils  um 


54 


sich  vom  Männchen  ätzen  zu  lassen,  theils  um  das  Junge  zu  ätzen, 
theils  aber  auch  ohne  sichtbaren  Grund,  gleichsam  nur  um  Prome- 
nade zu  macheu  und  mit  Mann  und  Kind  zu  spielen.  Wenn  ich 
nach  ihr  im  Neste  sah ,  so  sass  sie  niemals  ganz  über  den  Eiern, 
sondern  lehnte  sich  gleichsam  nur  neben  an  dieselben  an.  Diess 
Benehmen  liess  mich  keinen  guten  Erfolg  erwarten ,  und  doch  kam 
am  11.  und  12.  April  je  ein  Junges  zur  Welt.  Am  13.  zertrümmerte 
das  Weibchen  die  beiden  andern  Eier,  wie  sie  es  früher  schon  mit 
den  unbefruchteten  gemacht  hatte.  Die  Eier,  sowie  jetzt  auch  die 
Jungen,  lagen  ohne  Nest  nur  auf  dem  mit  bew^usstem  Holzmehl  be- 
deckten Boden,  wo  sie  umherzukriechen  anfingen,  ehe  sie  sehend 
waren ,  überhaupt  zeigten  sie  recht  bald  eine  weit  grössere  Fähig- 
keit, sich  auf  ebenem  Boden  zu  bewegen,  als  diess  bei  diesen  Klet- 
tervögeln zu  vermuthen  ist ,  denn  sie  lernten .  lange  ehe  sie  fliegen 
konnten,  nicht  nur  gut  gehen,  sondern  eigentlich  springen  wie 
junge  Hühnchen.  Bei  dem  Ausschlüpfen  sind  sie  ganz  nackt,  und 
haben,  wie  die  meisten  jungen  Vögel,  einen  grossen  Kopf  und 
grossen  Bauch.  Von  den  einzelnen  kleineren  Theilen  ist  besonders 
die  Wachshaut  über  dem  Schnabel,  in  welcher  sich  die  ganz  nach 
Oben  gerichteten  Naslöcher  befinden,  auffallend  gross,  wäe  aufge- 
schw^ollen.  Der  Schnabel  ist  klein,  und  die  obere  Spitze  noch 
nicht  hackenförmig  herabgebogen,  wie  es  den  Papagaien  eigen  ist. 
An  den  Füssen  gehen  drei  Zehen  nach  Yornen  und  einer  nach  Hin- 
ten, wie  bei  andern  Vögeln,  erst  w^enn  das  Junge  zu  laufen  anfängt, 
gewöhnt  sich  der  nach  Aussen  stehende  dritte  Vorderzehe  nach 
Hinten,  zuerst  ganz  wacklich,  wie  lahm  oder  abgebrochen,  zuletzt 
aber  gekräftigt  und  die  Fussbildung  der  Klettervögel,  zwei  Zehen 
nach  Vornen  und  zwei  nach  Hinten,  annehmend. 

Am  10.  Tage  nach  der  Geburt  bemerkte  ich  die  ersten  Feder- 
stoppeln an  den  Flügeln,  am  11.  an  dem  Schwänze,  und  von  da  an 
nach  und  nach  am  ganzen  Leibe,  am  Kopfe  anfangend,  sich  über 
den  Bücken  verbreitend ,  und  zuletzt  am  Bauche. 

Ganz  feine  zwitschernde  Stimmen  gaben  die  Jungen  schon  in 
den  ersten  Tagen  von  sich,  namentlich  wenn  die  entfernt  gewesene 
Mutter  wieder  zu  ihnen  kam  und  zu  essen  gab;  ein  eigentliches 
Geschrei  liess  das  erste   am  Leben    gebliebene  Junge  erst  am 


.      _   55  — 

17.  Tage  hürcu.  Vom  8.  Tage  an  ^Ya^en  die  Augen  geöffnet,  die 
Jungen  ziehen  sich  aber  während  der  Ruhezeit  stets  in  die  hinterste 
dunkle  Ecke  des  Kästchens  zurück.  Nachdem  sie  befiedert  sind, 
aber  noch  nicht  fliegen  können,  kommen  sie  viel  an  die  Schlupföff- 
nung des  Kästchens,  um  der  Mutter  nach  Nahrung  zu  rufen,  welche 
jetzt  von  dem  Männchen  beim  Aetzen  der  Jungen  unterstützt  wird, 
während  es  früher  durch  das  Weibchen  von  den  Jungen  entfernt 
gehalten  wird. 

Ganz  ausserordentlich  merkwürdig  war  es,  dass  das  Weibchen, 
welches  das  Männchen  Anfangs  mit  grösstem  Eifer  von  den  Jungen 
entfernt  hielt,  dem  erstgebornen  Jungen  den  Zutritt  zu  seinen 
neuen  Geschwistern  erlaubte.  Anfangs  war  es  mir  bange,  der 
starke  muthwillige  ältere  Bruder  werde  die  so  zarten  kleinen  Ge- 
schöpfchen zu  Tode  drücken ,  allein  bald  fand  ich ,  dass  er  sie  mit 
grösster  Schonung  behandelte ,  ja  sogar  ätzen  half,  sobald  sie  ein 
klein  wenig  gekräftigt  waren.  Jetzt  noch,  im  Juli,  da  sämmtliche 
Junge  schon  ihr  Jugendkleid  ausgezogen  haben,  und  nur  mit  Mühe 
von  den  Alten  zu  unterscheiden  sind  (d.  h.  nur  von  mir,  denn  Fremde 
finden  gar  keinen  Unterschied  zwischen  den  Jungen  und  Alten), 
findet  stets  ein  Aetzen  statt,  was  aber  nicht  ein  Ernährungsbedürf- 
niss,  sondern  reine  Schmeichelei  ist,  welche  auch  bei  den  Alten 
vorkommt. 

Mit  38  bis  39  Tagen  kamen  die  Jungen  aus  dem  Brütkästchen 
herausgeklettert,  und  liefen  auf  den  Sitzstangen  in  der  Voliere 
ganz  behend  der  Mutter  nach ;  zwei  Tage  später  flogen  sie  herum, 
kamen  auf  den  Boden  herab,  spielten  im  Sande  und  im  Futterkäst- 
chen und  lernten  nach  einigen  Tagen  selbst  fressen,  ohne  dass  je- 
doch das  Aetzen  ganz  aufgegeben  wurde. 

Das  Futter  dieser  Yögel  besteht  aus  Kanariensamen.  Obst 
der  verschiedensten  Art,  welches  ihnen  schon  gereicht  wurde,  be- 
rühren sie  nicht,  dagegen  aber  selu*  gerne  gewöhnlichen  Kopfsalat, 
der  ihnen  namentlich  Sommers  häufig  gegeben  wird.  Für  die  klei- 
nern Vögel,  Bengalisten  etc.,  welche  in  der  Voliere  sind,  ist  weisse 
Hirse  im  Käfig,  weil  diese  nichts  Anderes  fressen.  Früher  rührten 
die  Papagaien  die  Hirse  nicht  an,  seit  aber  einmal  ein  Junges  auf 
der  Welt  war,  fressen  sie  auch  davon,  und  namentlich  auch  die 


—   56   — 

Jungen,  sobald  sie  allein  zu  fressen  anfangen,   ohne  Zweifel,  weil 
sie  diese  leichter  enthülsen  können,  als  den  Canariensamen. 

Zum  Brüten  scheint  keine  besonders  grosse  Wärmeentwick- 
lung nothwendig  zu  sein,  denn  das  Weibchen  hatte  die  Eier,  wie 
schon  erwähnt,  stets  etwas  entfernt  von  einander  auf  der  Spitze 
stehen,  so  dass  sie  dieselben  nicht  alle  vollständig  bedecken  konnte, 
und  das  Bett  war  auch  kein  besonders  warmes.     Das   Gewächs- 
haus, in  welchem  die  Voliere  sich  befindet,  wird  Winters  nur  auf 
10  Grade  R.  geheitzt,  sinkt  aber  des  Nachts  auf  7  bis  8  Grade,  hie 
und  da  noch  tiefer  herab.    Nachdem  die  Jungen  ausgeschlüpft  sind, 
setzt  sich  die  Mutter  nicht  mehr  dicht  über  dieselben,  sondern 
mehr  seitwärts,  so  dass  sie  nach  einer  Seite  ganz  unbedeckt  sind. 
Zu  verwundern  ist,  dass  unter  solchen  Umständen  die  völlig  nackten 
Dinger  eine  so  bedeutende  Eigenwärme  entwickeln,  die  man  mit 
der  Hand  ganz  deutlich  fühlt.     Schon  die  sehr  kurze  Brützeit  von 
18  Tagen  scheint  auf  eine  bedeutende  Eigenwärme  der  Jungen  vom 
Embryo  an  hinzuweisen.    Eben  diese  grosse  Eigenwärme  befördert 
ohne  Zweifel  die  Verdauung  sehr ,  woher  auch  das  rasche  Wachs- 
thum  und  die  schnelle  Befiederung  der  Jungen.   In  der  fünften 
V/oche  haben  die  Jungen  gut  die  Hälfte  der  Grösse  ihrer  Eltern 
erreicht,  und  sind  nach  einem  starken  Vierteljahr  von  den  Eltern 
kaum  mehr  zu  unterscheiden.    Das  erste  Jugendkleid  ist  nicht  sehr 
von  dem  der  Erwachsenen  zu  unterscheiden,  das  Grün  des  Unter- 
leibes ist  etwas  matter,  das  Gelb  um  den  Schnabel  schmutzig  und 
die  eigenthümlichen  kleinen  runden  schwarzen  Punkte  an  der  Kehle 
sind  noch  unausgebildet.  Nach  der  ersten  Mauser,  welche  mit  einem 
Vierteljahr  eintritt,  sind  alle  Farben  und  Zeichnungen  vollkommen. 
Männchen   und   Weibchen    dieser    niedlichen    Vogelgattung, 
welche  kaum  die  Grösse  eines  Sperlings  hat,  sind  vollständig  gleich 
geformt,  gefärbt  und  gezeichnet,  mit  Ausnahme  der  ziemlich  her- 
vortretenden Wachshaut  am  Grunde  des  Oberschnabels,  in  welcher 
sich  die  Naslöcher  befinden.    Diese  Wachshaut  ist  bei  den  Jungen 
ganz  blass  blau,  und  erst  nach  langer  Zeit,  manchmal  erst  nach  ein 
oder  zwei  Jahren  verändert  sich  diese  Farbe  dahin,  dass  sie  bei 
dem  Männchen  dunkler,  bei  dem  Weibchen  heller,  meistens  ganz 
weisslich  wird.     Wenn  die  Begattungszeit  herannaht,  so  färbt  sich 


57 


die  weissliclie  Waclisliaut  des  Weibchens  schmutzig  hellerdfarben, 
schwillt  etwas  auf  und  erhält  eine  rauhe  Oberfläche,  welche  beinahe 
aussieht,  wie  eine  abgetrocknete  Eiterblatter.  Bei  dem  Männchen 
konnte  ich  an  der  Färbung  der  Wachshaut  während  dieser  Zeit 
keine  Veränderung  wahrnehmen. 

AVährend  meiner  Abwesenheit  um  Mitte  Juni  legte  das  Weib- 
chen abermals  2  Eier,  bebrütete  dieselben  aber  nicht,  sondern  biss 
in  jedes  derselben  nach  wenigen  Tagen  ein  Loch  und  wollte  sie  zum 
Brutkästchen  hinauswerfen,  wesshalb  ich  sie  himvegnahm.  Am 
5.  Juli  lag  wieder  ein  Ei  zertrümmert  in  der  Voliere,  ob  vorher  im 
Brutkästchen  gelegt  und  hinausgeworfen,  oder  auf  den  Boden  in 
der  Voliere  gelegt,  kann  nicht  ermittelt  werden,  weil  es  erst  gesehen 
wurde,  als  es  zertrümmert  dalag. 

Ausser  diesen  gelungenen  Fällen  des  Brütens  von  Papagaien 
habe  ich  noch  mehrere  andere,  jedoch  sehr  unglücklich  endende 
erlebt.  Mein  sei.  Vater  hatte  unter  Anderen  zwei  australische 
Papagaien  (Trichoglossus  nmlticolorj,  welche  wegen  verschiedener 
Grösse  und  Färbung  allgemein  für  Männchen  und  Weibchen  ge- 
halten wurden.  Man  fand  bei  diesen  Vögeln  eines  Morgens  ein 
Ei  im  Käfig,  wesshalb  ihnen  sogleich  von  allerlei  weichem  Material 
ein  Nest  gemacht  und  das  Ei  darein  gelegt  wurde,  sie  zerrisen  aber 
das  Nest  und  wälzten  das  Ei  auf  den  flachen  Boden.  Nach  diesem 
gab  man  ihnen  eine  Holzschachtel,  in  welche  seitwärts  eine  Schlupf- 
öfihung  gemacht  wurde,  brachte  Nistmaterial  und  das  Ei  hinein. 
Sogleich  bezogen  sie  die  Schachtel,  schaiften  aber  alles  Material 
heraus  und  Hessen  nur  das  Ei  darin,  bei  welchem  beide  Vögel  fort- 
während blieben  und  nur  selten  sich  zeigten.  Im  Verlauf  weniger 
Zeit  wurden  mehrere  Eier  gelegt,  auffallender  Weise  von  verschie- 
dener Grösse.  Das  Brüten  wurde  gemeinschaftlich  fortgesetzt,  beide 
Vögel  aber  starben  auf  der  Brut,  und  bei  der  Section  zeigte  sich, 
dass  es  zwei  Weibchen  waran,  welche  beide  Eier  gelegt  hatten. 

Nicht  selten  kommt  es  vor,  dass  ehelos  lebende  Papagai-Weib- 
chen  Eier  legen,  ohne  brüten  zu  wollen,  manchmal  aber  brüten  sie 
doch,  sterben  aber  gewöhnhch  auf  der  Brut.  Dies  beobachtete  ich 
nicht  nur  bei  mehreren  Vögeln  in  meinem  Besitz,  sondern  auch  bei 
Bekannten.     Ein   Pärchen    von   den   bekannten  Inseparables 


—    58  —  . 

(Psittacus  pullar'ms)  begattete  sich  bei  mir,  das  Weibchen  legte 
4  Eier  und  brütete.  Das  Männchen  ätzte  das  Weibchen  mit  grossem 
Fleisse,  starb  aber,  ehe  die  Brütezeit  vorüber  war,  wie  mir  schien, 
an  Entkräftung,  weil  die  grosse  Sorgfalt  für  sein  Weibchen  die 
eigene  Ernährung  zu  sehr  beeinträchtigte.  Zwei  Tage  nah  dem 
Männchen  war  auch  das  Weibchen  todt  auf  den  Eiern,  welche  bei 
der  Untersuchung  sich  als  befruchtet  und  halb  ausgebrütet  zeigten. 

Ein  sehr  schöner  Lorius  grandis  von  den  Südsee-Inseln,  welcher 
in  ehelosem  Stande  bei  mir  mehrere  Jahre  hinter  einander  Eier 
legte,  und  zuletzt  auch  brütete,  starb  auf  der  Brut.  So  kenne  ich 
noch  verschiedene  Fälle,  die  allemal  mit  dem  Tode  endeten,  und 
erst  die  genauen  Beobachtungen  bei  meinen  Zebra-Papagaien 
führten  mich  zu  der  Entdeckung,  dass  die  Papagai-Weibchen,  so- 
bald sie  auf  der  Brut  sitzen,  nicht  mehr  selbst  fressen,  sondern 
von  dem  Männchen  geätzt  werden,  daher  das  Sterben  aller  in  ehe- 
losem Stande  brütenden  Weibchen,  sowie  auch  derer,  denen  wäh- 
rend des  Brütens  das  Männchen  stirbt  oder  sonst  entzogen  wird. 

Aus  diesen  Beobachtungen  kann  man  die  Lehre  ziehen,  dass 
man  ein  Papagai-Männchen  niemals  von  seinem  Weibchen  trennen 
soll,  wenn  dieses  auf  der  Brut  sitzt,  und  dass  man  bei  ehelosen 
Weibchen  das  Brüten  ganz  verhüten  muss,  indem  man  ihnen  die 
Eier  liinwegnimmt ,  weil  diese  Thiere  den  natürlichen  Instinkt 
haben,  sich  während  des  Brütgeschäfts  von  dem  Männchen  er- 
nähren zu  lassen  und  lieber  auf  den  Eiern  verhungern,  als  diese 
verlassen,  um  Nahrung  zu  holen. 

Die  Leichtigkeit,  mit  welcher  in  neuerer  Zeit  fremde  Thiere 
durch  das  Yerbindungsmittel  des  Dampfes  nach  Europa  eingeführt 
werden,  hat  die  Zahl  der  Einführungen  sehr  vermehrt  und  den 
Preis  bedeutend  vermindert,  so  dass  man  ohne  Zweifel  in  kurzer 
Zeit  verschiedene  Fälle  von  Züchtung  erleben  wird,  die  Aufschlüsse 
über  die  Lebensweise  dieser  Fremdlinge  geben  werden. 

X.  Oberreallehrer  Dr.  Reuss  in  Ulm  zeigte  sehr  sckön  ge- 
trocknete Pflanze nblätter  vor,  welche  er  durch  Naturselbst- 
druck vervielfältigen  lassen  will. 


—   59  — 

XI.  Dr.  Zech  spracli  über  die  Erscheinungen  der 
Spektralanalyse  und  zeigte  dieselben  an  einem  dazu  aufge- 
stellten Apparate.  Es  ist  eine  bekannte  Thatsache,  dass  bestimmte 
Stoße  (im  chemischen  Sinn  des  Worts)  Flammen  bestimmte  Farben 
mittheilen,  wie  Jedermann  von  Feuerwerken  her  weiss.  Zu  wissen- 
schaftlichen Zwecken  wurde  diese  Thatsache  bei  den  Löthrohrver- 
suchen  benutzt,  indem  man  aus  der  Farbe  der  Flammen  oder  einer 
geschmolzenen  Perle  auf  die  darin  enthaltenen  Substanzen  schloss. 
Mängel  dieser  Beobachtungsart  sind,  dass  der  Farbensinn  viel 
häufiger  als  man  glaubt  unvollkommen  entwickelt  ist  und  dass  beim 
Vorkommen  mehrerer  Substanzen  zu  gleicher  Zeit  eine  schwer  zu 
beurtheilende  Mischfarbe  entsteht.  Frei  von  diesen  Mängeln  ist 
die  neue  Methode  der  Spektralanalyse  von  Bunsen  und  Kirchhoff: 
die  zu  untersuchende  Substanz  wird  an  einem  Platindraht  zu  einer 
Perle  geschmolzen  und  in  der  nichtleuchtenden  Bunsen'schen 
Flamme  verflüchtigt;  die  durch  eine  enge  Spalte  gehenden  gefärb- 
ten Lichtstrahlen  werden  durch  ein  Prisma  in  ihre  Bestandtheile 
zerlegt.  Man  hat  so  gefunden,  zunächst  von  den  Alkalien  und 
Alkaloiden,  dass  dieselben  bestimmte  Spektra  geben ,  die  einander 
nicht  stören  und  schon  auftreten  bei  Quantitäten,  welche  auf  an- 
derem Wege  nachzuweisen  mit  den  gegenwärtigen  Mitteln  unmög- 
lich ist.  Bunsen  hat  vermittelst  dieser  Methode  schon  zwei  neue 
chemische  Elemente  nachgewiesen  und  Kirchhoff  hat  gezeigt,  dass 
man  die  Sonnenatmosphäre  analysiren  könne.  Die  Lithionflamme 
z.  B.  gibt  im  Spektrum  eine  glänzend  rothe  Linie,  lässt  man  aber 
Sonnenstrahlen  durch  die  Flamme  hindurch,  so  wird  auf  dem 
Grunde  des  Sonnenspektrums  jene  Linie  vollkommen  dunkel  und 
durchaus  ähnhch  den  Fraunhoferschen  Linien;  Kirchhoff  schliesst 
daraus,  dass  die  Fraunhoferschen  Linien  erzeugt  werden  bei  dem 
Durchgang  des  Sonnenlichts  durch  die  mit  verschiedenen  Dämpfen 
geschwängerte  Sonnenatmosphäre,  und  jede  Substanz,  welche  eine 
helle  Linie  zeigt,  wo  das  Sonnenspektrum  eine  dunkle  hat,  wird  in 
der  Sonnenatmosphäre  enthalten  sein. 

XIL  Professor  Dr.  Fr  aas  sprach  über  den  Lehm.  Die 
grösste  Schwierigkeit  bei  Fertigung  von  geognostischen  Karten 


—    60    — 

bietet  sicherlich  die  Darstellung  der  Schichtenbedeckung  oder_^  der 
Ver Witterungsprodukte  älteren  Gebirges,  welche  letzteres  der 
Untersuchung  ganz  oder  theilweise  entziehen.  Bei  Karten  grös- 
seren Massstabs  freilich  entgeht  man  dieser  Schwierigkeit,  indem 
liier  mit  kühnem  Pinselstrich  die  Formationsgrenzen  unter  der 
Bodendecke  gezogen  werden  können.  Sobald  aber  ein  Massstab 
Avie  der  unseres  topographischen  Atlasses  vorliegt,  muss  man 
sich  auf  jeglichem  Terrain  Rechenschaft  geben,  ob  und  wie  weit 
die.  Schichtengrenzen  eingetragen  werden.  Dass  man  die  Acker- 
krume und  humösen  Boden,  dass  man  ferner  die  Schutthalten 
am  Fuss  der  Berge  nicht  berücksichtigt,  darüber  ist  w^ohl  Alles 
einig,  ebenso  dass  man  alle  Tertiärschichten,  wenn  sie  auch  nur 
wenige  Fuss  mächtig  als  Thonmergel,  Sandmergel  und  Sande, 
z.  B.  am  Südrand  der  Alb  den  Jura  decken ,  berücksichtigt,  dar- 
über wird  gleichfalls  kein  Zweifel  sein.  Zwischen  beiden  inne, 
d.  h.  zwischen  den  letzten  Bildungen  der  Tertiärzeit  und  den 
Resten  des  modern  zerstörten  Gebirges  liegt  ein  System  von 
Schuttland,  von  Lehm,  Löss,  Luxe  etc.  bald  nur  wenige  Fuss, 
bald  aber  viele  Klafter  mächtig,  das  die  Oberfläche  namentUch 
der  Ebenen  bildet,  oder  in  die  Thäler  hinabsteigt  und  den  Geog- 
uosten  zur  Verzweiflung  bringen  kann ,  der  den  Formationsgrenzen 
nachgehen  möchte.  Solang  man  noch  der  Ansicht  war,  zwischen 
sogenanntem  Diluvium  und  Alkivium  trennen  zu  müssen,  zeich- 
nete man  das  erstere  als  eine  Epoche  bildend  in  der  Entwicke- 
lung  der  Erdkruste  noch  ein,  liess  dagegen  die  Alluvionen  als 
eine  Bildung  der  Neuzeit  fallen,  allein  immer  mehr  stellte  sich 
die  Unmöglichkeit  heraus,  Unterschiede  zwischen  beiden  zu  zie- 
hen und  heutzutage  neigt  sich  offenbar  die  Mehrzahl  der  Geo- 
gnosten  der  Anschauung  zu ,  dass  das  sogenannte  Diluvium  keiner 
grossen  Fluth  zuzuschreiben  sei,  die  Katastrophe  bildend  über 
die  Erde  kam,  als  vielmehr  das  Resultat  einer  ruhig  aber  lang 
wirkenden  Zerstörung  des  älteren  Gebirges  wäre.  In  der  That 
bestätigt  sich  diess  auch  durch  jeden  Tritt  und  Schritt  der  zum 
Behuf  der  geognostischen  Landesaufnahme  gemacht  wird.  Es  ist 
rein  unmöglich,  Altersunterschiede  aufzufinden,  welche  die  schich- 
tendeckenden Verwitterungsprodukte  in  ein  System  bringen  könn- 


—  fil  — 

teil.  Von  den  kaum  etwas  verwaschenen  Schicliten  an  bis  zum 
reinen  Lehm,  dem  man  seinen  Ursprung  lediglich  nicht  mehr 
ansieht,  gibt  es  tausendfache  Schattirungen  und  Mengungen,  die 
alle  zu  berücksichtigen  ein  ebenso  eitles  Unternehmen  wäre,  als 
wollte  man  die  Kieselsteine  des  Neckars  nach  ihren  Formen 
classificiren.  An  der  Winterhalde  bei  Canstatt,  dem  grossen 
Mammuthfeld  vom  Jahr  1860,  lagen  die  Ziüme  und  Knochen  der 
Elephantcn  und  Nashorne  ebenso  in  dem  reinen  Keuperschutt 
als  wie  in  dem  bis  zur  letzten  Yerv/itterung  vollendeten  Lehm, 
dessgleichen  fanden  sie  sich  ebenso  in  dem  alluvialen  Remssand 
von  Schorndorf  als  wie  in  dem  Albschutt  von  Amstetten.  Con- 
sequenter  Weise  wäre  hienach  Bergschutt,  Remssand  u,  dgl.  als 
Mammuth  führend  mit  besonderer  Diluvialfarbe  auf  den  Karten 
anzubringen,  ein  Verfahren  dessen  Unzulässigkeit  Jedem  ein- 
leuchten muss.  Dazu  kommt  nun ,  dass  von  allen  Seiten  Europas 
Nachrichten  einlaufen,  die  an  der  Fossilität  der  Mammuth  und 
Nashorne,  beziejmngsweise  deren  hohem  Alter  stark  zweifeln 
lassen.  Anerkannte  Autoritäten  bestätigen  aus  England,  Frank- 
reich, Schweiz  und  Deutschland,  dass  an  ursprünglichen  Lager- 
stätten Mammuth  mit  dem  Menschen  zusammengefunden  wurde, 
einige  der  schlagendsten  Erfunde,  die  E.  L artet  in  Aurignac 
(haute  Garonne)  machte,  hatte  ich  neulich  selbst  zu  sehen  Ge- 
legenheit. Feuersteinwaffen,  Menschenknochen,  Mammuth  und 
Nashornreste  liegen  in  vollständigem  gleichem  Zustand  der  Zer- 
setzung resp.  Erhaltung  beieinander  in  dem  gleichen  Lager,  ja 
es  tragen  sogar  einige  der  Knochen  und  Zähne  unverkennbare 
Spuren  der  Bearbeitung  durch  jene  Feuersteinmesser  und  Sägen 
an  sich.  Bekannter  schon  sind  ferner  die  Untersuchungen,  die 
im  Spätsommer  1S59  eine  Gesellschaft  englischer  und  französi- 
scher Geologen  in  St.  Acheul,  zwischen  Amiens  und  Abbeville 
gemacht  haben,  über  welche  Lyell  kurz  berichtet,  er  erkenne 
in  den  dortigen  Kiesbänken  ein  altes  Lager  menschlicher  Urein- 
wohner, die  in  Gesellschaft  des  Mammuths  den  französischen 
Norden  bewohnt  haben.  Aehnliches  berichtet  Studer  von  Bern 
und  Andere.  Ich  führe  hier  diese  Thatsachen  nur  an,  nicht  um 
ein  höheres  Alter  des  Menschen   zu   beweisen,   sondern  um   auf 


—    62   — 

das  offenbar  jüngere  Alter  der  vermeintlich  diluvialen  Thiere 
hinzuweisen.  Hienach  beweist  der  Fund  von  Mammuth,  Rhino- 
ceros,  Auerochs,  Riesenhirsch,  Höhlenbär  u.  s.  w.  lediglich  keine 
antediluviane  Zeit,  keine  Epoche  in  der  Bildung  der  Oberfläche, 
nichts  das  auf  einer  geognostischen  Karte  als  gleichberechtigt 
mit  Schichten  eingetragen  Averden  könnte.  So  fallen  alle  petro- 
graphischen  und  palaeontologischen  Momente ,  die  für  eine  Unter- 
scheidung von  Alluvial  und  Diluvial  sprächen:  vielmehr  bleibt 
uns  nach  Bildung  des  letzten  und  jüngsten  Tertiärs  am  Südrande 
der  Alb  nur  Eine  grosse  Periode,  die  Periode  der  Neuzeit,  zu 
verzeichnen,  die  Zeit  der  Verwitterung  der  Steine,  die  sicher- 
lich niemals  eine  andere  war,  als  die  heutzutage  noch  ist. 

XIII.  Ober-Med.-Rath  Dr.  G.  v.  Jäger  theilte  seine  Beob- 
achtungen über  rankende  Gewächse,  namentlich  über  Epheu 
(Hedera  helix  L.)  mit. 

In  einem  früheren  Vortrage  '''  habe  ich  einige  Beobachtungen 
über  das  Verhältniss  der  parasitischen  Gewächse  zu  der  Nähr- 
pflanze mitgetheilt,  welchen  die  folgende  Beobachtungen  zur  Er- 
gänzung dienen  mögen. 

In  einem  nahezu  1  Morgen  grossen  Garten  in  der  Nähe  von 
Carlsruhe,  der  mit  einer  beiläufig  7'  hohen  Mauer  und  auf  der 
westlichen  Seite  von  einem  Hintergebäude  des  Hauses  umschlossen 
ist,  fand  ich  im  Juni  1860  die  westliche  Wand  des  Hintergebäudes 
mit  jungen  Epheupflanzen  bis  zur  Höhe  von  10—12'  überzogen, 
welche  sich  dicht  an  dem  ziemlich  glatten  Kalküberzug  der  Wand 
angelegt  hatten,  indess  mehrere  derselben  in  bedeutender  Höhe 
sich  nicht  mehr  zu  halten  vermochten,  indem  die  grösser  und 
schwerer  gewordenen  jungen  Pflanzen  mit  ihren  Wurzelansätzen 
nicht  hinlänglich  in  den  Kalküberzug  der  Wand  eindringen  konn- 
ten. Dagegen  bot  die  nördliche  Wand  der  den  Garten  umgebenden 
Mauer  eine  für  die  Epheupflanzen  viel  geeignetere  Oberfläche  zur 
Anheftung  und  zu  leichterer  Ernährung  dar,   und  sie  war  auch 


*     XII.    Jahrg.    der   naturw.    Jahreshefte    I.  Heft  p.  63   zum   Theil 
übereinstimmend  in  der  Bonplandia  1855.   Nr.  -1.  pag.    50  abgedruckt. 


—    TdS    — 

gänzlich  damit  überwachsen,  so  dass  der  Epheu  sich  über  den 
Rand  der  Mauer  nach  der  südlichen  Seite  derselben  zog.  Die 
Aeste  desselben  hatten  sich  zum  Theil  der  Aeste  und  des  Stamms 
von  2  beiläufig  IV2'  von  der  nördlichen  Wand  der  Mauer  abstehen- 
den Zwetschenbäumen  von  5  bis  6"  Durchmesser  bemächtigt,  welche 
überdiess  von  dem  am  Boden  wurzelnden  Epheu  aus  mit  einem 
dichten  Filze  unter  sich  verwachsener  dünnerer  und  dickerer,  zum 
Theil  mehrere  Jahre  alter  Epheuzweige  überzogen  waren.  Dieser 
zu  einem  dichten  Filz  verAVobene  Ueberzug  zeigte  nach  seiner  Ab- 
nahme von  dem  ganz  damit  bedeckten  Stamme  des  einen  der 
Zwetschenbäume  wohl  eine  Dicke  von  6 — 7'"  und  breitete  sich 
dünner  werdend  über  die  Ae^te  des  Baumes  aus.  Manche  Zweige 
des  Epheus  gingen  von  den  Bäumen  zu  der  Mauer  über,  so  wie 
umgekehrt  von  der  Mauer  aus  zu  einzelnen  oberen  Aesten  der 
Bäume.  Jene  trugen  noch  einiges  m'cht  gerade  krank  aussehendes 
Laub  und  einige  Früchte.  Von  dem  einen  der  beiden  Zwetschen- 
bäume und  seinen  Aesten  wurde  demnach  die  Epheuhülle  entfernt, 
was  ohne  besondere  Schwierigkeit  geschah,  indem  die  concave 
Fläche  des  Epheuüberzugs  zwar  rauh  war,  sowie  auch,  wenn 
gleich  in  geringerem  Grade  die  sonst  glatte  Oberfläche  der 
Rinde  des  Zwetschenstamms  und  seiner  Aeste,  aber  es  hiengen  die 
dünneren  Zweige  des  Epheuüberzugs  der  Rinde  nicht  fester  an, 
noch  waren  sie  mit  ihr  verwachsen.  Es  konnte  indess  nicht 
fehlen,  dass  bei  einer  so  dichten  Umhüllung  des  Stamms  und 
der  Aeste,  die  Vegetationsprocesse  mehr  oder  w^eniger  nothleiden 
und  die  Bäume  früher  oder  später  von  den  Aesten  aus  insbe- 
sondere zu  Grunde  gehen  mussten.  Wirklich  ging  der  erste 
Baum  trotz  der  Entfernung  dieser  Epheuumhüllung  bis  zum 
Herbste  1860  zu  Grunde  und  auch  an  dem  zweiten  Baume  rag- 
ten im  Sommer  1861  nur  noch  dürre  Zweige  aus  der  unver- 
sehrten Epheuumhüllung  seiner  Krone  hervor.  Auf  ähnliche 
Weise  w^aren  die  Zweige  mehrerer  anderer  Bäume  und  einige 
Reben  desselben  Gartens  zu  Grunde  gegangen  durch  die  dichte 
Umhüllung  mit  verschiedenen  Flechten,  namentlich  Parmelia 
parietina  und  P.  pulverulenta. 

Die    Flechten    scheinen    weniger    als    die    an    Bäumen    fest- 


—    64   — 

sitzenden  Schwämme  (Polysoms)  (vgl.  die  früher  im  ersten  Hefte 
des  XII.  Jahrgangs  angeführten  Versuche)  eine  oberflächliche  Ver- 
änderung oder  Erkrankung  der  Rinde  zu  veranlassen.  Werden 
nemlich  die  genannten  Flechten  mit  einer  dünnen  Holzschichte 
abgeschnitten,  und  diese  auf  Wasser  gelegt,  so  erlangen  die 
Flechten  nur  langsam  ein  frischeres  Ansehen,  wie  dies  alsbald 
geschieht,  wenn  sie  unmittelbar  mit  Wasser  befeuchtet  werden. 
Sie  scheinen  also  mit  den  auf  ihrer  unteren  Fläche  befindlichen 
wurzelartigen  Fortsätzen  nur  wenig  in  die  Rinde  einzudringen, 
indess  die  Schwämme  allmählig  nicht  nur  eine  Erkrankung  der 
Rinde,  sondern  auch  des  Bastes  und  Holzkörpers  bewirken. 
Dagegen  dringt  die  Mistel  fViscum  alhum)  zunächst  auf  den  Holz- 
körper ein,  und  scheint  von  ihm  aus  vorzugsweise  ernährt  zu 
werden. 

Der  Hergang  dabei  ist  schon  von  Malpighi*  in  dem  Capitel 
de  Plantis,  quae  in  allüs  vegetant,  und  von  Seh  acht**  nachgewiesen 
und  durch  Abbildungen  erläutert  worden.  Davon  unterscheidet 
sich  der  Hergang  bei  der  Anheftung  der  Epheupfianzen  wesent- 
lich schon  dadurch,  dass  der  Mistel  nur  auf  lebenden  Pflanzen 
und  nie  auf  Erde  oder  Steinen  vorkommt,  indess  der  Epheu 
ebensowohl  an  Mauern  als  an  todten  und  lebenden  Pflanzen 
wuchert.  Er  bedarf  daher  der  lebenden  Pflanze  (des  Raumes), 
auf  der  er  sich  befindet,  jedenfalls  in  viel  beschränkterem  Maase 
als  Nährpflanze  und  bedient  sich  derselben  (des  Baumes)  haupt- 
sächlich zur  Anheftung,  um  ebenso  wie  an  Mauern  in  die  Höhe 
zu  steigen.  Zu  weiterer  Erläuterung  davon  mögen  die  folgenden 
Beobachtungen  dienen,  welche  ich  an  zweien  an  einer  östlichge- 
legenen Mauer  eines  Gartens  in  Tübingen  als  Spaliere  gezogenen 
Apfelbäumen  anzustellen  Gelegenheit  hatte.  Der  Stamm  des  einen 
wohl  schon  40  bis  50  Jahre  alten  Baumes  hatte  zunächst  der 
Wurzel  einen  Durchmesser  von  beiläufig  13''  und  theilte  sich 
auf  der  einen  (linken)  Seite  in  3,  auf  der  andern  (rechten)  Seite 


*   Opera  omnia  Lugduni  Baiavorum  1687.  jpag.  140. 
**  Beiträge   zur   Anatomie   und   Physiologie   der  Gewächse,     Berlin 
1854.     p.  170^ 


65 


in  2  Hauptäste.  Der  unterste  nahe  am  Boden  (links)  abgehende 
Ast  hatte  an  seinem  dicksten  Theile  einen  Durchmesser  von  bei- 
läufig 9",  der  zweite  nächst  obere  von  8",  der  dritte  etwas 
höhere  von  6'".  Die  östliclie  Seite  des  Stamms  war  bis  zu  dem 
dritten  Seitenaste  mit  jungem  Epheu  überzogen,  ebenso  der  hin- 
tere Theil  der  Seitenäste.  Auf  der  rechten  Seite  fing  der  Epheu 
gleichfalls  an  auf  dem  hinteren  Theil  des  beiläufig  1"  im  Durch- 
messer haltenden  Seitenastes  sich  auszubreiten.  Der  unterhalb 
desselben  abgehende  Ast  von  nur  beiläufig  5"  Durchmesser  war 
ohne  Zweifel  schon  seit  mehreren  Jahren  abgestorben,  und  von 
seiner  Rinde  völlig  entblöst,  und  der  nackte  ganz  glatte  Holz- 
körper ohne  alle  Spur  eines  früher  vorhandengewesenen  Ueber- 
zugs  von  Epheu,  welcher,  zu  Folge  der  Stellung  dieses  Astes 
zunächst  am  Boden,  zuerst  auf  diesen  Ast  von  dem  Boden 
upd  dem  Hauptstamme  aus  sich  ausgebreitet  haben  würde,  wenn 
nicht  die  glatte  und  feste  Beschaffenheit  des  Holzkörpers  der 
Anheftung  des  Epheus  ein  entschiedenes  Hinderniss  entgegen- 
gesetzt hätte.  *  Es  ist  diess  auch  wohl  aus  der  Beschaffenheit 
der  Oberfläche  der  Epheuzweigchen  erklärlich.  Diese  sind  nem- 
lich  auf  der  oberen  Fläche  ziemlich  glatt,  auf  der  unteren  Fläche 
dagegen  etwas  filzig;  und  ausserdem  befindet  sich  in  der  Mitte 
der  unteren  Fläche  ein  gleichsam  aufgerissener  brauner  Strich, 
der  sich  meist  von  einer  Blattstelle  zur  andern  der  alterniren- 
den  Blätter  ausdehnt.  Aus  dieser  an  dem  oberen  Theile  des 
Zweigs  anfänglich  blos  rauhen  in  die  Länge  ausgedehnten  Stelle 
erheben  sich  bei  weiterem  Wachsthume  zuerst  kleine  Fort- 
sätze, welche  mit  weiterer  Entwicklung  des  Zweiges  sich  zu 
einfachen  dünnen  Zapfen  von  brauner  'Farbe  erheben,  die 
in  ihrer  Verbindung  einen  Kamm  mit  enggestellten  Zähnen  dar- 
stellen.   Mit  dem  weiteren  Wachsthum  des  Zweigs  und  dem  län- 


*  An  einem  in  geringer  Entfernung  stehenden  zweiten  Apfelspalier, 
ging  nur  ein  Ast  auf  jeder  Seite  von  dem  Stamme  ab,  auf  welchem  sich 
vom  Boden  aus  Epheupflanzen  gleichförmig  bis  an  die  Theilung  des 
Stamms  in  die  beiden  Aeste  und  zum  Theil  auf  diese  selbst  ausge- 
breitet  hatten. 

Württemb,  naturw.  Jalircsheftc.    18G2.     Is  Hüft.  5 


—  eß  — 

geren  und  engeren  Anschlüsse  der  untern  Fläche  desselben  an 
eine  Wand  oder  einen  Baum  —  Stamm  oder  Zweig  —  nehmen 
diese  zapfenförmige  Fortsätze  an  Länge  zu  und  theilen  sich  so- 
fort wurzeiförmig  in  mehrere  Aeste,  so  wie  sie  z.  B.  auf  der 
Oberfläche  einer  Mauer  in  den  Ueberzug  derselben  etwas  ein- 
dringen können,  und  sie  entwickeln  an  mit  etwas  Erde  bedeckten 
Stellen  einer  Mauer  oder  eines  Baums  allmählig  eine  Reihe  in 
mehrere  Aeste  getheilter  Wurzeln.  Derselbe  Vorgang  findet  so- 
dann bei  Seitenzweigen  statt,  w^elche  sich  aus  den  Knospen  der 
Blattwinkel  entwickeln,  wenn  dieselben  auf  einer  Fläche  hinläng- 
lichen Raum  finden  sich  auszubreiten.  Ist  dies  nicht  der  Fall 
und  entwickeln  sich  also  die  jüngeren  Zweige  übereinander  mit 
zunehmendem  Alter  des  Stamms  oder  Hauptastes  der  Epheu- 
pflanze,  so  verflechten  sich  ihre  Wurzeln  untereinander  und  es 
erscheinen  Wurzelfortsätze  nach  allen  Seiten.  Einige  ältere 
Aeste  fand  ich  auch  mit  dünnen  1 — 2"  langen  einfachen  Wurzel- 
fortsätzen ringsum  besetzt,  ohnerachtet  sie  mit  keiner  Wand 
unmittelbar  in  Berührung  waren.  Am  auffallendsten  war  dies 
an  einem  etwa  5'"  dicken  Epheuast,  welcher  von  einem  Zwet- 
schenbaume  zu  der  Mauer  eine  Art  Brücke  bildete,  gerade  an 
diesem  von  unmittelbarer  Anheftung  freien  Raum.  Man  könnte 
somit  vermuthen,  dass  diese  Wurzelfortsätze  auch  die  Funktion 
von  Luftwurzeln  unter  gewissen  Umständen  haben,  wofür  jedoch 
kein  bestimmter  Nachweiss  gegeben  werden  kann.  Inzwischen 
verändert  sich  die  Function  der  Wurzelfortsätze  des  Epheus  im 
Verlaufe  ihrer  Entwicklung.  Sie  dienen  wenigstens  Anfangs  vor- 
zugsweise zur  Anheftung  des  von  dem  Boden  aus  genährten  und 
sich  erhebenden  Stamms.  Indem  sie  jedoch  unter  günstigen  Um- 
ständen sich  zu  verästeten  Wurzeln  entwickeln,  dienen  sie  un- 
mittelbar auch  zu  Ernährung  der  Epheuzweige  und  sie  fördern 
daher  auch  das  Wachsthum  der  Epheupflanze  in  ihren  höheren 
Theilen  unabhängig  von  dem  noch  wahrscheinlich  in  der  Regel 
fortdauernden  Zusammenhang  der  Epheustämme  mit  der  in  der 
Erde  befindlichen  Wurzel  und  der  fortdauernden  Ernährung  von 
der  Wurzel  aus.  Indem  sich  aber  die  Epheuzweige  vielfach 
unter  sich  verflechten,    bildet   sich    selbst   wieder  ein  Boden  für 


—    67    — 

die  Entwicklung  der  jüngeren  Aeste  und  daher  die  Bildung  eines 
dichten  Filzes  um  die  Gegenstünde  wie  Bäume,  welche  sich  nicht 
zur  Ausbreitung  des  Epheus  in  der  Fläche  z.  B.  an  einer  Mauer 
eignen,  sondern  ihn  gleichsam  zu  einem  fortdauernden  Wachs- 
thum  um  einen  cylindrischen  Körper  (Stamm  oder  Zweig)  nö- 
thigen.  Darauf  beruht  ohne  Zweifel  zunächst  die  nachtheihge 
Wirkung  des  Epheus  auf  die  Bäume,  welche  ihm  zur  Anheftuiig 
dienen,  indem  er  vorzugsweise  durch  den  engen  Anschluss  an 
ihre  Rinde  die  Function  derselben  mehr  oder  weniger  stört,  auch 
ohne  in  sie  einzudringen  und  ihr  Gewebe  zu  verändern.  Wäre 
dies  der  Fall,  so  würde  der  Epheu  als  eine  zu  einer  vollkom- 
menen Pflanze  potenzirte  Flechte  erscheinen.  * 


*  Dem  äussern  Ansehen  nach  verhält  sich  Ficus  repens  dem  Epheu 
ähnlich  in  dem  gleichförmigen  Ueberziehen  von  Wänden.  Die  Oberfläche 
von  Ficus  re_pens  ist  jedoch  beinahe  glatt,  aber  an  einzelnen  Blattwinkeln 
entwickeln  sich  dünne  Wurzeln,  die  sich  zum  Theil  einfach  oder  nur  mit 
einzelnen  Abzweigungen  8  bis  10"  und  darüber  fortsetzen,  und  somit  mehr  zur 
Ernährung  als  zur  unmittelbaren  Anheftung  der  Pflanze  zu  dienen  scheinen, 
welche  theils  durch  kleine  Häufchen  warzenförmiger  Erhöhungen,  wie  bei 
dem  gemeinen  Epheu,  und  die  daraus  sich  entwickelnde  kleine  ästige 
Wurzeln  vermittelt  wird,  indem  zugleich  die  ziemlich  feste  Adhäsion  der 
einzelnen  Aeste  der  Pflanze  an  die,  wenn  auch  ziemlich  ebene,  doch  meist 
feuchte  und  damit  mehr  oder  weniger  w^eiche  Oberfläche  der  Wände  des 
Gewächshauses  erleichtert  wird,  welche  daher  oft  mit  einer  dichten  Aus- 
breitung des  Ficus  repens  bedeckt  sind.  Bei  Ficus  harbata  ist  die  ganze 
Oberfläche  dicht  mit  feinen  Haaren  bedeckt.  An  den  Blattwinkeln  findet 
man  den  bei  dem  Epheu  beobachteten  ähnliche  Wurzelanfänge,  welche  sich 
bei  Berührung  mit  einer  weicheren  Unterlage  mehr  entwickeln  und  ver- 
ästeln, ohne  gerade  eine  Adhäsion  der  ganzen  Pflanze  an  die  Oberfläche  der 
Wand  in  dem  von  mir  beobachteten  Falle  zu  bewirken.  Diese  ist  auch 
durch  das  grössere  Volumen  der  Blätter  und  die  festere  Beschaffenheit  des 
Stamms  und  der  Zweige  dieser  Species  eher  erschwert ,  während  die 
Dünnheit  und  Biegsamkeit  der  Aeste  des  Ficus  repem  dieses  Verhältniss 
begünstigt. 

Einen  Gegensatz  zu  den  eben  angeführten  Ficusarten  bildet  der  gemeine 
Feigenbaum  und  der  häufig  im  Zimmer  gehaltene  Ficus  elastica,  die  beide 
frei  (d.  h.  ohne  natürliche  Anheftung)  in  die  Höhe  wachsen  oder  ihre  Aeste 
ausbreiten.  Das  Ansehen  beider  gleicht  mehr  einem  Strauche  als  einem 
Baume    und  vielleicht  würde  Ficus   elastica   unter   günstigen  Umständen 


—    68    — 

Die  Bignonia  radicans  ^  entspricht  in  ihrer  Entwicklung  nur 
den  zwei  ersten  Stadien  der  Entwickkmg  des  Epheus.  An  ihren 
Blattwinkeln  finden  sich  zwei  bis  drei  Häufchen  w^urzelartiger 
Fortsätze,  welche  in  der  Regel  blos  zur  Anheftung  der  Pflanze 
an  Mauern  oder  Holzwänden  dienen.  Sie  vermögen  sich  auch  an 
ganz  glatte  Oberflächen  von  Holz  festzusetzen,  ohne  je  sich  wur- 
zelartig zu  verästeln.  Dies  geschieht  aber,  wenn  die  angeführte 
Fortsätze  zufällig  auf  die  Fuge  einer  Mauer  treffen,  zwischen 
der  sie  sich  dann  wurzelartig  verästelnd  ausbreiten.  Sie  dienen 
also  jetzt  wesentlich  mit  zur  Ernährung  der  Pflanze,  für  deren 
Anheftung  sie  als  abortive  Wurzeln  allein  bestimmt  waren. 
Diese  letztere  Function  spricht  sich  am  reinsten  in  den  Scheiben 
an  der  Spitze  der  Ranken  der  Hedera  (Vitis)  quinquefolia  in  Ver- 
bindung mit  der  Rankenbildung  aus,  wie  sie  auchMalpighi  in 
der  Abhandlung  de  Cajyreolis  et  similihus  Vinculls  1.  c.  p.  140 
Fig.  104  darstellt.  Es  ist  auffallend,  dass  aus  den  tellerförmigen 
Ausbreitungen,  mittelst  der  sich  diese  Pflanze  an  verschiedene 
Körper  sehr  fest  anklebt,  doch  so  viel  mir  bekannt,  nie  sich  Wur- 
zeln entwickeln.  Diese  gegenseitige  Verhältnisse  von  Pflanzen,  auf 
welche  schon  Malpighi  hingewiesen  hat,  verdienten  allerdings 
eine  ausführliche  Untersuchung  nach  allgemeinen  Gesichtspunkten, 
für  welche  v.  Mohl**  insbesondere  die  Grundlage  geliefert  hat 
und  von  welchen  ich  hier  nur  einige  berühre.  Die  niedersten  Stufen 
des  Parasitismus  bezeichnen  gewissermasen  die  Plantae  sirnpliciter 
scandentes  volubües  cirrhosae,  sofern  sie  sich  blos  einer  andern 
Pflanze  oder  eines  andern  Gegenstandes  bedienen,  um  einer  Eigen- 
thümlichkeit  ihrer  Vegetationsweise   in  Absicht   auf  Stand   oder 


Luftwurzeln  treiben  oder  es  würden  wenigstens  beide  Arten  von  ihren  Aesten 
aus  Wurzeln  treiben,  wenn  sie  in  Berührung  mit  einer  für  diese  Entwick- 
lung günstige   Unterlage  kommen. 

*  Ich  bedaure  bis  jetzt  in  den  Abhandlungen  Ohservations  on  Big- 
noniacecB  von  John  Mi  er  s  in  den  Annais  and  Mag az,  1861  keine  nähere 
Angaben  über  die  Wurzeln  dieser  Pflanzen  gefunden  zu  haben. 

"*'*  In  seiner  gekrönten  Preisschrift  über  das  Winden  und  den  Bau 
der  Ranken  und  Schlingpflanzen.    Tüb.  1827. 


—    69    — 

Stellung  zu  genügen,  und  dalier  auch  mehrere  Aeste  derselben 
Pflanze  sich  um  sicli  selbst  wenden,  um  dadurch  den  erforderlichen 
Halt  namentlich  für  das  Wachsthum  in  die  Höhe  zu  gewinnen.  Es 
liegt  darin  häufig  zugleich  die  erste  Bedingung  des  Absterbens 
durch  blosse  Umschlingung  oder  Umhüllung  einer  Pflanze  durch 
eine  andere  Pflanze,  z.  B.  die  gemeinen  Winden  (Convolvulus)  auf 
blos  mechanische  \Yeise.  In  andern  Fällen  bedingt  dieses  (mechani- 
sche) Verhältniss  die  Störung  der  Function  eines  Organs  ohne  Alte- 
ration seiner  Structur,  wie  wahrscheinlich  bei  dem  Epheu,  oder  mit 
Veränderung  des  Gewebes  eines  oder  mehrerer  Organe,  (Flechten, 
Schwämme,  Mistel),  oder  die  eine  Pflanze  dient  dem  Parasiten 
als  Nährpflanze  z.  B.  Cuscuta,  ohne  wesentliche  Störung  der 
Vegetation  der  Nährpflanze,  die  letztere  ist  sogar  nothwendige 
Bedingung  für  die  Entwicklung  des  Parasiten,  wie  der  faulenden 
Wurzeln  für  manche  Monotropaarten.  Den  von  aussen  eindringen- 
den Parasiten  stehen  gewissermasen  die  durch  Krankheit  der  Nähr- 
pflanze wie  z.  B.  die  Exantheme  entstandene  Parasiten  entgegen, 
die  erst  in  der  Folge  die  Entstehung  von  Parasiten  veranlassen.  Es 
führt  dies  auf  die  Abtheilung  der  Parasiten  in  primitive  und  secun- 
däre.  Manche  vegetabilische  Parasiten  (z.  B.  Scliwämme)  geben 
auch  Veranlassung  zu  Entstehung  thierischer  Organismen,  welche 
mehr  oder  weniger  zugleich  als  Parasiten  auf  der  Nährpflanze 
leben  mit  mehr  oder  weniger  specifischem  Gepräge.  Sie  machen 
den  Uebergang  zu  den  auf  verschiedenen  Stufen  der  Organisation 
stehenden  parasitischen  Thiereu  und  die  Malpighische  Betrachtung 
der  auf  andern  Pflanzen  lebenden  Gewächse  würde  sich  zu  einer 
Flora  und  Fauna  auf  lebenden  Pflanzen  erweitern,  welche  ebenso- 
wohl die  Epiphyten  als  Eutophyten  und  die  Epizoen  und  Eutozoen 
umfassen  würde.  Eine  solche  Flora  und  Fauna  auf  lebenden  Pflanzen 
würde  der  Flora  und  Faunq,  auf  lebenden  Thieren  zur  Seite  stehen 
und  ebensowohl  die  verschiedene  Arten  der  Parasiten,  als  die 
Arten  der  betreffenden  Arten  und  Familien  von  Pflanzen  zu  be- 
zeichnen haben,  sowie  die  Bedingungen  der  Entstehung  und  die 
Entwicklungsgeschichte  der  verschiedenen  Parasiten,  ihre  geogra- 
phische Verbreitung ,  w^obei  wir  auf  die  schon  früher  angeführte 


70 


Schrift  von  J.  Leidy  und  andere  dahinzielende  specielle  Unter- 
suchungen hinweisen. 


Um  1  Uhr  gingen  die  Verhandlungen  zu  Ende. 

Nach  einem  fröhUchen  Male  besuchten  viele  Mitglieder  die 
vaterländische  Naturalien-Sammlung,  welche  in  dem  Gebäude 
hinter  der  K.  Thierarzneischule  untergebracht  ist.  So  erfreut 
die  Mitglieder  über  die  Ausdehnung  und  fortwährende  Zunahme 
dieser  Sammlung  waren,  ebensosehr  mussten  sie  bedauern,  dass 
eine  für  die  Naturgeschichte  Württembergs  so  wichtige  Samm- 
lung, welche  eine  grosse  Anzahl  kostbarer  und  seltener  Natura- 
lien enthält ,  in  einem  theils  feuchten ,  theils  unzureichenden  Lo- 
kal aufbewahrt  ist  und,  obgleich  viermal  wöchentlich  geöffnet, 
wegen  der  zu  grossen  Entfernung  von  der  Stadt  nur  wenig  be- 
sucht wird. 


II.  Aufsätze  und  Abhandlungen. 


1.   Die  württemberg-ischen  Oscillarien. 

Von  Finanzrath  Dr.  G.  Zeller. 

Unter  den  Süsswasseralgen  zeichnet  sich  die  Gattung  Oscil- 
laria  sowohl  durch  weite  Verbreitung,  als  auch  durch  schnelles 
Wachsthum  besonders  aus.  In  stehenden  und  fliessenden  Ge- 
wässern treffen  wir  Oscillarien;  überall,  wo  auch  nur  von  Re- 
genwasser sich  kleine  Pfützen  bilden,  bedecken  sie  in  erstaunlich 
kurzer  Zeit  die  Grundfläche  mit  ihren  Geweben  von  einzeln  oft 
dem  blossen  Auge  gar  nicht  sichtbaren  Fäden,  um  bei  dem  Ein- 
trocknen des  Wassers  wieder  zu  verschwinden  und  höchstens 
eine  schwärzliche,  bläuliche  oder  grüne  Färbung  des  Bodens 
als  Spur  ihres  Daseyns  zurück  zu  lassen.  Ihr  leichtes  P'ortkom- 
men  und  schnelles  Wachsthum,  bei  einzelnen  Arten  bis  zu  Vo 
Zoll  in  einer  Stunde,  gibt  ihnen  die  merkwürdige  Eigenschaft, 
wenn  sie  unter  Wasser  auf  Papier  gelegt  werden ,  während  des 
Eintrocknens  ringsumher  strahlenförmig  sich  zu  verbreiten  und 
auf  dem  Papier  anwachsend  schönere  Präparate  darzustellen,  als 
man  bei  so  zarten  Fadenalgen  durch  Aufschwemmen  erhalten 
könnte.  Diese  schöne,  bei  einzelnen  Arten  auch  durch  Farbe 
und  Reichthum  an  Phykokyan  ausgezeichnete  Algengattung  ver- 
dient daher  die  Aufmerksamkeit  unserer  Botaniker  schon  an 
sich;  noch  mehr  aber,  weil  ohne  Zweifel  in  den  verschiedenen 
Theilen  unseres  Landes  sich  noch  manche  bis  jetzt  in  Württem- 
herg  noch  nicht  aufgefundene  Art    derselben  befindet  und  sich 


—    72    — 

hier  noch  ein  grosses  Feld  für  neue  Entdeckungen  darbietet. 
Denn  während  von  etwa  60  bekannten  Arten  der  Gattung  Os- 
cillaria  ungefähr  zwei  Drittheile  in  Deutschland  und  der  Schweiz 
gefunden  worden  sind  und  die  Vermuthung  nahe  liegt,  dass  ein 
grosser  Theil  von  diesen  auch  bei  uns  vorkomme,  kennen  wir 
bis  jetzt  aus  Württemberg  nur  von  Avenigen  Fundorten  die  nach- 
stehenden sieben  Arten,  denen  sich  eine  weitere  unten  zu  Er- 
wähnende anreiht. 

1)  Oscillaria  antliaria  Jürg.  Kütz.  Spec.  Alg.  N.  30.  Wohl 
die  Verbreiteste  von  Allen,  kommt  mit  ihren  Varietäten,  O.phy- 
sodes  und  phormidloides  häufig  an  Stellen  vor,  welche  von  Zeit 
zu  Zeit  vom  Regen  feucht  sind  und  dann  wieder  austrocknen, 
z.  B.  in  Strassenkaiidehi ,  unter  Dachtrauf,  zwischen  Strassen- 
pflaster.  Die  Farbe  ist  bald  mehr  stahlblau,  bald  mehr  span- 
grün, zuweilen  fast  grasgrün,  zumal,  wenn,  wde  in  den  Pfützen 
um  Stuttgart  häufig,  zahllose  Schaaren  von  Euglena  viridis  die 
Alge  bewohnen  und  mit  ihrem  Grün  bedecken. 

2)  0.  tenuis  Ag,  Kütz.  sp.  Alg.  N.  31.  Kommt  in  verschiede- 
nen Formen  und  Standorten  vor.  Von  den  bei  Kützing  aufge- 
führten Varietäten  besitzen  wir  aus  Württemberg  Folgende. 

a.  Viridis.  Vauch.  Häufig  in  den  Abflüssen  des  Canstatter 
Mineralwassers  und  in  den  Gräben  zwischen  Stuttgart  und  Canstatt. 

b.  Sordida  Kütz.  Scheint  vorzugsweise  Brunnentröge  zu  lieben. 
In  Rabenhorsts  Decaden  befinden  sich  unter  N.  136  Exemplare 
aus  einem  Brunnen  in  Neudamm;  ich  fand  sie  in  dem  Brunnen 
eines  Gartens  in  Esslingen. 

c.  Limicola  Kütz.  W^ächst  zwischen  Ravensburg  und  Nieder- 
biegen in  Wassergräben;  wahrscheinlich  auch  anderwärts. 

Ausserdem  fand  ich  die  Varietät 

d.  formosa  Bory,  im  September  1859  bei  Rippoldsau,  sie 
kommt  ohne  Zweifel  auch  in  Württemberg  vor. 

3)  0.  limosa  Ag.  Kütz.  sp.  Alg,  N.  36.  Wurde  vor  längerer 
Zeit  von  Herrn  v.  Martens  bei  Hall  in  dem  von  den  Gradir- 
häusern  abfiiesenden  Wasser  gefunden;  neuerdings  fand  Herr 
Pfarrer  Kemmler  in  Wiesengräben  bei  Untersontheim  die  Va- 
rietät 


—    73    — 

•  e.  Chahjhea.  Zwar  nicht  in  Württemberg,  aber  docli  in  der 
Nähe,  in  Donaueschiugen,  fand  ich  im  September  1859  eine 
durch  hell  gelblich-braune  Farbe  vor  allen  anderen  Oscillarien 
sich  auszeichnende  Form  dieser  Species,  welche  ich  vorläufig  zu 
der  Varietät 

f.  hlcolor,  rechne,  wiewohl  das  Aussehen  des  Gewebes  bräun- 
lich ,  nicht  spangrün  ist,  wie  Kützing  bei  dieser  Varietät 
angibt. 

4)  0.  nigra  Vauch.  Kütz.  sp.  Alg.  N.  41.  Wurde  von  Herrn 
V.  Martens  bei  Stuttgart  und  von  mir  in  der  Blau  bei  Ulm 
gefunden. 

5)  0.  dubia  Kütz.  sp.  Alg.  N.  48.  Von  Herrn  Apotheker 
Valet  aus  dem  Schweigfurter  Weiher  bei  Schussenried,  w^o  sie 
als  dicke ,  dunkelgrüne ,  handgrosse  Haut  auf  dem  Wasser 
schwimmt,  mitgetheilt. 

6)  0.  Froelichii.  Kütz.  Sp.  Alg.  X.  50.  Scheint  ziemlich  ver- 
breitet zu  sein.  Sie  wurde  von  Herrn  Pfarrer- Kemml er  bei 
Untersontheim  gefunden;  eine  durch  ihre  grüne  Farbe  auffallende^ 
in  dem  Schlossgarten  zu  Stuttgart  vorkommende  Varietät  habe 
ich  unter  der  Benennung  „var.  viridis^^  in  Rabenhorsts  Decaden 
N.  855  mitgetheilt. 

7)  (X  fenestralis  Kütz.  Sp.  Alg.  N.  19.  Von  Herrn  Pfarrer 
Kemmler  an  Fenstern  seines  Pfarrhauses  gefunden,  wird  v/ohl 
auch  an  andern  trüben,  feuchten  Fenstern  vorkommen. 

8)  Oscillaria  pallida  ZeUer,  nova  species.  0.  strato  pallide- 
virescente,  bidloso;  trichomatibus  Vgoo'"  c^cissis,  co'dtimiis,  rectis, 
punctis  opacis  impletis^  demum  obsolete  articulatis,  articulis  diametro 
paimm  brevioribus,  subiiliter  punctatis,  capitidis  tumidulis,  )-otundatis, 
puncto  hyalino  jiotatis. 

Ich  fand  diese  Alge  zuerst  im  September  1S59  in  Weinberg- 
gräben am  Fusse  der  Achalm  und  hielt  sie  für  0.  physodes;  als 
ich  sie  jedoch  im  Juli  dieses  Jahrs  v;ieder  in  einer  Pfütze  am 
Rechberg  fand  und  genauer  untersuchte,  erkannte  ich,  dass  sie 
mit  0.  physodes,  Avelche  um  Vs  dickere  Fäden  und  deuthche 
Gelenke  hat,  nicht  zusammen  geworfen  werden  kann  und  ebenso 
wenig  mit  einer  anderen  bekannten  Art  übereinstimmt,  wesshalb 


—   74   — 

ich  es  für  nöthig  halte,  sie  als  eine  besondere  Species  zu  be- 
zeichnen. Die  Fäden  erscheinen  theils  zart  gegliedert,  theils 
ungegliedert,  mit  dunklen  Punkten  und  Luftbläschen,  welch' 
Letztere  zuweilen  den  ganzen  Umfang  der  Röhre  einnehmen  und 
eine  den  Inhalt  des  Fadens  unterbrechende  durchsichtige  Scheibe 
bilden,  dicht  gefüllt.  Es  scheint,  dass  die  schwach  sichtbaren 
Glieder  sich  erst  im  vorgerückteren  Zustand  der  Pflanze  bilden 
und  die  dunklen  Punkte  (Sporen?)  an  die  Zwischenhäutchen  sich 
anlegen.  Wenigstens  sehen  die  ungegliederten  Fäden  nicht  so 
aus,  wie  w^enn  sie  nach  Kützings  Vermuthung  (pliycol.  gener. 
S.  181)  durch  Auflösung  der  Scheidewände  aus  gegliederten 
entstanden  wären;  vielmehr  scheinen  die  Letzteren  bei  dieser 
Alge  die  älteren  zu  sein.  Die  Fäden  sind  gerade,  oder  sehr  we- 
nig gekrümmt,  die  Enden  meistens  ein  wenig  gedunsen.  Die 
Glieder  sind  meistens  etwas  kürzer  als  der  Durchmesser;  seltener 
zwei  bis  dreimal  kürzer.  Es  zeigen  sich  also  dreierlei  Formen 
beisammen: 

a.  ungegliederte, 

b.  regelmässig  gegliederte, 

c.  unregelmässig  gegliederte  Fäden,  wie  sie  die  nachstehen- 
den Figuren  in  GOOfacher  Vergrösserung  darstellen. 


■I^J^ilSEliloiMIB 


Diess  ist  Alles,  was  das  Herbarium  unseres  Vereins  an  Os- 
cillarien  besitzt.  Möge  der  kleine  Anfang  bald  durch  Beiträge 
aus  verschiedenen  Landestheilen,  welche  so  leicht  zu  sammeln 
sind,  erweitert  werden! 

Nachtrag. 

Oscillaria  Kützingiana  Naeg.  Kütz.  sp.  Alg.  N.  10.  Diese 
äusserst  zarte  Alge  (Fäden  V1200'"  ^ick)  fand  ich  am  7.  September 


—    75    — 

1861  auf  einem  von  Mineralwasser  überrieselten  Stein  eines  Bas- 
sin im  neuen  Mineralbad  zu  Berg. 

üeber  die  Keimkraft  der  Oscillarien  angestellte  Yersuclie 
ergaben,  dass  eine  am  16.  August  d.  J.  in  Urach  von  Dr.  Finckli 
eingelegte  und  völlig  eingetrocknete  Oscillaria  imcmata,  welche 
am  4.  September,  also  nach  19  Tagen,  in  Wasser  aufgeweicht 
wurde,  zwar  innerhalb  der  ersten  zwölf  Stunden  noch  kein 
Wachsthum  zeigte,  dann  aber  bis  zum  7.  September  den  ganzen 
Boden  der  Schüssel,  soweit  das  Wasser  reichte,  auf  etwa  zwei 
Zoll  im  Umkreis,  mit  einem  dünnen  Gewebe  von  ausgewachsenen 
Fäden  bedeckte.  Kleine  auf  Glimmer  und  Papier  mit  destillirtem 
Wasser  angesetzte  Stückchen  wuchsen  binnen  zwölf  Stunden  auf 
1 — 2'"  Länge  büschelförmig  auf;  dann  schien  ihr  Wachsthum 
erschöpft  zu  sein.  —  Eine  im  Juli  1860  getrocknete  Oscillaria 
nigra  wuchs  nach  14  Monaten,  im  September  1861  aufgeweicht, 
binnen  einiger  Tage  noch  bis  zu  1'"  Fadenlänge  aus. 


2*  Die  Laubmoose  Württembergs» 

Von  Georg  v.  Martens. 

Nachdem  ich  schon  vor  einigen  Jahren  eine  Uebersicht  der  blü- 
thenlosen  Gefässpflanzen  Württembergs  (Jahreshefte  1848,  Seite  94 
bis  106),  dann  der  württembergischen  Charen  (Jahreshefte  1850, 
Seite  156  bis  164)  geliefert  habe,  wurde  ich  von  mehreren  Seiten 
aufgefordert,  mich  einer  ähnlichen  Zusammenstellung  der  bis  jetzt 
im  Königreich  Württemberg  beobachteten  Laubmoose  zu  unterzie- 
hen, wozu  die  vor  Kurzem  hier  erschienene  vortreffliche  Synopsis 
des  berühmten  Brj'ologen  Wilhelm  Philipp  Schimper  (Synopsis 
muscorum  europaeoriim ,  Stiätgartiae  1860  8.)  mich  noch  mehr  er- 
muthigt  hätte,  wäre  ich  nicht  durch  dieselbe  belehrt  worden,  dass 
unsere  Moos-Florula  unter  manchen  andern  eine  sehr  untergeord- 
nete Rolle  spielt.  Schreckt  diese  Erfahrung  indessen  einerseits 
ab ,  so  ermuntert  sie  doch  andererseits  durch  die  Aussicht  auf  zahl- 
reiche neue  Entdeckungen  und  ist  vielleicht  ein  Sporn  für  einen 
unserer  wackern  Pflanzenforscher,  sich  vorzugsweise  dieser  Pflan- 
zenklasse zuzuwenden,  welche  an  Leichtigkeit  der  Einsammlung 
und  Aufbewahrung  alle  andern  übertrifft ,  während  ihr  Nachtheil, 
nur  mit  Hülfe  des  Mikroskops  gehörig  erkannt  werden  zu  können, 
durch  die  Fortschritte  der  Optik  und  die  in  allen  Zweigen  der  Na- 
turforschung so  beliebt  gewordene  Anwendung  des  Mikroskops 
gegen  Linnes  Zeiten  bedeutend  vermindert  erscheint. 

Indem  ich  nun  diesem  Verzeichnisse  die  erwähnte  neueste  und 
beste  Schrift  über  die  Laubmoose  zum  Grunde  gelegt  habe  und 
solche,  wie  auch  Schimp  er s  grosses  Prachtwerk  %  jedem  empfehle, 


*  Ph.  Bruch ,  \Y.  Th.  Schimper  et  Th.  Gümbel  Bryologia  euro- 
paea ,  seu  genera  Muscorum  europaeorum  monographice  illustrata. 
Ed.  W.  Th.  Schimper.     VI  Vol.   1836—1855.  4. 


—    77    — 

welcher  sich  speciell  denselben  widmen  will,  glaube  ich  zugleich 
denjenigen  Freunden  unserer  Flora,  welche  sich  auch  mit  den  an- 
dern Kryptogamen-Klassen  beschäftigen  wollen ,  ohne  in  der  Lage 
zu  sein ,  die  grossen  Summen  darauf  zu  verwenden ,  welche  die  An- 
schaffung der  besondern  Werke  über  jede  einzelne  Klasse  erfordert, 
auf  Dr.  Ludwig  Rabenhorsts  Kryptogamen-Flora  Deutschlands, 
Leipzig  1S44  bis  1S53,  V  Thcile  8.,  als  die  neueste  und  beste  die 
ganze  Kryptogamie  umfassende  Schrift  empfehlen  zu  müssen,  welche 
auch  die  für  Herbarien-Cataloge  sehr  bequeme  Einrichtung  fort- 
laufender Zahlen  hat;  ich  habe  daher  jeder  Art  ihre  Zahl  in  der 
Rabenhorstschen  Flora  beigefügt ,  endlich  alle  in  unserer  Vereins- 
sammlung schon  vorhandene  Arten  mit  einem  *  bezeichnet,  und 
bitte  nun  die  vaterländischen  Sammler  und  insbesondere  die  ver- 
ehrten Mitglieder  unseres  Vereins  um  gefällige  Mittheilung  der 
sternlosen  Arten. 

Classis  I.    Musci. 

Ordo  I.    Musci  cleistocarpi. 

Tiibus  I.  Phascaceae. 

Familia  1.     Ephemereae. 

Ephemerum  serratum  Hampe.  Nackter  Sand-  und  Lehm- 
boden. Januar  bis  März.  I.  Stuttgart,  Mohl.  Tübingen,  Schübler. 
IL  Alpirspach,  Köstlin.   6132. 

""  Physcomitrella  patens  Schirnper,  Feuchter  Schlamm-  und 
Thonboden,  abgelassene  Weiher.  Herbst.  L  Stuttgart,  Mohl.  Ess- 
lingen, Hochstetter.     Ellwangen,  Rathgeb.     6136. 

g.  megapolitana  Seh.   I.  Ellwangen,  Rathgeb.    6136b. 

Familia  2.    Phasceae. 

*  Sphaerangium  muticum  Seh.  Feuchter  Lehm-  und  Sand- 
boden, nicht  häufig.  März,  April.  I,  Schorndorf,  Haist.  Ellwangen, 
Fröüch.     6122. 

*  Phaseum  euspidatiim  Schreber.  Häufig  auf  Lelmi-  und 
Sandboden.    März,  April.   I.  Stuttgart,  Closs.   Tübingen,  Schübler, 


—    78    — 

Backnang,  W.  Hartmann.  Ellwangen,  Frölich.  IV.  Riedlingen, 
Balluf.     Saulgau,  Wolfegg,  Wangen,  Jung.     6127. 

d.  piliferum   ScJireb.    I.  Stuttgart^  im  Schlossgarten, 

Mohl.  Ellwangen  auf  Aecker,  Frölich.  Mergentheim,  Bauer. 
IV.  Saulgau  am  Hettenbühl,  Jung.     6127  c. 

Ph.  bryoides  Diclcson.  Auf  feuchtem  Lehm-  und  Sandboden. 
März.     I.  Hall,  Ratligeb.     6131. 

*  Ph.  curvicollTim  Hedwig.  Auf  grobem  Sand  und  Schutt- 
boden. März,  April.  I.  Oberberken,  Oberamts  Schorndorf,  Haist. 
6129. 

Tribus   II.    Brucliiaceae. 

Familia  4.  Pleuridieae. 

Pleuridium  nitidum  Seh.  Auf  feuchtem  Thonboden.  Herbst. 

I.  Ellwangen,  Mohl.  IV.  In  einem  ausgetrockneten  Weiher  bei 
Hattenburg,  Oberamts  Biberach,  Ducke.     6118. 

*  PI.  subulatum  Seh.  Häufig  auf  feuchtem  Sandboden.  Früh- 
ling. I.  Waid  bei  Häslach  und  Degerloch,  Closs.  Wälder  bei 
Gaildorf,  Kemmler.    Ausgetrocknete  Weiher  bei  Ellwangen ,  Mohl, 

II.  Alpirspach,  Köstlin.     6116. 

*  PI.  alterrüfolium  Seh.  Auf  feuchtem  Thonboden,  Juni. 
I.  Winzenweiler,  Oberamts  Gaildorf,  Kemmler.  IV.  Hochberger 
Wald  bei  Saulgau ,  Jung.     6117. 

Ordo  II.  Musci  stegocarpi: 

Sectio  1,   AcTocfii^pi. 

Tribus  I.  Weisiaceae. 

Familia  7.  Weisieae. 

Systegium  crispum  Seh.  Auf  lehmigem  Sandboden.  Früh- 
ling. I.  Ellwangen  gegen  die  Eichkapelle,  Frölich.  II.  Aecker 
bei  Alpirspach,  Köstlin.     6125. 

*  Gymnostomum  mierostomum  Hedw.  Feuchter  Sand-  und 
Lehmboden,  an  Waldraiuen.     Frühling.    I.  Stuttgart,  Sontheimer. 


79 


Gebüsch  bei  Untersontlieim,  Kemmler.     IV.  Roth,  Oberamts  Leiit- 
kirch,  Ducke.     6227. 

*  G.  calcareum  Hornschndi.  An  Mauern  und  Kalkfelsen. 
August,  September.  I.  Sandsteinbruch  bei  Obersontheim,  Kemmler. 
III.  Urach  am  Wasserfall,  Schimper.  lY-  Wolfegg  bei  der  Herren- 
mühle, Ducke.     G224. 

*  G.  curvirostrura  Hedw.  Am  nassen  Felsen.  August,  Sep- 
tember. I.  Mergentheim,  selten,  Bauer.  III.  Urach  am  Wasser- 
fall, Schimper.     622G. 

*  Weisia  viridula  Bridel.  Häufig  an  der  Erde ,  an  Rainen, 
Waldrändern.  April,  Mai.  I.  Stuttgart,  Martens.  Tübingen, 
Schübler.  Schorndorf ,  Piaist.  Untersontheim ,  Kemmler.  Ell- 
wangen ,  Frölich.  II.  Auf  Sandsteinfelsen  im  Nagoldthal ,  Valet. 
IX.  Ueberall,  Jung.  6232. 

W.  cirrhata  Hedw.  Auf  Sandstein.  Frühling.  I.  Bopser 
bei  Stuttgart,  Closs.     Jagstzell,  Frölich.   IV.  Roth,  Ducke.   6235. 

Familia  S.  Dicraneae. 

*  Cynodontium  Bruntoni  8ch.  Auf  Granitfelsen.  Sommer, 
selten.     II.  Schramberg,  Köstlin.     Im  Murgthal,  A.  Braun.   6238, 

C.  virens  ><c}i.  Sommer.  II.  Auf  Granitfe^^en  im  Unterthal 
bei  Reinerzau,  Köstlin.     6257. 

'^  Dichodontium  pellueidum  &cli.  An  feuchten  Steinen, 
Bächen,  Wasserfällen.  Herbst  bis  Frühling.  I.  Stuttgart,  Sont- 
heimer.  Vaihingen,  Bilhuber.  Am  Eichenbach  bei  Schorndorf, 
Haist.  Gerabronn,  Kemmler.  Ellwangen,  Rathgeb.  II.  Im  Glas- 
waldbach bei  Alpirspach,  Köstlin.  III.  An  den  Quellen  des  Kochers 
bei  Unterkochen,  Ratligeb.     6258. 

*  Dicranella  Sehreberi  Seh.  Auf  feuchtem  lehmigem  Boden, 
selten.     Herbst.     I.  Weiler,  Oberamts  Schorndorf,  Haist.     6260. 

D.  squarrosa  Seh.  Auf  felsigem  Boden  an  Bächen.  Nur  sel- 
ten im  Herbst  mit  Früchten.  II.  Im  Glaswald  bei  Alpirspach, 
Martens.     6259. 

*  D.  cervieulata  Scli.  Auf  Torfboden ,  oft  die  senkrechten 
Wände  der  Gräben  überziehend.  Sommer.  IV.  Im  Ried  bei 
Schussenried,  Valet.     6265. 


—    80    — 

*  D.  varia  Seh.  Häufig  auf  feuchter  Erde ,  Torf,  an  über- 
schwemmt gewesenen  Stellen.  Herbst.  I.  Stuttgart,  Closs.  Tü- 
bingen, Schübler.  Schorndorf,  Haist.  Ellwangen,  Mohl.  11.  Im 
(rlaswald  bei  Alpirspach,  Köstlin.  IV.  Riedlingen,  Balluf.  Roth, 
Ducke.    Wolf  egg,  Wangen,  Jung.     6263. 

*  D.  rufescens  Seh.  Auf  lehmigem  Sandboden.  Herbst. 
il.'"lm  Schwarzwald,   Valet.     6264. 

*  D.  eurvata  Seh.  An  Hohlwegen ,  selten,  Herbst  bis  Früh- 
ling. I.  An  einem  Bache  im  Wald  bei  Hinter-Uhlberg,  Oberamts 
Crailsheim,  Kemmler.    III.  Am  Hohenstaufen,  Rathgeb.    6266b. 

*  D.  heteromalla  Seh.  Auf  Waldboden  und  Felsen  häufig. 
März,  April.  I.  Stuttgart,  Härtens.  Lorch,  Haist.  Unter-Sont- 
heim,  Kemmler.  Auf  dem  Schönenberg  bei  Ellwangen,  Mohl. 
Mergentheim,  Fuchs,  II.  Freudenstadt,  Martens.  Eiberg  beim 
Wildbad,  Emma  Gärtner.  lY.  Roth,  Ducke.  Wolfegg,  Wangen, 
Jung.     6267. 

*  D.  interrupta  Seh.  1,  Im  Wald  bei  Kammerstatt,  Oberamts 
Ellwangen,  Kemmler.     6274. 

*  Dicranum  montanum  Hedwig.  An  Nadelholzstämmen. 
Sommer ,  selten.  I,  Stuttgart  am  südlichen  Abhang  des  Hasenbergs, 
Martens.     Ellwarigen,  Frölich.     6272. 

D.  longifolium  Ehrh.  An  Felsen.  Herbst,  I.  Im  Wald  bei 
Stuttgart,  Mohl.     Backnang,  Wilhelm  Hartmann-     6276. 

*  D.  scoparium 'Zey^^er.  Häufig  in  Wäldern  auf  der  Erde, 
am  Fusse  der  Bäume  und  an  Steinen.  Juli ,  August.  I.  Stuttgart, 
Martens.  Tübingen,  Schübler,  Ellwangen,  Rathgeb.  Mergent- 
heim, Bauer.  II.  Calw,  Schüz.  Alpirspacli,  Köstliu,  III.  Urach 
am  Thiergartenberg,  Finckh.     6278. 

D.  Schraderi  Sehwaegr.  Auf  Torfboden,  August,  September. 
II.  Wildbad  im  Torfmoor  um  den  wilden  See,  Mohl.     6283. 

D.  spurium  Hedw.  Auf  sandigen  trockenen  Stellen.  Juni, 
Juli,  selten.    II.  Kapfwald  bei  Alpirspach,  Köstlin.     6284. 

D.  undulatum  Ehrh.  In  Sümpfen  und  feuchten  Wäldern. 
Juli,  August.  I.  Stuttgart,  Sontheimer.  Tübingen,  Schübler. 
Böblingen,  Martens.     Backnang,  W.  Hartmann.     Galgenberg  bei 


—    81    — 

Ellwangen,  Mohl.   II.  Alpirspacli ,  Köstlin.   IV.  Riedlingen,  Balluf. 
6285. 

*  Dicranodontium  longirostre  Br.  et  Seh.  An  nassen  Felsen, 
Torfboden  und  vermodertem  Holze.  Herbst.  I.  Ellwangen  am 
Galgenberg,  Frölich.     IV.  Wolfegg,  Jung.     6287. 

*  Campylopus  flexuosus  Brid.  An  der  Erde  und  Felsen. 
Frühling.  I.  Im  Wald  bei  Winzenweiler .  Oberamts  Gaildorf, 
Kemmler.  Am  Galgenberg  bei  Ellwangen,  Rathgeb.  II.  Im  Glas- 
wald bei  Alpirspacli,  Martens.  IV.  Saulgau,  Leupolz,  Oberamts 
Wangen,  Jung.     G288. 

TrilMjs  III.  Leiicobryaeeae. 

Familia  9.     Leucobr.yeae. 

*  Leueobryum  glaueum  Seh.  In  feuchten  Wäldern.  Fe- 
bruar,  März.  1.  Stuttgart,  liäufig  aber  nie  mit  Früchten,  Martens. 
Tübingen  ebenso,  Schübler.  Ellwangen  im  Dürrenwald,  Rathgeb. 
II.  Wildbad,  Kerner.  Alpirspach  und  Reinerzau  mit  Früchten, 
Köstlin.     C221. 

Trlbus  IV.  Fissidentaceae. 

Familia  10.     Fissidenteae. 

*  Fissidens  bryoides  Ilediv.  Auf  Thonboden  in  feuchten 
Schluchten.  Früliling.  I.  Stuttgart,  Martens.  Backnang,  W.  Hart- 
mann. Schorndorf,  Haist.  Ellwangen,  Rathgeb.  II.  Wildbad, 
Kerner.     6635. 

*  F.  ineurvus  Sehwaegr.  Auf  beschattetem  Thonboden,  sel- 
tener. Februar,  März.  I.  Im  Wald  bei  Winzenweiler ,  Oberamts 
Gaildorf  und  Kottspiel ,  Oberamts  Ellwangen,  Kemmler.     6634. 

*  F.  osmundioides  Ilediv.  Jn  Sümpfen  und  Torfmooren. 
Sommer.  I.  Ellwangen  am  KlappersclienkeJ,  Rathgeb.  II.  Al- 
pirspach, Köstlin.     6636. 

=*'■  F.  taxifolius  HeduK  Auf  feuchtem  Roden,  an  Mauern. 
Herbst.  I.  Stuttgart  in  der  Sonnenbergklinge,  Closs.  Tübingen, 
Schtibler.     Schorndorf,  Haist.     Im  Wnld  bei  Gcrabronnhof,   üm- 

WUrttemb,  iiatiir«^.  .Tahrcsliefte.     18ü2.     Is  lieft.  6 


82 


menhofen,  Plolenstein,  Kemmler.  Ellwangen  am  Klapperschenkel 
und  auf  dem  Hornberg,   Rathgeb.     6637. 

F.  adiantoides  Hedw.  An  feuchten  Stellen ,  Sümpfen ,  Torf- 
mooren, auf  der  Erde,  an  Felsen,  Mauern,  Baumwurzeln.  Win- 
ter. I.  Stuttgart  in  der  falschen  Klinge  und  am  Weg  nach  Sillen- 
buch,  Martens.  Esslingen,  Hochstetter.  Ellwangen,  Rathgeb. 
IL  Glaswald  bei  Alpirspach,  Köstlin.  lY.  Riedlingen,  Balluf. 
6638. 

*  Conomitrium  Julianum  Mo7it.  Bei  uns  immer  nur  an  der 
Innern  häufig  unter  Wasser  stehenden  Wandseite  der  steinernen 
sowohl  als  eisernen  laufenden  Brunnen ,  die  es  zuweilen  ganz  über- 
zieht. I.  Ich  fand  es  zuerst  den  30.  November  1827  in  Stuttgart, 
wo  es  oft  durch  Reinigung,  Versetzung  oder  Umbau  der  Brunnen 
vertilgt,  immer  wieder  in  andern  zum  Vorschein  kommt,  am 
15.  October  1847  trug- es  reichliche,  sehr  kurz  gestielte  Früchte, 
welche  leicht  abbrechen  und  oben  im  Wasser  schwimmen.  Später 
entdeckten  es  Noellner  1847  in  Vaihingen,  Haist  1850  in  Schorn- 
dorf und  Winterbach  und  den  27.  Mai  1858  Zeller  mit  Früchten 
im  Seminarbruunen  zu  Nürtingen ,  so  dass  es  nur  desswegen  wenig 
bekannt  zu  sein  scheint,  weil  wenige  Botaniker  die  Brunneufloren 
beachten.  Es  lässt  sich  leicht  in  Aquarien  erhalten,  wo  es  den 
ganzen  Sommer  hindurch  Früchte  in  Menge  trägt,     6633, 

Tribus  Y.   8eligeriaeeae. 

Familia  11.     Seligerieae. 

Seligeria  puailla  ^r.  et  Seh.  An  beschatteten  Steinen.  Au- 
gust, September.  I.  Stuttgart,  Closs.  Backnang  und  an  Kalk- 
felsen bei  Schönthal,  W,  Hartmann.  Oberndorf  in  der  Dinselklinge, 
Rathgeb.  IV.  Auf  Sandstein  am  Höllbach  bei  Wolfegg,  Ducke, 
6246. 

S.  reeurvata  Br.  et  Seh.  An  Steinen ,  Mauern ,  Felsen.  Fe- 
bruar, März.  I.  Im  Wald  bei  Unter-Sontheim,  Kemmler.  Jagst- 
zell,  Oberamts  Ellwangen,  Rathgeb.  III.  Urach  am  Wasserfall, 
Schimper.     IV.  Wolfegg,  Ducke.     6249. 

Campylostelium  saxieola  Br.  et  Seh.  An  feuchten  Felsen. 
Herbst.     IL  Sandsteinfelsen  bei  Reuthin.     Köstlin.     6290. 


—    83    — 

Familia  12.     Br  achyodonteae. 

Braehyodus  trichodes  Nees.  An  Sandstein-  und  Granitfel- 
sen.  October.  II.  Reichenbach  im  obern  Murgthal,  A.  Braun, 
Im  Glaswald  bei  Alpirspach,  Martens.     6245. 

Familia  13.     Blindieae. 

Blindia  acuta  Br.  et  Seh.  An  nassen  Felsen.  Sommer.  IV. 
Im  Tobel  rechts  von  der  Strasse  nach  Dürren,  Oberamts  Leutkirch, 
im  Wald,  Jung.     6250. 

Tribus  VI.    Potti«aceao. 

Familia  14.     Pottieae. 

*  Pottia  eavifolia  Ehrh.  Auf  den  mit  einer  Lehmschicht  be- 
deckten Garten-  und  Weinbergsmauern.  Frühling.  I.  Stuttgart, 
Martens.  Esslingen,  Hochstetter.  Schorndorf,  Haist.  Schönthal, 
Kemmler.  Mergentheim,  Bauer.  II.  Wildbad,  Kerner.  Alpir- 
spach, Köstlin.     6163. 

—  —  g.  incana  >ScÄ.    I.  Esslingen,  Hochstetter.     6163  d. 

*  P.  truneata  5r.  et  Seh.  Auf  feuchtem  Boden,  Aecker,  an 
Wassergrüben,  in  abgelassenen  Weihern,  häufig.  Frühling.  I. 
Stuttgart,  Martens.  Tübingen,  Schübler.  Ellwangen,  Mohl.  Mer- 
gentheim, Bauer.  II.  Wildbad,  Kerner.  Alpirspach,  Köstlin, 
IV.  Riedlingen,  Balluf.  Roth,  Ducke.  Wolfegg,  Wangen,  Jung, 
6165. 

* b.  major  Seh.    I.  Degerloch,  Closs.   Am  Rothenberg, 

Hochstetter.  Comburg  bei  Hall,  Rathgeb.  II.  Alpirspach,  Köstlin, 
6166. 

P.  Heimii  Br.  et  Seh.  Am  Ufer  der  Bäche,  Mai,  Juni.  I. 
Ellwangen,  Fröhch.     6167. 

Anaealypta  Starkeana  Hornschuch.  Auf  Mergelboden.  Fe- 
bruar,  März.     I.  Ellwaiigen,  Frölich.     6168. 

*  A,  lanceolata  Rohling.  Häufig  in  Weinbergen  und  auf 
Aeckern.  Frühling.  I.  Stuttgart,  Martens.  Tübingen,  Schübler. 
Backnang,  W.  Ilartmann.  Schorndorf,  Haist.  Ellwangen,  Frö- 
lich.    IV.  Roth,  Ducke.     6170. 


—    84    — 

*  Didymodon  rubellus  Br.  et  Seh.  An  Felsen,  Mauern  und 
auf  steinigem  Boden.  Herbst.  I.  Stuttgart,  Sontheimer.  Schorn- 
dorf, Haist.  Waldscliluclit  bei  Kottspiel,  Kemmler.  III.  Urach 
am  Obern  Weg  zum  Wasserfall,  Schimper.   6213. 

*  D.  luridus  Hornsch.  Auf  feuchtem  Boden  und  verwittertem 
Sandstein.  I.  Schorndorf  an  einer  Mauer  und  am  Tannenwald, 
Haist.   n.    Teinach,  Schüz.    6178. 

*  Encladium  vertieillatum  Br.  et  Seh.  Auf  Kalktuff  trie- 
fender Felsen.  Sommer.  I.  Dürzbach,  Frölicli.  III.  Uracher  Was- 
serfall, Hochstetter.  IV.  In  einer  Höll  bei  Wolfegg,  Ducke.  Wan- 
gen, Jung.    6242. 

Familia  15      Distichieae. 

*  Distiehium  capillaceum  Br.  et  Seh.  An  Felsen  und  Mau- 
ern. Sommer.  III.  Bisher  nur  an  Kalkfelsen  bei  Heidenheim  von 
Haist  gefunden.     6219. 

Familia  16.     C  erato  donteae. 

*  Ceratodon  purpureus  Brkl  Das  häufigste  unserer  Laub- 
moose ,  in  ausgehauenen  Wäldern  oft  grosse  Strecken  purpurroth 
überziehend.  April,  Mai.  I.  Stuttgart,  Closs.  Böblingen ,  Mar- 
tens.  Winzenweiler,  im  Wald  bei  Kammerstatt,  Oberamts  Ell- 
-wangen,  auf  einer  alten  Kohlplatte ,  Kemmler.  Mergentheim  an 
Kalksteinen,  Fuchs.  II.  Wiidbad,  Kerner.  III.  An  alten  Wänden 
der  Schopflocher  Torfgrube,  Martens.  Am  Michelsberg  bei  Ulm, 
Martens.  Urach  am  obern  Weg  zu  dem  Wasserfall,  Finckh. 
lY.  Ueberall,  Jung.     6251. 

Familia   17.     Trichostomeae. 

*  Leptotrichum  tortile  Hampe.  An  Hohlwegen  und  Gräben. 
Winter.  I.  Ellwangen  im  schattigen  Thaie  bei  der  Glasschleif- 
mühle, Frolich.     6214. 

*  L.  homomallum  Seh.  An  Hohlwegen  und  Abstürzen« 
Herbst.  I.  Schorndorf,  Haist.  Im  Wald  bei  Engelhofen,  Ober- 
amts Gaildorf,  Kemmler.  II.  Am  Wege  von  Freudenstadt  nach 
Rippoldsau,  Martens.  Alpirspach  am  Abhänge  eines  eingestürzten 
Grubenschachts,  Köstlin.     6216. 


—    85   — 

L.  pallidum  Ha7npe.  Auf  nacktem  Waldboden ,  Mai,  Juni. 
I.  Stuttgart  selten,  Sontbeimer,     6217. 

*  L.  glauceseens  Hamjye.  An  Mauern  und  Felsen.  Sommer. 
I.  Ellwangen,  Frölich.     6218. 

Trichostomum  rigidulum  Smith.  An  schattigen  Felsen  und 
Mauern.  Frühling.  I.  Schorndorf,  Haist.  Ellwangen  bei  den 
Lautenhüfeu,  Rathgeb.  Mergentheim,  Fuchs,  lll.  Urach  an  Tuff- 
steinen im  unteren  Thiergarten,  Schimper.^    6211. 

*  Tr.  tophaceum  Brid.  An  nassen  Tufffelsen.  Winter. 
I.  Tübingen,  Molil.     Comburg  bei  Hall,  Frölich.     6210. 

*  Tr.  crispulum  Bruch.  Auf  der  Erde  und  an  Felsen.  Juni, 
Juli.  I.  Mergentheim  in  der  Spalte  einer  Yv^ellenkalkwand  des 
Altenbergs  am  "Wege  nach  Holzbronn  ,  Fuchs. 

*  Barbula  aloides  Br.  et  Seh.  An  Weinbergsmauern  und  auf 
Lehmboden.  Frühling.  I.  Esslingen,  Hochstetter.  Schorndorf, 
Haist.     6183. 

*  B.  unguieulata  Hedw.  Hcäufig  in  W^einbergen  und  an  alten 
Mauern.  Frühling.  I.  Stuttgart,  Martens.  Esslingen,  Hoch- 
stetter. Tübingen,  Schübler.  Schorndorf,  Haist.  Ellwangen, 
Frölich.  Mergentheim ,  Fuchs.  Nagold ,  Zeller.  Oberndorf, 
Rathgeb.  II.  Calw,  Schüz.  Wildbad,  Kerner.  Alpirspach, 
Köstlin.  III.  Hohen  Urach,  Finckh.  IV.  Riedlingen ,  Balluf.  Roth, 
Ducke.     Wolfegg,  W^aldburg,  V^^angen,  Jung.     6185. 

*  B,  fallax  Hedw.  Auf  festem  Boden  und  Mauern  häufig. 
Herbst  und  Winter.  I.  Stuttgart  und  Tübingen,  Mohl.  Schorndorf, 
Haist.  Holenstein,  Tannenburg,  Oberamts  Ellwangen,  Kemmler. 
Mergentheim,  Bauer.  Oberndorf,  Rathgeb.  II.  Calw,  Emma 
Gärtner.  III.  An  den  Quellen  des  Kochers  bei  Unter-Kochen, 
Rathgeb.     IV.  Roth,  Ducke.     6188. 

*  B.  paludosa  Schwaegr.  In  Sümpfen.  Herbst.  I,  Ellwan- 
gen ,  Rathgeb.     6186. 

B.  eonvoluta  Hedw.  An  sonnigen  Anhöhen.  Mai,  Juni. 
II.  Alpirspach,  Köstlin.   III.  Im  Brühl  bei  Urach,  Schimper.   6195. 

*  B.  tortuosa  W.  et  Mohr.  An  Felsen  und  auf  steinigem  Bo- 
den. Sommer.  I.  Im  Bürgerwald  bei  Mergentheim,  Fuchs.  Horb, 
Rathgeb.     III.  Hohen-Urach  und  am  unteren  Weg  zu  dem  Wasser- 


—    86    — 

fall,  am  Thiergartenberg ,  ScMmper.  Auf  dem  Plettenberg  bei 
Schönberg,  Oberamts  Rottweil,  Rathgeb.  lY.  Wolfegg,  Prass- 
berg, Oberamts  Wangen,  Jung.     6191. 

*  B.  muralls  Timm.  Ueberall  bäufig  an  Mauern  und  auf 
Ziegeldächern ,  im  Sonnenschein  mit  goldenem  Glänze  schimmernd. 
April,  Mai.     6196. 

*  B.  subulata  Brld.  In  Wäldern  auf  der  Erde  und  am  Fusse 
der  Bäume.  April,  Mai.  I.  Stuttgart,  Martens.  Tübingen, 
Schübler.  Kottspiel,  Kemmler.  Mergentheim,  Bauer.  II.  Tei- 
nach  ,  Schtiz.  Alpirspach ,  Köstlin.  III.  Urach  am  oberen  Weg 
zu  dem  Wasserfall,  Schimper.     6198. 

B.  latifolia  5r.  et  Seh.  An  alten  Baumstämmen,  besonders 
Pappeln  und  Weiden.  Frühling  selten.  IV.  Wolfegg,  Ducke. 
6202. 

*  B.  ruralis  Hedw.     An  alten  Bäumen,  auf  Stroh-  und  Ziegel- 
dächern.    Frühling.     I.  Stuttgart,  Martens.    Vaihingen,  Bilhuber. 
Mergentheim ,    Fuchs.     Sulz ,   Rathgeb.     II.   Calw ,    Gukenberger 
Christophsthal,  Martens.    Wildbad,  Kerner.    Alpirspach  auf  Feld- 
mauern, Köstlin.     IV.  Auf  der  Waldburg,  Jung.     6204. 

Tribus  YII.  Cjirimmiaceae. 

Familia   18.     Cinclidoteae. 

Ciuelidotus  fontinaloides  Beauvois.  An  Holz  und  Steinen 
in  Flüssen  und  Bächen.  März,  April,  selten,  I.  Stuttgart  im 
Flossgraben  und  am  Neckarwehr  bei  dem  Wasserhaus,  Martens. 
6492. 

C.  aquatieus  Br.  et  Seh.  An  Steinen  in  reissenden  Bergwas- 
sern. Frühling.  III.  Nur  einmal  in  der  Blau  bei  Blaubeuren  mit 
Hydrurus  crystallophorus ,  Winterliu.     6491. 

Familia  19.     Grimmieae. 

""^  Grimmia  apoearpa  Hedw.    An  Felsen  und  Mauern,  beson- 

.ders  der  Weinberge,  häufig.   Februar,  März.   I.   Stuttgart,  Closs, 

Tübingen,   Schübler.     Schorndorf,  Haist.     Mergentheim,   Bauer. 

II.  Wildbad,  Kerner.    Alpirspach,  Köstlin.     III.  Urach,  Einckh. 

IV.  Riedlingen,  Balluf.   Wangen,  Jung,     6297. 


—    87    — 

g.  rivularis  Turner.    II.  An  Steinen  im  Glaswaldbach 

"bei  Alpirspach ,  Köstliu.     G297  c. 

Gr.  crinita  Hampe.  Am  Mörtel  trockener  Mauern.  Herbst. 
I.  Esslingen,  Hochstetter.  III.  Hohen-Urach  rechts  vom  Eingang 
in  den  zweiten  gewölbten  Gang,  Schimper.     6327. 

*  Gr.  pulvinata  >S'm//A.  Häufig  an  Felsen,  Mauern  und  auf 
Ziegeldächern.  April,  Mai.  I.  Stuttgart,  Martens.  Tübingen, 
Gmelin.  Schorndorf,  Haist.  Mergentheim,  Bauer.  II.  Wildbad, 
Kerner.  Alpirspach ,  Köstlin.  111.  Ulm ,  Martens.  IV.  Riedlin- 
gen, Balluf. 

Gr.  ovata  W.  et  M.  Auf  Felsen  und  Mauern.  Sommer.  II. 
Im  Glaswald  bei  Alpirspach,  Köstlin.     6320. 

b.  afönis  Sornsch,     IL     Auf  dem  Tobel,  Mohl.     6321. 

*  Racomitrium  aciculare  Brkl  An  oft  benetzten  Steinen. 
Frühhng.  II.  Calw  ,  Haist.  Wildbad ,  Kerner.  Im  Vorbach  bei 
Freudenstadt,  Haist.  Im  Glaswaldbach  bei  Alpirspach ,  Köstlin. 
6299. 

*  R.  heterostichum  Brid.  An  Felsen.  Frühling.  I.  Stutt- 
gart im  V\^ald  bei  der  Häslacher  Sandgrube ,  Martens.  Schorndorf, 
Haist.  II.  Wildbad ,  Kerner.  Christophsthal  und  im  Glaswald  bei 
Alpirspach  an  Granit,  Martens.     6303. 

R.  lanuginosum  Brid.  An  Felsen.  Frühling  und  Sommer 
nicht  oft.  II.  Auf  Sandstein  der  Hornisgründe ,  Martens.  Auf 
dem  Tobel,  Mohl.  Christophsthal,  Martens.  Auf  Granit  bei 
Röthenbach ,  Köstlin.     6305. 

R.  caueseens  Brid.  Auf  Sand-  und  Heidebodon.  Frühling 
selten.  I.  Stuttgart  am  Wald  gegen  den  Pfaffensee,  bei  den  Stein- 
brüchen der  Feuerbacher  Heide  und  im  Burgholz  bei  Cannstatt, 
Martens.  Tübingen,  Schübler.  Neuler,  Oberamts  Ellwangen, 
Rathgeb.  II.  Enzklösterle,  Wildbad,  Kerner.  Alpirspach ,  Köst- 
lin.    6306. 

g.  ericoides  Brid.    II.    Im  Glaswald  bei  Alpirspach, 

Martens.   6306  c. 

Familia  20.    Hedwigieae. 

*  Hedwigia  ciliata  Ehrhart.  An  Sandsteinfelsen.  Frühling. 
I.  Stuttgart  im  Wald  gegen  Sillenbuch,  Martens.  Adelmannsfelden, 


—    88    — 

Oberamts  Aalen ,  Rathgeb.     IL  Calw,  Schüz.    Wildbad,  Kerner. 
Häufig  bei  Alpirspach ,  Köstlin.     6292. 

Familia  21.     Ptycliomitrieae. 

Coseinodon  pulvinatus  Sprengel.  An  Sandsteinfelsen.  Früh- 
ling.    I.  Adelmannsfelden,   Rathgeb,     6340. 

Ptychomitrium  polyphyllum  Br.  et  Seh.  An  Granitfelsen. 
Winter.     II.   Alpirspach,   Köstlin.     6341. 

Familia  23.     Orth o triebe ae. 

*  Ulota  Ludwigii  Brid.  An  Baumstämmen.  Herbst.  I. 
Stuttgart  an  Ahorn ,  Martens.  Schorndorf,  Haist.  Ellwangen, 
Mohl.  Hausen ,  Oberamts  Gaildorf,  Kemmler.  II.  Alpirspach  an 
Fichten,  Köstlin.     6353. 

*  Orthotrichum  cupulatum  Hoffin.  An  Steinen.  Mai,  Juni. 
I.  An  der  Bühler  bei  Eschenau,  Oberamts  Hall,  Kemmler.  IV. 
Roth ,  Ducke.     6348. 

*  O.  anomalum  Heclw.  Häufig  an  Felsen ,  Steinen ,  Mauern 
und  Dächern.  Frühling.  I.  Stuttgart,  Martens.  Tübingen,  Schtib- 
1er.  Schorndorf,  Haist.  Mergentheim,  Fuchs.  II.  Wildbad,  Ker- 
ner. Calw,  Schüz.  Alpirspach,  Köstlin.  III.  Ulm  an  der  Frauen- 
steige, Martens.     IV.  Riedlingen,  Balluf.     6350. 

*  O.  obtusifolium  Schrad.  An  Baumstämmen.  Mai.  I. 
Schorndorf,  Haist.   Ellwangen  an  Pappeln ,  Frölich.     6354. 

O.  pumilum  Swartz.  An  Baumstämmen.  Mai,  Juni.  I. 
Stuttgart  im  Schlossgarten  an  Pappeln,  Martens.  Tübingen,  Mohl. 
IV.  Roth,  Ducke.     6355. 

O.  affine  Schrad.  An  Baumstämmen.  Juni ,  Juli.  I.  Stutt- 
gart und  Esslingen  an  Pappeln,  Martens.  Schorndorf,  Haist.  Ell- 
wangen an  Linden,  Rathgeb.  Mergentheim,  Fuchs.  II.  Calw, 
Schüz.     IV.  Roth,  Ducke.     6360. 

*  0.  patens  Bruch.  An  Baumstämmen.  Mai.  I.  Esslingen, 
Martens.     Schorndorf,  Haist.     6359. 

O.  pallens  Bruch.  An  Bäumen.  Mai,  Juni.  I.  Stuttgart 
auf  dem  Hasenberg  an  Eichen,  Martens.     6371. 

*  O.  stramineum  Hornsch.  An  Bäumen.  Juni.  I.  Schorn- 
dorf, Haist.     6370. 


—    89    — 

*  O.  diaphaniim  Schrad.  An  Bäumen,  April.  I.  Stuttgart  im 
Sclilossgarten  an  Pappeln,  Mohl.  Tübingen,  Schübler.  Lorch, 
Haist.   6373. 

*  O.  leioearpum  Br.  An  Baumstämmen.  April,  Mai.  I.  Stutt- 
gart, Martens.  Schorndorf  au  Fichten ,  Haist.  II.  Christophsthal 
an  Fichten,  Martens.  Wildbad,  Kerner.  Alpirspach,  Köstlin. 
IV.  Ulm  an  den  Pappeln  der  Schützen-xillee ,  Martens.  Roth, 
Ducke.    6375. 

Familia  24.   Tetraphideae. 

"^  Tetraphis  pellueida  Hedw.  An  feuchten  Felsen,  faulendem 
Holze,  Torfboden.  Frühling.  I.  Stuttgart  selten,  Sontheimer.  II. 
Calw,  W.  Hartmann.  Wildbad,  Kerner.  Alpirspach  an  alten  Fich- 
tenstumpen, Köstlin.   IV.  Saulgau,  Wolfegg,   Wangen,  Jung.   6470. 

Familia  25.   Encalypteae. 

*  Encalypta  vulgaris  Hedw.  Auf  Mauern,  an  steilen  Rainen. 
März,  April.  I.  Stuttgart,  Closs.  Tübingen,  Schübler.  Backnang, 
W.  Hartmann.  Schorndorf,  Haist.  Kapfenburg,  Rathgeb.  Ellwan- 
gen, Mohl.  Mergentheim,  Fuchs.  II.  Wildbad,  Kerner.  HI.  Auf 
dem  Mösselberg  bei  Donzdorf,  Martens.  Ulm,  Leopold.  IV.  Ried- 
lingen im  alten  Steinbruch,  Balluf.  Wolfegg,  Leupolz.  Eisenfurt, 
Oberamts  Waldsee,  Jung.    6333. 

'^  E.  eiliata  Hedw.  An  Felsenritzen  und  alten  Mauern.  Som- 
mer. I.  Am  Waldrand  bei  Markertshofen,  Oberamts  Crailsheim, 
Kemmler.  Westerhofen,  Oberamts  Ellwangen ,  Frölich.  IV.  Wolf- 
egg, Leupolz,  Eisenfurt,  Jung.    6335. 

E.  streptocarpa  Hedw.  An  Felsen  und  Mauern.  Sommer. 
IH.  Urach  an  Tufffelsen  rechts  vom  Wasserfall,  Schimper.  IV.  Ban- 
holz  bei  Wolfegg,  Ducke.   6339. 

Tribus  MII.  8ehistostog«aco<ae. 

Familia  26.   Schistostegeae. 

Sehistostega  osmundacea  Web.  u.  Mohr.  In  feuchten  Höhlen 
zu  Anfang  des  Frühlings,  bekannt  durch  den  smaragdgrünen  ins  Gol- 
dere  spielenden  Scliimmcr  ihres  Prothalliums,  welcher  schon  für 


90 


ein  phosphoreszirendes  Leuchten  ausgegeben  worden  ist.   II.  Im 
Murgthal  bei  Schönmünzach,  Kemmler.    6639. 

Tribus  IX.  Splachnaceae. 

Splaehnum  sphaerieiim  L.  fil.  Auf  altem  Kuhmist.  Sommer, 
II.  Auf  den  Hornisgründen,  Alexander  Braun.    6159. 

*  Spl.  ampuUaeeum  L.  In  Torfsümpfen,  auf  altem  Kuhmist. 
Sommer.  I.  Dietrichsweiler,  Oberamts  Ellwangen,  Rathgeb.  II.  Am 
Rande  des  Torfmoors  ober  Reichenbacb  im  Murgthale,  A.  Braun. 
IV.  Sparsam  im  rotlien  Moos  bei  Isny,  Martens.  6161. 

Tribu8  X.  Funariaceae. 

Familia  30.   Physcomitrieae. 

Physeomitrium  sphaerioum  Brid.  Auf  feucbtem  Lehmboden, 
Herbst  bis  Frühling.  I.  Ellwangen,  Mobl,  IV,  Saulgau,  Wolfegg, 
Jung.    6140. 

*  Ph.  pyriforme  Brid.  Auf  feuchtem  Lehmboden.  Frühling. 
I.  Backnang,  W,  Hartmann.  Mergentheim,  Bauer.  IL  Wildbad, 
Kerner.  Alpirspach,  Köstlin,  IV.  Ulm  auf  dem  Ried,  Gmelin. 
Riedlingen,  Balluf.  An  der  Schüssen  bei  Schussenried,  Valet.  Saul- 
gau, Wolfegg,  Wangen,  Jung.    6142. 

Entosthodon  faseieularis  Seh.  Am  Saume  der  Wege  und  Grä- 
ben. Frühling,  IL  An  feuchten  Stellen  des  Herrgartens  in  Alpirs- 
pach, Koestlin.   IV,  Saulgau,  Jung,  6144. 

*  Punaria  hygrometriea  Hedw.  Auf  der  Erde  und  an  alten 
Mauern,  an  den  Wänden  der  Torfstiche  und  auf  alten  Kohlenplat- 
ten häufig.  Sommer.  I.  Stuttgart  und  am  Flossgraben  bei  Berg, 
Martens.  Tübingen,  Schübler.  Im  Wald  bei  Hausen  an  der  Bühler, 
Kemmler.  Ellwangen,  Rathgeb.  Mergentheim,  Bauer.  Nagold, 
Zeller,  IL  Teinach,  Schüz.  Alpirspach,  Köstlin.  IIL  Urach  an 
Mauern,  Finckh,  Schopflocher  Torfgrube,  Martens.  IV,  Gögglin- 
ger  Ried  bei  Ulm,  Martens.  Riedlingen,  Balluf,  Roth,  Ducke.  An 
allen  Orten,  Jung.   6148, 


—    91    — 

Tribus  XI.  Bry.'iccao. 

Familia  32.    Brycae. 

*  Leptobryiim  pyriforme  Seh.  An  schattigen  Mauern,  Felsen 
und  auf  sandigem  Boden.  April  bis  Juni.  I.  Esslingen,  Ilochstetter. 
Tübingen,  Gmelin.  Mergentheim,  Bauer.  Oberndorf  in  einer 
Tufisteinhölile,  Rathgeb.  II.  Erschien  1844  plötzlich  in  Menge  auf 
-einer  Gypshalde  der  Fabrik  Oedenwald ,  Oberamts  Freudenstadt, 
Noellner.  III.  Urach  am  Wege  auf  den  Schlossberg,  Schimper.  IV. 
Roth,  Ducke.   6422. 

Webera  elongata  Schwaegr.  Auf  Waldboden,  an  Hohlwegen, 
Herbst.   I.  Ellwangen,  Mohl.   6442. 

b.  maerocarpa  Seh.   lY.  Wolfegg,  Ducke.  6412.  b. 

*  W.  nutans  Hedw.  Auf  Sandsteinen  und  beschattetem  Sand- 
boden. Frühling.  I.  Stuttgart  auf  dem  Bopser  und  Hasenberg  im 
Wald,  Martens.  IV.  Im  Fiebert  bei  Riedlingen,  Balluf,  Roth, 
Ducke.  Im  Ried  bei  Schussenried,  Valet.  Saulgau,  Wolfegg, 
Jung.    6414. 

*  W.  erucla  Seh.  In  Felsenritzen.  Juli,  August.  I.  Stuttgart 
auf  dem  Hasenberg,  Martens.  Ellwangen  in  der  Siechengasse, 
Rathgeb.   IV.  Roth,  Ducke.   Wolfegg,  Jung.   6416. 

W.  annotina  Seliwaegr.  Auf  feuchtem  sandigem  Boden.  Mai. 
Juni.  I.  Stuttgart,  Closs.  III.  Ulm  an  hohlen  Baumwurzeln,  Mar- 
tens,  IV.  Roth,  Ducke.   6418. 

*  W.  albicans  Seh.  Auf  feuchtem  Kiesboden.  Frühling.  II. 
Calw  an  einem  Bache  im  Thal  gegen  Bulach,  Martens.  III.  Urach 
an  dem  Weg,  der  vom  Brühl  an  dem  Wasserfall  hinauf  führt, 
Schimper.   6421. 

='  Bryum  pendulum  Seh.  Sommer.  I.  Mergentheim  an  Wein- 
bergsmauern in  der  Arkau  bei  dem  Bade,  Fuchs,   6399. 

Br.  inelinatum  Br.  et  Seh.  An  altem  Gemäuer,  auf  Torfboden. 
Mai,  Juni.    IV.  Saulgau,  Jung.    6401. 

*  Br.  bimum  Sehreh.  Auf  Sumpfwiesen.  Sommer.  I.  In  Wie- 
sengräben bei  Ober-Sontheim,   Kemmler.    6426. 

Br.  alpinum  L.  Auf  Felsen.  Juni.  II.  An  Granitfelsen  bei 
Alpirspach,  selten.   Köstlin.    Im  Murgthal.  A.  Braun.   6443. 


—   92   — 

*  Br.  caespitieiiim  L.  An  Steinen,  Mauern  und  auf  der  Erde. 
April,  Mai,  Juni.  I.  Stuttgart  an  Tuffsteineinfassungen  der  Garten- 
beete, Martens.  Vaihingen,  Bilhuber.  Tübingen,  Sdiübler.  Ell- 
wangen, Eathgeb.    Mergentheim  auf  einer  Gartenmauer,  Fuchs. 

II.  Teinach,    Schüz.     Wildbad,    Kerner.     Alpirspach,    Köstlin, 

III.  An  der  Geislinger  Steige,  Martens.  Urach  an  Tuffsteinfelsen 
rechts  vom  Wasserfall,  Finkh.  Pfullingen,  S.  Kerner.  IV.  Roth, 
Ducke.   Ueberall,  Jung.   6436. 

*  Br.  argenteum  L.  Auf  Mauern ,  Ziegel-  und  Strohdächern, 
Kohlenplatten,  nackter  Erde.  October  bis  Mai.  I.  Stuttgart  in  der 
Stadt,  Martens,  auf  dem  Hasenberg,  Closs.  Tübingen,  Kielmayer. 
Schorndorf,  Haist.  Mergentheim,  Bauer.  II.  Teinach,  Schüz, 
Wildbad,  Kerner.  Alpirspach,  Koesthn.  III.  Urach  an  der  Ulmer 
Steige,  Finckh,  Ulm,  Martens.  IV.  Riedlingen,  Balluf,  Saulgau, 
Wangen,  Wolfegg,  Jung.   6445. 

*  Br.  capillare  L.  Auf  Mauern,  Dächern,  faulenden  Baum- 
stumpen. April  —  Juni.  I.  Stuttgart  auf  dem  Bopser,  Closs.  Wald 
bei  Häslach,  Martens.  Vaihingen ,  Bilhuber.  Kottspiel ,  Kemmler. 
Schönau,  Eathgeb.  Mergentheim,  Fuchs.  II.  Im  Nagoldthal,  Valet. 
Calw,  Schüz.  III.  Urach  an  Tuffsteinfelsen  rechts  vom  Wasserfall, 
Finkh.   Im  Tiefenthal  bei  Blaubeuren.   Gmelin.  IV.  Saulgau.  Jung. 

6434. 

Br.  pallens  Sw.  An  Quellen,  nassen  Felsen  und  Boden.   I. 

Am  Torfmoor  bei  Sindelfingen,  Mohl.  II.  Am  Rande  des  Torfmoors 
im  Murgthal  ober  Reichenbach,  A.  Braun.  III.  Am  Uracher  Fes- 
tungsberg und  bei  dem  Wasserfall,  Schimper.    6430. 

Br.  cyclophyllum  Br.  et  Seh.  Auf  Sumpfboden.  Mai,  Juni. 
IL  Am  Rande  des  Torfmoors  im  Murgthal  ober  Reichenbach,  A, 
Braun.   6433. 

Br.  turbinatum  Schwaegr.  An  Quellen,  Sümpfen,  feuchten 
Felsen.  Mai, Juni.  I.  Winzenweiler,  Kemmler.  Mergentheim  am 
Weg  nach  Holzbronn  an  verwitterten  Kalksteinwänden,  Fuchs.  II. 
Gumpelscheuer  bei  Enzklösterle,  Emma  Gärtner.   6431, 

*Br.  roseum  Schreb.  In  schattigen  W^äldern,  am  Boden  und 
am  Fusse  der  Bäume.  October,  November,  I.  Stuttgart  bei  Häs- 
lach, Closs,  auf  dem  Bopser,  Martens.   II.  Calw,  Schüz,   Alpirs- 


—    93    — • 

pach,  Koestlin.  III.  Urach  am  Thiergartenberg,  Schiraper.  Ulm, 
Martens.  Anhausea  Oberamts  Heidenbeim,  Kemmler.  IV.  Saul- 
gau,  Wangen,  Jung.   0448. 

*  Mnium  euspidatum  Hedw.  An  feuchten  Waldstellen,  hoh- 
len Weiden.  April,  Mai.  I.  Stuttgart,  Closs.  Ellwangen,  Rathgeb. 
Mergentlieini,  Fuchs.  11.  Teinach,  Schüz.  III.  Urach,  Finckh.  Ulm, 
Valet.   IV.  Saulgau,  Wangen,  Jung.   64G1. 

*  M.  undulatum  Hediü.  In  Laubwaldungen  und  Obstgärten 
häufig.  Mai,  Juni  selten.  I.  Stuttgart,  Martens.  Tübingen  im  Burg- 
holz, Grmelin.  Schorndorf,  Haist.  Mergentheim,  Bauer.  IL  Alpirs- 
pach,  Köstlin.   IV.  Wangen,  Wolfegg,  Jung.  6453. 

*  M.  rostratum  GmeUn.  An  schattigen  Felsen  und  verfallenem 
Gemäuer.  Frühling.  I.  Stuttgart  und  im  Palm'schen  Park  bei 
Mühlhausen,  Martens.  Schorndorf,  Haist.  IL  Teinach,  Schüz. 
Alpirspach  an  der  Klosterniauer,  Köstlin.    6460. 

*  M.  hornum  L.  In  schattigen  Wäldern,  an  feuchten  Felsen. 
April.  1.  Stuttgart  in  der  Sonnenkhnge,  Closs.  Ellwangen  am  Klap- 
perschenkel, Rathgeb.  Mergentheim,  Fuchs,  IL  Alpirspach,  Kösthn, 
IV.  Saulgau,  Wolfegg,  Jung.    6454. 

*  M.  serratum  Brld.  An  Hohlwegen  und  steinigen,  schattigen 
Abhängen.  Früliling.  1.  Ellwangen,  Rathgeb.  III.  Urach  in  der 
Nähe  des  Wasserfalls,  Schimper.  6455. 

*  M.  stellare  T'nmu.  An  Hohlwegen  und  Gebüschen.  Frühling. 
I.  Im  Wald  bei  Holenstein,  Oberamts  Ellwangen,  Kemmler.  IV. 
Saulgau,  Wangen,  Jung.   6464, 

*M.  pimetatum  L.  An  Quellen,  feuchtem  Gestein.  November 
bis  März.  I.Stuttgart,  Martens.  Tübingen,  Gmelin.  Schorndorf, 
Haist.  Winzenwciler,  Kemmler.  Mergentheim,  Bauer.  II.  Alpirs- 
pach, Kösthn.  IV.  Torfmoor  bei  Moos  am  Bodensee,  Martens. 
Schussenried,  Valet.    Saulgau,  Wolfegg,  Wangen,  Jung.   6450. 

Familia33.   Meesiae. 

Meesia  ionglseta  Iledw.  Auf  Torfmooren.  Juni,  Juli.  I.  Ell- 
wangen bei  Muggenthal,  Rathgeb.   6394. 

*  M.  tristicha  Br.  et  Seh.  In  Torfmooren.   Juni,  Juli.   IV.  Im 


—    94    — 

Buchauer  Ried,  Valet.  Im  Torfmoor  bei  Moos  zjvischen  Eriskirch 
und  Langenargen,  Martens,  Bei  Friedrichshafen,  Jack.    6396. 

Familia  34.   Aulacomnieae. 

*  Aulaeomnium  androgynum  Sckwaegr.  An  Sandsteinfelsen 
und  am  Fusse  alter  Waldbäume,  Juni,  in  Württemberg  oft  mit  ge- 
stielten Brutknospenhäufchen,  aber  noch  nicht  mit  Früchten  gefun- 
den. I.  Stuttgart  im  Walde  jenseits  Häslach  an  der  Wand  einer 
Grube,  Martens.  Im  Wald  bei  Markertshofen,  Oberamts  Crailsheim, 
Kemmler.  Ellwangen  am  Hohlweg  nach  Hohlbach,  Rathgeb.  II.  Im 
Glaswald  bei  Alpirspach  in  Höhlungen  der  Granitfelsen,  Köst- 
lin.    6467. 

-  "^'A.  palustre  Schwaegr.  Auf  sumpfigen  Wiesen  und  Wald- 
stellen. Mai,  Juni,  selten.  I.  Stuttgart  am  Pfaifensee,  Closs.  Ellwan- 
gen am  Raufichtenbuck,  Rathgeb.  II.  Wildbad  am  wilden  See, 
Martens.  Alpirspach  am  Reuthinberg,  Köstlin.  III.  An  der  Torf- 
grube bei  Schopfloch,  Martens.   6466. 

* d.  polycephaliim  Seh.   I.  Im  Stadtwald  bei  Frohn- 

roth,   Oberamts  Ellwangen,  Kemmler.    6466,  d. 

Familia  35.  Bartramieae. 

*  Bartramia  pomiformis  Hedw.  Im  Wald  auf  der  Erde  und 
an  Felsen.  Mai,  Juni.  I.  Stuttgart  und  Ellwangen,  Rathgeb.  Kott- 
spiel  und  Hinter-Uhlberg,  Kemmler.  III.  Urach  auf  dem  Thiergar- 
tenberg,  Schimper.   lY.  Wolfegg,  Ducke.   6385. 

* b.  erispa  ßw.  Im  W^ald  an  feuchten  schattigen  Stellen 

vielhäufiger  als  die  Hauptart.  Mai,  Juni.  I.  Stuttgart,  Martens. 
Tübingen,  Schübler.  Vaihingen,  Bilhuber.  Schorndorf,  Haist.  Mer- 
gentheim, Bauer.  IL  Calw,  Schüz.  Wildbad,  Kerner.  Alpirspach 
auf  Granitfelsen  des  Reuthinberges,  Kösthn.  III.  Urach  bei  Gra- 
feneck, Guckenberger.  Am  Geiselstein  bei  Geislingen,  Eduard  Mar- 
tens. IV.  Roth,  Ducke.   6386. 

B.  Halleriana  Hedw.  An  feuchten  Felsen.  Sommer.  II.  Rei- 
nerzau  an  Granitfelsen  des  Unterthals,  Köstlin.   6387. 


—    95    — 

B.  Oederi  Sw.  An  feuchten  Felsen.  Sommer.  I.  Ellwangen 
gegen  Holilbacl),  Rathgeb.  IV.  Wolfegg  am  Sclilossberg,  Jung.  6384» 

Philouotis  marchica  Seh.,  Auf  Sumpfboden,  Mai,  Juni.  IL 
Am  Rande  des  Torfmoors  ober  Reichenbach  im  Murgthal,  A. 
Braun.   6389. 

Ph.  fontana  Brid.  An  Quellen,  Bächen,  sumpfigen  Abhängen. 
Mai,  Juni.  I.  Buoch,  Oberamts  Waiblingen,  W.  Hartmann.  Ell  Wan- 
gen am  Wege  nach  Rothenbach,  Rathgeb.  Öerlach,  Oberamts  Back- 
nang, im  Wald  bei  der  Glashütte,  Zeller.  II.  Calw,  Gukenberger. 
Alpirspach  im  Glaswald,  Köstlin.  IV.  Wiblingen  am  Fischweiher, 
Martens.   6390. 

Tribiis  XII.   Polytrichaceae. 

Familia  37,   Polytrich  eae. 

*  Atriehum  undulatum  Beauv.  In  lichten  Waldungen  und 
Gebüschen  häufig.  November  bis  März.  I.  Stuttgart,  Martens. 
Tübingen,  Schübler.  Schorndorf,  Haist.  Mergentheim,  Bauer.  Na- 
gold, Zeller.  II.  Teinach,  Schüz.  Alpirspach,  Köstlin.  III.  Ulm 
Leopold.   IV.  Riedlingen  im  Laushöltzle,  Balluf.   6473. 

*  Pogonatum  nanum  Beauv.  Auf  Sandboden,  besonders  in 
Nadelwäldern.  Frühling.  I.  Stuttgart,  Martens.  Backnang,  W. 
Hartmann.  Schorndorf,  Haist.  Ellwangen,  Mohl.  II,  Wiidbad, 
Kerner.  Alpirspach  am  Fahrweg  nach  Reinerzau,  Köstlin.  IV- 
Neuthann  bei  Wolfegg,  Jung.    6477. 

*  P.  aloides  Brid.  Auf  Sandboden,  Ilaiden.  Frühling.  I.  Stutt- 
gart auf  dem  Hasenberg,  Martens,  und  der  Feuerbacher  Ilaide, 
Mohl.  Lorch,  Haist.  Engelhofen  in  der  Nähe  der  Kohlstrasse  und 
im  Walde  bei  Hinter-Uhlberg,  Kemmler.  Ellwaugen,  Rathgeb.  Mer- 
gentheim, Bauer.  IL  Calw,  Schüz.  Wildbad,  Kerner.  Enzklös- 
terle ,  Schübler.  Glaswald  bei  Alpirspach;  Köstlin.  IV.  Ziemlich 
allgemein,  Jung.   6478. 

*  P.  urnigerum  Seh.  In  Wäldern,  an  Rainen  und  Hohlwegen. 
Frühling.  I.  Stuttgart  bei  den  Steinbrüchen  auf  der  Feuerbacher 
Haide,  Mohl.  Zwischen  Schorndorf  und  Berken,  Haist.  Ellwangen, 
alter  Weg  nach  Hall,  Mohl.   Kammerstatt,  Kemmler.  IL  Wildbad, 


—    96    — 

Kerner.  Im  Glaswald  bei  Alpirspacli  häufig,  Koestlin.  IV.  Wolfegg, 
Wangen,  Jung.    6479. 

Polytrichum  graeile  Menzies.  Auf  Torfboden.  Mai.  Juni. 
IIL  Schopflocher  Torfgrube,  Härtens.    6483. 

*  P.  formosum  Eedw.  In  Bergwaldungen.  Juui,  Juli.  I.  Stutt- 
gart häufig  im  Häslacher  Wald,  Martens.  Ellwangen,  Rathgeb. 
IV.    Saulgau,  Jung.   6482. 

*  P.  piliferum  Sckreb.  Häufig  an  sandigen  Stellen  mit  Haide- 
kraut  und  Becherflechten.  Januar  bis  Juui.  I.  Stuttgart  gegen  De- 
gerloch  und  dem  Pfaffensee ,  Martens.  Tübingen ,  Schübler.  Am 
Waldrand  bei  Hinter-ÜIilberg,  Kemmler.  11.  Calw,  Emma  Gärtner, 
Enzklösterle,  Schübler.  Alpirspach,  Köstlin.  IV.  Wolfegg,  Wan- 
gen, Jung.   6484. 

P.  juniperinum  Hechc.  Auf  feuchtem  Wald-  und  Haideboden. 
Juni,  Juli.  I.  Unter-Spntheim,  Kemmler.  Ellwangen,  Mohl,  Na- 
gold, Zeller.  IL  Am  wilden  See  bei  Wildbad,  Martens.  Enzklö- 
sterle, Schübler.  Alpirspach,  Köstlin.  III.  Schopflocher  Torfgrube, 
Martens.   IV.  Riedlingen,  Balluf,  Saulgau.  Wangen,  Jung.    6485. 

P.  commune  L.  Häufig  in  feuchten  Wäldern  und  am  Saume 
der  Torfmoore,  oft  weite  Strecken  überziehend,  unser  ansehnlich- 
stes Moos,  oft  über  einen  Fuss  hoch.  Auf  dem  Schwarzwald,  in  Ell- 
wangen und  Laubach  werden  aus  diesem  Moose  wohlfeile  roth- 
braune Bürsten  verfertigt,  welche  zur  Reinigung  der  Stubenböden 
^u  vielen  tausenden  im  Y>^erth  von  ohngefähr  75,000  Gulden  jährlich 
weit  versendet  werden.  Mai  bis  Juli.  L  Stuttgart  auf  dem  Bopser, 
Martens.  Tübingen,  Gmeliu,  im  Vfald  gegen  Kresbach,  Martens. 
Vaihingen,  Bilhuber.  Winzenweiler  am  Haspelhäuaer  See,  Oberamts 
Gaildorf,  Kammerstatt,  Kemmler.  Ellwangen,  Rathgeb.  Mergent- 
heim, Bauer.  IL  Wildbad,  Kerner.  Enzklösterle,  Schübler.  Im  Pfaf- 
fenwald bei  Freudenstadt,  Martens.  Alpirspach,  Köstlin.  IIL  Hen- 
gen,  Oberamts  Urach,  Finckh.  Galgenberg  bei  Sanct  Johann  und  am 
Rossberg ,  Simon  Kerner,  Gmünd,  Werfer.  Torfgruben  bei  Schwen- 
ningen,  Sturm.  Blaubeuren,  V/idenmann.  Gross  Jungfernhaar,  im 
Eselsberg  im  Mayen,  Leopold,  -ß.  Ulmensis.  IV.  Wangen,  Zengerle. 
Eisenharzer  Wald  bei  Isny,  Martens.  Auf  der  Adelegg,  Zeller. 
üeberall,  Jung.   6487. 


-    97    — 

Tribus  XIII.  Buxbaumi«aceae. 

Familia  38.   Buxbaumieae. 

*  Diphyscium  foliosum  Mohr.  Im  Walde ,  an  Hohlwegen. 
Sommer.  I.  Stuttgart  im  Lerclienrain,  Closs,  Bopser- und  Deger- 
locber  Wald,  Martens.  Schorndorf  an  der  Strasse  nach  Berken, 
Haist.  Unter-Sontheim,  Kemmler.  Ellwangen  im  Spitalholz,  Rath- 
geb.  IL  Alpirspach  an  lichten  Stellen  des  Romanshorner  Waldes, 
Köstlin.   IV.  Wangen,  Wolfegg,  Jung.   6490. 

*  Buxbaumia  aphylla  L.  An  öden  Heidestellen  auf  nackter 
schwarzer  Erde  einzeln  zwischen  Cladonia  coccifera,  schwer  zu  fin- 
den. Februar  bis  Juni.  I.  Stuttgart  im  Kräherwald  und  Degerlo- 
cher  Wald,  Martens.  II.  Alpirspach,  Köstlin.  III.  Heidenheim  auf 
den  Allmanden  von  Mergelstetten,  Haist.   6488. 

Sectio  II,  Pleurocnrpi, 

Tribus  I.  Fontinalaeeae. 

Familia   39.  Fontinaleae. 

*  Fontinalis  antipyretica  L.  Häufig  in  Bächen,  Flüssen  und 
Seen  unter  Wasser  an  Steinen,  Pfählen,  Baumwurzeln,  aber  selten 
mit  Früchten,  weil  sie  solche  nur  entwickelt ,  wenn  das  Wasser  ab- 
nehmend sie  vcrlässt.  Linne  nannte  sie  gegenfeurig ,  weil  man  sie 
zur  Löschung  von  Feuersbrünsten  besonders  wirksam  glaubte. 
Sommer.  I.  Im  Neckar  bei  Berg  und  Höfen ,  Martens.  Im  Pfaffen- 
see, Closs.  In  der  AVeissach  bei  Backnang,  W.  Hartmann.  Im  See 
bei  Oelbronn,  Hiller.  Mergentheim,  Bauer.  IL  Alpirspach,  Köstlin. 
III,  In  der  Erms  bei  Urach,  Finckh.  Im  Blautopf  bei  Blaubeuren, 
Eduard  Martens.  In  der  Fils  in  Gross-Süssen ,  Martens.  IV.  In 
der  Donau  bei  Riedlingen,  Balluf,  und  Ulm,  Martens.  Im  Bleicher- 
graben bei  Ulm,  Leopold.  Im  Schweigfurtweiher  bei  Schussenried' 
Valet.   In  der  Aach  bei  Isny,  Martens.   6498. 

*F.  squamosa  L.  In  Quellen,  Bächen,  Flüssen.  Sommer. 
I.  Mergentheim,  Bauer.  IL  Freudenstadt  in  den  hölzernen  Wasser- 
rinnen der  Friedrichsthaler  Schmelzhütte,  die  sie  ganz  dicht  über- 
zieht, Martens.   6499. 

Württemb.  naturw.  Jahresbefte.     1862,     Is  lieft.  7 


—    98   — 
Tribus  II.  IVeckeraceae. 

Familia  43.    Neckereae, 

*Neckera  pennata  Hedw.  An  Baumstämmen.  März,  April. 
I.  Ellwangen  an  Buchen,  Mohl,  Oberndorf,  Köstlin,  IV.  Saulgau, 
Wolfegg,  Wangen,  Jung.    6629. 

*N.  erispa  Hedw.  An  Baumstämmen,  vorzüglich  Buchen,  sel- 
tener an  Kalkfelsen,  ein  schönes,  über  spannelanges  glünzendgrünes 
Moos,  Frühhng.  I.  Stuttgart,  Martens.  Tübingen ,  Schübler.  Ell- 
wangen, Rathgeb.  Oberndorf,  Rathgeb.  IL  Wildbad  am  Weg  zur 
Grünhütte,  Martens,  Alpirspach,  Köstlin.  III.  Blaubeuren  an  Fel- 
sen des  Tiefenthals,  Martens.  Heidenheim  an  Felsen,  Kaist.  IV. 
Wangen,  Jung.    6631. 

*  N.  eomplanata  B7\  et  Seh.  An  Waldbäumen.  Frühling.  I. 
Tübingen,  Schübler.  Vaihingen,  Bilhuber.  Unter-Sontheim  an  Bu- 
chen, Kemmler.  Mergentheim,  Bauer.  II.  Teinach,  Emma  Gärtner. 
Wildbad,  Kerner.  Alpirspach  an  Hagebuchen,  Köstlin.  IV.  Ried- 
lingen, Balluf.    6511. 

*  Homalia  triehomanoides  Seh.  Au  Baumstämmen,  seltener 
an  Steinen.  Frühling.  I.  Stuttgart  im  Wald  bei  Häslach,  Martens. 
Tübingen,  GmeHn.  Schorndorf,  Haist.  Ellwangen,  Bathgeb.  Mer- 
gentheim selten,  Bauer.  III.  Ulm  im  Oerlinger  Holz,  Martens.  IV, 
Roth,  Ducke.   Riedlingen,  Balluf.  6512. 

Familia  44.  Leuco  donteae. 

*  Leucodon  sciuroides  Selacaegr.  An  alten  Obst-  und  Wald- 
bäumen ziemlich  häufig ,  seltener  an  Weinbergsmauern,  selten  mit 
Früchten  zu  Anfang  des  Frühlings.  I.  Stuttgart,  Martens,  Schorn- 
dorf, Haist.  Ellwangen,  Rathgeb.  Mergentheim,  Bauer.  II.  Tei- 
nach, E.  Gärtner.   Alpirspach,  Köstlin.  IV.  Ulm,  Martens.  6628. 

*  Antitrichia  eurtipendula  Brid.  An  Waldbäumen,  seltener 
an  Steinen.  April.  I.  Stuttgart  in  der  falschen  Klinge,  Closs.  Tübin- 
geD,  Schübler.  Unter-Sontheim  an  Buchen,  Kemmler.  Mergent- 
heim am  Fusse  der  Eichen,  Fuchs.  IL  Alpirspach  im  Glaswald  an 
den  Aesten  der  Fichten  und  auf  Granitielsen,  Köstlin.   6510. 


—    99    — 

Tribus  III.  Hookeriaceae. 

Familia  46.   Hookerieae. 

*  Pterygophyllum  lucens  Brid,  An  Gebirgsquellen ,  selten 
im  Spätherbst  mit  Früchten.  I.  Ellwangen  im  Klapperschenkel, 
Rathgeb.  II.  Wildbad,  Kerner,  Im  Glaswald  bei  Alpirspach,  Köst- 
lin.    6523. 

Tpibus  lY.  Leskeaceae. 

Familia  47.   Leskeae. 

Leskea  polycarpa  Ehrh.  An  Baumstämmen  und  Stumpen. 
I.  Tübingen,  Schübler.    6516, 

Anomodon  longifolius  Hartm.  An  Baumwurzeln  und  Stei- 
nen. November  bis  März.  UI.  Urach  unmittelbar  über  dem  Wasser- 
fall, Schimper.   6522. 

*A.  attenuatus  Hartm.  An  Baumwurzeln  und  Hohlwegen. 
Herbst.  I.  Stuttgart*^  im  Wald  gegen  Sillenbuch,  Martens.  Tübin- 
gen, Schübler.  Mergentheim,  i'uchs.  III.  Hohen-Urach  und  über 
dem  Wasserfall,  Schimper,   6520. 

*  A.  vitieulosus  Hool:.  In  Wäldern  an  Baumstämmen  und  Stei- 
nen häufig,  oft  an  den  zu  Markt  gebrachten  Buchenscheitern.  Früh- 
ling. I.  Stuttgart  in  der  Vogelklinge,  Closs,  am  Bopser,  Martens. 
Tübingen,  Schübler.  Schorndorf,  Haist.  Ellwangen,  Rathgeb.  Mer- 
gentheim, Bauer.  Nagold,  Zeller.  III.  Hohen-Urach,  Finckh,  Reut- 
linger  Alp  und  Ulm,  Martens.   6509. 

Familia  49.   Thuidieae. 

*  Thuidium  tamariseinum  Br.  et  Seh.  In  Wäldern  auf  der 
Erde  und  an  Stämmen,  doch  selten  mit  Früchten.  November  bis 
März.  Eines  der  passendsten  Moose  zu  aufgeklebten  Landschaften 
und  Arabesken.  I.  Stuttgart,  Closs.  Tübingen,  Gmelin.  Schorn- 
dorf und  Lorch,  Haist.  Mergentheim,  Bauer.  II.  Wildbad,  Kerner 
Teinach,  Emma  Gärtner.  III.  Urach  am  Thiergartenberg,  Finckh. 
Farn-Moos,  in  Wäldern  ob  Ueberlingen ,  Leopold.  Ulm  im  0er- 
linger  Holz ,  Martens.  IV.  Roth ,  Ducke.  Wolfegg ,  Wangen, 
Jung,    6534. 


—    100   — 

Th.  delieatulum  Br.  et  Seh.  In  schattigen  Hainen  und  auf 
feuchten  Wiesen.  Mai,  Juni,  selten.  III.  Urach  im  Walde  an  der 
Hochwiese  an  Steinen,  kurz  ehe  der  Weg  anfängt,  der  in  das  Brühl 
hinabführt,  Schimper.    6533. 

*  Th.  abietinum  Br.  et  Sek.  In  trockenen,  sandigen  Heiden 
und  Nadelwäldern  häufig.  Mai ,  Juni ,  in  Württemberg  noch  nicht 
mit  Früchten  gefunden.  I.  Stuttgart,  Closs.  Tübingen,  Schübler. 
Schorndorf,  Haist.  Nagold,  Zeller.  IL  Wildbad ,  Kerner.  III.  Ho- 
hen-Urach,  Finckh.   Ulm,  Martens.   IV.  An  allen  Orten,  Jung.  6530. 

Tribus  V.  Fabroniaceae. 

Familia  50.   Fabronieae. 

*  Anaeamptodon  splachnoides  Brid.  An  mit  Wasser  gefüll- 
ten Asthöhlungen  alter  Buchen  und  auf  Baumstumpen.  Mai,  Juni. 
I.  Stuttgart,  Mohl.  Welzheim,  Rathgeb.  Unter-Sontheim,  Kemmler. 
Ellwangen  auf  Fichtenstumpen,  Frölich.   IL  Calw,  Mohl.   6503. 

Tpibus  \I.  Hypnaceae. 

Familia  52.   Pterogonieae. 

Pterigynandruni  filiforme  Hedw.  An  Baumstämmen  und  be- 
schatteten Steinen.  Mai,  Juni.  IL  Auf  den  Hornisgründen ,  Seu- 
bert.  6508. 

Familia  53.   Cylindrotheceae. 

Platygyrium  repens  Br.  et  Seh.  An  Baumstämmen,  besonders 
Kiefern  und  Birken ,  seltener  an  Steinen.  Frühling.  I.  Ellwangen, 
Mohl.   6505. 

*  Climaeium  dendroides  W.  et  M.  Auf  feuchten  Wiesen  und 
Rainen,  am  Fusse  alter  Mauern,  nur  selten  im  Herbst  mit  Früchten, 
eines  unserer  schönsten  Moose.  L  Stuttgart  bei  dem  Pfaffensee, 
Closs,  und  am  Wege  nach  Sillenbuch,  Mohl.  Schorndorf,  Haist. 
Am  Zaisersweiher  See  bei  Maulbronn,  Martens.  Im  Muggenthal 
bei  Ellwangen  unter  Erlen,  Mohl.  Mergentheim  im  Hofgarten, 
Rathgeb.  IL  Wildbad,  Kerner.  Alpirspach,  Köstlin.  lY.  Riedlin- 
gen im  Laushölzle,  Balluf.  Saulgau,  Wangen,  Wolfegg,  Jung.   6524. 


—    101    — 

Familia  54,    Pylaisieae. 

*  Pylaisia  polyantha  Seh.  An  Feldbäumen ,  Zäunen ,  selte- 
ner an  Steinen.  Herbst,  Winter,  I.  Stuttgart  an  alten  Weiden, 
Martens.  Backnang,  W.  Hartmann.  Schorndorf,  Haist.  Ellwan- 
gen ,  Ratbgeb,  Mergentbeim  im  Hofgarten  an  Linden ,  Fucbs.  HL 
Ulm  im  Oerlinger  Holz,  Martens.    IV.  Rotb ,  Ducke.     6514. 

Familia  55.    Hypneae. 

*  Isothecium  myurum  Brid.  In  Wäldern ,  an  Baumwurzeln 
und  Steinen.  Februar ,  März.  I.  Stuttgart  auf  dem  Hasenberg, 
Martens.  Schorndorf,  Haist.  IV.  Roth,  Ducke.  An  allen  Orten. 
Jung.     6601. 

*  Homalothecium  sericeum  Br.  et  ScIi.  An  Laubholzstäm- 
men in  Feld  und  Wald ,  an  Ruinen  und  Feldsteinen.  Spätherbst. 
I.  Stuttgart  an  Weiden ,  Martens.  Tübingen,  Schübler.  Schorn- 
dorf,  Haist.  Ellwangen,  Frölich.  Mergentheim ,  Bauer.  II.  Wild- 
bad, Kerner.  Alpirspach,  Köstlin.  HL  Ulm,  Martens.  IV.  Ried- 
lingen ,  Balluf.  Roth ,  Ducke.  Saulgau,  Wangen ,  Wolfegg ,  Jung. 
6513. 

*  Camptotheeium  lutescens  Br.  et  Seh.  Häufig  an  der  Schat- 
tenseite der  Vreinbergsmauern  und  am  Waldrande.  Frühling.  L 
Stuttgart,  Martens.  Tübingen,  Schübler.  Schorndorf ,  Haist.  Ell- 
wangen an  Felsen  bei  Neuler ,  Rathgeb.  Mergentheim,  Bauer.  IV. 
|loth,  Ducke.     Saulgau,  Wolfegg,  Jung.     6617. 

*  C.  nitens  Br.  et  Seh.  Auf  sumpfigen  Wiesen.  Sommer.  I. 
Ellwangen  bei  Muggenthal ,  Mohl.  II.  Teinach ,  Emma  Gärtner, 
6619. 

*  Brachythecium  salebrosum  Br.  et  Seh.  Auf  Waldboden, 
an  Steinen  und  Wurzeln  alter  Bäume,  besonders  Weiden.  Herbst. 
I.  Stuttgart  und  Tübingen,  Martens.  Schorndorf,  Haist.  Neuler, 
Rathgeb.  Mergentheim,  Fuchs.  III.  Urach  am  Fahrweg  auf  den 
Schlossberg,  Schimper.    Ulm,  Martens.     6615. 

Br.  albicans  Br.  et  Seh.  An  begrasten  trockenen  Abhängen, 
Waldwegen.     Februar,  März.     IV,  Saulgau,  Jung.     6609. 

*  Br.  velutinum  Br.  et  Seh.  Auf  Waldboden,  an  Baumwur- 
zeln,   Steinen   und   Mauern.    Frühling.     I.   Kottspiel,   Kemmler. 


—    102    — 

Ellwangen,  Rathgeb.  Mergentheim  an  feuchten  Baumstumpen, 
Fuchs.     ly.  Riedlingen,  Balluf.    An  vielen  Orten ,  Jung.     6624. 

* g.  intrieatum  Seh.     I.  Schorndorf,  Haist.  Ellwangen, 

Rathgeb.     6624  c. 

Br.  Starkii  Br.  et  Sek.  Auf  Waldboden,  an  Steinen  und  Baum- 
stumpen,   Frühling.     IV.  Wangen ,  Wolfegg ,  Jung.     6625. 

*  Br.  Rutabiüum  Br.  et  Seh.  Häufig  im  Schatten  an  Steij^en, 
Baumwurzeln,  feuchter  Erde  in  zahlreichen  Formen.  November 
bis  März.  I.  Stuttgart,  Martens.  Tübingen,  Schübler.  Schorn- 
dorf, Haist.  Ellwangen,  Rathgeb.  Mergentheim ,  Bauer.  Nagold, 
Zeller.  H.  Wildbad,  Kerner.  Teinach,  Emma  Gärtner.  HI.  Ulm, 
Martens.  lY.  Riedlingen,  Balluf.  Roth,  Ducke.  Saulgau,  Wan- 
gen, Jung.     6626. 

Br.  rivulare  Br.  et  Seh.  Im  Wald  an  Quellen,  bespülten  Fel- 
sen und  Gemäuern.  Herbst.  lU.  Urach  unter  dem  Wasserflall, 
Schimper.     6627. 

Br.  populeum  J5r.  et  Seh.  An  Baumstämmen.  Herbst  bis 
Frühling.     I.  Stuttgart,  Sontheimer.     6610. 

Eurhyncliium  myosuroides  Seh.  In  Bergwäldern  auf  der 
Erde,  an  Felsen  und  Baumwurzeln.  Herbst.  II.  Wildbad,  Kerner. 
Alpirspach,  Köstlin.     6602. 

*  E.  striatiim  Seh.  In  Wäldern  auf  der  Erde  und  an  Steinen. 
Frühling.  I.  Schorndorf,  Haist.  Winzenweiler ,  Kemmler.  Ell- 
wangen ,  Rathgeb.  Mergentheim ,  Bauer.  II.  Alpirspach  im  Glas- 
wald,  Köstlin.     IV.  Roth,  Ducke.   Wangen,  Wolfegg,  Jung.   6567. 

*  E.  piliferum  Seh.  Auf  Grasboden  selten.  Frühling.  I. 
Bei  Winterbach,  Oberamts  Schorndorf,  Haist. 

E.  praelongum  Seh.  Auf  der  Erde ,  an  faulendem  Holze ,  in 
schattigen  Hainen  und  Gärten.  Winter.  I.  Mergentheim,  Bauer. 
III.  Urach  am  obern  Weg  zum  Wasserfall  in  der  Gegend  des  Aconi- 
tum Lyeoctonum,  Schimper.     6575. 

Rhyuehostegium  confertum  Br.  et  Seh.  An  beschatteten 
Steinen  und  Mauern.  Februar  bis  April.  I.  Ellwangen,  Rathgeb. 
6591. 

*  Rh.  murale  Br.  et  Seh.  An  schattigen  Weinbergs-  und  Gar- 
tenmauern.   Frühling.     I.  Stuttgart,  Martens.     Tübingen,  Schub- 


—    103   — 

ler.      Schorndorf,   Haist.      Ellwangen,   Rathgeb.      Mergentheim^ 
Bauer.     II.  Alpirspach,  Köstlin.     65S4. 

*  Rh.  rusciforme  Br.  et  Seh.  An  Steinen  und  Holz  unter 
Wasser,  Brunnen  und  Mühlrädern.  October  bis  April,  selten,  I. 
Stuttgart  in  der  Stadt,  in  den  Wasserfällön  bei  Häslach  und  im 
Neckar  bei  Berg,  Martens.  Sulz  im  Neckar,  Martens.  Schorndorf 
und  Adelberg  in  Brunnen,  Haist.  Mergentheim,  Bauer.  II.  Calw 
in  einem  Brunnen,  E.  Gärtner.  Wildbad,  Kerner.  Im  Bache  des 
Glasw^aldes,  Köstlin.  III.  Im  Thierbach  bei  Geislingen,  Eduard 
Martens.  In  der  Blau  bei  Blaubeuren,  Martens.  In  den  Quellen 
des  Kochers ,  Frölich.    lY.  In  der  Argen  bei  Isny ,  Martens.    6583. 

*  Thamnium  alopecurum  Br.  et  Seh.  An  Felsen  in  feuchten 
Waldschlucliten.  Herbst  bis  Frühling.  I.  Stuttgart  im  Wald  bei 
Böhmisreute,  Closs.  Ramsbach,  Oberamts  Hall,  Haist.  Ellwan- 
gen,  Batligeb.     II.  Alpirspach,  Köstlin,     6535. 

*  Plagiothecium  silesiacuni  Seh.  An  faulenden  Baumstäm- 
men, daher  bei  uns  selten.  Sommer.  I.  Ellwangen,  Rathgeb.  II. 
ImNagoldthal,  Valet.  III.  Urach  am  Fahrweg  zum  Schlossberg.  6553. 

PI.  sylvaticum  Seh.  In  Wäldern  auf  der  Erde  und  an  nassen 
Felsen.  Sommer.  II.  Alpirspach,  Schramberg,  Köstlin.  lY.  Wan- 
gen, Wolfegg,  Jung.     6581. 

PI.  iindulatiim  Seh.  Auf  feuchtem  Waldboden.  Sommer. 
II.  Wildbad  im  Wald  am  Weg  zur  Grünhütte,  Martens.  Alpirspach 
im  Reutiiinwald,  Köstlin.    6582. 

*  Amblystegium  subtile  Seh.  An  Baumstämmen.  August. 
I.  Mergentheim  an  Linden  im  Hofgarten,  Fuchs.  III.  Urach  an 
Buchen  am  untern  Weg  zu  dem  Wasserfall,  Schimper.     6517. 

*  A.  serpens  Seh.  An  Bäumen,  Steinen,  faulem  Holze  häufig 
und  vielgestaltig.  Frühling,  Sommer.  I.  Stuttgart,  S.  Kerner. 
Tübingen,  Gmelin.  Schorndorf,  Haist.  Schwabsberg,  Oberamts 
Ellwangen,  an  einem  in  einem  Teich  liegenden  Brunnenteichel, 
Kemmler.  Meckelbach,  Oberamts  Hall,  Kemmler.  Ellwangen, 
Rathgeb.  Mergentheim,  Bauer.  IL  Wildbad,  J.  Kerner.  Teinach, 
E.  Gärtner.  III.  Urach  am  Thiergartenberg ,  Finckh.  IV.  Ulm  im 
Gehölz  an  der  Hier,  Martens.  Roth,  Ducke.  An  allen  Orten, 
Jung.     6604. 


—    104   — 

*  A.  irriguum  g.  fallax  ßch.  Im  Wasser  an  Felsen  und  Mau- 
ern. Mai,  I.  Ellwangen,  Ratligeb.  III.  Im  Egerursprung  bei 
Auflmusen,  Oberamts  Neresbeim,  Kemmler.     6606. 

*  A.  riparium  Seh,  Auf  morscbem  Holz  im  Wasser ,  an  Wei- 
den und  bölzernen  Wasserleitungen.  Juni.  I.  Stuttgart  im  Floss- 
graben bei  Berg,  Martens.  Tübingen,  Schübler.  Eschenau  und 
in  der  Roth  bei  Kammerstadt,  Kemmler.  Ellwangen,  Frölich.  IV, 
Roth,  Ducke.     6607. 

Hypnum  Halleri  L.fil.  An  Kalkfelsen.  Frühling,  Sommer, 
III.  Im  Filsthal,  Ducke.     6571. 

*  H.  ehrysophyllum  Bricl  An  feuchten  Kalkfelsen,  seltener 
auf  der  Erde.  Sommer.  I.  Stuttgart  im  Wald  bei  Häslach,  Mar- 
tens.   Mergentheim,  Fuchs.    III.  Urach,  Schimper.     6569. 

*  H.  stellatum  Schreb,  Auf  Sumpfwiesen.  Sommer.  I.  Stutt- 
gart in  der  Klinge  bei  Böhmisreute ,  Martens,  Kottspiel,  Kemmler. 
Schönthal,  W.  Hartmann.     6570. 

*  H.  aduncum  L,  In  Sümpfen.  Juni  selten.  I,  Stuttgart  in 
Lachen  am  Kräher wald,  Martens,  Schorndorf,  Haist,  IV.  Roth, 
Ducke.     6537. 

H.  uncinatum  Hedw,  In  sumpfigem  Wasser.  Frühling.  I. 
Esslingen,  Hochstetter.  II.  Im  Wald  bei  Christophsthal ,  Martens. 
6558. 

H.  eommutatum  Hedw.  An  Quellen,  Bächen  und  Gräben. 
Frühling.  I.  Stuttgart  am  Bach  in  der  Klinge  bei  Böhmisreute, 
Martens.  Tübingen  im  Wankheimer  Thal,  Gmelin.  Esslingen, 
Hochstetter.  Mergentheim ,  Bauer.  III.  Urach  unter  dem  Wasser- 
fall, Schimper.     6563. 

*  H.  filicinum  L,  An  feuchten  und  nassen  Stellen  an  Steinen, 
Mauern  und  Holz.  Frühling.  I,  Schorndorf,  Haist.  Ellwangen, 
Rathgeb.     Mergentheim,  Bauer. 

*  H.  rugosum  L.  Zwischen  den  Weinbergen,  an  Waldrän- 
dern ,  an  sonnigen  trockenen  Stellen ,  daher  bei  uns  noch  nie  mit 
Früchten  gefunden,  die  im  Juli  reifen  sollen.  I.  Stuttgart  gegen 
Gaisburg  und  auf  dem  Hasenberg,  Martens.  Tübingen,  Schübler, 
Unter  -  Sontheim  und  Markertshofen ,  Kemmler.  Mergentheim, 
Bauer.    II.  Wildbad,  Kerner.    III.  Urach  am  Schlossberg,  Schim- 


—    105    — 

per.   Ulm ,  Blaubeuren  auf  den  Felsen  des  Tiefenthals ,  Härtens. 
Kloster  Anhausen ,  Kemmler.     G540. 

*  H.  cupressiforme  L.  Sehr  häufig  auf  der  Erde,  am  Fusse 
der  Waldbilume,  an  Steinen  und  Mauern,  an  trockenen  und  feuch- 
ten Stellen,  Anfänger  durch  die  mannigfaltigsten  Formen  so  häufig 
täuschend,  wie  Carex  glauca  Scop.  Februar  bis  April.  I.  Stuttgart, 
Closs.  Tübingen,  Scliübler.  Unter-Sontheim  und  Engelhofen  an 
Nadelholzstumpen,  Kemmler.  Mergentheim,  Fuchs.  IL  Teinach, 
E.  Gärtner.  Wildbad,  Kerner.  III.  Ulm  im  Oerlinger  Holz,  Här- 
tens.    lY.  Roth,  Ducke.     Ueberall,  Jung.     G545. 

* e.  filiforme   Brid.    An  Nadelholzstämmen  bei  dem 

Haspelhäuser  See,  Oberamts  Gaildorf,  Kemmler.     6545 d. 

*  H.  molluscum  Hedw,  Häufig  im  Wald  an  Steinen  und 
Baumwurzeln ,  doch  selten  im  Frühling  und  Sommer  mit  Früchten. 
I.  Stuttgart  auch  auf  den  Dächern ,  Martens.  Tübingen,  Gmelin. 
Unter-Sontheim,  Kottspiel,  Kemmler.  Ellwangen,  Rathgeb.  Mer- 
gentheim, Fuchs.  IL  Am  wilden  See,  Schübler.  Alpirspach  im 
Glaswald  an  Granitfelsen,  Köstlin.  III.  Urach  am  Thiergartenberg, 
Finckh.   Heidenheim ,  Haist.    IV.  An  allen  Orten,  Jung.     6561. 

*  H.  Crista  castrensis  L.  Auf  der  Erde ,  vorzüglich  in  Na- 
delwäldern, gesellig,  aber  nicht  häufig.  Herbst.  Unser  zierlich- 
stes Moos,  trefflich  zu  aufgeklebten  Mooslandschaften.  I.  Schorn- 
dorf, Haist.  Ellwangen,  Mohl.  Mergentheim,  Bauer.  Nagold, 
Zeller.  H.  Calw,Kurr.  Wildbad,  Kerner.  III.  Urach  am  oberen 
Weg  zum  Wasserfall,  Schimper,  IV.  Roth,  Ducke.  Riedlingen 
im  Kichert,  Balluf.     6560. 

*  H.  palustre  Hedw.  An  Steinen  und  Holz  in  Bergbächen, 
Sommer.  I.  Ellwangen ,  Fröhlich.  III.  Urach  unter  dem  Wasser- 
fall, Schimper.     6542. 

*  H.  cordifolium  Hedw.  Auf  Sumpfwiesen,  in  Wiesengräben. 
Mai,- Juni.  I.  Baknang,  W.  Hartmann.  Ellwangen  bei  Muggen- 
thal,Mohl.     6597. 

*  H.  cuspidatum  L.  Sehr  häufig  auf  sumpfigen  Wiesen,  aber 
selten  im  Sommer  mit  Früchten.  I.  Stuttgart  im  Schlossgarten 
und  über  einen  Fuss  lang  in  einer  Wassergrube  bei  Degerloch, 
Martens.     Tübingen,  Schübler.     Mergentheim,  Bauer.    IL  Tel- 


106 


nach,  E.   Gärtner.     Wildbad,  Kerner.     Röthenberg  im  Kessler- 
Moor,  Köstlin,     IV.  Ulm,  Martens.     Roth,  Ducke.     6598. 

*  H.  Sehreberi  Willcl  Auf  Heiden  und  in  Wäldern.  Herbst. 
1.  Stuttgart  auf  dem  Hasenberg,  Martens.  Baknang,  W.  Hartmann. 
Mergentheim  im  Bürgerwald,  Fuchs.     H.  Wildbad,  Kerner.   6596. 

*  H.  purum  L.  Nicht  selten  in  lichten  Laub  Waldungen  am 
Fusse  der  Bäume  und  auf  der  Erde,  aber  nur  selten  im  Frühling 
mit  Früchten,  I.  Stuttgart,  Martens.  Vaihingen,  Bilhuber.  Schorn- 
dorf, Haist.  Ellwangen,  Rathgeb.  Kottspiel,  Kemmler.  Mer- 
gentheim, Bauer.    H.  Wildbad,  Kerner,     6595, 

H.  stramineum  DicTcson.  Selten  auf  Sumpf-  und  Torfwiesen. 
Frühling.     I.  Im  Muggenthal  bei  Ellwangen,  Frölich.    6599. 

*  H.  seorpioides  L.  In  Torfstimpfen.  Frühling,  Sommer. 
I.  Schorndorf,  Haist.  II.  Kesslermoor  bei  Röthenberg,  Köstlin. 
6541. 

*  Hylocomium  splendens  ^ch.  Häufig  in  schattigen  Wäl- 
dern auf  der  Erde.  Frühling.  I.  Stuttgart,  Closs.  Tübingen, 
Schübler.  Schorndorf,  Haist.  Ellwangen,  Rathgeb.  Mergent- 
heim ,  Bauer.  IL  Calw ,  Schüz.  HI.  Urach ,  Finckh.  Ulm ,  Leo- 
pold.   IV.  Am  Bodensee,  Fuchs.     An  allen  Orten,  Jung.    6536. 

*  H.  brevirostre  Seh.  An  Felsen  und  Baumwurzeln.  Früh- 
ling. I.  Im  Wald  bei  Winzenweiler ,  Oberamts  Gaildorf,  Kemmler. 
6566.' 

*  H.  squarrosum  Seh.  An  schattigen  Grasplätzen ,  in  Wäl- 
dern. Herbst,  selten.  I.  Stuttgart  in  feuchten  Klingen ,  Martens. 
Tübingen,  Schübler.  Schorndorf,  Haist.  Kottspiel,  Kemmler. 
Mergentheim ,  Bauer.     IV.  Roth,  Ducke.     Saulgau,  Jung.     6564. 

*  H.  triquetrum  Seh.  In  Wäldern  auf  der  Erde.  Frühling. 
Unser  häufigstes  und  grösstes  Waldmoos ,  daher  vorzugsweise  zu 
Kränzen,  zur  Ausschmückung  von  Gartenhütten  und  zur  Ver- 
packung von  Pflanzen  benützt.  I.  Stuttgart,  Closs.  Tübingen, 
Schübler.  Schorndorf,  Haist.  Mergentheim,  Bauer.  II.  Calw, 
Schüz.  Wildbad,  Kerner.  HL  Urach,  Finckh.  Ulm,  Martens. 
IV.  Roth,  Ducke.  Riedlingen,  Balluf.  An  allen  Orten,  Jung. 
6565. 

*  H.  loreum  Seh.     In  feuchten  Bergwaldungen.     Winter, 


—    107    — 

Frühling.  I.  Ellwangen ,  Rathgeb.  II.  Wildbad ,  Plieninger.  III. 
Urach  am  Thiergartenberg,  Finckh.  Am  Piattenberg  bei  Dottern- 
hausen, Rathgeb.     656S. 

Classis  IL    Sphagna. 

*  Sphagnum  acutifolium  Ehrh.  In  feuchten  Wäldern  und 
Heiden,  an  Gebirgsquellen,  bildet  in  allen  Hochmooren  den  Grund 
des  weichen,  mit  Andnvneda  j^olifolia,  Vaccinium  Oxycoccos  und 
Drosera  rotimdi/olia  durchwirkten  Teppichs  und  mit  ihnen  abster- 
bend den  Torf,  fehlt  aber  in  den  niederen  Torfgründen  und  Rie- 
dern an  den  Flüssen ,  nicht ,  wie  schon  angegeben  wurde ,  wegen 
des  Kalk- und  Gypsgehaltes  des  Wassers,  sondern  weil  es  längst 
durch  üeberschwemmungen ,  die  es  mit  Sand  und  Schlamm  bedeck- 
ten, erstickt  und  Boden  für  ganz  andere,Pflanzen  geschaffen  worden 
ist.  Juni ,  Juli.  I.  Stuttgart  in  einer  kleinen  Torfpfütze  im  Wald 
über  Wangen,  Härtens,  und  in  einem  Graben  des  Waldes  hinter 
Böhmisreute,  Hermann  Nördlinger.  Tübingen  am  Birkensee  am 
Eselstritt,  Schübler.  Kottspiel,  Holenstein,  Winzenweiler,  Gera- 
bronnhof, Kemmler.  Ellwangen  am  Griesweiher  bei  Neuler,  Frö- 
lich,  und  am  Schönbergerhof,  Rathgeb.  Mergentheira  im  Bühl 
bei  Garrenberg,  Bauer.  Schwenningen ,  Sturm.  II.  Calw,  Schüz. 
In  Menge  am  wilden  See,  Martens.  Simmersfeld,  Mohl.  Alpir- 
spach ,  Köstlin.  III.  Schopflocher  Torfgrube ,  Härtens.  IV.  Ried- 
lingen, Balluf.  Wurzach,  Schübler.  Im  oberen  Wald  bei  Vogt, 
Jung.    Isny  im  rothen  und  eisenharzer  Moos,  Härtens.     6111. 

Sph.  ümbriatum  Wüs.  In  Torfsümpfen.  Sommer.  II.  Im 
Hurgthal ,  Schimper. 

*  Sph.  cuspidatum  Ehrh.  In  Torfsümpfen.  Sommer.  I.  Bei 
Lorch,  Haist.  In  Nadelwaldungen  um  Ellwangen,  Kemmler.  II. 
Am  wilden  See,  Hohl.     6110. 

d.  plumosum  Seh.    Untergetaucht.    IV.  Riedlingen  im 

Wald  bei  Dürmentingen ,  Balluf.     6112. 

*  Sph.  squarrosum  Fers.  An  kalten  Gebirgsquellen,  selten 
in  Torfmooren.  August.  I.  Im  Wald  bei  Kottspiel,  am  Haspel- 
häuser See,  bei  Gerabronn,  Oberamts  Ellwangen  und  dem  Vör- 
hardsweiler  Hof,  Oberamts  Aalen,  Kemmler.   Ellwangen  am  Gries- 


108 


weiher,  Frölich.     II.  Am  wilQen  See,  Schübler.    Im  Glaswald  bei 
Alpirspach ,  Köstlin.     6108. 

*  Sph.  rigidum  b.  compactum  ScL  Auf  trockneren  Torf- 
gründen. Juli.  I.  Im  Wald  bei  Kammerstadt ,  Oberamts  Ell wan- 
gen,Kemmler.     II.  Auf  den  Hornisgründen,  A.  Braun.     6113. 

*  Sph.  subseeundum  Nees  et  Hornsch.  In  Gräben  torfiger 
"Wiesen.  Juni ,  Juli.  I.  Im  Wald  bei  Sulzbach ,  Oberamts  Baknang, 
Martens.  Am  Haspelhäuser  See,  Oberamts  Gaildorf,  bei  Kammer- 
stadt, Hinter-Uhlberg,  Oberamts  Crailsheim,  Kemmler.     6114. 

* b.  eontortum  Schultz.    I.  Im  Wald  bei  Gerabronn, 

Oberamts  Ellwangen,  Kemmler. 

*  SplL  eymbifolium  Ehrh.  Auf  nassem  Wald-  und  Heide- 
boden, in  Torfmooren  den  Saum  bildend.  I.  Stuttgart  im  Walde 
zwischen  Degerloch  und  Häslach,  Mohl,  und  bei  der  Solitude, 
Closs.  Tübingen  am  Birkensee,  Schübler.  Im  Wald  bei  Kammer- 
stadt, am  Haspelhäuser  See ,  bei  Hinter-Uhlberg  und  Gerabronn, 
Kemmler.  Ellwangen  in  der  braunen  Hardt  und  bei  Dornholz- 
weiler ,  Rathgeb.  II.  Am  wilden  See ,  Martens.  Alpirspach,  Köst- 
lin. III.  Schopflocher  Torfgrube,  Martens.  IV.  Riedlingen,  Balluf. 
Isny  im  rothen  und  eisenharzer  Moos,  Martens.     6107. 


Wie  vielerlei  Laubmoose  die  ganze  Erde  nähre,  ist  eine 
Frage ,  welche  sich  nicht  einmal  annähernd  beantworten  lässt ,  da 
einerseits  die  Laubmoose,  wie  viele  Kryptogamen  ,  grosse  Verbrei- 
tungsbezirke haben,  mehrere  Arten,  welche  überall  auftreten, 
dann  in  den  am  wenigsten  erforschten,  also  die  meisten  neuen 
Arten  versprechenden  Tropenländern  diese  Feuchtigkeit  und  Kälte 
liebende  Pflanzenklasse  hinter  der  kräftigeren  Entwicklung  hö- 
herer Klassen  zurücktreten  muss ,  andererseits  der  Hauptsitz  der 
Moose,  die  Alpenregion,  ausser  Europa  noch  sehr  wenig  durch- 
forscht ist  und  sich  auch  nicht  voraussehen  lässt,  wie  weit  das 
Trennen  der  Gattungen  und  Arten  nach  den  kleinsten  und  uner- 
heblichsten Unterschieden,  die  Aufstellung  neuer  Arten  durch 
blosse  Spaltung  längst  bekannter,  noch  getrieben  werden  wird. 


—    109    — 

Steudels  im  Jahr  1824  erschienener  Nomenciator  zählt  mit 
Einschluss  mancher  zweifelhaften  1264  Arten  auf,  seit  jener  Zeit 
sind  viele  neue  entdeckt  und  beschrieben  worden,  aber  niemand 
hat  es  mehr  versucht,  eine  Aufzählung  Aller  zu  geben,  und  so 
dürfte  die  von  Schimper  jH-ophezeite  Zeit  noch  in  weiter  Ferne 
liegen,  wo  die  Zahl  der  genau  bekannten  Arten  von  Laubmoosen 
die  aller  Pflanzen  zu  Linnes  Zeiten ,  8000 ,  übersteigen  wird. 

Am  meisten  ist  natürlich  in  Europa  geleistet  w^orden  und  hier 
finden  wir  in  Schimpers  trefflicher  Synopsis  den  heutigen  Stand  un- 
serer bryologischen  Kenntnisse  für  diese  Begrenzung  auf  147  Gat- 
tungen mit  708  Arten  festgestellt,  weit  über  die  Hälfte  der  von 
Steudel  für  die  ganze  Erde  angegebenen. 

Dieses  europäische  Moosgebiet  theilt  Schimper  in  drei  Floren. 
Die  südliche  Mo  osflora  vom  sechs  und  dreissigsten  Breiten- 
grade, Malta  und  Gibraltar,  bis  zum  sechs  und  vierzigsten  am  süd- 
lichen Saume  der  Alpen,  also  der  F.ora  mediterranea  entsprechend, 
zählt  auf  eilf  Breitengrade  400  Arten.  Die  mittlere  Moos- 
flora vom  sieben  und  vierzigsten  Breitengrade,  der  Wasser- 
scheide der  Alpen,  bis  zum  vier  und  sechszigsten,  Archangel  und 
Lapplands  Südgrenze,  zählt  auf  achtzehn  Breitengrade  598  Arten, 
die  nordische  Moosflora  vom  fünf  und  sechszigsten  Breiten- 
grade ,  Island  und  Lappland,  bis  zum  Pol  hat  auf  sechs  und  zwanzig 
Breitengrade  470  Arten. 

Erwägt  man  nun ,  dass  das  Gebiet  der  mittleren  Flora  bei  wei- 
tem das  grösste  ist,  indem  von  dem  der  nordischen  mehr  als  die 
Hälfte  mit  Eis  bedeckt  und  noch  unbetreten  ist,  im  übrigen  Theile 
aber  das  Land  nur  eine  geringe  Fläche,  das  Meer  die  grössere, 
einnimmt,  dass  diese  mittlere  Flora  die  grösste  Mannigfaltigkeit 
der  Standorte  hat,  in  den  Hochalpen  gewissermassen  in  die  nor- 
dische übergreift ,  die  günstigste  Mitte  zwischen  der  heissen  Dürre 
südlicher  Sommer  und  der  trockenen  Kälte  nordischer  Winter  hält, 
und  dass  sie  endlich  die  Wohnsitze  der  eifrigsten  und  tüchtigsten 
Bryologen  der  Vergangenheit  wie  der  Gegenwart  umfasst,  so  muss 
der  geringe  Unterschied  dieser  Zahlen  auffallen;  da  man  ferner  in 
ganz  Europa  708  Arten  kennt,  in  der  mittleren  Flora  aber  598,  so 
besitzen  die  beiden  andern  Floren  miteinander  nur  110  ihnen  eigen- 


110 


thümliclie  Moose  (Schimper  nennt  46  für  die  nördliche,  33  für  die 
südliche). 

Unser  Württemberg  dehnt  sich  von  47»  35'  bis  49^  35'  30"  der 
Breite  aus,  gehört  somit  zu  dem  südlichsten  Theile  der  mittleren 
Flora;  der  Höhe  nach  umfasst  es  einen  Theil  der  Schimperschen 
Getreideregion  mit  425  pariser  Fuss  über  dem  Meere  an  dem  Was- 
serspiegel des  Neckars  bei  dessen  üebertritt  in  das  Grossherzog- 
thum  Baden,  bis  1500  Fuss,  und  dessen  ganze  Bergregion  mit 
seinen  höchsten  Punkten ,  dem  Dreimarkstein  auf  den  Hornisgrün- 
den  im  Schwarzwald,  3550  pariser  Fuss,  und  dem  schwarzen 
Grat  der  Adelegg  am  Saume  der  Algäuer  Alpen  im  Oberamt  Wan- 
gen, 3420  p.  Fuss. 

Dagegen  fehlen  uns  ausser  dem  untersten  Theil  der  Getreide- 
region auch  Schimpers  subalpine,  alpine  und  überalpine  Region 
und  mit  diesen  alle  hochnordischen  Moose. 

Bis  heute  sind  in  diesem  Gebiete  228  Arten  von  Laubmoosen 
gefunden  worden,  wovon  sich  zwar  nur  164  in  der  Sammlung  des 
Vereins  für  Naturkunde  befinden,  jedoch  beinahe  alle  in  der  eben- 
falls von  mir  angelegten  der  Centralstelle  des  lan d wir th schaftlichen 
Vereins  in  Württemberg. 

Die  Vertheilung  dieser  Laubmoose  nach  den  Hauptformationen 
ist  sehr  ungleich;  das  mit'  L  bezeichnete  Unterland,  das  grösste 
Gebiet  mit  dem  grössten  Wechsel  der  Formationen ,  vorherrschend 
Keuper-  und  Muschelkalk,  wo  Obermedicinalrath  von  Frölich, 
Professor  von  Mo  hl,  Dr.  Bauer,  Apotheker  Rathgeb  und 
Pfarrer  Kemmler  sammelten,  zählt  170  Arten,  drei  Viertheile 
der  Gesammtzahl;  der  den  Laubmoosen  besonders  günstige,  an 
Feuchtigkeit  und  Schatten  reiche,  mit  II.  bezeichnete  Schwarzwald, 
bunter  Sandstein  und  Granit,  hat  113  Moosarten,  oder  die  Hälfte 
der  ganzen  Zahl ,  vorzüglich  durch  die  vieljährigen  Bemühungen 
des  verstorbenen  Dr.  Köstlin  in  Alpirspach,  dann  durch  den  Um- 
stand ,  dass  der  schroffe  Gegensatz  dieses  Gebirgs  in  seinem  Reicli- 
thum  an  Kryptogamen  bei  grosser  Armuth  an  Phänogamen  den 
dasselbe  besuchenden  oder  bewohnenden  Botaniker  auf  die  ersteren 
verweist. 

Dass  Oberschwaben,  das  weite,  aber  einförmige,  mit  IV. 


—  111  — 

bezeichnete  Gebiet  der  Mo  Ilasse,  96  Arten  zählt,  verdanken  wir 
theils  seinem  Zusammenhang  mit  den  Voralpen,  theils  den  gefälli- 
gen Mittheilungen  der  Herren  Apotheker  B  alluf  in  Riedlingen  und 
Ducke  in  Wolfegg,  so  wie  einem  älteren,  mit  Sachkenntniss  ver- 
fassten,  aber  leider  nicht  von  Original -Exemplaren  begleiteten 
Verzeichnisse  der  Moose  seiner  Umgegend  des  Reallehrers  Jung 
in  Wangen. 

Am  schlechtesten  kommt  unsere  schöne,  romantische  Alp  weg, 
wir  kennen  von  diesem,  mit  III.  bezeichnetem  Gebiete  des  Jura- 
kalks nur  73  Arten,  kaum  ein  Drittheil  der  Gesammtzahl  und  ver- 
danken auch  diese  Zahl  vorzüglich  einem  Besuche  Schimpers  in 
Urach;  zum  Trost  für  die  wackern  Botaniker,  welche  in  diesem 
Gebiete  wohnen,  vor  Allen  ihres  würdigen  Seniors,  Oberamtsarzt 
Dr.  Finckh  in  Urach,  müssen  wir  jedoch  bemerken,  dass  Schim- 
per  den  Jurakalk  für  den  ungünstigsten  Boden  für  seine  Lieblinge 
erklärt ,  und  dass  sich  hier  sehr  schön  derselbe  Gegensatz ,  wie  auf 
dem  Sclnvarzwald ,  herausstellt,  Mangel  an  Moosen,  weil  Reich- 
thum  an  Phänogamen,  wie  dort  Mangel  an  Phänogamen,  weil 
Ueberfluss  an  Moosen,  ein  Wink  dafür,  dass  mit  dem  Vorrücken 
gegen  den  Aequator,  mit  dem  Herabsteigen  von  den  Alpenhöhen, 
die  Laubmoos-Bevölkerung  abnehmen  muss. 

Iilin  Blick  in  die  meisterhafte  Synopsis  muscorum  wird  uns  in- 
dessen belehren,  wie  weit  wir  noch  vom  Ziele  sind,  wie  vieles  noch 
zu  leisten  ist. 

Vergleichen  Avir  nämlich  unsere  Moosfiora  mit  dem  in  der  Ein- 
leitung zu  erwähnter  Spiopsis  Seite  LXXV  bis  LXXXIV  angeführ- 
ten des  mitteleuropäischen  Gebiets,  so  finden  wir  schon  in  Dr. 
von  Kl ingg raff s  Flora  von  Königsberg  trotz  der  Einförmigkeit 
dieses  Gebiets  nur  18  Arten  weniger  (210),  in  der  eben  so  einför- 
migen, aber  ausgedehnteren  Flora  der  Niederlande  von  Dozy 
undMolkenbör  bereits  24  Arten  mehr  (252),  endlich  in  der 
Flora  von  Sclilesien  nach  Milde  undPlukar  über  ein  Drittheil 
mehr  (350). 

Dieselbe  Zalil  von  350  Arten  gibt  Schimper  nur  für  die  Ge- 
treideregion des  Rheinthals  von  Basel  bis  Mainz  an,  freilich  das 
am  meisten  von  ihm  selbst  und  den  ausgezeichneten  Bryologen 


112 


Bruch  und  Gümbel  mit  dem  grössten  Eifer  und  unermüdlicher 
Beharrlichkeit  durchforschte  Gebiet;  Professor  Seubert  führt  für 
das  ganze  Grossherzogthum  Baden  360  Arten  auf*,  und  diese  Zahl 
werden  wir  wohl  als  das  in  Württemberg  zu  erstrebende  Maximum 
annehmen  können,  eben  so  für  den  schwäbischen  Jura  insbesondere 
die  von  Friedrich  Arnold  im  fränkischen  Jura  gefundenen  160 
Arten ,  da  selbst  in  dem  hoch  in  die  Alpenregion  emporsteigenden 
Kalkgebirge  des  Algäus  nur  190  Arten  gefunden  wurden  **. 


*  Zusammenstellung  der  bis  jetzt  im  Grossherzogthum  Baden  beob- 
achteten Laubmoose  von  Professor  Dr.  Moriz  Seubert  in  Karlsruhe,  in 
den  Berichten  über  die  Verhandlungen  der  naturforschenden  Gesellschaft 
zu  Freiburg  i.  B.  1861.  8.  Band  II.   Heft  3  Seite  262  bis  311. 

**  Die  Laubmoose  des  Algäus,  nach  den  hinterlassenen  Manuscrip- 
t«n  Otto  Sendtners  und  den  Beobachtungen  mehrerer  seiner  Freunde 
zusammengestellt  von  G.  Gerber,  im  vierzehnten  Bericht  des  natur- 
historischen Vereins  in  Augsburg.  1861.  8.  Seite  42  bis  55. 


3.    Die  tertiären  Hirsche  von  Steinheim. 

Von  Dr.  Oscar  Fr  aas  in  Stuttgart. 
Mit  Taf.  I.  &  II. 

Die  grosse  Zersplitterung  der  tertiären  Hirscharten  — 
Giebel  zählt  in  seiner  Fauna  der  Vorwelt  schon  mehr  als  60 
Species  auf  —  hat  ihren  Grund  vielfach  in  der  mangelhaften  Er- 
haltungsweise der  zu  Grunde  liegenden  Funde,  in  welchen  der 
Palaeontologe  nur  vereinzelte  und  zerstückelte  Reste  erhielt,  weit 
aus  ungenügend,  um  mit  Sicherheit  darauf  Arten  zu  bauen.  Der 
Fund  eines  in  seiner  Weise  so  vollständigen  Hirsches,  wie  der 
auf  Taf.  I.  abgebildete,  ist  ein  seltenes  Ereigniss:  erfreulich  genug, 
sofern  es  ein  Bild  des  ganzen  Thieres  bietet,  unter  welchem  die 
länger  schon  gekannten  Zähne,  Kopf  und  Fusstheile  vereinigt 
sind.  Immerhin  bilden  aber  auch  die  in  nachstehender  Abhand- 
lung veröffentlichten  Funde  nur  Beiträge,  keineswegs  erschöpfen- 
des Material  zur  Kenntniss  des  so  weit  verbreiteten  Tertiär- 
Hirsches,  den  wir  vorläufig  mit  dem  Namen:  Cervus  furcatus 
bezeichnen.  Die  auf  Taf.  I.  &  II.  abgebildeten  Stücke  stammen 
sämmtlich  aus  dem  Tertiär  von  St  ein  he  im,  das  seit  den 
ältesten  Zeiten  schon  bekannt  eine  richtige  Deutung  dennoch  sehr 
schwer  zulässt.  Eines  scheint  mir  in  Betreff  der  Lokalität  klar 
zu  sein,  dass  die  sog.  Steinheimer  Tertiäi'-Mulde  nicht  als  eine" 
für  sich  bestehende  locale  Ablagerung  in  der  Tertiärzeit  anzu- 
sehen ist,  sondern  als  Rest  einer  weithin  verbreiteten  Formation, 
die  mit  den  Bildungen  im  Ries  ebenso  als  mit  denen  von  Ulm 
zusammenhing  und  einzig  nur  darum  uns  erhalten  blieb,  weil  vor 
der  Denudationsperiode,  in  welcher  die  übrige  Tertiärbedeckung 
der  Alb  weggewaschen  wurde,  jener  Tertiärfleck  in  Folge  einer 

Württemb.  iiaturw.  Jahreshefto.     18G2.    2s  Heft.  8 


—    114   — 

grösseren  Trichterbildung  im  Massenkalk  des  Juras  eingesunken 
war.  Ich  glaube  nicht,  dass  bei  näherer  Untersuchung  der  dor- 
tigen Gegend  eine  Anschauung  zulässig  ist,  wie  sie  z.  B.  Jäger 
(fossile  Säugethiere  von  Württemberg  pag.  61}- äussert,  der  sich 
das  Becken  von  Steinheim  als  von  Jura-Kalk-Ufern  umflossenen 
See  denkt,  welcher  die  zahlreichen  Fische  und  Muscheln  beher- 
bergt, und  in  welchen  der  Giessbach  aus  dem  Windthal  und  an- 
dere Zuflüsse  die  Reste  von  Säugethieren  theilweis  erst  später 
einschwemmte.  Abgesehen  von  den  Lagerungs- Verhältnissen, 
welche  nirgends  horizontale  Schichtung,  sondern  überall  geneigte 
und  verstürzte  Tertiärbänke  erblicken  lassen,  abgesehen  von  dem 
Gürtel  jurassischen  Schuttes  —  nicht  abgerundeten  Geschiebes, 
sondern  eckigen,  scharfkantigen  Schuttes,  der  zwischen  den  Ter- 
tiärbänken und  dem  Jura  liegt,  ist  es  kaum  denkbar,  wie  in  dem 
kleinen,  kaum  '/4  Quadratmeile  grossen  See,  eine  so  massenhafte 
Bildung  von  Organismen  hätte  vor  sich  gehen  sollen,  dass  die 
Schichten,  welche  das  Becken  füllen,  rein  nur  aus  Schnecken  und 
Fischen  und  ihren  Trümmern  bestehen,  ausser  zahlreichen  Säuge- 
thieren, Schildkröten  und  Vögeln,  deren  Reste  vom  Ufer  aus  in 
den  See  geschwemmt  worden  wären.  Wenn  auch  Valvata  multi- 
formis,  die  auf  der  Steinheimer  Alb  als  Feg-Sand  gebraucht  wird, 
eben  nur  auf  Steinheim  beschränkt  erscheint  und  weder  im  Ries 
noch  in  Ulm  sich  bis  jetzt  gefunden  hat,  so  ist  doch  das  locale 
Vorkommen  einer  Species  etwas  so  Gewöhnliches,  dass  es  als  Be- 
weis für  die  locale  Bildung  des  ganzen  Beckens  nimmermehr 
gelten  darf.  Die  meisten  andern  xVrten  finden  in  dem  Tertiär 
von  Ulm,  Mainz,  Auvergne  und  dem  Süden  von  Frankreich  ihres 
gleichen  wieder.  Demnach  wird  wohl  Niemand  mehr  daran 
zweifeln,  dass  unser  Steinheimer  Tertiär  ein  Glied  und  Ueberrest 
einer  weit  verbreiteten  Formation  sei,  welche  jedenfalls  in  die 
Zeit  der  zweiten  Tertiärperiode,  in  die  Lebensepoche  de^Falaeo- 
theriums  von  Orleans  {Anchitheiium  aurelianense),  des  Nashorns 
ohne  Hörn  (Aceratheriimi  incisivicm)  und  anderer  fällt.  Eine  ge- 
nauere Parallele  zu  ziehen,  hat  ihre  grosse  Schwierigkeiten  und 
wird  zur  Zeit,  ehe  wir  weitere  Anhaltspunkte  gefunden  haben, 
nahezu  unmöglich  sein. 


—    115   — 

Der  Erste,  der  tertiärer  Wiederkäuer  überhaupt  Erwähnung 
thut,  ist  Cuvier  im  Art.  VI.  seiner  fossilen  Hirsche,  Geweih- 
stücke und  Zähne  einer  neuen  Hirschart ,  an  Grösse  dem  Reh 
vollständig  gleich  waren  ihm  aus  dem  Steinbruch  von  Montabu- 
sard,  dep.  du  Loiret,  in  Gemeinschaft  mit  Resten  von  Lophiodon 
und  Mastodon  mitgetheilt  worden.  Drei  hintere  Unterkieferzähne 
ghchen  so  sehr  dem  Reji,  dass  selbst  das  geübteste  Auge  sie  nicht 
zu  trennen  vermochte.  Dagegen  Hessen  die  Zähne  des  Oberkie- 
fers und  die  Geweihstücke  starke  Unterschiede  beobachten.  Er- 
stere  zeigten  an  den  3  hinteren  Backenzähnen  starke  Hügel  auf 
der  Aussenseite  des  Zahnes  vor  jedem  Halbcylinder  und  einen 
Halskragen  auf  der  Innenseite  an  der  Basis  der  Krone.  Insbe- 
sondere aber  fielen  die  2  vorderen  Backenzähne  auf,  die  einfach 
sind,  schneidend  und  Slobig  und  der  zweite  gleichfalls  mit  einem 
Halskragen  versehen,  während  die  3  ersten  Backenzähne  der  sonst 
bekannten  lebenden  Hirscharten  aus  2  einfachen  Halbmonden,  der 
eine  vor  dem  andern,  bestehen.  Die  Gabelung  des  (sehr  frag- 
mentarischen) Geweihstücks  erinnert  am  meisten  an  den  Hirsch 
von  Timor ,  Cervus  Peronii.  So  mangelhaft  das  Material  war, 
das  Cuvier  vorlag,  so  sah  er  doch  an  Geweih  und  Zähnen 
schon  den  Unterschied  zwischen  dem  fossilen  Hirsch  und  dem 
Reh,  verzichtete  jedoch  auf  einen  Speciesnamen  und  nannte  ihn 
schlechtweg  den  „Hirsch  von  Montabusard."  L artet  hat  ge- 
glaubt, den  Namen  Dicrocerus  crassus  und  neuerdings  den 
Gray'schen  Namen  Hyaemoschus  auf  Cuviers  Hirsch  anwenden 
zu  sollen.  Dagegen  konnte  ich  an  den  Cuvier'schen  Original- 
stücken, die  ich  unlängst  im  jardin  des  plantes  mir  ansah,  einen 
merklichen  Unterschied  zwischen  dieser  und  unserer  Steinheimer 
Art  nicht  herausfinden. 

\Yeiter  beschrieb  Geoffroy  St.  Hilaire  1833  aus  der 
Auvergue  2  Wiederkäuerformen  mit  langen ,  oberen  Eckzähnen 
unter  dem  neuen  Namen  Dremotherium ,  das  Geschlecht  soll  zur 
Familie  Moschus  gehören  und  die  Lücke  ausfüllen  zwischen  Mo- 
schus und  Tragalus.     Geweihe  beobachtete  man  nicht. 

Zur  gleichen  Zeit  fand  Mandelslohe  zum  ersten  Mal 
unsere  Wiederkäuer  von  Steinheim,   gleichfalls  2  Grössen,  deren 


—    116    —       _ 

er  in  seinen  geognostischen  Profilen  der  schwäbischen  Alb  1834 
pag.  6  als  Cervus  elaphus  und  capreolus  Erwähnung  thut.  Im 
Jahr  darauf  1835  wurden  die  damals  bekannten  Reste  sofort  von 
Jäger   (foss.  Säugethiere  Würtembergs)  pag.  61  ff.  beschrieben. 

Es  stunden  Jäger  11  Stück  Knochen  und  Zähne  von  der 
kleinen  und  21  Stücke  von  der  grossen  Art  zu  Gebot;  unglück- 
licher Weise  waren  es  solche  Skelettheile,  an  welchen  keine  oder 
nur  unbedeutende  Abweichungen  von  lebenden  Arten  beobachtet 
werden  konnten,  wesshalb  er  auch  keinen  Anstand  nahm,  die 
kleine  Art  mit  unserem  Reh,  die  grosse  mit  dem  gemeinen 
Hirsch  zu  vergleichen,  die  Identität  jedoch  immerhin  als  zwei- 
felhaft gelten  zu  lassen.  Abgebildet  wurden  auf  Taf.  3.  ein  pha- 
lanx  Fig.  1 — 3,  radius  Fig.  4,  astragalus  Fig.  5 — 8,  2  metatarsus 
Fig.  9,  11,  scaphoi-cuboideum  Fig.  10,  tibia  Fig.  13  —  15,  femur 
Fig,  16,  humerus  Fig.  17,  2  vordere  obere  Backzähne  T.  9.  Fig. 
7,  8  und  ein  Halswirbel  Fig.  9. 

Mit  Ausnahme  des  metatarsus  findet  Jäger  keinerlei  Abwei- 
chung von  Cervus  capreolus.  An  dem  Mittelfussknochen  fällt  ihm 
jedoch  die  innere  tiefe  Rinne  auf,  welche  beim  Reh  kaum  auge- 
deutet, nur  bei  C.  virginianus  ähnlich  stark  ausgedrückt  ist. 

Von  der  2ten  Hirschart,  welche  ungefähr  die  Grösse  des  ge- 
wöhnlichen Hirsches  hatte,  sind  auf  Taf.  IX.  abgebildet  ein  3.  und 
4.  unterer  Backenzahn  Fig.  10 — 13,  3  Stücke  von  Wirbeln,  ein 
condylus  femoris,  ein  Bruchstück  von  scapula  und  humerus,  5 
Carpalknochen  und  Phalangen:  unter  welchem  os  hamantum  am 
meisten  von  dem  des  lebenden  Hirsches  abweicht.  Die  Abwei- 
chung war  nicht  erheblich  genug,  um  den  lebenden  Hirsch  vom 
Steinheimer  zu  trennen,  andererseits  gaben  auch  die  aufgefunde- 
nen Reste  keinen  bestimmten  Beweis  ab  für  die  Uebereinstim- 
mung  beider. 

Zehn  Jahre  später  nahm  die  Anschauung  unserer  Wiederkäuer 
eine  bestimmtere  Richtung,  indem  im  1.  Band  unserer  Jahreshefte 
Taf.  I.  pag.  152  Graf  Mandelslohe  einen  Unterkiefer  mit 
vollständiger  Zahnreihe  von  der  kleinen  Art  abbildete.  Er  wird 
dort  ohne  Beschreibung  und  nähere  Motivirung  Palaeomeryx 
Scheuchzeri  H.  v.  M.  genannt.     Der  Name  wurde  vom  Autor  des 


—    117  — 

Geschlechts  und  der  Art  selbst  gegeben  und  auf  dessen  Autorität 
hin  Avurden  seither  die  in  Steinheim  und  Ulm  gefundenen  Reste 
kleinerer  und  grösserer  "Wiederkäuer  Palaeomeryx  genannt,  umso 
mehr  alsH.  v.  Meyer  durch  Aufstellung  von  8  Arten  dafür  gesorgt 
hatte,  dass  verschiedene  Grössen  und  mehr  oder  minder  erheb- 
liche Abweichungen  der  Stücke  unter  einander  mit  Namen  be- 
nannt werden   konnten. 

Im  Jahr  1833  hatte  nämlich  H.  v.  Meyer  unter  den  fossilen 
Knochen  und  Zähnen  von  Georgensgmünd  in  Bayern  {Museum  Sen- 
kenbergianuDi  Suppl.  zu  Band  I,  1834)  Wiederkäuerreste  als  offen- 
bar generisch  von  den  bekannten  lebenden  verschieden  beschrieben 
und  den  Namen  Palaeomeryx  gegeben.  Pal.  Bojani  nennt  er  das 
grössere.  Pal  Kaupii  das  kleinere  Thier,  welchem  die  Zähne  und 
Kieferreste  auf  Taf.  IX.  und  X.  Fig.  75—80  zugehören.  Die  Basis 
der  Zähne  ist  breit ,  die  äusseren  Halbmonde  der  Unterkieferzähne 
sind  spitzwinkliger ,  die  2  inneren  Hauptspitzen  höher  als  bei 
lebenden  Formen,  die  inneren  Nebenspitzen  deutlich  konisch ,  die 
Länge  des  lezten Backenzahns  vonP.  Kaupii  beträgt  0,023,  die  Breite 
0,013,  von  Bojaru  0,029  und  0,013.  Der  vorletzte  Backenzahn  des 
Kaupii  misst  0,017  und  0,013 ,  des  Bojani  0,019  und  0,014.  Aehn- 
lich  verhalten  sich  die  oberen  Backenzähne,  die  Halbmonde  an  der 
Innenseite  sind  spitzer  gekrümmt,  die  Nebenspitzen  an  der  Aussen- 
seite  auffallend  stark  und  konisch ,  worin  der  fossile  einige  ent- 
fernte Aehnlichkeit  mit  Moschus  zeigt. 

Um  dieselbe  Zeit  hatte  Kaup  in  Eppelsheim  ein  neues  Wieder- 
käuer-Geschlecht mit  7  Zähnen  (?)  im  Unterkiefer  entdeckt ,  das 
er  Dorcatherium  nannte,  dessen  Zähne  am  ein  Dritttheil  kleiner  als 
die  de^i  Pal  Kaupii  sind,  dessgleichen  fand  Kaup  einen  Cervus  nanus, 
dessen  Zähne  mit  lebenden  Wiederkäuern  stimmten,  während  die 
von  Dorcatherium  durch  den  Mangel  der  konischen  Nebenspitzen 
und  die  ganze  Struktur  der  Zähne  sich  ebenso  von  den  lebenden 
Formen  als  von  Palaeomeryx  unterscheiden. 

Ausserdem  hatte  Schinz  in  der  Braunkohle  von  Käpfnach  2 
Wiederkäuerformen  gefunden ,  die  eine  grössere  vom  Edelhirsch 
kaum  zu  unterscheiden,  die  andere  der  Antilope  dorcas  ähnlich. 

Alle  diese  Funde  bestunden  in  mangelhaften  Stücken,  über  die 


—    118    — 

'Hauptfrage  bei  Bestimmung  der  Wiederkäuer,  ob  das  Thier  Geweih 
odet  Hörner  oder  keines  von  beiden  trug ,  konnte  nichts  gesagt 
werden ,  vom  Gebiss  fanden  sich  nur  einzelne  Zähne,  keine  Zahn- 
reihen, so  dass  z.  B.  die  Eckzähne  des  Thieres,  welche  den  Namen 
Dremotherium  veranlassten  und  bei  Palaeomeryx  gleichfalls  vorhan- 
den sind,  an  letzterem  nicht  gekannt  waren.  Dessgleichen  fand 
zwar  Kaup  im  Eppelsheimer  Sande  einzelne  Geweihgabeln  auf 
langem  Rosenstock,  denen  er  verschiedene  Namen  gab,  aber  in  Ver- 
bindung mit  Schädeln  oder  ganzen  Skeletten  konnten  sie  nicht  ge- 
setzt werden. 

Während  dieser  Zeit  hatte  der  berühmte  Hügel  von  Sansan 
dep.  du  Gers,  der  ein  wahres  zoologisches  Museum  aus  der  Tertiär- 
zeit der  Miocene  bildet,  auch  eine'Reihe  Wiederkäuer  zu  Tage  ge- 
fördert,  mit  einfachen  Geweihgabeln  auf  langem  ^osenstock,  mit 
und  ohne  gebogene  Eckzähne  ,  von  verschiedenen  Grössen,  die 
E.L  artet  Dicrocerus  nennt  und  davon  1851  3  Arten  publicirte  : 
D.  elegans,  crassus,  magnus.  Laut  mündlicher  Mittheilung  soll  die 
2te  Spezies  zu  Hyaemosclms  Gray  gestellt,  die  3te  mit  Palaeomeryx 
Bojani  v.  Meyer  vereinigt  werden.  Die  Vergleichung  der  kleinen 
Steinheimer  Art  mit  Dicrocerus  elegans  von  Sansan  aber  zeigte  eine 
auffallende  Uebereinstimmung  ,  die  an  einer  Reihe  von  Gebissen 
und  einzelnen  Knochen  durchgeführt  wurde  und  auf  welche  wir  bei 
der  Beschreibung  des  Thieres  zurückommen  werden. 

Die  letzte  mir  bekannte  Abhandlung  verdanken  wir  Herrn 
Reinhold  Hensel  in  Berlin,  (Zeitschrift  der  deutsch-geologischen 
Gesellschaft  XI.  B.  2.  Heft).  Er  hatte  das  Glück  aus  dem  Tertiär 
von  Kieferstädel  in  Oberschlesien  ein  Geweihstück  und  einen  gebo- 
genen Eckzahn  von  unserem  Wiederkäuer  zu  erhalten ;  beide  sind 
eben  die  wichtigsten  Merkmale  zur  Bestimmung  und  wissenschaft- 
lichen Stellung  des  Thieres  und  veranlassten  den  Namen  Prox 
furcatus.  Er  machte  insbesondere,  und  dies  mit  vollem  Recht,  auf 
die  3  ersten  Backenzähne  im  Unterkiefer  der  Wiederkäuer  aufmerk- 
sam ,  welche  bei  Bestimmung  der  Arten  in  Betracht  zu  ziehen  sind 
und  vergUch  die  Zähne  von  Dicrocerus  elegans  mit  lebenden  For- 
men, namentlich  mit  den  lebenden  Muntjacs,  aufweiche  die  Aehn- 
lichheit  der  Geweihe  hinweist. 


—    119    — 

Endlich  hat  A.  v.  Nordmann  in  seiner  Palaeontologie  Süd- 
russlands *  2  Zähne  eines  ^.Falaeomeryx^'-  abgebildet  aus  dem  Step- 
pen-Kalk von  Odessa  und  erwähnt  eines  Geweih-Fragments  eben 
daher  ,  die  jedoch  zu  mangelhaft  erhalten  und  beschrieben  worden 
sind,  als  dass  sie  verglichen  werden  könnten.  Es  ist  mehr  das  geo- 
gnostische  Moment  von  Interesse  ,  indem  die  genannten  Reste  zu- 
gleich mit  Lutra,  Delj)]iinus^  Trionyx,  Vögeln  und  Fischknochen  in 
einem  Schnecken-Conglomerat  sich  finden. 

Die  zahlreichen  Erfunde  an  Wiederkäuer-Resten  aus  Steinheim 
haben  doch  entschieden  nicht  mehr  als  2  Arten  uns  kennen  gelehrt 
eine  kleine  Art  {Cervus  furccttus)  und  eine  mehr  als  noch  einmal  so 
grosse  {Cervuspseudoelaphus).  Von  ersterer  Art  liegen  mehr  Reste  vor 
als  von  der  grösseren.  —  Es  stimmt  dieses  Yerhäitniss  des  Vorkom- 
mens mit  dem  an  den  verschiedensten  Localitäten  überein,  überall, 
wo  gehörig  gesammelt  wurde,  sind  es  hauptsächlich  2  Formen,  die 
immer  und  immer  wieder  begegnen,  die  Hirschform  und  die 
Rehform,     Fangen  wir  mit  letzterer  an. 

A.  X)ie  kleinere  Art. 

1.    Grössenverhältniss.     Taf.  I. 

Die  Gesammtlänge  des  Thieres  von  der  Schnautze  bis  zum 
Kreuzbein  mag  nahezu  1  Meter  betragen  haben;  eine  genaue  Mes- 
sung ist  wegen  der  Verschiebung  der  Knochen  im  Gestein  nicht 
möglich.  Dazu  kommt  die  Schwanziänge  mit  gQ^(!^xi  0,15.  Die 
Höhe  des  Thieres  oder  die  Gesammtlänge  von  Hand,  Vorderarm, 
Oberarm  und  Schulterblatt  0,68.  Diese  Grössen  -  Verhältnisse 
stimmen  mit  denen  eines  virginischen  Hirsches  auffallend  überein, 
mit  dem  überhaupt  auch  noch  in  anderer  Beziehung  auffallende 
Aehnlichkeit  sich  lierausstellen  wird.    Die  Länge  des  Schädels  0,2. 

2.  Das   Geweih.     Taf.  H.  Fig.  2.  und  10. 

Ein  einfach  gegabeltes  Geweih  sitzt  auf  einer  rings  mit  Perlen 
besetzten  Rose,  getragen  von  einem  langen,  runden  Rosenstock. 
Die  obere  Gabel  des  Geweihs  (Augensprosse)  ist  namhaft  kleiner 


Helsingfors  1859.     Pag.  249. 


—    120    — 

und  schwächer,  als  die  untere  Gabel  (Stange).  Beide  sind  stark 
gefurcht  und  laufen  die  Furchen  zwischen  den  Perlen  der  Rose  aus. 
Die  Perlen  sind  auf  der  Innenseite  der  Rose  ausgebildeter,  als 
auf  der  Aussenseite.  Der  Rosenstock  zeigt  nur  schwache  Furchen, 
beziehungsweise  Spuren  von  Gefäss-Eindrücken ,  und  war  wie  bei 
dem  lebenden  Muntjac  genau  in  der  Ebene  des  Vorderhauptes 
nach  hinten  gerichtet.  In  Fig.  2.  ist  das  vollssändigste  der  bisher  in 
Steinheim  gefundenen  Geweihstticke  abgebildet.  Am  Rosenstock 
hängt  noch  ein  Stück  Hirnschale  und  ein  Theil  der  Augenhöhle. 
Die  Länge  des  Rosenstocks  von  der  Augenhöhle  bis  zum  unteren 
Rand  der  Rose  beträgt  0,105.  Der  Rosenstock ,  nach  aussen 
schwach  convex ,  ist  in  der  Mitte  rund ,  am  Oberende  unter  der 
Rose  oval ,  an  seiner  Basis  verliert  sich  die  Rundung  und  treten 
Kanten  hervor ,  unter  denen  die  stärkste  oben  über  die  Augen- 
höhlen hinlauft.  Die  Rose  steigt  etwas  schräge  von  vorne  nach 
hinten  und  von  innen  nach  aussen  auf,  dass  somit  ihre  Ebene  nicht 
senkrecht  zur  Axe  des  Rosenstocks  liegt.  Ihre  Form  ist  oval ,  die 
beiden  Durchmesser  0,05  und  0,035.  Auf  3  Seiten,  vorne,  innen 
und  hinten  sind  ausgezeichnete  Perlen,  während  auf  der  Aussen- 
seite mehr  nur  ein  schärferer  Rand  der  Rose  zu  beobachten  ist, 
30  Millimeter  (bei  andern  Exemplaren  auch  35  und  40)  über  der 
Rose  gabelt  sich  ein  stark  gefurchtes  Geweih  in  2  ungleiche  Theile 
in  ein  kurzes  inneres ,  schwach  nach  hinten  gebogenes  Stück  und 
ein  längeres ,  deutlich  nach  innen  gekrümmtes.  Betrachtet  man 
das  hintere,  längere  Stück  als  Stange,  so  ist  das  kurze,  vordere  die 
Augensprosse. 

Fig.  10.  ist  ein  kleineres  Geweih  von  einem  jüngeren  Thiere 
abgebildet.  Es  hat  durch  Verwitterung  wohl  schon  vor  der  Ein- 
hüllung in  die  Schichte  stark  Noth  gelitten ,  doch  lassen  sich  die 
Grössen-Verhältnisse  des  Stocks,  der  Rose  und  der  Gabel  beobach- 
ten, ebenso  hängt  auch  an  diesem  Stück  noch  ein  Fetzen  Hirnschale, 
wodurch  die  Stellung  des  Geweihs  klar  wird.  Weitere  Bruchstücke 
unserer  Sammlung  zeigen  die  gleichen  Verhältnisse  und  lassen  an 
einem  derselben  die  Beobachtung  machen  ,  dass  die  Rose  nicht 
abgebrochen,  sondern  abgeworfen  wurde,  eine  Beobachtung,  die 
auch  L artet  bei  Dicrocerus  bestätigt. 


—    121    — 

Vergleichen  wir  damit  andere  Geweih-Formen,  die  hieher  ge- 
hören ,  so  finden  wir  zunächst  das  schlesische  Geweih  des  Prox 
furcatus  Hensel  (Jalirh.  d.  d.  G.  G.  XI.  Taf.  X.  1  und  2)  durchaus 
übereinstimmend.  Nur  in  Einem  kann  ich  nicht  mit  Hensel  über- 
einstimmen ,  wenn  er  pag.  264  über  die  Stellung  des  Geweihs  sagt, 
die  Ebene  der  Rose  sei  bei  gewöhnlicher  Haltung  des  Kopfes  un- 
gefähr horizontal  gewesen.  Wenn  ich  unsere  Steinheimer  Geweihe 
mit  ihren  über  zollbreiten  Stücken  der  Stirnschale  an  meinen 
Muntjacschädel  halte  ,^so  kann  ich  bei  der  Lage  der  Augenhöhle, 
der  Stirn  und  der  Kronennaht  für  Cervus  furcatus  durchaus  keine 
andere  Stellung  des  Geweihs  annehmen,  als  es  beim  lebenden 
Muntjac  der  Fall  ist.  Von  einer  auch  nur  annähernd  horizontalen 
Stellung  der  Rose  kann  kaum  die  Rede  sein  ,  es  würde  diese  bei 
unsern  Exemplaren  eine  steile  Stellung  der  Stirne  voraussetzen, 
die  mit  den  übrigen  Verhältnissen  im  Widerspruch  wäre.  Dage- 
gen bin  ich  mit  Hensel  ganz  einverstanden,  wenn  die  Stücke  von 
Sansan  {Dicrocerus  elegans  Lartet)  als  specifisch  verschieden  an- 
gesehen werden.  Es  liegen  vor  mir  3  Stücke  von  dort  mit 
kurzem  starken  Rosenstock  von  nur  0,06  Länge,  nicht  rund  in 
der  Mitte,  sondern  oval.  Anhängende  Schädelstücke  von  Stirn- 
bein lassen,  wie  Hensel  bemerkt,  eine  steilere  Stellung  des  Ge- 
weihs als  bei  Muntjac  vermuthen,  ob  sie  jedoch  so  steil  war,  als 
beim  Reh  möchte  ich,  wenn  ich  Schädel  von  lebenden  daneben 
halte,  wohl  bezweifeln.  Die  Rose  misst  entsprechend  von  vorne 
nach  hinten  0,055,  von  innen  nach  aussen  0,03. 

Perlen  sind  nur  wenige  auf  der  Innenseite ,  wodurch  die 
Rose  bei  weitem  nicht  den  ausgesprochenen  Kranz  bildet,  wie 
bei  Cervus  furcatus.  Die  Gabelung  ist  nicht  so  ungleich,  viel- 
mehr sind  die  2  Zinken  an  ihrer  Basis  nur  wenig  verschieden, 
der  Raum  zwischen  beiden  an  der  Basis  ist  breit.  In  die  Aecht- 
heit  der  Spitze  auf  Taf.  X.  3.  setze  ich  mit  Hensel  gerechte 
Zweifel.  Ich  besitze  zwar  kein  ganz  vollständiges  Geweih  von 
Sansan,  doch  finde  ich  eine  abgebrochene  Geweihspitze  sehr  spitz 
und  glatt  auslaufen.  —  Bei  aller  Verschiedenheit  der  Geweihe 
von  Sansan  einerseits  und  Steinheim-Kieferstädel  andererseits  ist 
doch    die  typische  Uebereinstimmung   der  Formen  höchst  erfreu- 


—    122    — 

lieh;  hier  wie  dort  tragen  die  am  häufigsten  vorkommenden  Wie- 
derkäuer einfache  Geweihgabehi  auf  einem  verUlngerten  Rosenstock 
wie  es  heutzutage  nur  von  dem  subgenus  Cervulus  Bl.  oder  Stylo- 
cerus  H.  Smith  oder  Prox  O^iVoj  bekannt  ist.  Die  Kaup'schen 
Arten  C.  anocerus  und  dicraiiocerus  von  Epi>elsheim  beruhen, 
wie  Hen sei  zeigt,  auf  zu  mangelbaften  Belegstücken,  doch  zeigen 
auch  sie  den  Typus  einer  einfachen  Geweihgabel  auf  einem  lan- 
gen Rosenstock. 

3.  Die  Zähne.     Zahnsystem  ^^^^ 

■^  4.  0.  6. 

6  Bac  kenzähne,  1  Eckzahn  im  OJjerkiefer.  Auf  was 
Cuvier  am  Hirsch  von  Montabiisard  schon  aufmerhsam  macht, 
als  Unterscheidungsmerkmal  von  lebenden  Arten,  was  H.  v.  Meyer 
an  dem  Pcdaeomeryx  Bojani  und  Kaupil  von  Georgensgmünd 
auszeicbnet,  sind  die  starken  Schmelzfalten  an  der  Aussenseite 
der  3  hinteren  Backenzähne.  Cuvier  nennt  es,, des  points  plus  gros- 
ses ä  ia  face  externe,  en  avant  de  chaque  demicylindre",  Meyer 
bezeichnet  sie  als  starke  conische  Nebenspitzen.  Der  Schmelz  der 
Kalbcylinder  faltet  sich  auf  der  Aussenseite  dermassen,  dass,  die 
Schmelzfalten  bei  jüngeren  Thieren  selbstständige  Nebenspitzen 
bilden,  die  erst  bei  voranschreitender  Abkauung  in  Gebrauch 
kommen  und  mit  der  übrigen  Zahnfläche  sich  in  Verbindung 
setzen.  Dies  ist  bei  Cervus  furcatus^  wie  auch  bei  Dicrocerus 
elegans  ausserordentlich  karakteristisch  und  trennt  die  fossile 
Form  von  den  lebenden.  Meyer  vergleicht  dies  annähernd  mit 
Moschus,  mehr  noch  als  bei  Moschus  finde  ich  jedoch  bei  Cervus 
muntjac  die  Falten  entwickelt,  jedoch  lange  nicht  in  dem  Maase 
als  bei  C.furcatus.  Auf  der  Innenseite  zeigen  die  Zähne  einen 
Kragen  von  Schmelzwarzen,  den  ich  jedoch  ähnlich  auch  bei 
lebenden  beobachte,  am  stärksten  ist  dieser  Halskragen  an  den 
Zähnen  von  Sansan  ausgebildet,  die  ich  Herrn  Lartet  verdanke. 
Die  vordere  Hälfte  der  Backenzälme  zeigt  ähnliche  Eigenthüm- 
lichkeiten,  namentlich  die  2  ersten  Zähne,  auf  die  Cuvier  schon 
hinweist.  Die  zwei  hinteren  Zähne  sind  durchweg  tiefer  als  breit*, 


*  Unter  der  Breite  des  Zahns    verstehe  ich  die  Richtung  von  vorne 
nach  hinten,   unter  der  Tiefe  die  Richtung  von  aussen  nach  innen. 


—    123    — 

die  2  vorderen  sind  umgekehrt  breiter  als  tief,  ihre  einfache, 
schneidende,  Slappige  Form  Avar  es,  die  Cuvier  schon  als 
Unterschied  von  bekannten,  lebenden  Wiederkäuern  bezeichnete. 
Der  3te  Backenzahn  besteht  aus  2  einfachen  Halbmonden,  der  eine 
hinter  dem  andern. 

Die  Eckzähne  betreffend,  hat  unser  Cervus  furcatus  2  aus- 
gesprochene Alveolen  am  vordem  Ende  des  maxillare,  aus  wel- 
chen die  Zähne  allerdings  ausgefallen  sind.  Dagegen  finden  sie 
sich  wohl  vereinzelt.  Aus  dem  ülraer  Landschneckenkalk  besitzen 
wir  lange,  gekrümmte  Eckzähne  mit  schneidender  Schärfe.  Na- 
mentlich besitzt  Hr.  Finanzrath  Eser  ein  Exemplar  von  0,035 
Länge  und  am  breitetesten  Theil  von  0,009  Breite,  gekrümmt 
wie  ein  Muntjac-Zahn  und  auf  der  Innenseite  messerscharf. 

An  Dorcatherium  beschrieb  Kaup  schon  längst  Eckzähne,  die 
weit  aus  dem  Kiefer  ragten.  Sollte  —  was  ich  nicht  zu  entschei- 
den vermag  aber  mit  andern  vermuthe  —  dieses  Thier  doch  blos 
6  Backzähne  haben  und  die  Beobachtung  eines  7ten  Zahns  etwa 
auf  unregelmässigem  Zalmwechsel  oder  auf  Zählung  eines  stehen- 
gebliebenen Milchzahns  oder  dergleichen  beruhen,  so  wird  w^ohl 
dereinst  auch  Dorcatherium  zur  Gruppe  unserer  Wiederkäuer  fallen 
und  schliesslich  die  Hirsche  mit  den  Gabel  -  Geweihen  sich 
vereinigen  lassen.  Auffallend  ist,  dass  L artet  aufs  Bestimmteste 
versichert,  niemals  Eckzähne  bei  Dicrocerus  elegans  gefunden  zu 
haben,  dagegen  legt  er  solche  der  anderen  Spezies  von  Sansan 
bei,  die  er  früher  Dicrocerus  crassus  jetzt  nach  Gray  Hyaemo- 
schus  crassus  nennt.  Diese  Zähne  sind  die  gleichen,  wie  sie  bei 
uns  sich  finden:  gekrümmt,  sehr  flach  und  nach  hinten  schnei- 
dend, lieber  den  Taf.  II.  Fig.  3.  abgebildeten  Eckzahn  der 
grösseren  Art  siehe  unten  pag.  129. 

6  Backenzähne,  4  Schneidezähne  im  Unterkiefer. 
Henselhat  in  seiner  Abhandlung  über  den  fossilen  Muntjac  aus 
Schlesien,  die  so  viele  schätzenswerthe  Notizen  enthält,  bei  der 
Untersuchung  der  Wiederkäuer  auf  die  3  ersten  unteren  Backen- 
zähne aufmerksam  gemacht,  in  deren  Beschaffenheit  die  wesent- 
lichen Arten -Unterschiede  begründet  seien.  Wenn  auch  wogen 
der  verschiedenen  Stadien  der  Abnutzung    es  häufig  sehr  schwer 


—    124    — 

fällt,  sich  das  richtige  Bild  von  dem  eben  in  Frage  stehenden 
Zahn  zn  machen  und  die  Form  der  Loben  bei  ein  und  derselben 
Art  mit  der  Altersverschiedenheit  wechselt,  so  unterliegt  es  doch 
keinem  Zweifel,  dass  unter  allen  Zähnen  des  Ober-  und  Unter- 
kiefers die  3  ersten  unteren  Backenzähne  bei  der  Artenbestimmung, 
die  wichtigsten  sind.  Zu  dem  Ende  habe  ich  im  Anschluss  an 
die  von  H  e  n  s  e  1  auf  Taf.  XI.  loc.  cit.  abgebildeten  Zähne  in  Fig. 
13  und  14  die  Zähne  von  Cervus  mexicanus  und  Moschus 
moschiferus,  die  Hensel  nicht  beobachten  konnte,  zur  Yergleichung 
abgebildet,  dessgleichen  ein  von  Hrn.  L artet  erhaltenes  Stück 
Dicrocerus  elegans  von  Sansan  in  Fig.  12.,  da  die  Abbildung 
Hensels  auf  Taf.  XI.,  9.  undeutlich  und  unvollständig  ist. 

Am  Kieferstück  eines  jungen,  im  Zahnwechsel  nahezu  be- 
griffenen Individuums  lassen  sich  Fig.  15.  die  Milchzähne  be- 
obachten neben  den  theilweise  schon  herausgetretenen  bleibenden 
Zahnkronen.  Der  Ite  und  2te  Milchzahn  unterscheidet  sich  im 
Wesentlichen  von  dem  Iten  und  2ten  bleibenden  Backenzahn  nicht. 
Jene  sind  nur  um  etwas  kleiner  und  schmäler  als  diese,  hier  wie 
dort  bleibt  der  Hauptkarakter :  einfache,  dreispitzige  Zähne. 
Dagegen  ist  der  dritte  Milchbackenzahn  ein  durchaus  anderer ,  als 
der  3te  permanente,  er  ist  aus  zweimal  drei  Spitzen  zusammen- 
gesetzt und  sieht  so  dem  letzten  (6ten)  permanenten  Backenzahn 
ähnlich,  mit  dem  einzigen  Unterschied,  dass  am  6ten  Backenzahn 
die  2  hinteren  Spitzen  die  kleineren  sind,  an  dem  letzten  Milch- 
backzahn dagegen  die  vorderen.  Dadurch  wird  eine  Vermitt- 
lung zwischen  den  Milchzähnen  und  den  3  allmählich  heraus- 
wachsenden hinteren  Backenzähnen  hergestellt  und  beim  Zahn- 
wechsel brechen  hinter  den  Milchzähnen  nacheinander  hervor  : 
Backenzahn  4.  5.  6.  1.  2,  3.  Der  3te  permanente  Backenzahn  ist 
der  letzte,  an  Fig.  15.  ist  die  Krone  noch  ganz  zart,  der  Schmelz 
papierdünn ,  während  2  und  1  bereits  fertig  in  der  Zahnhöhle 
sitzen  und  der  erste  Backenzahn  den  ersten  Milchzahn  bereits  in 
die  Höhe  zu  schieben  im  Begriff  steht. 

Der  letzterscheinende  3te  permanente  Backenzahn  ist  es  nun 
vor  allen,  der  bei  verschiedenen  Arten  Eigenthümlichkeiten  zeigt. 
Seine  Stellung  zwischen  den  bei  allen  Arten  verschiedenen  verde- 


125 


ren  und  hinteren  Backenzähnen  lassen  ihn  bald  den  Typus  der 
vorderen  tragen  (C  muntjac)^  bald  den  der  hinteren  (C.  virginianus). 
C.  furcatus  gehört  zur  ersteren  Gruppe :  hier  zeigt  der  3te  Backen- 
zahn durch  alle  Stufen  der  Abnutzung  den  Karakter  des  2.  und 
1.  Backenzahns ,  d.  h.  er  ist  und  bleibt  einfach  an  seiner  Basis 
Sspitzig  im  frischen  Zustand,  die  3  Spitzen  schlagen  nach  innen 
Falten ,  die  im  frischen  Zustand  als  isolirte  Nebenspitzen,  bei 
vorschreitondcr  Abnutzung  aber  in  Verbindung  mit  jenen  mehr 
und  mehr  heraustreten ,  breiter  und  damit  einfacher  Averden. 
Taf.  IL  Fig.  9.  gehört  zu  dem  auf  Taf.  1.  abgebildeten  schon 
sehr  alten  Individuum.  Die  Zahnreihe  in  Fig.  IL,  einem  jünge- 
ren Thiere  angehörig  zeigt  den  Verlauf  der  von  den  3  Spitzen 
des  Zahns  nach  innen  abzweigenden  Falten  sehr  deutlich.  Di- 
crocerus  von  Sansan  ist  vollständig  vom  gleichen  Zahnbau,  eine 
kleine  Abweichung  nur  in  der  Grösse,  die  bei  jedem  Zahn  etwa 
1  MM.  beträgt,    um  den  Dicrocerus  grösser  ist  als  C. furcatus. 

Werfen  wir  einen  kurzen  Seitenblick  auf  lebende  Formen, 
so  lassen  sich  die  Cariacus-Arten  C.  virginianus  und  C.  mexicanus 
(Fig.  13.)  an  Zahn  1  und  2  von  C.  furcatus  keine  Abweichung 
beobachten,  es  sind  einfache,  Slobige  Zähne,  vom  äusseren  höhe- 
ren Zahnrand  aus  gehen  nach  innen  Falten,  die  sich  jedoch  noch 
nicht  isoliren,  wie  solches  am  3ten  Zahn  der  Fall  wird.  Dadurch 
verliert  der  3te  Backenzahn  die  Finfachheitdesersten  und  zweiten, 
die  isolirten  inneren  Schmelzfalten  machen  ihn  bei  vorschreiten- 
der Abnutzung  immer  mehr  zu  einem  deutlich  doppelten  Zahn, 
wie  es  die  Zähne  4 — 6  sind.  —  Noch  faltenreicher  als  Caria- 
<;us  ist  Moschus.  Ein  Blick  auf  Fig.  14  Moschus  moschiferus 
Linne  (aus  Sibirien)  lehrt  die  Abweichung  von  C.  furcatus  ebenso 
als  von  C-di'iacus.  Schon  die  hintere  Hälfte  des  2ten  Backzahns 
wird  doppelt ,  beim  dritten  vollens  sind  ganz  bestimmt  innere 
und  äussere  Schmelzhügel  getrennt.  Es  kann  also  in  dieser  Hin- 
sicht schon  von  einer  Verwandtschaft  der  Typen  keine  Rede  sein, 
worauf  auch  schon  Quenstedt  (Jahresheft  VL  pag.  179)  auf- 
merksam machte. 

Eine  Vergleichung  mit  C.  muntjac  von  Tenasserim  hat  Hen- 
sel  angestellt.     Der    Schädel    unserer   Sammlung   gehört    einem 


126 


jungen  Individuum  mit  Milchzähnen  an  und  eignet  sich  somit 
zu  einer  Vergleichung  nicht.  Hensel  sagt  vom  3ten Backenzahn,  er 
könne  gewissermassen  nur  als  grössere  Ausbildung  des  zweiten 
angesehen  werden,  während  dieser  wiederum  in  demselben  Yer- 
hältniss  zum  ersten  steht.  Nach  der  Abbildung  auf  Taf.  XL  8. 
isoliren  sich  schon  ziemlich  stark  die  inneren  Zahnhügel  von  dem 
äusseren  Schmelzblech ,  so  dass  ein  Terfliessen  der  Falten  erst 
bei  weiterer  Abnutzung  stattfinden  wird.  Eine  gewisse  Aehnlich- 
heit  mit  C  furcatus  ebenso ,  als  mit  Dicrocerus  lässt  sich  daher 
aus  dem  Gesagten  gar  nicht  läugnen. 

lieber  die  übrigen  Backenzähne  ist  wenig  mehr  zu  sagen: 
Schmelzhöcker  auf  der  Aussenseite  des  Zahns,  je  zwischen  zwei 
Halbmonden,  hommen  trotz  ihrer  Lage  an  der  Basis  des  Zahns 
bald  zur  Ankauung  wie  Fig.  11.  zeigt.  In  ihrem  sonstigen  Bau 
stimmen  die  aller  Wiederhäuer  mit  einander  überein.  Die  Länge 
der  vollständigen  Reihe  der  6  Backzähne  misst  bei:, 
,.     C.  furcatus         0,070 

Dicrocerus  0,078 

C.  virginianus    0,075 

C.  mexicanus      0,077 

Moschus  0,045 

Muntjac  0,065 

Schliesslich  ein  Blick  auf  die  Zahnlücke  und  die  Schnei- 
dezähne. Erstere  misst  0,045,  also  zwei  Drittheile  der  Backen- 
zahnreihe, AehnUch  bei  dem  virginischen  und  mexikanischen 
Hirsch.  Das  starke  Foramen  unter  dem  ersten  Backenzahn  an 
Fig.  9.  scheint  individuell  zu  sein.  Die  Schneidezähne  sind  ganz 
von  der  Grösse  und  Gestalt  des  virginischen  Hirsches,  der  erste 
ist  breit  und  stark,  die  3  anderen  schmal  und  schlank. 

4.  Rumpf  und  Extremitäten. 

Rumpf  und  Extremitäten  des  auf  Taf.  I.  abgebildeten 
C  furcatus  bedürfen  kaum  einer  eingehenden  Beschreibung,  Die 
Lage  von  Kopf  und  Wirbelsäule,  deren  Krümmung,  sowie  die 
Biegung  der  Kniee  ist  die  eines  gefallenen  Thieres.  Der  Cada- 
ver lag  auf  der  rechten  Seite,  so  dass  linker  Vorder-  und  Hinter- 


—    127    — 

fiiss  oben  zu  liegen  kamen.  Vom  rechten  Yorderfuss  sielit  man 
die' scapula,  über  welcher  die  darauf  liegende  Wirbelsäule  weg- 
gebrochen ist ,  Brüchstücke  und  Eindrücke  des  Oberarms  sind 
noch  sichtbar,  das  Uebrige  versteckt  sich  in  dem  Gestein,  ebenso 
ist  der  ganze  rechte  Hinterfuss  und  ein  Theil  des  Beckens 
der  Beobachtung  entzogen.  Die  6  ersten  Halswirbel  liegen  klar 
und  gut  erhalten  vor  ,  dagegen  haben  Rücken- ,  Lenden-  und 
Schwanz- Wirbel  sehr  Noth  gelitten,  Wirbel-Körper  wie  Fortsätze 
sind  abgeschiefert  und  ein  wahres  noli  me  tangere.  Besser  sind 
die  Extremitäten  erhalten.  Die  Länge  der  einzelnen  Knochen 
differirt  kaum  um  einige  Millimeter  von  den  Knochen  des  C.  vir- 
ghiicmus,  die  Knochen  selbst  zeigen  nichts  Autfälliges.  Im  Allge- 
meinen sind  sie  noch  schlanker  und  feiner  als  beim  virginischen 
Hirsch,  sowohl  die  Handwurzelknochen  als  der  Mittelhan dknochen. 
Ulna  und  radius  sind  fest  mit  einander  verwachsen.  An  den 
Condylen  des  metacarpiis  sitzen  noch  zierliche  Sesam-Beine  (Taf. 
H.  Fig.  17.).  Unter  allen  Knochen  sind  die  Sprungbeine  die 
häufigsten;  ausser  dem  vollständig  erhaltenen  Hinterfuss  liegen 
22  Stück  astragalus  von  Steinheim  vor  mir,  sämmtlich  an  Grösse 
und  Gestalt  sich  gleich,  d.  h.  um  nicht  mehr  als  einige  Millimeter 
von  einanden  abweichend.  Fig.  16.  ist  der  linke  astragalus  un- 
seres vollständigen  Thieres  von  der  Vorderseite  aufgenommen, 
er  misst  0,030  in  der  Länge,  0,020  über  die  Rolle  zum  scaphoi- 
deum.  Die  Sprungbeine  des  Dicrocei^us  elegans  von  Sansan,  die 
mir  zu  Gebot  stehen,  sind  um  2 — 3  Mm.  stärker.  Auf  die  starke 
Rinne  am  metatarsus ,  die  bei  C.  virginianiis  schon  vorhanden, 
bei  C.  furcatus  noch  ausgeprägter  ist,  hat  schon  Jäger  1.  c.  pag. 
62  aufmerksam  gemacht.  Fig.  17.  zeigt  noch  die  zierlichen  Ne- 
benzehen am  metatarsus ,  ganz  auf  die  gleiche  Weise  wie  sie 
unser  Skelett  vom  virginischen  Hirsche  hat.  Auch  die  Zehen  und 
Fussknochen  zeigen  keinerlei  Abweichung. 

Schliesslich  die  Frage  nach  der  Nomenclatur!  Wir  haben 
den  Gattungsnamen  Cervus  gewählt,  gegen  den  keinerlei  Einwen- 
dung erhoben  werden  kann.  Verlaugte  man  die  Nennung  eines 
Untergenus,  so  könnte  man  ohne  allen  Anstand  Cervulus  Bl. 
setzen.     Die  Diagnose  stimmt ,    so    weit  überhaupt  bei  Fossilen, 


—    128    — 

die  nur  Skelett-Reste  aufzuweisen  im  Stande  sind,  es  stimmen 
kann.  „Cornua  parva  simplicia,  aut  propugnaculo  brevissimo  in- 
structa,  cerasphoriis  longis  imposita ,  dentes  laniarii  in  utroque 
sexu,  marium  exserti  etc."  Ogilby's  Prox  und  H.  Smith's 
Styloceros  sind  spätere  Namen  für  das  gleiche  Untergenus.  Sollte 
ein  neuer  Genusname  gegeben  werden,  so  wäre  Dremotherium 
Greoffroy  St.  Hilaire  der  älteste  und  dem  H.  v.  Meyer'schen 
Palaeorneryx  vorzuziehen.  Es  ist  aber  aus  dem  Vorstehenden 
wohl  Jedem  einleuchtend,  dass  unter  ein  so  weit  umfassendes 
Genus  wie  Cervus ,  in  das  zwei  so  verschiedene  Thiere  wie  Renn- 
thier  und  Muntjac  fallen,  mit  gleichem,  ja  noch  mit  mehr  Recht, 
der  Hirsch  von  Steinheim  gezählt  werden  darf. 

Unter  den  Species-Namen  ist  Hensels  Name:  furcatus  der 
beste.  Um  Priorität  kann  es  sich  bei  der  Mangelhaftigkeit  der 
bisherigen  Erfunde  und  der  Beschreibung  nicht  liandeln.  Syno- 
nyme wage  ich  nicht  zu  geben.  Sehr  wahrscheinlich  ist  es  jedoch, 
dass  Cuviers  Hirsch  von  Montabusard,  Kaup's  Dorcatherhun  Nau% 
V.  Meyer's  Palaeorneryx  Bclieuchzeri ,  Lartets  Dicrocerus  crassus 
oder  Hyaemoschus,  Hensels  Prox  furcatus  theilweise  ein  und 
dasselbe  bezeichnen  wollen. 

B.     Die    grössere    Art. 

Ausser  Cervus  furcatus  bietet  das  Tertiär  von  Steinheim 
noch  einen  2ten  Hirsch,  mehr  als  noch  einmal  so  gross,  denn 
jener,  nacji  den  bisher  gefundenen  Resten  in  Bildung  des  Zahn- 
systems mit  furcatus  tibereinstimmend  ,  sonst  aber  wegen  mangel- 
hafter Erfunde  zur  Beschreibung  wenig  geeignet.  Das  Vollstän- 
digste was  wir  von  diesem  grossen  Hirsch  besitzen  ist  derinTaf. 
II.  Fig.  1.  abgebildete  linke  Unterkiefer  mit  tadelloser  Zahn- 
reihe. Alle  Verhältnisse  des  (7.  furcatus ,  die  Faltung  der 
Schmelzbleche  ,  die  Isolirung  der  Schmelzhöcker  und  die  ganze 
Art  der  Abnutzung  sind  bei  dieser  Art  stark  und  um  das  Dop- 
pelte vergrössert  wiedergegeben.  Namentlich  zeigt  der  3te  Backen- 
zahn auf  den,  wie  wir  oben  sahen,  am  meisten  Gewicht  zu  legen 
ist,  denselben  einfachen  Karakter  und  dieselbe  Art  der  Faltung, 
wie  der  2te  und  Ite  Zahn ,  anschliessend   an   das  Verhalten  bei 


—    129    — 

C.  furcatus.  Die  6  Zähne  messen  hier  0,146 ,  bei  C.  furcatut 
0,070.  Die  Ansicht  von  oben  Fig.  7.  lässt  an  diesen  3  zusam- 
mengehörigen Zähnen  die  Art  der  Faltung  vortrefflich  sehen. 
An  Grösse  übertrifft  dieser  Hirsch  den  Edelhirsch  noch  namhaft, 
denn  die  Zahnreihe  des  letzteren  misst  nur  0,120,  ebenso  ist  er 
um  ein  Namhaftes  grösser  als  Palaeom.  Bojani  H.  v.  Meyer 
von  Georgensgmünd,  dessen  letzter  Zahn  0,023  misst,  während 
der  entsprechende  Steinheimer  0,037  beträgt. 

Ob  der  Fig.  3  abgebildete  Eckzahn,  der  lose  gefunden  wurde 
und  beim  Ausgraben  sehr  Noth  litt,  wirklich  zu  diesem  grossen 
Hirsche  gehört,  ist  nicht  sicher.  Diese  Art  dünnen,  feinen 
Schmelzes,  diese  flache  gedrückte  Form  lassen  den  Zahn  kaum 
einem  andern  Thiere  zuschreiben.  Wie  es  mit  dem  Geweih  steht, 
darüber  haben  wir  leider  keinerlei  Anhaltspunkt.  Da  können 
nur  weitere  Erfunde  das  Richtige  lehren!  Eben  so  können  die 
Schneidezähne  Fig.  4.  5.  6.  kaum  einem  andeni  Thiere  angehören. 
Gleichfalls  entspricht  der  astragalus  Fig.  8,  der  7  Centimeter 
misst,  ebenso  der  Grösse  des  Unterkiefers,  als  der  astragalus 
Fig.  16  dem  Unterkiefer  des  C.  furcatus. 

Der  Blick  auf  die  Literatur  hat  uns  gezeigt,  dass  die  grosse 
Art  Hirsche,  welche  an  vielen  verschiedenen  Orten  zugleich  iiiit 
C.  furcatus  gefunden  wird ,  von  vielen  Autoren  mit  C.  elaphas 
verglichen  worden  ist.  Davon  ist  nun  natürlich  keine  Rede, 
ebensowenig  passt  aber  auch  eine  der  sonst  beschriebenen  Grös- 
sen und  nennen  wir  es  vorlüufig  C.  pseudoelaphus. 

Anhangsweise  erwähnen  wir  noch  der  zu  den  grössten  Selten- 
heiten gehörigen  Carni  vor  en.  Das  unter  Fig.  18,  a.  b.  abgebildete 
Kieierstück  mit  3  Zähnen  ist  der  einzige  Rest  eines  Fleischfressers, 
der  mir  seit  6  Jahren  begegnet  ist.  Bei  Vergleichung  mit  leben- 
den Formen  bietet  die  krallenlose  Fischotter  des  Caplandes  Lutra 
inunguis  Cuv.  am  meisten  Anhaltspunkte.  An  dem  Stück  ist  sicht- 
bar 1)  die  Alveole  zu  einem  starken  Eckzahn,  welche  bis  zum 
3ten  Lückenzahn  zurückgreift,  und  den  ersten  vollständig  ver- 
drängt hat,  dass  nur  noch  dessen  verwachsene  Alveole  sichtbar 
ist ;  2)  Lückenzähne :  der  erste  verkümmerte  augenscheinlich  neben 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1862.     2s  Heft.  9 


--    130   — 

dem  Eckzahn,  der  2te  misst  an  der  Basis  0,007,  der  3te  0,009, 
die  schlanken,  etwas  rückwärts  gebogenen  Spitzen  sind  an  der 
Basis  von  einem  sehr  ausgesprochenen  Halskragen  eingefasst.  Mit 
Lutra  verglichen  stimmt  die  schlanke  Form  mehr  mit  L,  vulgarü  als 
mit  L.  inunguis,  die  Zähne  übertreffen  aber  jene  wie  diese  Species  an 
Grösse;  3)  der  Fleischzahn  besteht  aus  3  Stücken,  aus  der  2spitzi- 
gen  Aussenseite  des  Zahns  und  dem  innern  Ansatz.  Letzterer 
ist  nur  mit  der  vorderen  Zahnspitze  verwachsen,  während  die 
hintere  isolirt  bleibt.  Dieses  ist  mehr  Mephitis  Charakter  als 
Lutra  eigen,  an  welch  letzterer  der  innere  Ansatz  sich  an  die  ganz 
breite  Seite  des  Fleischzahns  anschliesst.  4)  Vom  Kauzahn  ist 
nur  eine  Spur  der  Alveolen  noch  vorhanden.  Aus  diesem  Stück 
kann  begreiflich  nicht  viel  gemacht  werden.  Ich  führe  es  indess 
als  Palaeomephitis  Jaegeri  an,  indem  Jäger  in  seinen  Säugethieren 
II.,  pag.  78,  Taf.  X,  7.  8  das  Geschlecht  auf  Grund  eines  Schädel- 
stückes aufgestellt  hat.  Unsere  Zähne  setzen  eine  grössere  Art,  als 
Palaeomepliitis  Steinheijnensis  war,  voraus,  was  eine  Vergleichung 
von  Schädel  und  Zahnreihe  der  Lutra  lehrt.  Hr.  Finanzrath 
Es  er  besitzt  noch  ein  spitzes,  schlankes  Schneidezähnchen,  das 
wohl  keinem  andern  Thiere  angehörte  und  nach  Form  und  Grösse 
passt. 

Endlich  zeigt  Fig.  19  den  Unterkiefer  einer  Maus,  die  den 
Resten  nach  zu  urtheilen,  nicht  selten  war.  Wenigstens  liegen 
4  Unterkiefer  mit  vollständiger  Zahnreihe  vor.  Es  stecken  in 
demselben  ausser  dem  Schneidezahn  4  Backenzähne,  die  aus  ein- 
zelnen Schmelzpfeilern  zusammengesetzt  sind,  von  welchen  nur  der 
erste  vordere  Backzahn  eine  complicirte  wellige  Faltung  zeigt, 
die  übrigen  comprimirte  rhombische  Falten  zeigen.  An  lebende 
Formen  gehalten  stehen  sie  den  Chincliillen  Südamerika's  am 
nächsten.  Aehnliche  Formen  beschreibt _  Gervais  aus  den  Süd- 
wassermergeln von  Jssoire  als  Archaeomys  Laurillardi.  Yielleicht 
gehört  der  Abdruck  eines  Schneidezahns,  den  Jäger  einem 
Palaeotragus  Steinheimensis  zuschreibt ,  unserer  Art  an.  Um  mehr 
darüber  sagen  zu  können ,  haben  wir  auch  hier  noch  bessere  Er- 
funde  abzuwarten. 


131 


Ausser  den  genannten  Säugethierresten  warten  noch  2  Formen 
von  Rhinoceros  oder  Aceratherium ,  von  denen  das  eine  entschieden 
Rh.  incisivus  ist,  das  andere  minutiis  Cuv.  oder  Steinheimensis 
Jaeger  einer  näheren  Untersuchung,  die  jedoch  vor  der  Hand 
wegen  mangelhaften  Materials  unmöglich  ist. 


Erklärung  der  Tafeln. 

Taf.  I.     Cervus  furcatiis.     1/3   der  natürlichen   Grösse.     Das   Thier   liegt 
auf  der  rechten  Seite,   wesshalb   nur    die    linken  Extremitäten 
sichtbar  sind. 
Taf.  n.    Fig.    1.     Cervus  pseudoelap?ius    linker  Unterkiefer  mit  vollstän- 
diger Zahnreihe. 

„      2.     C.  furcatus ,  linkes  Geweih. 

„      3.     C,  pseudoelaphus ,  zweifelhafter  Eckzahn. 

„      4 — 6.     derselbe,     Schneidezähne, 

„      7.    Ders.,  die  3  ersten  Backenzähne  von  oben. 

„      8.     Ders.,  linker  astragalus, 

„      9.     C,  furcatus ,  vollst.  Unterkiefer  des  Taf.  I.  abgebildeten 
Individuums. 

„    10.     Ders. ,  Geweih  eines  jüngeren  Thiers. 

„    11.     Ders.,    Zahnreihe  im  Unterkiefer   von   einem  jüngeren 
Thier. 

„    12.     D^crocents  eZe^a>2s  von  Sans  an,  3  ersten  unteren  Backen- 
zähne. 

,,    13.     Cervus  mexicanus,  dieselben. 

,,    14.     Moschus  moschiferus,  dieselben. 

„    15.     C,  furcatus,  Milchzahnreihe. 

,,    16.     Ders.,  linker  astragalus. 

„    17.     Ders.,  [metatarsus,    Unterende    mit    den    rudimentären 
Nebenzehen. 

„    18.     a.  b.     Pdlaeomephitis  Jaegeri.  obere  Backenzähne. 

,,    19.     Archaeomys  Steinheimensis,  Unterkiefer. 


4.     lieber  das  Gift  des  Erd-Salamanders. 

Von  Oberamtsarzt  Dr.  Finckli  in  Urach. 

Der  gefleckte  Erdsalamander  oder  Regenmolch  fSalamandra 
maculosa  Laur.J  wurde  im  Alterthum,  z.  B.  von  Plinius,  für  aus- 
serordentlich giftig  gehalten,  während  die  Neueren  ihm  giftige 
Eigenschaften  ganz  oder  beinahe  ganz  absprechen.  So  heisst  es 
in  dem  Verzeichniss  der  Reptilien  Württembergs  im  Jahrgang 
1847  dieser  Jahreshefte,  S.  203,  der  Salamander  sei  ein  harm- 
loses, weder  giftiges  noch  sonst  schädliches  Thier.  Andere  Schrift- 
steller der  neueren  Zeit  gestehen  dem  Milchsaft  aus  der  Parotis 
und  den  Hautdrüsen  des  Salamanders  giftige  Wirkungen  zu,  wenig- 
stens in  Beziehung  auf  Eidechsen ,  kleinere  Vögel,  Mäuse  u.  s.  w. 
Nach  neueren  Untersuchungen  der  Franzosen  Gratiolet  und 
Cloez  (Comptes  rendus  hebd.  de  FAcad.  de  sc.  tom.  XXXIV, 
p.  729)  reagirt  jener  Saft  sauer,  schmeckt  widrig  bitter,  wirkt 
aber  örtlich  nicht  scharf  reizend,  wie  Manche  annehmen.  Sie 
vergleichen  die  Wirkung  dieses  Saftes  mit  schwachem  Schlangen- 
gift und  fanden,  dass  dieser  Saft,  directer  ins  Blut  gelangt, 
kleinere  Vögel,  Eidechsen,  Mäuse  u.  s.  w.  unter  Convulsionen 
tödte.  Dass  aber  dieser  Saft  auch  grösseren  Thieren  tödtlich  sein 
kann,  beweist  nachstehender  Fall. 

Im  Mai  v.  J. ,  an  einem  warmen  Abend,  traf  eine  Viertel- 
stunde von  Urach  ein  hellbrauner,  kräftiger,  lOjähriger  Penscher- 
hund auf  einen  etwa  6  Zoll  langen  Regenmolch ,  bellte  ihn  zuerst 
an,  biss  ihn  dann  in  den  Kopf  und  nahm  ihn  ins  Maul.  Auf 
Geheiss  seines  Herrn  Hess  er  den  Molch  wieder  fahren,  packte 
ihn  aber  aufs  Neue  und  so  einigemal.  Hiebei  wurde  der  Molch 
über  und  über  weiss  von  ausgeschwitztem  Schaum ,  der  auch  dem 


—    133    — 

Hund  am  Maul  hängen  blieb.  Nachdem  der  Hund  den  Molch 
das  letztemal  gepackt  hatte,  lief  er  noch  eine  kleine  Strecke  mit, 
seinem  Herrn  fort  und  fing  dann  an,  mit  den  Kinnladen  Bewe- 
gungen zu  machen,  wie  wenn  er  etwas  Widriges  aus  dem  Maul 
entfernen  wollte;  bald  darauf  taumelte  er  wie  berauscht,  wankte 
auf  den  Füssen,  und  während  er  die  genannten  Kaubewegungen 
fortsetzte,  erfolgte  ein  heftiges  Erbrechen  einer  weissen,  schau- 
migen Flüssigkeit.  Darauf  fing  er  an  mit  den  Füssen  zu  scharren, 
schien  nicht  mehr  recht  zu  sehen ,  legte  sich  auf  den  Rücken  und 
bekam  heftige  clonische  Krämpfe,  wobei  die  Augäpfel  weit  her- 
vorgetrieben wurden  und  worauf  der  Tod  eintrat,  nachdem  die 
ganze  Scene  kaum  eine  halbe  Stunde  gedauert  hatte. 

Bei  der  14  Stunden  nachher  vorgenommenen  Section  war  der 
Leichnam  im  Zustand  der  Erstarrung,  ohne  alle  Fäulnissspuren. 
Die  Schleimhaut  des  Mauls,  der  Zunge,  der  Nase  zeigte  nichts 
abnormes;  sie  war  blass,  doch  nicht  weiss,  nirgends  entzündet, 
erweicht  oder  abgelöst.  Eine  Verletzung  an  diesen  Theilen  war 
nicht  wahrzunehmen.  Die  Lungen  waren  normal ,  auf  der  Schnitt- 
fläche hellroth,  ohne  Inhalt.  Die  rechte  Herzhälfte  enthielt 
weiche,  schwarze  ßlutgerinsel ;  die  Consistenz  des  Herzens  war 
normal.  Die  grossen  Venen  in  der  Brusthöhle  enthielten  schwar- 
zes, dünnflüssiges  Blut.  Der  rechte  Leberlappen  war  abnorm 
fest  (der  Hund  hatte  ein  Jahr  vorher  eine  Leberkrankheit  ge- 
habt); die  Gallenblase  war  voll;  der  Magen  halb  voll  von  Wasser 
und  Speiseresten;  die  Schleimhaut  des  Magens  war  blass,  nur 
gegen  den  Pylorus  hin  waren  einige  kleine  Stellen  über  den 
Wandungen  der  Blutgefässe  des  Magens  unabwaschbar  geröthet; 
die  Schleimhaut  des  Dünndarms  war  blass,  die  Harnblase  zusam- 
mengezogen.    Sonst  nichts  abnormes. 

Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dass  der  Hund,  der  zu- 
vor ganz  munter  und  gesund  gewesen  war  und  nach  so  kurzer 
Zeit  verendete,  durch  den  Salamander  seinen  Tod  gefunden  hat 
und  es  beweist  dieser  Fall,  dass  der  weisse  Schaum,  den  die 
Salamander  in  gereiztem  Zustand  aus  ihren  Hautdrüsen  aus- 
schwitzen, ein  wirkliches  Gift  ist,  nicht  bloss,  wie  Oken  u.  A. 
glauben,  eine  scharfe,  aber  sonst  ungiftige  Flüssigkeit,  die  hoch- 


—    134   — 

stens  eine  Darmentzündung  bewirken  könne;  eine  Ansicht,  die 
durch  obigen  Fall  widerlegt  wird,  sofern  der  Tod  des  Hunds 
ausserordentlich  bald  erfolgte  und  die  Schleimhäute  des  Munds,  des 
Magens  und  Darms  unversehrt  gefunden  wurden. 

Die  kleinen  rothen  Stellen  an  der  Magenschleimhaut  in  der 
Nähe  des  Pylorus  können,  da  der  Magen  halb  voll  von  Flüssig- 
keit war,  nicht  durch  jenen  Milchsaft  verursacht  worden  sein. 
Der  Saft  wirkte  also  hier  nicht  als  ein  blosses  Acre,  sondern 
als  wahres  Gift,  das  durch  die  Schnelligkeit  und  Art  seiner 
Wirkung  den  Cyanverbindungen  und  den  Strychneen  ähnlich  ist, 
welche  vorzugsweise  auf  die  vorderen  Bündel  des  Rückenmarks 
wirken  und  daher  Krämpfe  und  Lähmungen  hervorbringen. 

Mit  dem  Secret  der  Salamander  stimmt  das  der  Kröten  über- 
ein und  es  ergiesst  sich  dasselbe  hier  wie  dort  nicht  bloss  aus 
den  Hautdrüsen,  sondern  auch  aus  der  Ohrspeicheldrüse  (Parotis), 
von  welcher  bei  jenen  Thieren  kein  Kanal  in  die  Mundhöhle, 
sondern  zahlreiche  feine  Oeffnungen  durch  die  Haut  nach  aussen 
gehen. 


5.    lieber  die  bedeutende  Verunreinig-ung-  der  städti- 
schen Kohlenstadelquelle  zu  Ulm  und  die  Entfer- 
nung* des  Uebelstandes. 

Yom  Ingenieur  und  Geologen  Dr.  Bruckmann  in 
Stuttgart. 

Die  Stadtgemeinde  Ulm  beabsichtigt  seit  einigen  Jahren  eine 
Restaurirung,  resp.  Umgestaltung  ihrer  Brunnenwerke  nach  besserem 
und  einfacherem  Systeme  vorzunehmen  und  hat  zu  diesem  Zwecke 
schon  mehrere  Gutachten  von  in-  und  ausländischen  Ingenieuren,  in 
neuester  Zeit  auch  von  mir  eingefordert.  Meine  Aufgabe  bestand 
hauptsächlich  darin,  Vorschläge  für  Gewinnung  weiteren  reinen 
und  gesunden  Trinkwassers  zu  machen,  damit  man  nicht  mehr  in 
den  Fall  komme ,  das  Quellwasser  der  Brunnenwerke  zu  gewissen 
Zeiten  mit  Blauwasser  (Stadtgrabenwasser,  Wasser  des  Flusses 
„Blau")  vermischen  zu  müssen  und  ich  habe  nach  vorgenommener 
geognostisch-hydrographischer  Untersuchung  der  dortigen  Gegend 
meine  Vorschläge  in  einer  ausführlichen  Relation  vom  30.  Dec. 
1858  niedergelegt,  Das  Wesentlichste  derselben  ist  in  Nro.  17 
der  Schwäbischen  Kronik  vom  21.  Januar  1859  in  Kürze,  aber 
richtig  aufgefasst,  publicirt  worden,  und  ich  verweise  auf  diese 
Darstellung,  um  zeitraubenden  Schilderungen  zu  entgehen. 

Das  Quellwasser  der  Ulmer  Brunnenwerke  hat  seinen  Sitz 
im  Diluvium  (Sand,  Kies,  Gerolle),  welches  auf  Krebsscheren- 
kalk (weissem  Jura  z  Quenstedt)  abgelagert  ist,  worunter  der 
Korallenkalk  (weisse  Jura  g)  folgt.  Die  Quellen  der  Anhöhen 
in  der  nächsten  Umgegend  Ulms:  Braunland,  Alber,  Albecker 
Steige,   Michelsberg  (Ruhethalrevier)   und  Kuhberg,   entspringen 


—    136    — 

aus  miocenen  Süsswassermergeln  nebst  Kalkbänken ,  die  den 
Krebsscherenkalk  überlagern  —  einer  Formation,  welche,  wie 
die  Lettenkohle  zwischen  Keuper  und  Muschelkalk,  und  das  Dilu- 
vium mancher  Thalgründe,  zu  den  quellenreichsten  des  ganzen 
Königreiches  gehört  *. 

Vor  allen  Dingen  und  ehe  an  die  projectirte  Umgestaltung  der 
Brunnenwerke  geschritten  werden  wollte  und  konnte ,  lag  die  Ab- 
sicht zu  Grunde,  sich  des  benöthigten  Quantums  guten  Quell- 
wassers zu  vergewissern,  wozu  ich  die  erforderlichen  Vorschläge 
und  Berechnungen  in  meiner  Relation  vom  30.  December  1858 
aufgestellt  hatte,  und  es  wurden  zur  Erreichung  dieses  Zweckes 
bereits  einleitende  Schritte-  gethan.  Da  theilte  mir  am  21.  Oct. 
1860  Stadtbaumeister  Schmid  von  Ulm,  während  ich  noch  in 
Heilbronn  mit  Vollendung  eines  artesischen  Brunnens  beschäftigt 
war**,  aus  Auftrag  der  städtischen  Collegien  mit,  dass  auf  ganz 
unerwartete  Weise  die  Kohlenstadelquelle  seit  kurzem  durch  seit- 
liche Einbrüche  auf  sehr  bedenkliche  Weise  verunreiniget  worden 
sei,  indem  er  mir  gleichzeitig  ein  Fläschchen  voll  von  diesem 
Wasser  einhändigte,  welches  eine  trübe,  schmutzige  Farbe  und 
einen  ekelhaften  Geruch  hatte.  —  Ein  sehr  fatales  Intermezzo 
für  die  bevorstehende  Restaurirung  der  Brunnenwerke! 

Ehe  ich  mich  über  die  Frage,  wie  dem  grossen  Uebelstande 
abzuhelfen  sei,  aussprechen  konnte,  —  die  Kohlenstadelquelle  speist 
nämlich  mehrere  öffentliche  laufende  Brunnen  und  liefert  etlichen 


*  S.  meine  Schrift:  .,Die  denkwürdigen  artesischen  Brunnen  zu 
Oberdischingen  in  Württemberg,  in  geognostisch- hydrographischer  und 
constructiver  Beziehung.  Mit  einer  Steintafei.  Heilbronn  am  Neckar. 
J.  D.  Classische  Buchhandlung.    1836." 

**  S.  Seite  57 — 58  meiner  Schrift:  ,,Die  neuesten  artesischen  Brun- 
nen in  der  Gustav  Schäuffelen'schen  Papierfabrik  zu  Heilbronn,  die  alten 
Bohrbrunnen  und  der  Kirchbrunnen  dieser  Stadt;  die  neue  Brunnenstube 
zu  Bönnigheim  und  ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Lettenkohlenformation 
des  Württembergischen  Unterlandes ,  nebst  Schilderung  des  wieder  er- 
schlossenen Murenbrunnens  über  dem  Hauensteintunnel.  Mit  einer  lith. 
Tafel.  Stuttgart,  E.  Schweizerbart'sche  Verlagshandlung  und  Buch- 
druckerei.    1861." 


—    137    — 

Bierbrauereien  das  Wasser  —  hielt  ich  zuvörderst  eine  chemische 
Untersuchung  des  Wassers  für  absolut  nothwendig,  wandte  mich 
zu  diesem  Behufe  an  meinen  Freund,  Chemiker  Ignaz  Halb- 
reiter,  und  es  haben  sich  folgende  Resultate  ergeben: 

I.  Das  ab filtrirte  Wasser  unterscheidet  sich  von  anderen 
guten  Brunnenwassern  nur  dadurch,  dass  es  Ammoniaksalze  und 
harnsaure  Salze  aufgelöst  enthält.  Das  Wasser  aus  dem  mir 
überreichten  Fläschchen  zeigte  eine  saure  Reaction,  welche  sich 
aber  nach  kurzem  Stehen  an  der  Luft  in  eine  schwach  alkj^lische 
umwandelte,  wie  diess  besonders  beim  Harn  der  Fall  ist,  — ein 
Beweis,  dass  stickstoffhaltige  organische  Substanzen  mit  dem 
Wasser  in  Berührung  kommen.  Andere  Verunreinigungen  durch 
Metalle  etc.  waren  nicht  nachzuweisen,  bei  längerem  Stehen  und 
höherer  Temperatur  bildeten  sich  jedoch  Spuren  von  Schwefel- 
wasserstoff und  Schwefelwasserstoffammon,  welch' beide  Gase  haupt- 
sächlich den  Übeln  Geruch  des  Wassers  bedingen  und  einge- 
athmet,  höchst  nachtheilig  für  die  Gesundheit  sind,  indem  sie 
zersetzend  auf  das  Blut  einwirken.  Ammoniaksalze  zersetzen  ferner 
das  Bier  und  bringen  es  zum  Umschlagen. 

H.  Der  auf  dem  Filter  befindliche  Rückstand  wurde  mit 
dem  Mikroskope  geprüft.  Er  wurde  zusammengesetzt  gefunden 
aus  Pflanzen  niederer  Art,  nämlich  Algen,  und  Theilen  thierischer 
Excremente  von  Pflanzenfressern,  wie  es  scheint  vorherrschend 
von  Menschen  und  Pferden.  Die  fraglichen  Algen  entstehen  in 
dem  unreinen  verdorbenen  Wasser,  sind  also  im  vorliegenden 
Falle  als  eine  secundäre  Bildung  anzusehen. 

Diese  beiden  Untersuchungen  zeigten  deutlich,  dass  die  Ver- 
unreinigung der  Kohlenstadelquelle  bewirkt  wird  durch  den  Ein- 
fluss  aus  nicht  wasserdichten  Abtrittgruben ,  Güllenlöchern  von 
Ställen ,  oder  Dunglegen ,  oder  durch  ein  in  der  Nähe  befindUches 
Wasser,  in  welches  anhaltend  unreine  Flüssigkeiten  geschüttet 
werden.  Es  ist  höchst  unwahrscheinlich,  dass  das  unreine  Wasser 
aus  einem  Sumpfe  kommt ,  weil  wegen  Mangels  an  Stickstoff  sich 
keine  Ammoniaksalze  bilden  könnten,  vorausgesetzt,  dass  nicht 
Unreinigkeiten,  z.  B.  Urin  und  thierische  Abfälle  continuirlich 
und  in  Menge  hineingeführt  würden. 


138 


Diess  mein  erster  Blick  in  die  Katastrophe,  so  weit  er,  vom 
Schauplatze  derselben  entfernt,  in  sie  geworfen  werden  konnte. 
Vom  Stadtschultheissenamte  dringend  aufgefordert,  begab  ich 
mich,  sobald  ich  konnte,  nach  Ulm,  um  den  Sachverhalt  an  Ort 
und  Stelle  zu  prüfen  und  Vorkehrungen  zur  Abhülfe  des  einge- 
tretenen Uebelstandes  zu  treffen,  denn  die  städtischen  Collegien 
und  speciell  deren  Vorstand,  Stadtschultheiss  Schuster  nahmen 
es  sich  sehr  zu  Herzen,  dem  grossen  Missstande  mit  allen  nur 
zu  Gebote  stehenden  Mitteln  zu  begegnen  und  die  seit  langer  Zeit 
in  Anwendung  befindliche,  werthvolle  und  reichhaltige  Kohleustadel- 
quelle  guten  Wassers,  wenn  nur  immer  möglich,  auch  für  die 
Zukunft  zu  retten,  d.  h.  zu  ihrer  ursprünglichen  Reinheit  und 
Güte  zurückzuführen. 

Anfangs  November  1860  in  Ulm  eingetrolien  (früher  dahin 
zu  reisen  war  mir  wegen  meiner  laufenden  Geschäfte  in  Heil- 
bronn leider  unmöglich),  erfuhr  ich,  dass  sich  bereits  auch  die 
Apotheker  Dr.  Gustav  Leube  und  J.  G.  Kissling  mit  Unter- 
suchung des  verdorbenen  Wassers  der  Kohlenstadelquelle  be- 
schäftiget hatten.  Sie  sind,  nach  ihrem  Berichte  vom  16.  Nov. 
desselben  Jahres,  im  Wesentlichen  zu  den  gleichen  Ergebnissen  ge- 
langt, wie  die  vorgeschildesten.  Kissling  hatte  schon  eine 
Partie  -des  fraglichen  schlechten  Wassers  nebst  Algen  an  Pro- 
fessor Dr.  Hugo  von  Mo  hl  in  Tübingen  geschickt,  welcher 
ihm  darüber  am  21.  October  1860  folgende  interessante  Worte 
zugehen  liess: 

„Ich  habe  die  Substanzen,  welche  in  dem  mir  übergebeneu 
Wasser  aus  den  Ulmer  Brunnenleitungen  enthalten  waren,  mikro- 
skopisch untersucht.  Die  Hauptsache  besteht  aus  Leptomitus  lac- 
teus  Äg.  (Co7iferva  lactea  Roth).  Diese  Pflanze  wird  zwar  unter 
den  Algen  aufgeführt,  ist  aber  wohl  gewiss  keine  solche,  sondern 
besteht  sicher  aus  Schimmelfäden ,  die  sich  im  Wasser ,  als  einem 
ihnen  nicht  zusagenden  Medium ,  auf  anomale  Weise  ent- 
wickeln und  nicht  zur  Fructification  gelangen.  Aehnliche  Pflan- 
zen, die  ebenfalls  zu  Leptomitus- AxXtn  erhoben  wurden,  bilden 
sich  nicht  selten  in   den  Apotheken  in   verdorbenen  destillirten 


—    139    — 

Wassern  u.  s.  w. ,  kurz ,  wo  organische  Substanzen  im  Wasser  in 
Zersetzung  übergehen." 

„In  diesen  Leptomitaceen  des  Ulmer  Wassers  fanden  sich  nun 
nebenbei  Unreinigkeiten  aller  Art:  Fäden  von  Baumwolle,  Flachs, 
Wolle,  Infusorien  aller  Art  in  Menge,  Diatomeen,  wie  sie  in 
sumpfigen  Gruben  vorkommen." 

„Das  Wasser  ist  also  in  hohem  Grade  unrein ,  mit  faulenden 
organischen  Substanzen  geraengt ,  stammt  wahrscheinlich  zum 
Theile  aus  Sumpfgruben.  Eine  solche  ekelhafte  und  abscheuliche 
Unreinlichkeit  ist  mir  noch  nie  in  einem  Brunnenwasser  vorge- 
kommen. Sie  ist  nur  aus  der  Annahme  zu  erklären,  dass  die 
Ulmer  Wasserleitung  an  grossen  Gebrechen  leidet  und  gegen  das 
Eindringen  von  schlechtem  Wasser  nicht  geschützt  ist." 

Das  Quellwasser  des  Kohlenstadels  wird ,  wie  das  der  übrigen 
öffentlichen  Brunnen,  mittels  eines  Saug-  und  Druckwerkes  ge- 
hoben und  so  in  den  betreffenden  Wa^erleitungsröhren  den  Brun- 
nen zugeführt.  Dr.  Gustav  Leube  hat  theils  vor  meinem  Ein- 
treffen in  Ulm,  theils  wähi-end  meines  dortigen  Aufenthaltes  das 
verdorbene  Kohlenstadelwasser,  wie  auch  das  Wasser  einiger  nach- 
barlichen Pumpbrunnen  (Militärspital  und  Spediteur  Kielmann 
etc.)  mehrfach  untersucht  und  ich  habe  u.  a.  nachstehende  Notiz, 
d,  d.  Ulm,  16.  November  1860,  von  ihm  in  Händen: 

„Am  17.  October  1860  wurden  mir  zwei  Bouteillen  Wassers  vom 
Kohlenstadelbrunnenwerke  zur  chemischen  Untersuchung  übergeben, 
da  am  Kessel  und  in  den  Röhren  sich  kryp togamische  Gebilde 
gezeigt  hatten  (Leptomitus  lacteus  oder  Corferva  lactea).  Es  war 
die  Untersuchung  eine  nur  qualitative ,  da  es  sich  nur  darum  ge- 
handelt hatte,  ob  überhaupt  fremde  Bestandtheile  im  Wasser  ent- 
halten sind.  Es  fand  sich  eine  nicht  unbeträchtliche  Menge  thi e- 
rischer  Substanzen." 

Ferner  händigte  er  mir  folgende  Zusammenstellung  seiner 
Analysen  ein: 


140 


Bestandtheile 

1860. 

in  1  Schoppen 
Wasser 

Vorkommen  des  Wassers. 

in 

Granen. 

§ 

ffl 

II 

'S  ^ 

CS 

CO 

Octbr. 

26. 

No.  1.  Aus  der  unteren  Quelle  des  Kohlen- 

stadelbrunnenwerkes 

V2 

3 

3V2 

rt 

ti 

No.  2.  Vom  Cylinder  des  KoWenstadels    . 

53/4 

3 

83/, 

n 

p 

No.  3.  Vom  Kessel  des  Kohlenstadels  .     . 

6V2 

4 

10V2 

n 

w 

No.  4.  Vom  Hahnen  am  Graben  .... 

4 

3 

7 

n 

II 

No.  b.  Von  der  breiten  Stiege     .... 

3 

3V8 

6V8 

n 

II 

No.  ß.  Aus  der  untern  Quelle  im  Kohlen- 

stadel     

3/4 

3V2 

41/4 

Novbn 

8. 

No.  1.  Quelle  im  Kohlenstadel  bei  Zufluss 

Yon  Blauwasser 

1 

32/3 

42/3 

it 

II 

No.  2.  Dessgleichen,  eine  andere  Stelle    . 

V2 

3 

3V2 

" 

12. 

Quelle  Tom  Kohlenstadel  bei  grossem  Zu- 

fluss von  Blauwasser 

V5 

IV5 

2V5 

tt 

II 

Wasser  des  Pumpbrunnens  im  Militärspital e 

V2 

3 

3V2 

it 

II 

Dessgleichen    bei    Spediteur   Kielmann's 

Haus 

V5 

4V2 

42/5 

it 

II 

Blauwasser  Yor  der  Falle  am  Kohlenstadel- 

brunnenwerke 

Vs 

IVs 

13/4 

Ausser   der   kleinen   Menge   thierischer 

Stoffe  kein  Salpeter,  nichts  Metallisches  etc. 

Die   Verdünnung    der    organischen    Stoffe 

=  53,760  fach. 

n 

14. 

Wasser  aus  einem  16  '  tiefen  Schachte,  wel- 
cher durch  Dr.  Bruckmann,  dem  Koh- 
lenstadelwerke    gegenüber,    am    linken 
Ufer   des   Stadtgrabens  im   Kiese   abge- 

teuft "worden  ist 

V2 

2V2 

3 

—    141    — 

Da  es  nach  meinen  sämmtlichen  Forschungen  und  Nachwei- 
sungen ausser  allen  Zweifel  gesetzt  war ,  dass  die  Verunreinigung 
der  Kohlenstadelquelle  nur  durch  Einflüsse  aus  Abtrittgruben 
(Cloaken),  Güllenlöchern  und  Dunggruben  herbeigeführt  wurde, 
so  ist  es  wesentlich,  zu  bemerken,  dass  zu  Ulm,  wie  in  einigen 
anderen  Orten  Oborschwabens  seit  langer  Zeit  der  Gebrauch  be- 
steht, die  Abtrittgruben  —  oft  weit  und  tief  —  als  Senkgruben 
meist  mit  Trockengemäuer  zu  behandeln ,  und  mit  keinem  wasser- 
dichten Boden  zu  versehen;  ja,  die  Sohle  dieser  Gruben,  welche 
wie  die  Pumpbrunnen  der  Stadt  sämmtlich  im  Diluvium  (Sand 
und  Kiese)  angelegt  sind ,  hat  gar  keinen  künstlichen  Boden ,  son- 
dern besteht  fast  durchgängig  nur  aus  dem  dort  abgelagerten 
Sande  und  Kiese,  der  in  grössere  Tiefe  niedersetzt  und  dem  Flui- 
dum  (Urin)  das  Niedersinken  gestattet,  insofern  nicht  die  nach 
unten  abgelagerten  festeren  Substanzen  (Excremente),  welche  sich 
mit  der  Zeit  in  eine  Art  Moder  umwandeln ,  bei  ihrer  allmähligen 
Anhäufung  den  flüssigeren  einen  Damm  entgegensetzen.  Es  gehen 
oft  viele  Jahre  dahin,  bis  solche  Abtrittgruben  gereiniget,  d.  h. 
von  ihrem  Inhalte  befreit  werden ,  und  der  Bildung  solcher  natür- 
licher Dämme  ist  es  allein  zuzuschreiben ,  dass  nicht  schon  früher 
eine  Verunreinigung  der  öffentlichen  Brunnenquellen  überhaupt 
und  eine  sehr  merkbare  Infection  aller  Pumpbrunnen  in  der  Stadt 
erfolgte. 

Nun  zur  weiteren  Schilderung  meiner  Detailerhebungen  au 
Ort  und  Stelle,  wobei  ich  rein  Technisches  möglichst  umgehe, 
als  nicht  für  die  Hefte  des  Vereines  sich  eignend. 

Am  8.  November  1860,  nachdem  das  Wasser  im  Quellen- 
schachte des  Kohlenstadelwerkes  durch  angestrengtes  Auspumpen 
tief  genug  niedergehalten  war,  untersuchte  ich  denselben  in  Gegen- 
wart des  Stadtschultheissen  Schuster  und  Stadtbaumeisters 
Schmid,  und  fand,  dass  das  schmutzige  Wasser  tief  unten  an 
zwei  Stellen  aus  Sand  und  Kies  von  einer  Schachtseite  her  lebhaft 
einströmte.  Warum  aber  gerade  jetzt  dieser  fatale  Einbruch 
und  früher  nie?     Diese  Frage  beantworte  ich  wie  folgt: 

Im  Laufe  der  Zeit  entstand  in  Folge  der  nicht  wasserhaltigen 
Abtrittgruben    im  engen  Sinne    des   Wortes  „Senkgrubeu"   eine 


—    142    — 

Schwängerung  der  die  Kohlenstadelquelle  umgebenden  Kiesmasse 
mit  unreinen  Stoffen  bis  auf  eine  gewisse  Tiefe  hinab,  wohl  zu- 
erst veranlasst  durch  einige  ungewöhnlich  tiefe  Gruben  in  diesem 
Reviere,  und  hierzu  gesellte  sich  der  sehr  bemerkenswerthe  Um- 
stand, dass  der  Wasserspiegel  der  fraglichen  Quelleuregion  seit 
kurzem  so  hoch  angestiegen  war,  wie  in  vielen  Jahren  nicht, 
wodurch  das  Wasser  Gelegenheit  fand,  die  von  Unrath  erfüllte 
Terrainmasse  zu  erweichen ,  zu  bespülen  und  von  einigen 
nachbarlichen  Senkgruben  aus  zum  Einbrüche  nach  der  Brunnen- 
stube (Quellenschacht)  zu  bringen.  Nach  meiner  Messung  am 
17.  November  1860  betrug  die  Wasserhöhe  in  letzterer  6'  5"  5'", 
während  sie  sich  in  trockenen  Jahrgängen  nur  auf  2',  in  mittleren 
aber  höchstens  auf  3  bis  31/2'  gestaltet;  der  städtische  Brunnen- 
meister erinnerte  sich,  noch  nie  einen  so  hohen  Wasserstand 
wahrgenommen  zu  haben  wie  damals ;  —  ich  finde  letzteren  durch 
den  sehr  regnerischen  Sommer  des  Jahres  1860  bedingt,  welcher 
eine  wesentliche  Vermehrung  des  Diluvial wassers  überhaupt  creirte 
und  dadurch  die  successive  Ansteigung  des  Wasserspiegels  der 
allgemeinen  Quelleuregion  ins  Leben  rief. 

Die  Algen  (Leptomitus  lacteus)  bildeten  sich  namentlich  oben 
im  Kessel  des  Brunnenhauses  und  in  einer  provisorisch  zum  Ab- 
flüsse des  verdorbenen  Wassers  nach  aussen  gerichteten  hölzernen 
Rinne  aus,  ihre  Vermehrung  ging  ins  Ungeheure  und  sie  gaben 
zu  vorübergehender  Verstopfung  der  Teichel  Veranlassung.  Sie 
setzten  sich  schleimartig  an,  erreichten  höchstens  die  Grösse  eines 
Taubeneies  bis  kleinen  Kinderballes ,  zeigten  im  frischen  Zustande 
eine  weissliche  ins  bräunlichgraue  spielende  Farbe,  an  ihren  An- 
wachsstellen aber  eine  rostgelbe  bis  roströthliche  und  sahen  wie 
Wurzelknollen,  blaseuähnlich  aufgetrieben  aus.  Nach  einigen 
Tagen  lösten  sie  sich  von  selbst  ab,  wurden  aber  stets  wieder 
durch  Nachwuchs  massenhaft  erneuert,  und.  der  Luft  ausgesetzt, 
schrumpften  sie  bald  ein,  während  sie  durch  Ofenwärme  getrock- 
net (wozu  jeweils  ein  Paar  Tage  erforderlich  waren)  zu  Papier- 
dünne zusammenfielen  und  dann  eine  grünlichgelbbraune  Farbe 
annahmen  unter  Fntwickelung  und  Beibehaltung  eines  sehr  ekel- 
haften Geruches.     Eine  Platte  voll  dieser  Algen,  welche  ich  im 


•      —    143    — 

November  1860  in  Ulm  trocknete  und  in  einer  Schachtel  aufbe- 
wahrte, verräth  diesen  eigentlichen  Abtrittgeruch  bis  zur  Stunde 
(Februar  1862)  noch.  Ich  Hess  einmal  zur  Zeit  meines  Aufent- 
haltes in  Ulm,  (November  und  Dezember  1860)  auf  dem  Münster- 
platze den  Hahnen  eines  Theilkastens  der  Wasserleitung  heraus- 
nehmen, um  die  Röhren  auszuspülen  und  ein  Bild  über  die 
Ansammlung  der  Algen  zu  bekommen :  in  wenigen  Minuten  wurden 
Tausende  derselben  mit  Ungestüm  im  Geleite  des  trüben  mit 
grosser  Geschwindigkeit  herströmenden  Wassers  ausgestossen  unter 
Verbreitung  eines,  rostgelblichen  bis  roströthlichen  Scheines  und 
eines  widerlichen  Geruches.  Derselbe  Geruch  trat  Einem  je- 
w^eils  entgegen,  sobald  man  das  Kesselhaus  des  Brunnenwerkes 
betrat. 

Nun  war  die  Hauptaufgabe  diese,  die  grosse  Calamität  zu 
heben.  Weil  die  missliche  Katastrophe  in  die  Zeit  des  Bier- 
brauens  fiel  (Monat  November)  und  das  Quellwasser  der  Kohlen- 
stadelbrunnenstube  durch  Ammoniaksalze  etc.  notorisch  so  sehr 
verdorben  war,  dass  es  ohne  Gefahr,  Schaden  zu  bereiten,  zum 
Bierbrauen  nicht  verwendet  werden  konnte,  so  habe  ich  in  der 
Stadtrathsitzung  vom  13.  November  1860,  in  welcher  ich  über 
den  Stand  der  Dinge  vorläufig  mündlichen  Bericht  erstattete,  vor- 
geschlagen ,  als  eine  provisorische  Anstalt  einstweilen  und  so  lange 
nur  filtrirtes  Blauwasser  in  das  Brunnenwerk  und  dadurch  in 
die  betreffenden  Teichellagen  und  Brunnen  strömen  zu  lassen, 
bis  dem  besagten  Uebelstande  abgeholfen  sein  wird.  Mein  Antrag 
wurde  einstimmig  angenommen,  der  zu  diesem  Zwecke  erforder- 
liche grosse,  wasserhaltige  Dielenkasten  noch  aa  deinselben  Tage 
bestellt  und  gegen  Ende  des  Novembers  eingesetzt.  Gleichzeitig 
ist  die  Vorrichtung  getroffen  worden,  zu  jeder  beliebigen  Zeit 
auch  das  inficirte  Quellwasser,  nach  Abstellung  des  Blauwassers 
wieder  einlassen  zu  können,  um  in  gewissen  Intervallen  zu  er- 
forschen, in  wie  weit  sich  ersteres  nach  und  nach  gebessert  haben 
wird.  Erfreulicher  Weise  hatte  eine  Analyse  des  Dr.  Gustav 
Leube  gezeigt,  dass  das  nur  einigermassen  filtrirte  Blauwasser, 
dessen  Einfrieren  im  Winter  durch  gewisse  Vorkehrungen  ver- 
hindert wurde,  trinkbar  und  zu  allen  technischen  Verwendungen 


144 


namentlich  auch  zum  Bierbrauen  tauglich  ist.  Man  begnügte 
sich  also  vorderhand  mit  diesem  durch  die  Noth  gebotenen  Pro- 
visorium. 

Wegen  Neutralisirung  des  Uebelstandes  tauchte  u.  a.  das 
Project  auf,  die  Quellschachtwand,  in  welcher  das  schlechte 
Wasser  ausbricht,  zu  verdammen  oder  zu  betoniren:  allein  diesem 
Plane  trat  ich  mit  aller  Entschiedenheit  entgegen,  weil  ich 
einsah ,  dass  in  Folge  eines  solchen  Verschlusses  das  Wasser  nur 
von  einer  anderen  Schachtseite  aus  im  Sande  und  Kiese  sich 
einen  Ausbruch  suchen  und  einen  solchen  in  der  lockeren 
Diluvialmasse  mit  Sicherheit  finden  würde.  Hätte  man  aber 
sämmtliche  Schachtwände  betoniren  oder  cementiren  wollen,  so 
würde  sich  der  Wasserausbruch  ebenso  sicher  auf  die  kiesige 
Schachtsohle  concentrirt  haben ,  und  ein  ^wasserdichter  Verschluss 
auch  noch  von  dieser ,  wäre  gleich  der  Erstellung  eines  trockenen 
Schachtes  —  ohne  Wasser  —  gewesen. 

Nachdem  von  Realisirung  des  genannten  Projectes  Umgang 
genommen  worden ,  richtete  ich  mein  Augenmerk  vornehmlich  auf 
möglichste  Entfernung  des  Grundübels ,  indem  ich  dafür  zu  sorgen 
mich  bestrebte,  dass  die  Einbrüche  des  schlechten  Wassers  all- 
mählig  und  für  immer  verschwinden. 

Diess  konnte  nach  dem  was  ich  seither  zur  Kenntniss  des 
Lesers  gebracht,  nur  durch  sorgfältige  Betonirung  (wasserdichte 
Herstellung)  derjenigen  Gruben  geschehen,  welche  einen  Theil 
ihres  Unheil-stiftenden  Inhaltes  nach  der  Kohlenstadelquelle  sandten. 
Die  schwierigste  und  practisch  wichtigste  Aufgabe  war  es  nun, 
möglichst  genau  die  Stellen  ausfindig  zu  machen,  von  welchen 
aus  das  verderbliche  Fluidum  in  die  Brunnenstube  geführt  wird 
und  ich  habe  diesem  Gegenstande  meine  volle  Thätigkeit  gewid- 
met. Ich  gelangte  nach  allen  vorhandenen  Indicien  zunächst  zu 
der  Ueberzeugung ,  dass  die  das  Quellwasser  verunreinigenden 
thierischen  Stoffe,  aus  keiner  grossen  Entfernung  in  die  Brunnen- 
stube gelangen  konnten ,  denn  würden  sie  einen  langen  Weg  nach 
letzterer  zurückzulegen  haben,  so  hätten  sie  aus  xiem  Sande  und 
Kiese,  den  sie  durchflössen,  in  ungleich  mehr  geläutertem  Zustande 
zum  Vorscheine  kommen  müssen,   w^eil  solche  Terrainmassen  be- 


—    145    — 

kanntlich  die  besten  Filtrirmaterialieu  für  das  Wasser  überhaupt 
und  die  Quellen  des  Diluviums  desshalb  meist  von  vorzüglicher  Güte 
sind.  * 

In  Folge  der  Parallele,  ^Yelche  ich  zwischen  der  Lage  des 
BrunnenAverkes ,  der  Umgebung  desselben  und  den  Einbruchsteilen 
des  schlechten  Wassers  gezogen ,  habe  ich  in  meinem  dem  Stadt- 
rathe  am  3.  Dezember  1860  überreichten  Berichte  über  den  Ein- 
bruch des  unreinen  Wassers  nebst  Vorschlägen  zur  Abhülfe  des 
Uebelstandes,  vorerst  siebzehn  Stellen  (Abtrittgruben  etc.)  als  die 
Unheil-schwangeren  detaillirt  geschildert  und  ihre  solide  Betonirung 
beantragt,  zu  deren  Ausführung  nianmitLeube'schem  Cement  schritt. 

Der  Erfolg  dieser  technischen  Operationen  war ,  wie  wir  bald 
sehen  werden,  ein .  guter ,  obgleich  noch  nicht  sämmtliche  von  mir 
angegebenen  (17)  Stellen  in  Angriif  genommen  w'aren ,  denn 
man  stiess  auf  practische  Schwierigkeiten,  nemlich  auf  Oppositionen 
einiger  Grundeigenthümer,  deren  nähere  Erörterung  nicht  hierher 
gehört. 

.  Meine  bald  gewonnene  Ansicht,  dass  die  Hauptinfection  der 
Kohlenstadelquelle  von  der  Stadt  sei  te  her  (rechtes  Ufer  des 
Stadtgrabens)  erfolgte,  obgleich  einige  Abtrittgruben  im  Reviere 
des  linken  Stadtgrabenufers  unweit  des  Kohlenstadels  (Militär- 
spital und  Spediteur  Kielmann)  auch  etwas  verdächtig  erschie- 
nen, hat  sich  durch  eine  Schachtabteufung  bestätigt,  welche 
ich  bewerkstelligen  Hess.  Diese  Grube,  16'  lang,  6'  weit  und 
16'  tief,  durch  welche  auch  ein  allgemeines  Bild  über  die  Aus- 
dehnung der  vor  sich  gegangenen  Verunreinigung  der  diluvialen 
Kiesmasse  geliefert  wurde,  die  das  Koblenstadelwerk  zunächst 
umgibt,  Hess  ich  in  der  Richtung  zwischen  letzterem  und  dem 
Militärspitale ,  hart  am  linken  Ufer  des  Stadtgrabens  öffnen.     In 


*)  S.  i.  B.  Seite  31  meiner  Schrift:  „Der  wasserreiche  artesische 
Brunnen  im  alpininischen  Diluvium  des  oberschwäbischen  Hoch- 
landes zu  Isny  etc.  Nebst  einem  Beitrage  zur  Kenntniss  der  Diluvial- 
ger'ölle  der  Bodenseegegend.  Mit  einer  lith.  Gebirgsdurchschnittszeich- 
nung.  Stuttgart.  E.  Schweizerbart'sche  Verlagshandlung  und  Buch- 
druckerei.    1851." 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.    1862.    2ä  Heff.  1^ 


—    146    — 

der  genannten  Tiefe  von  16'  und  als  noch  für  Einsetzung  einer 
Pumpe  ein  2'  tiefes  Kesselloch  ausgeräumt  war,  stiess  man  im 
reinen  sandigen  Kiese  auf  die  Quellenregion  des  Diluviums  und 
gewahrte  deutlich,  dass  das  stark  andringende  Wasser,  welches 
am  14.  November  1860  mit  viereckigen  Kastenpumpen  nur  auf 
0,85'  gewältiget  werden  konnte,  von  unten  —  der  Sohle  der  Grube 
—  nachstieg ,  und  von  der  Htigelseite  aus  (Promenadeweg ,  Rich- 
tung gegen  das  Militärspital  und  Spediteur  Kielmann's  Haus) 
sichtbarlich  nichts  einfloss.  Die  Analyse  dieses  Wassers  ergab  nach 
der  weiter  vorneu  gegebenen  Dr.  G.  Leube'schen  Zusammen- 
stellung (16.  November)  V2  Grran  thierischer  (organischer)  Sub- 
stanzen in  1  Schoppen  Wassers,  wobei  aber  bemerkt  werden 
muss ,  dass  damals  auch  Blauwasser  in  die  Kohlenstadelbrunenstube 
eingelassen  worden  ist. 

Um  nun  zu  ermitteln,  ob  diese  dem  Quellwasser  der  neuen 
Grube  mitgetheilten  thierischen  Stoffe  vom  Militärspitale  her  oder 
von  der  Kohlenstadelquelle  selbst  eindringen,  Hess  ich  am  17. 
November  1860  von  Abends  9  Uhr  bis  den  18.  November  Mittags 
12  Uhr  das  Blauwasser  abstellen  und  das  Brunnemverk  gänzlich 
ruhen,  damit  die  verunreinigte  Kohlenstadelquelle  Zeit  und  Ge- 
legenheit finde,  sich  im  Sande  und  Kiese  ungehindert  und  ohne 
Beimischung  von  Blauwasser  ausbreiten  zu  können,  und  Dr. 
Leube's  Analyse  des  jetzt  (am  18.  Nov.  Vormittags)  aus  der 
Grube  geschöpften  Wassers  zeigte  in  dieser  kurzen  Zeit  in  einem 
Schoppen  Vio  Grran  thierischer  Substanzen  mehr  als  am  14.  No- 
vember. 

Das  Quellwasser  der  neuen  Grube ,  welches  am  18.  November 
8,74'  unter  dem  Spiegel  der  hart  v.orbeif liessenden  Blau 
stand,  mit  ihr  also  entfernt  nicht  communicirte ,  hatte  bei  einer 
äusseren  Lufttemperatur  von  +  3^2^  Reaumur,  zur  Zeit  des  Aus- 
pumpens  -f-  71/4O,  während  das  nahe  und  8,74'  höher  stehende 
Blauwasser  des  Stadtgrabens  nur  -f  6^  und  die  Kohlenstadel- 
quelle selbst  +  6V2^  zeigte,  auch  ergab  ein  Nivellement,  dass  der 
Spiegel  der  letzteren  nur  0,18'  höher  stand  als  der  Wasserspiegel 
in  der  Grube;  —  hätte  man  aber  das  Brunnenwerk  noch  länger 
stille  stehen  lassen  und  das  Blauwasser  gleichfalls  länger  abstellen 


—    147    — 

können ,  so  würden  sich  sicher  bei  der  so  geringen  Höhedifferenz 
von  nur  0,18'  die  beiden  Wasserspiegel  der  Grube  und  der  Brun- 
nenstube in  Ein  Niveau  gestellt  haben,  und  man  darf  sonach  von 
beiden  sagen ,  dass  sie  gleich  tief  unter  der  Blau  liegen  und  beide 
Wasser  auf  keinerlei  Weise  mit  ihr  in  Verbindung  stehen. 

Die  etwas  geringere  Temperatur  der  Kohleustadelquelle  im 
Gegensatze  zu  derjenig-en  des  Quellwassers  der  Grube  erklärt 
sich  einfach  aus  der  vorangegangenen  Abkühlung  der  ersteren 
durch  eingeflossenes  Blauwasser. 

Durch  diese  Untersuchungen  war  es  ausser  allen  Zweifel  ge- 
stellt, dass  kein  Blauwasser  in  die  neu  geöffnete  Grube  und  in 
die  Brunnenstube  des  Kohlenstadelwerkes  eindrang,  dass  die 
Quellwasser  der  beiden  letzteren  mit  einander  in  einer  sich  lang- 
sam äussernden  Communication  stehen,  dass  die  chemisch  nach- 
gewiesene grössere  Verunreinigung  des  Quellwassers  der  Grube 
der  Hauptsache  nacli  nur  durch  die  verdorbene  Kohleustadelquelle 
selbst  erfolgen  konnte,  w^elche  ihr  unreines  Wasser  in  der  Kies- 
masse schon  ziemlich  weit  ringsumher  verbreitete  und  dass  man 
endlich  den  Hauptsitz  des  Uebels  am  rechten  Ufer  des  Stadt- 
grabens, nämlich  auf  der  Stadtseite  zu  suchen  hatte,  obwohl  ich 
eine ,  wenn  auch  geringe  schädliche  Influenz  vom  linken  Uferge- 
biete her  nicht  ganz  in  Abrede  stellen  mochte. 

Schenken  wir  jetzt  dem  Stadium  der  Besserung  des  Kohlen- 
stadelquellwassers  unsere  Aufmerksamkeit. 

Als  ich  in  Folge  eines  Eufes  des  Directoriums  der  Schweizeri- 
schen Centralbahn  gerade  damit  beschäftigt  war,  die  Quellen- 
verhältnisse des  Hauensteintunnels  zu  erforschen  und  darüber  zu 
berichten  (S.  Seite  65—83  meiner  schon  citirten  Schrift:  „Die 
neuesten  artesichen  Brunnen  in  der  Gustav  Schäuffelen'schen  Pa- 
pierfabrik zu  Heilbronn  etc.  etc."),  erhielt  ich  vom  Stadtschult- 
heissenamte  Ulm  unterm  28.  März  1861  eine  Nachricht  über  die 
eingetretene  Besserung  des  Quellwassers  im'  Kohlenstadelwerke 
und  folgende  Zusammenstellung  einiger  neueren  Analysen  des 
Dr.  Gustav  Leube: 


—    148 


In    einem   Schoppen  Wasser 


Zeit. 

's 

II 
II 

'S  § 

CO       N 

s  1 

Bemerkungen. 

Gran. 

Gran. 

Grau. 

am  8.  Januar  1861 

1,66 

0,21 

1,45 

Mit  Blauwasser   Yermischt 

am  21.       „         „ 

1,87 

0,41 

1,46 

Ohne  Blamvasser. 

am  8.  Februar   „ 

1,87 

0,22 

1,65 

dito. 

am  12.  März       „ 

2,20 

0,44 

1,76 

dito  im  Kasten. 

?J        JJ               5J               » 

2,00 

0,30 

1,76 

An    der    Stelle    geschöpft, 
wo   das  schlechte    Wasser 
eindrang. 

Diese  willkommenen  Ergebnisse  veranlassten  die  städtischen 
Behörden,  von  Anlegung  einer  Wasserleitung  vom  Michelsberge 
her  (Revier  des  Ruhethaies,  wovon  ich  in  meiner  Relation  vom 
SO.Dec.  1858  u.  a.  für  gewisse  Eventualitäten  gesprochen)  einstweilen 
um  so  mehr  Umgang  zu  nehmen,  als  gegründete  Hoffnung  auf 
weitere  Besserung  des  Kohlenstadelquellwassers  vorhanden  ist 
und  als  der  Ankauf  von  irdenen  Teichein ,  denen  ich  in  gewissen 
Fällen,  namentlich  wenn  sie  keinen  sehr  starken  Wasserdruck 
auszuhalten  haben,  vor  allen  anderen  den  Vorzug  einräume,  *  vom 
Ruhethal  bis  zur  Stadt  nach  einer  Berechnung  des  Stadtbau- 
meisters Schmid  allein  auf  10500  fl.  zu  stehen  käme,  und  end- 
lich, als  man  die  Wassermenge  der  Ruhethalquelle  (wegen  seiner 
Güte  bekannt)  als  eine  ungenügende  erkennen  wollte.  Nachdem 
ich  aus  einem  Berichte  des  Stadtbauamtes,  d.  d.  Ulm  21.  März 
1861 ,  ersehen  hatte ,  dass  die  von  mir  beantragte  Betonirung  der- 
jenigen Stellen,  die  ich  in  Folge  der  herrschenden  Situation  in 
eine  verderbliche  Communication  mit  der  Kohlenstadelquelle  brin- 


*  S.  Seite  148 — 149  meiner   Schrift:   ,, Wegweiser  durch  den  Berg- 
und  Brunnenbohrwald  etc.  etc."     Darmstadt  1852.     Verlag  der  Hofbuch- 


handlung Yon  G.  Jonghaus. 


—    149    — 

gen  miisste,  immer  noch  iiiclit  vollständig  realisirt  worden  isty 
gab  ich,  vom  Hauensteine  zurückgekehrt,  dem  Stadtschultheissen- 
amte  Ulm  auf  seine  Nachricht  vom  28.  März  1861 ,  von  Stuttgart 
aus  am  6.  Mai  e.  a.  folgende  Rtickäusserung : 

I.  ,,üm  über  das  Wasserquantum  der  Ruhethalquelle  ein 
richtiges  Bild  zu  erhalten,  müsste  eine  genaue  Messung  des  erste- 
ren  vorgenommen  werden,  damit  man  erfahre,  wie  viel  Kubik- 
fuss  pro  Stunde  oder  in  24  Stunden  dermalen  (bei  nicht  hoch 
g  e  1  e  g  t  e  m  A  u  s  g  u  s  s  e)  ausfliessen.  Die  dortige  Gebirgsformation 
sowohl  (miocene  Süsswassermergel) ,  als  die  Configuration  des 
Terraines  berechtigen  zu  der  Hoffnung,  dass  durch  zweckmässig 
geleitete  Xachgrabungen  eine  grössere  Wassermenge  erschlossen 
werden  werde,  wie  ich  in  meinem  Gutachten  vor  zwei  Jahren 
(30.  Dezember  1858)  angedeutet  habe." 

Ich  füge  hier  bei,  dass  ich  in  derselben  Relation ,  auf  meine 
Localuntersuchungen  gestützt,  die  Unmöglichkeit  des  Gelingens 
artesischer  Brunnen  in  Ulm,  ausgesprochen  hatte. 

n.  „Nach  dem  Berichte  des  Stadtbaumeisters  Schmid  vom 
21.  März  1861  sind  die  von  mir^  in  meinem  neueren  Gutachten 
(3.  Dezember  1860)  vorgeschlagenen  Ausführungen  noch  nicht 
ganz  in  solcher  Ausdehnung  vorgenommen  worden ,  um  annehmen 
zu  können,  dass  die  Verunreinigung  der  Kohlenstadelquelle  in 
Bälde  gänzlich  beseitigt  werden  werde,  obgleich  bereits  eine  Bes- 
serung dieses  Quellwassers  eingetreten  ist.  —  Bei  der  vorhandenen 
Sachlage  wäre  mein  Rath: 

Man  fahre  in  der  von  mir  angegebenen  Weise  mit  weiterer 
Consolidirung  von  Abtrittgruben  etc.  fort  und  warte  vorerst  die 
Resultate,  resp.  die  Einwirkung  auf  die  Kohlenstadelquelle  ab.  — 
Im  Nothfalle  steht  das  letzte  Mittel:  Erschliessung  weite- 
ren Qu  eil  Wassers  im  R  u  he  thalre  viere,  immer  noch  zu 
Gebot." 

Man  kann  aus  diesen  Worten  entnehmen  ,  wie  viel  mir  an 
der  Erhaltung  der  Kohlenstadelquelle  gelegen  ist;  in  die  Ver- 
hältnisse des  öffentlichen  Brunnenwesens  der  Stadt  Ulm  einge- 
weiht, ist  mir  genau  bekannt,  dass  der  Verlust  dieser  Quelle  ein 
sehr   fühlbarer,    drückender,    ja    ein    recht    schmerzlicher    und 


—   150   — 

fataler  wäre:  sie  könnte  allerdings  mit  grossen  Kosten  durch  Zu- 
leitung guten  Quellwassers  von  aussen  (zunächst  vom  Ruhethal- 
reviere her)  ersetzt  werden,  allein  ohne  die  grösste  Noth  soll 
man  nie  Quellwasser  auf  Umwegen  nach  dem  Orte  seiner  Be- 
stimmung bringen,  wenigstens  habe  ich  in  meiner  dreissigj ährigen 
Praxis  stets  den  Grundsatz  festgehalten,  Trinkwasser  nie  un- 
nöthig  spazieren  zu  führen,  denn  sonst  wird,  abgesehen  von 
den  ersten  Baukosten,  durch  eine  solche  Procedur  der  bestehen- 
den Generation  wie  allen  künftigen  eine  permanente  Unterhal- 
tungslast einer  langen  Wasserleitung  aufgebürdet.  Zudem  ist  Ulm 
eine  Festung  geworden  —  ein  Grund  mehr,  die  Ausführung  nach 
aussen  greifender  Wasserleitungen,  wenn  immer  möglich  zu  ver- 
meiden, damit  durch  Feindeshand  das  Trinkwasser,  wenn  auch  nur 
zum  Theile,  nicht  abgeschnitten  werden  kann. 

Sehr  wünschenswerth  und  von  den  besten  practischen  Er- 
folgen begleitet,  müsste  die  Creirung  einer  Verordnung  erschei- 
nen, in  Folge  deren  jede  Abtritts enkgr übe,  jedes  Güllen- 
loch, jede  Dungstätte  u.  s.  w.  der  Stadt  in  eine  wasser- 
dichte Grube  oder  Cisterne  umzugestalten  wäre;  "durch  ein 
solches  Vorgehen  würden  auch  alle  anderen  Brunnenwerke  sowie 
die  Pumpbrunnen  Ulms,  die  Diluvialwasser  mögen  im  Laufe  der 
Zeit  von  neuem  ansteigen  wie  sie  wollen,  gegen  Infection  für 
immer  geschützt.  Durch  die  Drainirung  der  P^xcremente  und  des 
ürines  nach  der  Donau  mittelst  Canalisirung,  entzöge  man  viel 
Dünger  landwirthschaftlichen  Zwecken,  überhaupt  würden  sich  der 
Durchführung  eines  solchen  Systemes  noch  andere  Bedenken  und 
Schwierigkeiten  entgegenstellen.  —  Sind  die  fraglichen  Gruben 
einmal  alle  restaurirt ,  d.  h.  ganz  wasserdicht  hergestellt ,  so 
würden  die  betreffenden  Eigenthümer  von  selbst  dazu  kommen, 
den  Inhalt  derselben  in  ziemlich  regelmässigen  Intervallen  aus- 
räumen zu  lassen  und  sicherlich  vorziehen,  ihn  in  seiner  vollen 
Masse  auf  nutzbringende  Weise  der  Landwirthschaft  zu  über- 
geben, statt  denselben  zum  grossen  Nachtheile  des  öffentlichen 
Brunnenwesens  und  der  Sanitätsverhältnisse,  theilweise  vom  Bo- 
den (Sand  und  Kies)  absorbiren  und  die  dichteren  Substanzen, 


—    151    — 

durch  Auslaugung  des  Ammouiakes ,  in  einen  weniger  werthvoUen 
Moder  sich  umwandehi  zu  lassen. 

Mau  beherzige  ja  diese  wohlgemeinte  Andeutung,  um  nicht 
am  Ende  noch  die  Wiederholung  einer  analogen  schlimmen  Kata- 
strophe zu  erleben,  welche  die  Kolilenstadelquelle  betroffen. 

Andere  hydraulische  Angelegenheiten  führten  mich  in  Folge 
einer  Einladung  der  K.  Württemb.  Genie-Direction  im  Januar  1862 
wieder  nach  Ulm.  bei  welcher  Gelegenheit  ich  mich  natürlich 
auch  nach  dem  Schicksale  der  Kohlenstadelquelle  erkundigte,  über 
welche  ich  seit  neun  Monaten  nichts  mehr  gehört  hatte.  Man 
war  gerade  damit  beschäftiget,  dem  Kohlenstadelwerke  gegenüber 
am  linken  Ufer  des  Stadtgrabens  einen  Hülfsschacht  auf  Quell- 
wasser abzuteufen,  um  die  Kohlenstadelquelle  bei  eintretendem 
Wassermangel  nicht  mehr  mit  Blauwasser  vermischen  zu  müssen, 
welche  Schachtabsenkung  ich  schon  in  meiner  Relation  vom 
30.  December  1858  besprochen  hatte.  Das  Stadtschultheissenamt 
veranlasste  mich,  diesen  Schacht  zu  inspiciren  und  über  den  Er- 
fund  zu  berichten:  ersteres  geschah  am  20.  Januar  1862,  letzteres 
von  Stuttgart  aus  am  28.  desselben  Monates. 

Eine  Nachricht  über  diese  Schachtabteufung,  die  von  recht 
guten  Folgen  begleitet  zu  werden  verspricht,  gehört  eigentlich 
nicht  in  den  Bereich  meiner  gegenwärtigen  Betrachtungen,  allein 
es  versteht  sich  von  selbst,  dass  ich  die  mir  gebotene  günstige 
Gelegenheit  benützte,  das  ganze  Kohlenstadelbrunnenwerk  von 
unten ,  seinem  Saug  -  und  Druckwerke  an ,  bis  ins  Kesselhaus 
hinauf  zu  visitiren:  als  ich  letzteres  am  20.  Januar  d.  J.  in  Be- 
gleitung des  Stadtbaumeisters  Schmid  betrat,  kam  mir  trotz 
dem  voll  ausströmenden  Wasser  kein  widerlicher  Geruch  mehr 
entgegen  (allerdings  war  gerade  auch  eingelassenes'  Blauwasser 
mit  dem  Quellwasser  vermischt),  das  in  den  Kessel  fliessende 
Wasser  war  rein  und  klar,  und  hatte  einen  guten  milden  Ge- 
schmack, die  ehedem  in  Unzahl  aufgetretenen,  knollig  oder 
schwammartig  aufgetriebenen  Algen  waren  verschwunden  und  nur 
an  einigen  Stellen  des  Kessels  entdeckte  ich  einen  schleimartigen 
Ueberzug,    der    an   die   frühere  Entwickelung  dieser  Algen   er- 


—    152    — 

innerte;  kurz,  ich  war  freudig  ergriffen,  denn  eine  neue  Besse- 
rung des  Quellwassers  war  in  die  Augen  springend. 

Nachdem  ich  nun  die  neuesten  Brunnenacten  durchging,  fand  ich 
die  Richtigkeit  meiner  gemachten  Wahrnehmungen  bestätiget;  — 
um  mich  kurz  zu  fassen:  das  inficirte  Quellwasser  des  jS^ohlen- 
stadelwerkes  hatte  sich  iii  so  weit  gebessert,  dass  es  wenigstens 
für  die  Gesundheit  unschädlich  und  wieder  geniessbar  gewor- 
den ist. 

Kreismedicinalrath  Dr.  Leube  zu  Ulm  sagt  hinsichtlich 
dieses  Gegenstandes  in  seiner  Aeusserung  vom  2.  December  1861 
u.  a.  folgendes: 

„Nach  der  Untersuchung  vom  2.  November  (1861)  erscheint 
gegen  die  früheren  Untersuchungen  und  insbesondere  gegen  die 
letzte  vom  25.  October  der  Gehalt  des  Wassers  allerdings  etwas 
besser;  es  fanden  sich  0,11  Gran  weniger  organische  Materie  und 
0,29  Gran  weniger  unorganische  Bestandtheile  (Salze).  —  Ueber 
den  Kohlensäuregehalt  ist  nichts  Näheres  gesagt,  als  dass  er 
normal  war;  die  Temperatur  zeigte  sich  bei  gleicher  äusserer 
Temperatur  von  10^  R.  V2  Grad  kühler,  d.  h.  sie  hatte  statt 
90,  wie  am  25.  Oct.  8V2^-  —  Gross  ist  freilich  hienach  die  Bes- 
serung desZustandes  nicht;  man  kann  zwar  das  Wasser  nach  dem 
physikatamtlichen  Gutachten  ohne  Nachtheil  für  die  Gesundheit  trin- 
ken, allein  0,28  Gran  organischer  Bestandtheile  in  einem  Schop- 
pen Wasser,  von  denen  nicht  gesagt  ist,  ob  sie  thierischen  oder 
vegetabilischen  Ursprungs  sind,  gehören  nicht  in  ein  reines 
Quellwasser"  u.  s.  w. 

Ich  enthalte  mich,  auf  das  Weitere  was  diese  Aeusserung 
enthält,  einzugehen,  weil  ich  es  nicht  in  allen  Theilen  mit  meinen 
an  Ort  und  Stelle  gewonnenen  Resultaten  in  Einklang  zu  bringen 
vermag;  —  meine  Ueberzeugung  über  die  Grundursache  der  Ver- 
unreinigung der  Kohlenstadelquelle  und  die  zur  Beseitigung  des 
Uebelstandes  anzuwendenden  Mittel  sind  in  den  gegenwärtigen 
Blättern  geschildert. 

Die  Bestandtheile  des  Kohlenstadel quellwassers  zeigen  zuweilen 
ein  variables  Verhalten;  es  lässt  sich  manchmal  mit  Appetit, 
hin  und   wieder  mit  einiger  Unlust  trinken  und  nach   den  Be- 


—    153    — 

obaclitimgen  des  Stadtbaumeisters  Sclimid,  die  er  mir  kürzlich 
mündlich  mittheilte,  steht  die  vorübergehende  Besserung  und  Ver- 
schlimmerung des  Wassers  im  Quellenraume  des  Kohlenstadels 
gegenwärtig  mit  der  Ausräumung  und  Füllung  einer  zur  Zeit  noch 
nicht  corrigirten  Abtrittgrube  (der  Stelle  Num.  17  meines  Be- 
richtes vom  3.  Dezember  1860)  in  wahrnehmbarem  Zusammen- 
hange. Ich  habe  der  Sache  Erwähnung  gethan  in  meinem  neuesten 
Gutachten  vom  28.  Januar  1862 :  „die  Gewinnung  weiteren  Trink- 
wassers für  das  Kohlenstadel  werk  mittels  Abteufung  eines  Schach- 
tes am  linken  Ufer  des  Stadtgrabens  betreffend,"  weil  das  Schick- 
sal dieses  Schachtes  strenge  genommen  organisch  mit  dem  der 
Kohlenstadelquelle  zusammenhängt  —  einige  Worte  über  denselben : 
Das  wichtigste  vorläuhge  Ergebniss  dieses  31'  langen  und 
14'  breiten  Hülfsschachtes ,  welcher  am  20.  Jan.  1862  eine  Tiefe 
von  14'  3"  2'"  erreicht  hatte  mit  einer  Quellwasserhöhe  von 
2'  2"  5'",  ist,  dass  der  Spiegel  des  in  ihm  angehauenen  Wassers 
12'  unter  dem  der  vorbeifliessenden  Blau  (Stadtgraben)  stand. 
Der  zwischen  dem  Scliachte  und  dem  Stadtgrabenufer  stehen  ge- 
bliebene Terrainklotz  ist  10'  stark  und  bildet  erfreulicher  Weise 
einen  wasserdichten  Damm,  welcher  die  Vermischung  des  Blau- 
wassers mit  dem  im  Diluvium  bereits  erschlossenen  Quellwasser 
verhindert;  letzteres  ist  klar,  dem  Geschmacke  nach  mild  und 
gut,  dringt  von  der  Sohle  senkrecht  aufwärts  empor  und  wird 
in  grösserer  Tiefe  auch  noch  weitere  und  bedeutendere  Zuflüsse 
erhalten,  der  Quellwasserzunahme  in  anderen  Diluvialgebilden 
analog.  Temperaturmessungen  des  Schacht-  und  Blauwassers 
nahm  ich,  um  Täuschungen  zu  entgehen,  keine  vor,  weil  die 
Schachtpumpen  gerade  nicht  in  Activität  gesetzt  werden  konnten 
und  die  Lufttemperatur  (ungefähr  10<^  Kälte)  auf  das  im  offenen 
Schachte  ruhig  stehende  Quellwasser  influirte.  —  Dass  diese  bei- 
den Wasser  (das  des  Hülfsschachtes  und  der  Blau)  nicht  mit  ein- 
ander communiciren ,  ward  auch  durch  die  grosse  Differenz  der 
Höhenlage  ihres  Wasserspiegels  (12')  vollkommen  bestätigt:  die 
Befürchtung,  man  sei  auf  Blauwasser  gestossen,  oder  selbiges 
influenzire  auf  den  Schacht,  entbehrt  also  jeglichen  Grundes; 
dass  übrigens  das  neue  Quellschachtwasser  in  einer  wenn  auch  nur 


—    154   — 

langsam  sich  äussernden  Communication  mit  dem  der  Kohlen- 
stadelquelle  stehen  wird ,  ist  in  dem  dortigen  Diluvialterraine  un- 
bedingt anzunehmen,  jeden  Falles  muss  aber  in  Folge  der  Situa- 
tion beider  Punkte  oder  der  Entfernung  derselben  von  einander, 
das  Quellwasser  des  Schachtes  besser  als  das  gegenwärtige  des 
Kohlenstadels  sein.     Analysen  werden  s.  Z.   das  Nähere  besagen. 

Die  geringe  Menge  organischer  (thierischer)  Stoffe,  welche 
das  Kohlenstadelquellwasser  jetzt  noch  enthält,  mögen  daher  rühren, 
dass  der  stark  inficirte  Terrainstock  noch  nicht  lange  genug  durch 
die  Thätigkeit  der  Pumpen  im  Brunnenwerke  ausgelaugt  worden, 
oder  auch,  dass  die  in  meinem  Berichte  vom  3.  December  1860 
beantragte  Abhülfe  „wasserdichte  Betonirung  verschiedener  Gru- 
ben" immer  noch  nicht  in  der  gehörigen  Ausdehnung  durchge- 
führt worden  ist. 

Der  letztere  Umstand,  ich  möchte  sagen  „Uebelstand"  hat 
am  meisten  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  denn  es  ist  und  bleibt 
beobachtete  Thatsache,  die  nie  und  nimmer  in  Abrede  gestellt 
werden  kann,  dass  das  verdorbene  Quellwasser  des  Kohlenstadel- 
werkes  von  der  Zeit  an  nach  und  nach  besser  geworden  ist, 
in  welcher  mehrere  von  mir  beantragte  Abtrittsenkgruben  etc. 
wasserdicht  hergestellt  worden  sind ;  —  wäre  nach  diesem  Systeme 
auf  die  in  meinem  Berichte  vom  3.  December  1860  bezeichnete 
Weise  bis  zu  Ende  fortgefahren  worden,  so  hätte  das  fragliche 
Quellwasser  höchst  wahrscheinlich  bereits  seine  ursprüngliche 
Güte  wieder  vollständig  erlangt. 

Von  meinem  Standpunkte  ausgegangen  bin  ich  also  noch  nicht 
ganz  zufrieden  gestellt ;  hoffen  und  wünschen  wir  aber ,  dass  es 
den  fortgesetzten  Bemühungen  der  städtischen  Behörden  gelinge, 
die  noch  im  Wege  stehenden,  zwar  widerlichen ,  keinesAvegs  aber 
unüberwindlichen  practischen  Hemmnisse  vollends  zu  beseitigen, 
und  dass  ich  bald  in  den  Fall  kommen  möge,  verkündigen  zu  können : 

„Das  Verhalten  der  Kohlenstadelquelle  lässt  nichts  mehr  zu 
wünschen  übrig;  sie  ist  ganz  zu  ihrer  ursprünglichen  Güte  und 
Reinheit  zurückgekehrt,  und  die  Anlegung  einer  kostspieligen 
Wasserleitung  vom  Michelsberge  nach  der  Stadt  ist  dadurch  über- 
flüssig geworden." 


—    155    — 

Wenn  Professor  Dr.  Hugo  von  Mohl  zu  Tübingen,  in 
seinem  Schreiben  an  Apotheker  J.  G.  Kissling  (21.  October 
1860)  u.  a.  sagt,  „Eine  solche  ekelhafte  und  abscheuliche  Un- 
reinlichk^it  ist  mir  noch  nie  in  einem  Brunnenwasser  vorge- 
kommen,^- so  möchte  ich,  da  ich  schon  so  manche  Quellenläufe, 
Brunnenstuben  und  Wasserleitungen  im  In-  und  Auslande  zu 
untersuchen  und  zu  corrigiren  hatte ,  wohl  noch  weiter  gehen  und 
behaupten,  dass  eine  so  kolossale  Verunreinigung  eines  Quell- 
wassers nebst  der  organisch  damit  zusammenhängenden  Bildung 
von  Algen  in  Unzahl,  wie  es  bei  der  Kohlenstadelquelle  in  Ulm 
der  Fall  war,  —  in  den  Annalen  des  Brunnenwesens  von  ganz 
Deutschland,  ja  vielleicht  von  ganz  Europa  nicht  zu  finden  sein 
wird,  und  wohl  einzig  in  ihrer  Art  dasteht! 


6,  Der  Hohlenstein  und  der  Höhlenbär. 

Von  Dr.  Oscar  Fr  aas  in  Stuttgart. 

Das  riüsschen  Lone  oder  auch  Londel  auf  der  Höhe  der 
ülmer  Alb  gehört  zu  den  seltenen  Flüssen,  die  mitten  in  ihrem 
Lauf  in  zerklüftete  Gebirge  verschwinden,  um  nach  einigen  Stun- 
den unterirdischen  Laufes  wieder  hervorzuquellen.  Der  Fluss 
entspringt  1726  P.F.  über  dem  Meer  im  Dorfe  Urspring  aus 
einem  15'  tiefen  Kessel,  ein  frisches,  herrliches  Albwasser  mit 
Forellen,  das  ringsum  saftige  Wiesen  schafft,  eine  wahre  Oase  in 
dem  dürren  Felsenland.  Doch  nicht  lange  währt  die  Freude. 
Schon  nach  2stündigem  Laufe  unterhalb  Breitingen,  wo  der  Lon- 
del die  letzte  Mühle  treibt,  wird  er  von  1000  zu  1000  Fuss 
schwächer  und  kleiner  und  verschwindet  endlich  ganz.  Sein 
Thalbett  freilich  hört  nicht  auf,  aber  mit  Ausnahme  der  Schnee- 
wasserzeit und  lange  währender  Regenfälle  lauft  kein  Tropfen 
darin.  4  Stunden  lang  geht  man  durch  das  romantische  Trocken- 
thal mit  seinem  Felsen- Gehäng  und  Buchenrand,  das  nur  bei 
Nerstetten  und  Setzingen  im  Gebiet  der  Platten-Kalke  sich  et- 
was verflacht.  Verfolgt  man  das  Thal  in  seinen  vielfachen  Win- 
dungen, so  wird  man  bei  Dorf  Lonthal  plötzlich  wieder  von 
Wasser  überrascht:  jede  Felsspalte  wird  hier  zur  Quelle  und  mit 
dem  sog.  Hürbel  (bei  Hürben  entspringend)  vereinigt  mündet 
unterhalb  Burgberg  schliesslich  wieder  ein  recht  anständiger 
Fluss  in  die  Brenz.  Auf  unterirdischen  Wegen,  denen  freilich 
kein  Mensch  zu  "folgen  vermag,  fliesst  der  Londel  dahin,  das 
ganze  w^eisse  Jura-Gebirge  ist  dort  wie  unter  der  Erde  so  auch 
am  Tage  zerklüftet.  Erdfälle,  Trichter,  Höhlen  in  historischer 
und  vorhistorischer  Zeit  gebildet  bezeichnen  die  Gegend.    Zwi- 


—   157    — 

sehen  Aselfingen  und  Bissingen,  auf  ersterer  Markung  tritt  ein 
massiger  Marmorfels  50'  hoch,  über  100'  breit  in  das  Lonethal 
herein,  es  ist  der  Hohlenstein.  Eine  hoch  gesprengte  Grotte, 
der  Stadel  genannt,  füllt  alsbald  in  die  Augen,  sie  ist  geräumig, 
um  über  100  Menschen  zu  fassen  und  war  offenbar  in  früherer 
Zeit  verschanzt.  Eine  4'  hohe  Brustwehr-Mauer  schützt  den  Ein- 
gang; sie  soll  römischen  Ursprungs  sein.  Wohl  möglich,  denn 
ein  kleines  Versuchsloch  in  dem  schwarzen,  humusreichen  Boden 
der  Grotte  brachte  alsbald  etrurische  Scherben  von  terra  siglllata 
zu  Tag.  Im  Hintergrunde  des  Stadels  führt  ein  schmaler 
Schlupf  noch  tief  in  den  Fels  hinein.  Ist  man  eine  kleine  Strecke 
gekrochen,  so  kann  man  bald  wieder  auf  die  Beine  stehen,  all- 
mählich aber  wird  die  Höhlung  zur  engen  Gebirgsspalte,  eine 
vortreffUche  Bergfeste  für  Reinecke  Fuchs  und  Grimmbart  den 
Dachs.  Westlich  von  der  Grotte,  nur  wenige  Schritte  vom  Ein- 
gang 1643'  ü.  d.  M.  ist  eine  zw^eite  niedrige  Oeffnung  vom  Wald- 
gebüsch fast  zugedeckt,  sie  führt  120  Fuss  lang  durch  einen 
ähnlichen  schmalen  Gang,  in  dem  man  nur  gebückt  vorwärts 
kommt.  Da  erweitert  sich  auf  einmal  der  Gang  zu  einer  30' 
hohen  Halle,  40'  im  Durchmesser,  hinter  ihr  folgt  eine  zweite 
noch  breitere  und  weitere  und  am  Ende  eine  dritte  sehr  weite 
aber  niedrige,  von  welcher  noch  verschiedene  Gänge  und  Klüfte 
in  das  Innere  abzweigen,  durch  die  sich  ein  Mann  jedoch  nicht 
mehr  winden  kann.  Jagdhunde  schlupfen  noch  tief  in  den  Berg, 
dass  man  sie  kaum  mehr  bellen  hört,  viele  fanden  schon  ihren 
Tod  in  den  Labyrinthen.  Der  Boden  der  im  Ganzen  250'  langen 
Höhle  besteht  aus  fettem  gelbem  Lehm,  kalkfrei,  unlöslich  in 
Säure,  demselben  Lehm,  der  in  der  Gegend  das  Jura -Gebirge 
deckt,  vermengt  mit  eckigen  vom  Wasser  durchaus  nicht  ge- 
schobenen Kalkbruchstücken  in  der  verschiedensten  Grösse.  Der 
Lehm  ist  augenscheinlich  vom  Wasser,  das  stets  vom  Dach  der 
Höhle  herab  träufelt,  hereingewaschen,  die  Kalkbruchstücke  von 
der  Grösse  einiger  Linien  an  bis  zu  Felsblöcken  von  100  Cent- 
nern und  darüber  sind  ebenso  augenscheinlich  vom  Hangenden 
losgebrochen  und  gleichen  vollständig  dem  Schutt,  der  am  Fuss 
aller  Jura -Felsen  sich  anlagert.    Diese  Höhle  nun  war  —  nach 


—    158    — 

den  Kesultaten  mehrwöchentlicher  sorgfältiger  Ausgrabungen  — 
zu  verschiedenen  Zeiten,  und  zwar  in  geschichtlicher  wie  in  vor- 
geschichtlicher Zeit,  die  Zufluchtstätte  von  Menschen  und 
Thieren:  Die  Reste  der  Ersteren  liegen  in  dem  obersten  Fuss 
Lehm,  die  der  Letzteren  in  den  unteren  6 — 15  Füssen.  In  der 
ersten  Halle,  die  zugleich  das  tiefste  Niveau  einnimmt,  lagen  die 
Reste  dieser  alten  Höhlenbewohner  so  zahlreich,  dass  jeder  Hieb 
Knochen,  Zähne  und  Scherben  hervorbrachte.  In  den  ersten  Ta- 
gen der  Ausgrabungen  war  die  Erscheinung  sehr  bedenklich,  dass 
Thonscherben  rohen  Fabrikates  und  Kohlenreste  mit  Zähnen  und 
Knochen  von  Höhlenbär  ganz  entschieden  nebeneinander  lagen: 
es  war  keinerlei  Täuschung  möglich,  denn  in  der  ganzen  ersten 
Halle  zog  sich  ein  schwarzes  Kohlenband  1 — 4  Zoll  mächtig  durch 
den  Lehm;  es  war  die  Zeit,  da  Menschen  in  der  Höhle  ihre  Zu- 
fluchtstätte fanden.  lieber  dem  Kohlenband  mit  seinen  Gefäss- 
Scherben  und  Kunstprodukten  lagen  durchschnittlich  8  Zoll  Lehm, 
ganz  derselbe  Lehm  wie  unter  der  Kohle,  voll  Knochen  und 
Zähnen  von  Höhlenbär.  Bald  aber  klärte  sich  die  Erscheinung 
auf:  der  Boden  der  Höhle  ist  durchwühlt  von  Fuchs  und  Dachs 
und  wenn  auch  von  Menschen  Hand  der  Boden  noch  unberührt 
da  lag,  die  Wühlarbeiten  der  Vierfüssler  waren  so  energisch, 
dass  auf  ihre  Rechnung  allein  die  8  Zoll  Lehm  über  der  Kohl- 
platte zu  schreiben  sind.  Bald  zeigte  sich  auch,  dass  in  diesem 
oberen  Lehm  zwar  Zähne,  Wirbel,  Phalangen,  Fusswurzel-Kno- 
chen,  überhaupt  nur  kleinere  Knochen  und  Knochenstücke  lagen, 
Stücke  aber  von  grösserer  Dimension  und  Schwere,  wie  Schädel, 
Schenkel-,  Armknochen  u.  s.  w.  nicht  gefunden  wurden.  Hienach 
sonderten  sich  bald  die  Reste  der  Kohlplatte  als  aus  historischer 
Zeit  stammend  von  denen  der  untern  Lehme,  welche  dem  Alter 
des  Mammuth  und  Höhlenbären  angehören.  Der  historischen 
Reste  soll  hier  nur  kurz  Erwähnung  geschehen,  ihr  Alter  von 
Sachkennern  bestimmt,  bürgt  vollends  dafür,  dass  an  ein  Zu- 
sammenleben von  Mensch  und  Bär  in  diesem  Falle  nicht  gedacht 
werden  darf.  Gleich  am  Eingang  in  die  erste  Halle,  dem  Ein- 
tretenden zur  rechten  Hand,  war  augenscheinlich  die  Feuerstelle 
der  Menschen,   hier  war  die  Kohlenschichte  im  Lehm  am  stärk- 


—    159   — 

sten  und  viele  hundert  Scherben  von  Schüssehi,  Häfen  und  Tel- 
lern lagen  in  der  Asche  zugleich  mit  angebrannten  oder  frischen 
Knochen  von  Hirsch,  Schwein,  Schaf  u.  s.  w.  Von  einer  Zu- 
sammenfügung der  mehr  oder  minder  rohen  Scherben  war  keine 
Rede  mehr,  in  der  Regel  sind  sie  auch  so  klein  zerschlagen,  dass 
selbst  die  Form  und  Umrisse  des  Gefässes  nicht  mehr  erkannt 
werden  konnten.  Am  Eingang  zur  Höhle  lagen  sie  am  häufig- 
sten, doch  zerstreuten  sie  sich  von  der  Kohlplatte  über  die  ganze 
Halle  und  fanden  sich  mit  ihnen  noch  Steinbeile  aus  Serpentin, 
Bronce-Stücke,  durchbohrte  Pferdezähne  als  Amulett  getragen, 
Knochen  und  Geweih -Stücke  von  Hirsch,  die  roh  verarbeitet 
scheinbar  zu  Handgriifen  oder  Aelmlichem  gedient  haben  moch- 
ten. Der  ausgezeichnete  Kenner  altgermanischer  Kunst-Gegen- 
stände, H.  Linden  Schmidt  in  Mainz  gab  sein  lichtvolles  Gut- 
achten über  die  Menschenreste  des  Hohlensteius  dahin  ab, 
dass  die  Gefässscherben  aus  verschiedenen  Jahrhunderten  stam- 
men, jedoch  selbst  die  ältesten  aus  keiner  früheren  Zeit,  als  dem 
ersten  Jahrhundert  vor  Christus.  Diese  ältesten  sind  Fragmente 
grosser  Töpfe  mit  starker  Wandung,  von  cylindrischer  Gestalt, 
Die  Thonmasse  sieht  kaum  gebrannt  aus  und  ist  stark  mit  Quarz- 
sand und  Bohnerzkörnern  gemengt;  diese  Mengung  hat  ihren 
Grund  einerseits  in  dem  Umstand,  dass  der  unvermengte  feinere 
Thon  schon  beim  Formen,  das  aus  der  Hand  geschah,  leichter 
reisst,  andrerseits,  dass  mangelhaft  gebrannte  Gefässe,  wie  z.  B. 
alle  altgermanische  Grab-Urnen  geeigneter  werden,  den  Wechsel 
von  Erhitzung  und  Abkühlung  bei  einem  durch  Luftzug  beweg- 
ten Feuer  auf  offenem  Felde  leichter  zu  überdauern.  Der  Ober- 
rand der  Gefässe  ist  nur  wenig  überworfen,  entweder  in  sehr 
stumpfem  Winkel  oder  in  leichter  Biegung,  nicht  weit  unter  dem 
Rand  lauft  eine  Art  Ornamentik  in  Gestalt  eines  umgelegten 
Strickes  oder  mit  kreisförmigen,  durch  Eindrücke  der  Finger- 
spitzen hervorgebrachten  Einkerbungen.  —  Jünger  ist  die  zweite 
Art  von  Scherben,  die  bereits  eine  weiter  vorgeschrittene  Be- 
handlung des  Thones  zeigt  und  ein  Streben  nach  Verzierung  mit- 
telst paralleler  Streifung,  die  bei  den  grössern  urnenartigen  Ge- 
fässen  am  Halse,   bei  den  Schüsseln  und  Tellern  an  den  Innern 


—    160    — 

Seite  des  breiten  Randes  angebracht  ist.  Ihre  Färbung  durch 
Gelb,  Roth  und  Schwarz,  letzteres  durch  Graphit,  ist  unverkenn- 
bar. Theilweise  besteht  hier  noch  die  Mischung  mit  Quarzsand, 
theilweise  ist  der  Thon  schon  sorgfältig  gereinigt  und  eine  ge- 
schmackvollere Ausführung  bemerkbar.  —  Die  dritte  Art  Scher- 
ben umfasst  Gefässe  von  unzweifelhaft  römischer  Technik  vor 
der  Mitte  des  4ten  Jahrhunderts  n.  Chr.  Sie  stimmen  voll- 
ständigst mit  anderem  römischen  Fabrikate,  das  z.  B.  in  Bonn, 
Mainz,  Trier,  Cöln  gefunden  wird.  „Es  fallen  demnach"  —  meint 
Linden  Schmidt  —  „Die  Gefäss-Scherben  des  Hohlensteins  in 
„den  Zeitrahmen  vom  Isten  Jahrhundert  vor  bis  zum  4ten  Jahr- 
„hundert  nach  Christi  Geburt.  Selbst  die  ältesten  der  ersten 
,,Art  sind  besser  gebrannt,  als  es  bei  den  Gefässen  der  ,,Stein- 
„periode"  der  Fall  ist,  besonders  fehlen  auch  die  kleinen  Tassen 
„und  Becher,  wie  man  sie  aus  den  alten  Grabhügeln  kennt.  Das 
„höchste  Alter  der  Hohlenstein-Reste  dürfte  etwa  mit  dem  der 
„Schweizer  Pfahlbauten  zusammengestellt  werden.  Nun  gleichen 
„aber  die  Kulturzustände  auch  der  ältesten  Pfahlbauten  voll- 
„kommen  denjenigen,  welche  die  Römer  zuerst  bei  den  deutschen 
,, Stämmen  fanden  und  durch  die  Kunst  des  Webens,  Stricke- 
„flechtens,  des  Waizen-  und  Obstbaues,  vorgeschrittene  Töpferei, 
„Bohrung  der  Steinäxte  u.  s.  w.  bezeichnet  werden.  Der  Fund 
„von  Steinäxten  im  Hohlenstein  steht  mit  solcher  Altersbestimm- 
„ung  durchaus  nicht  im  Widerspruch.  Die  beliebte  Zeitstellung 
„dieser  als  Waffe  und  Werkzeug  gleichmässig  benüzten  Geräthe 
„in  eine  Frühzeit  von  mehr  als  einem  Jahrtausend  vor  Christus 
„ist  um  so  weniger  hier  gestattet,  als  die  sorgfältige  Bearbeitung, 
„der  schöne  Schliff,  die  ganze  Form  mit  den  Steinbeilen  stimmt, 
„welche  z.  B.  in  Mainz  in  römischen  Cisternen  gefunden  wurden, 
„die  ihre  Zerstörung  nach  Erstürmung  des  Lagers  durch  die 
,, Germanen  fanden.  Das  Steinbeil  reiht  sich  an  die  mit  Hörn 
„geschärften  Lanzenspitzen,  deren  Plinius  erwähnt,  an  die  brand- 
„harten  Speere  und  andere  alterthümliche  oder  naturzuständliche 
„Waffen  der  historischen  Zeit.  —  Die  durchbohrten  Pferdezähne 
„sind  Reste  eines  freilich  barbarischen  Halsschmucks,  vielleicht 
„als   Amulett    getragen,     Bärenzähne    zwischen  Bernsteinperlen 


—   161    — 

„finden  sich  z.  B.  noch  in  fränkischen  Gräbern.  Die  Fibula  von 
„Bronce  ist  entschieden  römisches  Fabrikat,  und  aus  dem  Alter 
„der  Urnenscherben  Xr.  IL  Als  Ornamentik  ist  auf  derselben 
„der  Zickzack  zu  bemerken,  der  am  ehesten  auf  spätrümische 
„Zeit  hinweist.  —  Solche  Auseinandersetzungen  des  sachkundigen 
Archäologen  unterdrückten  vollends  jeden  Gedanken,  als  lägen, 
im  Hohlenstein  Reste  von  Ureinwohnern,  die  etwa  noch  im  Kampf 
gelegen  hätten  mit  dem  vorhistorischen  Höhlenbären :  zudem  zeigte 
schliesslich  weder  der  Menschenschädel,  der  in  der  Kohlplatte 
lag,  noch  die  Knochen  und  Zähne  von  Hirsch,  Schwein,  Pferd, 
Ochse,  Schaf,  Ziege,  Reh  u.  s.  w.  irgend  eine  Abweichung  von 
den  lebenden  Arten. 

Der  Höhlenbär.      Ursiis  Sjjelceus  Blb. 

Erst  unter  der  Kolilplatte  mit  den  Menschen-Resten  lagen 
die  massenhaften  Anhäufungen  von  Knochen,  die  zu  98  Procen- 
ten  dem  Bären  angehören.  Es  überstieg  ihre  Menge  an  einigen 
Stellen  in  der  That  alle  Begriffe,  jeder  Hieb  traf  auf  Knochen, 
die  grösstentheils  wohl  erhalten,  theilweise  wie  frisch  macerirt 
aus  dem  feuchten,  fetten^  Lehm  sich  herausschälten.  Ueber  7000 
Stück  Knochen  wurden  des  Transports  nach  Stuttgart  für  würdig 
erachtet,  über  3000  mögen  bei  der  Grabarbeit  zerschlagen  oder 
als  mangelhaft  nicht  mitgenommen  worden  sein,  so  dass  zum 
Mindesten  10,000  Stücke  gefördert  wurden.  Diese  Knochen  alle 
lagen  in  den  2  vorderen  Hallen,  welche  jedoch  nur  auf  6'  aus- 
gegraben werden  konnten.  Der  Lehm  ist  zwar  viel  mächtiger, 
ein  Versuchsloch  in  Gemeinschaft  mit  einem  Fuchsrohr  zeigte 
gegen  15'  Fuss  Lehm ;  ohne  grossen  Kostenaufwand  war  es  aber 
nicht  möglich  tiefer  zu  gehen,  zumal  bald  auch  ein  Zustand  der 
Sättigung  eintrat,  da  eben  immer  und  immer  nur  Bären-Reste 
zum  Vorschein  kamen.  Höchstens  traf  man  ausser  ihnen  noch 
Spuren  ihrer  Mahlzeiten  in  Gestalt  von  angenagten  oder  zer- 
brochenen Knochen  von  Pferd,  Elennthier,  Hirsch,  Ochse,  Ele- 
phant.  Sämmtliche  Knochen  lagen  zerstreut  im  Lehm ,  kein 
Wirbel  neben  Wirbel,  oder  Wadenbein  neben  Schienbein,  alles 
lose  für  sich,  ohne  jegliche  Spur  von  Zusammenhang.    Vom  Leim 

WUrttemb.  naturw.  Jahreshefte.    1862.    23  Heft.  11 


._    162    — 

des  Knochens  ist  nur  wenig  verloren  gegangen,  wenn  das  sp.  Ge- 
wicht eines  frischen  Knochens  1,69  beträgt,  so  ist  das  der  Hohlen- 
stein  Knochen  1,65.     Ihr  frisches  Aussehen,   ihre   ausgezeichnete 
Erhaltung  berechtigt  zu  der  Annahme,    dass  sie   nie    am  Tage 
gelegen  und  etwa  erst  in  Folge  irgend   eines  Ereignisses  in  die 
Höhle  geführt  worden  wären.    Vielmehr  kann  man  sich,  je  länger 
man  den  Knochenlagern  nachgeht,  um  so  weniger  dem  Eindruck 
entziehen,  dass  die  Bären  in  der  Höhle  fielen   und  faulten.     Die 
Kadaver  blieben  liegen  bis  die  Bänder   sich  lösten ,    worauf  die 
Knochen  von  den  lebenden  Bären  verschleppt,  zerstreut  oder  in  den 
immer  feuchten  Boden  getreten  wurden,  der  namentlich  bei  Regen- 
wetter durch  Verwaschung  des   zu  Tage  liegenden  Lehmes  einst 
wie  jetzt  noch  in  der  Höhle  sich  bildete  und  die  auf  der  Ober- 
fläche liegenden  Gegenstände  nach  und  nach  einhüllte.   Die  Zahl 
der  Individuen  auch  nur  zu  schätzen,    ist  kaum  möglich.     Viele 
hundert  gaben  jedenfalls  ihre  Knochen  her  nur  für  unsere  Aus- 
grabungen.    40  Schädel  und  70  Schädel- Stücke   weisen   auf  110 
Individuen,  375  Unterkiefer-Hälften  auf  mindestens  186  hin.    Nun 
passen  aber  die  Unterkiefer-Hälften  weder  unter  sich  zusammen, 
noch  zu  den  Oberkiefern  und  Schädeln,    so   dass  man  wohl  400 
Individuen  nur  aus  den  Kopfstücken  erhält,     90  Atlase,  80  Epi- 
stropheus,  200  Halswirbel  u.  s.  w.  passen  gleichfalls  weder  unter 
sich,  noch  zu  den  Condylen  des  Hinterhaupts,  dass  auch  aus  diesen 
wieder  ein  neuer  Zuwachs  zu   der  Gesammtzahl   der  Individuen 
erwächst  u.  s.  w.  Alle  Altersstufen  sind  vertreten  vom  zartesten 
Fötal-Knochen  an  bis  zur  Altersdegeneration,  vom  Milchzahn  bis 
zu   den  Zähnen,    die  bis  zur  Wurzel  abgekaut  sind,    ebenso   die 
Geschlechter,  endlich  Krankheiten  und  Wunden,  dass  eine  voll- 
ständige Monographie   des  Höhlenbären   auf  Grund   des   ausge- 
grabenen Knochen -Materials  geliefert  werden  kann.    In  Nach- 
folgendem möchte  ich  zu  den  vielen  schätzenswerthen  Arbeiten, 
die  schon  über  den  Höhlenbären  erschienen  sind,    einige  sicher- 
lich nicht  uninteressante  Beiträge  aus  dem  Hohlenstein  liefern. 


163 


I.    Knochen  des  Kopfes. 

Die  nachstehenden  Messungen  -werden  zeigen,  welche  Grösse 
der  Höhlenbär  erreichte,  eine  Grösse,  welche  weder  die  in  Fran- 
ken, noch  in  Belgien  und  Frankreich,  noch  im  Süd-Russland  ge- 
fundenen Stücke  aufzuweisen  im  Stand  sind.  Schmerlings  gröss- 
ter  Schädel  misst  468  Mm.,  Nordmann's  488,  aus  dem  Hohlen- 
stein  übersteigen  mehrere  dieses  Mass,  wenn  auch  die  durch- 
schnittliche Grösse  nur  475  beträgt.  So  wenig  irgend  ein  Zweifel 
an  der  Species  „Ursus  spelceus^  bei  Verarbeitung  des  colossalen 
Materials  aus  dem  Hohlenstein  auftauchte,  so  sicher  gehören  alle 
dort  gefundenen  Stücke  eben  auch  nur  zu  dieser  Species,  Von 
anderen  Arten  wie  j^^^^^^^  ?  arctoides  ,  Pitorrü  wenn  sie 
wirklich  als  vollwichtige  Species  sich  herausstellen  sollten ,  ist  im 
Hohlenstein  keine  Spur  zu  finden.  Die  Verschiedenheit  der 
Maasse,  sowie  die  Verschiedenheit  der  Stärke  der  Hauer  dürften 
entschieden  in  Alters-  und  Geschlechts-Ünterschieden  ihren  Grund 
finden.  In  der  nachfolgenden  Tabelle  habe  ich  die  Grössen- Ver- 
hältnisse des  U.  Feroxy  die  Nordmann  in  seiner  Monographie 
des  Höhlenbären  pag.  6.  mittheilt  und  die  des  U,  arctos^  nach 
dem  eines  ausgewachsenen  Individuums  zur  Vergleichung  auf- 
genommen. 

1)  Der  Schädel,  Was  vor  Allem  an  dem  ausgewachsenen 
Schädel  in  die  Augen  ftillt,  ist  die  hohe  Stirne  und  die  weite 
Schläfengrube.  Die  entsprechende  Muskel-Fülle  des  musculus  tem- 
poralis  erforderte  eine  reichliche  Versorgung  mit  Blutgefässen 
daher  die  starken  Gefässöffnungen  im  Keilbein  und  die  Knochen- 
wülste am  Jochbein.  Vergleicht  man  mit  dem  ausgewachsenen 
Schädel  den  eines  jungen  noch  im  Zahnwechsel  begriffenen  Thie- 
res,  so  fällt  es  in  der  That  schwer,  auch  nur  annähernde  Aehn- 
lichkeit    in   beiden   zu    erkennen.     Bei   der   geringen   Grösse,*) 


*  Nota.    Im  December  1861  brachte  die  Bärin  in  Wemer'fl  zoolo- 
gischem Garten  2  Junge  zur  Welt,  von  denen  Eines  vollkommen  aUBge- 


164 


Yergleiclicnde  Maasse  vonBärensehädeln  in  Mm. 


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Länge  des  Schädels. 

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«>03CiOi-^oi----'iococ»'<io<:»Qo«aoi 

Breite  des  Schädels 

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über  den  Jochbogen. 

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Höhe  des  Schädels. 

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>_i.M-H*>-it-^l-it-^l— 'l-A                   f-ih-it-il-ll-il— il 

Länge  der  Schnauze 

< 

ooCÄa)-^TOCoooGooocorf^-a'<ii>sos 

bis  zur  vordem 

1 

Augenhöhle. 

fei 

1>S  K^  t>S  t«  05  0  l>£  t>£  li  0  Cr«  0  0  0  tc  0  0 

Höhe  der  Schnauze. 

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iNi  0  CJ«  0  GO          0   Ol  0          C-^  O'  0  C«  0  0  tO 

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OOOOOOOOOOOOOO-ICOOO 

Breite  der  Hinter- 
haupts-Condylen. 

►3 

Ü^OÜ^OiOOO^t^C^O                      OOtf^O           j 

OQOI-ibStSObSOlNÖO^M-^OSÜ'OSCT»    j 

Durchmesser  des 

§ 

Hiuterhauptsloch. 

,»J.|_l.)-l-h^H^I— 1.1— !.(— l^^l— l                l-i.                |_lH^|_l)_l. 

B 

Gehör-Oeffiiungen. 

0 

(—Ih-l-l— ^1— ^l-l|— tH^                      1— l                      )— 1. 

Abstand  beider 

OM-ooo>-ioooooüvh-ciOD'-^-<ia) 

Augenhöhlen. 

CO 

»-"■CS         OOC7<C>'<IC;^OC?^OC<'OOl^SO    , 

y^^^^-^^^            ^                                             ^                      1 

g 

Ot-iOOOOOOOOO^QCCCOCS'X 

ersten  Backenzähne. 

B 

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Abstand  der  zwei 

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i_i,C»>-'-)-'-K-'.t>S)->->-i>-'-OOtC)OOl-'CCiO 
CntxjOOÜiOrf^OOOO                CnOGCOOCC 

letzten  Backenzähne. 

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»-1.                   l-i                                   -                       H*                     i 

Abstand  der  zwei 

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«0000«5©00«OOOOCCOOC»0 

Hauer. 

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Abstand  z\\ischeu 

CJ^Oü^ütasoc;"0^ü^OO^^■OOCfv^s^;^    1;  dem  Hauer  &  einem  | 

«a        i^iiü'Cn        QOü^c;?^,         ►f^.             OCr«o 

Backenzahn. 

^f^rf^©^;>.rfi^  CT«  ►?>.*>>  ü^O   0  0  hf^  rf^  rf^  00  0 

Länge  des  letzten 
Backenzahns. 

t-l                l-l    )_L               1-1                          >-i                           1—1. 

Länge  der  Backen- 
zahnreihe. 

OOOOOOOOOOOOOQOO-a-J 

H^Ütt-i.C>'<II-'t>SC;^0                 WO'QOÜ'OGO 

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-    _    165   — 

welche  die  jungen  Bären  überhaupt  zeigen,  fällt  der  Alters-Ünter- 
schied  auch  bei  U.  arctos  sehr  auf,  jedoch  nicht  in  dem  Maasse 
wie  bei  spelceus.  Es  gewährt  daher  grosses  Vergnügen,  die 
Altersstufen  auch  an  den  einzelnen  Knochentheilen  des  Schädels 
zu  verfolgen,  wie  sich,  gewisse  Verhältnisse  in  der  ersten  Jugend 
sclion  bestimmt  ausprägen. 

Vom  Stirnbein  besitzen  wir  einige  Duzend  ganz  junger 
Individuen,  das  kleinste  von  60  Mm.  Länge  hat  die  Grösse,  die 
sich  an  dem  0^/2  monatlichen  Bären -Skelett  von  Werner  be- 
obachten lässt:  an  diesem  ist  bereits  die  protubercmtia  marginis 
supraorbitalis  sehr  stark  -entwickelt,  welche  dem  ausgewachsenen 
Huhlenbärenschädel  eine  so  eigenthümliche  Physionomie  verleiht. 
Die  Hirnhöhle  ist  bei  unserm  Schädel  Nr.  1  bereits  nahezu  so 
gross,  als  bei  einem  der  ausgewachsenen  ader  alten  Individuen, 
wie  Gyps-Ausgüsse  der  Hirnhöhlen  von  Nr.  1.  und  Nr.  6,  bewei- 
sen, deren  grosses  Gehirn  zwischen  102  und  105  Mm.  misst,  und 
doch  ist  diess  Verhältniss  der  Schädellänge  wie  2:5.  (s.  Tabelle) 
Mit  dem  Wachsthum  der  Thiere  wachsen  nemlich  am  Stirnbein 
nur  noch  die  sinus  frontales.  Am  kleinsten  Stirnbein,  dessen 
Wandung  erst  einige  Millimeter  misst,  zählt  man  bereits  5 — 7 
längs  sich  zur  Nase  ziehende  Höhlen,  die  mit  dem  Wachsthum 
des  Schädels  immer  grösser,  geräumiger  und  blasiger  werden, 
sich  schliesslich  vielfach  theilen  und  verästeln  und  den  Raum 
ausfüllen  zwischen  der  Hirnhöhle  und  der  Nase.  An  alten  Exemp- 
laren, an  denen  weder  Kronennaht  noch  Pfeilnaht  mehr  zu  sehen 
ist,  kann  man  folgende  Maasse  beobachten:  von  der  crista  sagit- 
talls  zur  basis  ossis  sphenoidei  140  Mm.,  der  Piaum  für  das  Ge- 
hirn beträgt  70  Mm.,  10  Mm.  ist  das  Keilbein  dick,  fallen  die 
übrigen  60  Mm.  auf  den  sinus  pariefalis,  während  der  davor  lie- 
gende sinus  frontalis  über   dem  Kolben  des  Siebbeins  gemessen 


bildet  war  und  1  Tag  lebte.  Es  misst  175  Mm.  von  der  Schnauze  zum 
Schwanz.  Von  den  Zähnen  ist  keine  Spur  vorhanden.  Ein  3V2  Monate 
älterer  Blir  aus  der  Nähe  von  Petersburg  520  Mm.  bei  einer  Höhe  von 
240  Millimetern. 


—    166    — 

100  Mm.  Durchmesser  zeigt.  Ganz  ähnlich  ist  es  mit  dem 
Wachsthum  des  Scheitelbeins.  Vor  dem  Verwachsen  der 
Pfeilnaht  zeigt  der  Knochen  eine  Dicke  von  10  Mm.,  mit  ihrem 
Verwachsen  schwillt  der  sinus  um  das  6fache  seines  Volums  an, 
bildet  sich  spongiöse  Knochen-Masse  und  die  hohe,  scharfe  crista 
sagittalis,  welche  den  Schädel  des  Höhlenbären  vor  lebenden 
Arten  auszeichnet. 

Das  Hinterhauptsbein.  An  jungen  Schädeln  ist  weder 
der  pars  basilaris  noch  die  squama  occipitis  mit  den  condyli  ver- 
wachsen. Es  besteht  vielmehr  das  Hinterhauptsbein  aus  den  ge- 
nannten 3  besonderen  Theilen,  die  leicht  auseinanderbrechen. 
Bald  jedoch  verwachsen  diese  Nähte  spurlos  und  bildet  sich  auf 
dem  Basilartheil  eine  protuherantia  pharyngeal  auf  dem  Schuppen- 
theil eine  scharfe  crista  nuchm  aus ,  die  beide  am  braunen  Bären 
vermisst  werden,  während  am  Eisbären  wenigstens  letztere  be- 
obachtet werden  kann.  Im  Gelenktheil  liegen  die  2  Canäle  in 
das  kleine  Gehirn  (das  foram.  jugulare  und  co7idyloideum)  ganz 
auf  dieselbe  Weise  wie  bei  den  lebenden  Bären.  Dagegen  bildet 
sich  am  Basilartheil  zum  Felsenbein  je  ein  protuherantia  jugularis 
aus,  welche  bedeutend  über  dieses  hinabragt.  Es  scheint  diess 
dem  U.  spele&us  eigenthümlich  zu  sein;  bei  den  Schädeln  leben- 
der Arten  ist  es  nicht  der  Fall,  hier  überragt  vielmehr  das 
Felsenbein  die  Protuberanz  des  Grundbeins.  Die  Breite  des 
Grundbeins  über  den  Condylen  verändert  sich  mit  dem  Alter 
nur  wenig,  dessgleichen  der  Durchmesser  des  Hinterhauptslochs, 
wie  unsere  tabellarische  Uebersicht  zeigt.  Es  hängt  diess  mit 
dem  geringen  Wachsthum  des  ganzen  Gehirns  zusammen,  wie 
wir  beim  os  frontale  und  parietale  gesehen  haben. 

Das  Keilbein  zeigt  keine  nennenswerthen  Eigenthümlich- 
keiten.  An  geöffneten  Schädeln  sieht  man  den  Verlauf  der 
5  hintereinander  liegenden  foramina  in  der  Gehirn-Höhle.  Das 
vorderste  kleinste  an  das  Stirnbein  stossende  foramen  dient  zu 
Gefäss- Verbindungen  und  mündet  neben  den  2  Lappen  des  gros- 
sen Gehirns,  hinter  ihm  kommt  das  foramen  opiicum,  dann  fora- 
men rotu7idum  und  ovale. 

lieber   den   olfactorius  und  opticus  kann  kein  Zweifel  sein. 


—    167    — 

Das  dritte  foramen  muss  verbunden  mit  der  ßssura  orhitalis  su- 
perior  als  f.  rotundum  angesehen  werden  zur  Durchlassung  des 
3ten  und  4ten,  des  ersten  und  zweiten  Astes  vom  5ten  und  end- 
lich des  6ten  Nerven.  Das  vierte  foramen  wäre  ovale  für  den 
dritten  Ast  des  5ten,  maxillaris  inferior.  Das  fünfte  diente  für 
Gefässe  und  den  nervusvidianus.  Auf  dem  Grund  des  Keilbeins  vorne 
liegt  endlich  ein  entwickeltes  foramen  vomerobasilare  und  nach 
hinten  der  canalis  caroticus  und  die  tuba  Eustachii,  Auffallend 
stark  entwickelt  findet  sich  wieder  das  Schläfenbein.  Der 
Grund  hievon  sind  abermals  die  sinns  temporales.  Durchsägt 
man  alte  Schädel,  so  trifft  man  hier  ebenso  grosse  Höhlen  und 
Blasen  wie  in  der  Stirn  -  Höhle ,  nach  aussen  folgt  spongiöse 
Knochen-Masse,  immer  dichter  werdend  und  härter,  bis  sie  in 
der  Gelenk-Grube  vollkommen  fest  und  glatt  geworden  ist.  Die 
furchtbare  Stärke  des  procesms  zygomaticus,  der  Gelenk -Grube 
und  des  Gelenk -Hügels  verlangt  weiter  einen  starken  processus 
viastoideiis ,  welche  mit  einander  dem  Bärehschädel  von  unten 
angesehen  den  imposanten  Ausdruck  verleihen.  Zwischen  dem 
Zitzenfortsatz  und  dem  Gelenkbein  liegt  der  äussere  Gehörgang, 
der  16  Mm.  hoch,  von  ovaler  Gestalt  beginnt,  50  Mm.  weit  in 
dem  Tympanbein  sich  hinzieht  und  dabei  auf  8  Mm.  sich  ver- 
engt. Ein  sehr  regelmässiges  Oval  mit  dem  Tympanring  mündet 
in  die  grosse  Paukenhöhle,  die  in  3  Kammern  getheilt  ist,  in  der  in- 
neru  mündet  die  tuba  Eustachii,  in  die  äussere  der  facialis,  von  den 
"Wänden  der  Paukenhöhle  hängen  tropfsteinartig  Knochenzäpfchen 
einige  Mm.  laug  herab.  In  ausgezeichneter  Weise  Hessen  sich  an 
einigen  Exemplaren  die  Gehör -Knochen  prepariren  und  finden 
sich  noch  in  ihrer  Lage  Hammer,  Ambos,  Steigbügel,  Der  erstere 
(malleus)  ist  10  Mm.  lang,  der  Handgrifi"  misst  5,  rechtwinklig 
zum  Handgriff  ein  feiner  proc.  Folianus,  am  Kopf  eine  grosse 
Gelenkgrube  für  den  Ambos  fincusj.  Dieser  ist  eigenthümlich 
gebaut,  5  Mm.  lang,  einer  Keule  zu  vergleichen,  der  Körper  sitzt 
mit  seinem  Kopf  in  der  Gelenk -Grube  des  Hammers  mit  dem 
selben  ein  Knie  bildend;  am  Ende  des  grossen  Fortsatzes,  der 
breit  und  dünn  wird,  ist  der  überaus  zierliche,  3  Mm.  lange, 
1  Mm.   breite  Steigbügel  (stapes)    angebracht.    Er  sitzt  in  der 


—    168    — 

feiiestra  ovalis,  da  sein  Durchmesser  grösser  ist,  als  der  Eingang 
zuv  fenestra,  so  kann  er  nicht  in  die  Paukenhöhle  herausfallen. 
Um  ihn  zu  erhalten,  muss  der  Vorhof  aufgesägt  werden.  Die 
Ineinanderfügung  der  3  ossicula  liegt  vollkommen  klar  vor  Augen : 
der  am  Trommelfell  befestigte  Handgriff  setzt  mittelst  des  knie- 
förmigen  Doppel-Hebels  den  in  der  fenestra  angebrachten  Steig- 
bügel in  Bewegung,  durch  welchen  die  Schallwellen  in  das  Innere 
des  Ohrs  hindurchgehen.  Vom  vestibulum  aus  führt  ein  seitlicher 
Gang  zur  Schnecke  und  fenestra  rotunda.  Gerade  aus  durch's 
Fenster  hindurch  sieht  man  die  äusserst  zarte  und  feine  Oeff- 
nung  des  ersten  halbcirkelförmigen  Canals,  unter  rechten  Win- 
keln liegen  die  2  andern  zu  dem  ersten,  also  dass  die  Canäle 
nach  den  3  Dimensionen  des  Raums  den  äusserst  harten  Knochen 
durchziehen.  Die  Kanäle  sind  so  eng  und  schmal,  dass  es  kaum 
gelingt,  eine  Borste  durchzuzwängen,  und  man  ihren  Verlauf  nur 
durch  mühsames  Auffeilen  verfolgen  kann. 

Das  Siebbein  des  Höhlenbären  ist  nicht  weniger  eigen- 
thümlich.  Es  bildet  —  von  innen  gesehen,  2  Kolben ,  in  wel- 
chen die  2  Lappen  des  grossen  Gehirns  liegen  und  die 
Reihe  von  Riechnerven  durch  die  foramina  crihrosa  in  Empfang 
nehmen.  Von  aussen  gesehen  ist  das  Bein  ein  regelmässiges  Kreuz. 
Eine  Knochenwandung  bildet  nach  oben  die  Scheidewand  der  Stirn- 
Höhle,  nach  unten  eine  Gräthe  gegen  den  vomer,  die  2  Queer- 
balken  sind  die  Basis  für  die  zahlreichen,  faltigen  Knochenzellen, 
die  in  der  Nasenmuschel  immer  dünner  und  blasiger  werden. 

Ueber  die  Gesichts-Knochen  lässt  sich  nicht  viel  sagen.  Die 
Eigenthümlichkeit  des  Höhlenbärenschädels  wird  hauptsächlich  im 
Stirn-  und  Schläfenbein  zu  suchen  sein. 

2)  Die  Zähne  des  Oberkiefers.  So  gründlich  und  viel- 
fach schon  das  Zahnsystem  des  Höhlenbären  beschrieben  worden 
ist,  so  reich  und  einladend  ist  doch  das  Hohlenstein-Material,  wor- 
nach  hier  eine  kurze  Zusammenstellung  gegeben  werde. 

a)  Die  6  Schneidezähne.  Der  Ite  ist  dreispitzig,  vier- 
eckig an  der  Basis,  die  äussere  Spitze  überragt  um  das  doppelte 
die  beiden  inneren,  von  welchen  wiederum  der  vordere  Hügel 
höher  und  stärker  ist  als  der  hintere.    Er  wird  vom   Iten  und 


—    169    — 

2ten  Schneidezahn  des  Unterkiefers  angekaut.  —  Der  2te  gleicht 
dem  Iten  vollständig,  nur  ist  er  stärker,  und  die  2  inneren  Hü- 
gel sind  wenig  an  Höhe  und  Stärke  verschieden.  Wird  vom  2ten 
und  3ten  untern  Schneidezahn  angekaut.  —  Der  3te  ist  einspitzig, 
die  Spitze  nach  aussen  und  nach  unten  gebogen,  gleichfalls  vier- 
eckig an  der  Basis.  Statt  der  inneren  Hügel  trägt  er  einen 
wulstigen  Schmelzrand,  die  Wurzel  hat  auf  der  Vorderseite  eine 
Rinne.  Diese  3  Zähne  stehen  in  Einer  Linie  nebeneinander, 
1  und  2  vor  dem  foramen  incisivum,  3  nimmt  so  viel  Platz  ein, 
als  1  und  2  miteinander.  Bei  alten  Individuen  fallen  die  Zähne 
leicht  aus  und  gehört  es  wirklich  zu  den  grössten  Seltenheiten", 
die  Schneidezähne  noch  im  Kiefer  steckend  anzutreffen. 

b)  Die  2  Eckzähne  oder  Hauer  überragen  mit  ihrer  35—40 
Mm.  langen  Krone  die  übrige  Zahnreihe.  Mit  der  Wurzel  wer- 
den sie  120  Mm.  lang,  am  dicksten  Theil  40  breit.  Die  convexe 
Seite  der  Wurzel  ist  nach  innen ,  die  concave  nach  aussen  ge- 
richtet. Au  der  Krone*  ist  das  kleine  von  den  Schmelz -Kanten 
eingefasste  Feld  nach  innen  gestellt.  Die  Ankauung  greift  den 
Zahn  auf  der  Vorderseite  der  Krone  an  durch  die  Hinterseite 
des  untern  Eckzahns.  Selten  und  erst  bei  sehr  starker  Abnutz- 
ung nimmt  der  3te  untere  Schneidezahn  an  einer  seitlichen  An- 
kauung an  der  Basis  der  Krone  noch  Theil.  —  Neben  dieser 
Form  starker,  kräftiger  Eckzähne  linden  sich  Individuen  mit  nur 
96  Mm.  langen  und  22 — 25  breiten  Zähnen.  Es  sind  die  schlan- 
kere Formen,  der  Zahn  erscheint  spitziger,  die  Zahnmasse  härter 
und  fester,  indem  sie  weniger  Brüche  und  Abnutzung  zeigen  als 
die  der  dicken  Form. 

c)  6  Backenzähne.  Der  Ite  misst  20  Mm.  in  der  Länge, 
16  in  der  Breite,  (der  grösste  22  und  19),  ist  zweiwurzlig  und 
dreispitzig.  Der  vordere  von  der  ersten  Wurzel  getragene  Höcker 
ist  der  grösste,  die  hintere  breitere  Wurzel  trägt  2  kleinere 
Höcker,  unter  denen  wiederum  der  innere  kleiner  und  niederer 
ist  als  der  äussere.  An  der  Basis  des  letzteren  heftet  sich  ein 
Schmelzrand  an,  der  w^ohl  auch  noch  zu  einem  weiteren  Höcker 
sich  ausbildet.  3Ian  nimmt  mit  Recht  an,  dass  in  diesen  Formen 
der  Höcker  ein  Hauptmoment  zur  Unterscheidung  der  Arten  liege. 


—    170   — 

Dem  Eisbären  z.  B.  fehlt  er  durchaus.  —  Der  2te,  27  lang, 
20  breit,  (der  grösste  30  und  23),  ist  dreiwurzlig,  eine  breite 
Wurzel  nach  innen,  2  lange  schmälere  aussen,  an  der  hinteren 
äusseren  Wurzel  wuchert  gerne  noch  eine  4te  Wurzel  aus.  An 
der  Aussenseite  sitzen  auf  den  2  Wurzeln  2  Haupthöcker  mit 
2  Nebenhöckern.  Bedeutend  niederer  zieht  sich  auf  der  Innen- 
seite eine  Reihe  von  3  und  4  Höckern  hin.  —  Der  3te  46  lang, 
23  breit,  (der  längste  50),  ist  von  der  Zusammensetzung  und  Be- 
schaffenheit des  2ten  Backenzahns  mit  einem  hintern  Ansatz  von 
Schmelzwarzen,  die  unregelmässig  zu  einzelnen  Höckern  anstei- 
gen. Zu  2  breiten  Hauptwurzeln  kommt  eine  noch  breitere  dritte, 
manchmal  eine  vierte,  zwischen  denen  bei  alten  Exemplaren  noch 
einzelne  Nebenwurzeln  sich  einschieben.  —  Der  Zahnwechsel  im 
Oberkiefer  ging  gleichen  Schritts  mit  dem  im  Unterkiefer  vor 
sich,  wenigstens  zeigt  ein  Stück  Oberkiefer  den  2ten  Backenzahn 
bereits  ausgebildet  und  ausgewachsen,  während  der  3te  noch 
in  der  p?^Zpöf  sitzt,  der  Iste  aber  nur  einige  Millimeter  mit  seiner 
höchsten  Spitze  herausschaut.  Der  Eckzahn  ist  an  diesem  Stück 
noch  ganz  versteckt  im  Kiefer.  Zugleich  sieht  man  noch  die 
Alveolen  des  Milchlückenzahns  und  Milcheckzahns. 

3)  Der  Unterkiefer.  Es  liegen  gegen  400  Unterkiefer 
vor,  von  fötalen  oder  kaum  geborenen  Individuen  an  bis  zu  ur- 
alten, die  nur  noch  abgenützte  Zahnstummel  im  Kiefer  zeigen. 
Anschliessend  an  die, Messungen  Nordmann's  (a.  a.  Ort  p.  11) 
folgen  hier  gleichfalls  übersichtliche  Maasse  von  12  Individuen, 
die  je  nach  Alter  und  Form  verschieden  sind.  Ebenso,  ja  mehr 
noch  als  an  den  Schädeln  treten  an  den  Unterkiefern  2  Formen 
hervor,  eine  starkknochige  mit  dicken,  massigen  Eckzähnen  und 
breiten  Backenzähnen  und  eine  schlanke  Form  mit  spitzen,  schär- 
feren Zähnen. 

Nach  der  Analogie  der  lebenden  Bären  wird  man  wohl  nicht 
irren,  die  grosse  und  breite  Schädelform  mit  den  starken  Hauern 
den  männlichen  Individuen  zuzuschreiben,  w^ährend  die  schlanke 
Form  mit  den  spitzen,  härteren  Zähnen  dem  weiblichen  Geschlecht 
eigenthümlich  wäre. 


171 


Vergleiehendo  Maasse  von  Untorkieforii  dos  P.  speloeus. 


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90 

— 

150 

30  j 

190 

45 

215 

50 

230 

70 

320 

125 

280 

110 

310 

120 

290 

110 

350 

145 

355 

152 

355 

155 

20 
30 
30 
40 
52 
80 
70 
80 
70 

88 
92 
85 


35 
45 
50 
55 
62 
60 
75 
65 
78 
80 
72 


52 


75  '  — 


95  j  25 

I 
110  ,  27 


100 
105 
90 
110 
102 
108 
110 
115 


40 
68 
60 
50 
60 
70 
75 
70 


Junges  Individuum  mit  Milchzähnen, 

Junges    Individ.   mit   ausbrechendem 
2ten  Backenzahn, 
30  j  Junges   Individ.    mit   ausbrechendem 

I  Iten  Backenzahn, 

40      Junges   Individ.   mit  ausbrechendem 
letzten  Backenzahn. 
Junges   Individuum   mit  vollendetem 
Zahnwechsel. 


65? 

75 

65 
80 
100 


•Ausgewachsenes  Individ.  mit  starken 

Zähnen. 
Dessgl,  mit  schlanken  Eckzähnen. 

Dessgl,  mit  starken  Eckzähnen, 

Altes    Individ,    mit    schlanken   Eck- 
zähnen, 

Dessgl,  mit  starken  Eckzähnen. 
Sehr  altes  Individuum. 
Dessgl. 


a)  Die  6  Schneidezähne  des  Unterkiefers  kamen  zwar 
einigeraale  noch  in  den  Alveolen  steckend  vor,  etwas  häufiger 
als  die  oberen,  was  seinen  Grund  wohl  darin  haben  mag,  dass 
ihre  Wurzel  von  gedrückterer  Form  leichter  in  der  Alveole  haf- 
tete, als  die  cylindrischen  Wurzeln  der  oberen  Schneidezähne. 
Fast  alle  aber  gehören  alten  Thieren  an  und  sind  die  Zahn- 
kronen auf  eine  Weise  abgenützt,  dass  man  von  der  ursprüng- 
lichen Form  wenig  mehr  sieht.  Frisch  ist  der  erste  Schneide- 
zahn einspitzig,   mit  kleinem  seitlichen  Höcker,    am  2ten  wächst 


—   172  — 

der  Höcker  an,  dass  man  den  Zahn  auch  zweispitzig  nennen 
könnte,  der  3te  wird  geradezu  dreispitzig,  indem  seitlich  der 
grossen  mittleren  Spitze  2  Nebenspitzen  erwachsen.  Die  Wurzel 
ist  bei  allen  eine  viel  gedrücktere,  denn  im  Oberkiefer.  Eigen- 
thümlich  ist,  dass  die  Alveolen  nicht  in  Einer  Reihe  stehen,  son- 
dern die  des  2ten  Schneidezahns  hinter  den  des  ersten  und 
3ten  zu  stehen  kommt. 

b)  Die  2  Eckzähne  oder  Hauer  weisen  gleichfalls  auf 
2  Formen  hin.  Der  grösste  Hauer  ist  125  Mm.  lang,  am  Bogen 
gemessen  150,  dick  40.  Er  bildet  eine  doppelte  Kurve,  indem 
die  Wiirzel  sich  von  unten  nach  oben  krümmt,  die  Krone  von 
aussen  nach  innen.  An  der  Art  der  Abnützung  vermag  man  sie 
sogleich  von  den  Eckzähnen  des  Oberkiefers  zu  unterscheiden, 
indem  ihre  Aussenseite  von  dem  oberen  Eckzahn  angeschliffen 
wird,  während  ihre  Innenseite  mit  dem  3ten  obern  Schneidezahn 
in  Reibung  tritt.  —  Die  kleine  Form  wird  95  Mm.  laug,  25  dick. 
Auch  diese  Zähne  erscheinen  härter  und  massiver,  als  die  star- 
ken Zähne,  indem  sie  im  Allgemeinen  weniger  angeschliffen  sind. 
Eigenthümliche  Ankauungen  lassen  sich  an  denselben  dann  und 
wann  beobachten,  kreisförmige  Kauflächen  an  der  äusseren  Basis 
der  Krone,  die  nur  durch  die  Einwirkung  der  oberen  Schneide- 
zähne erklärt  werden  können. 

c)  Unter  den  8  Backenzähnen  legt  man  auf  den  ersten 
das  meiste  Gewicht  zur  Unterscheidung  des  Höhlenbären  von  je- 
der anderen  Art.  Er  hat  auf  der  Vorderseite  aussen  eine  starke, 
scharfe  Spitze,  während  gegenüber  auf  der  Innenseite  2  kleinere 
Doppel-Hügel  sitzen.  Der  4te  Hügel  ist  auf  der  hintern  Aussen- 
seite. Letzterer  verschwindet  wohl  auch  ganz.  Charakteristisch 
bleibt  immer  der  starke  vordere  Hügel:  statt  der  inneren,  vor- 
deren Doppel-Hügel  sieht  man  einigemal  nur  Einen  Hügel,  der 
aber  gleichfalls  viel  kleiner  bleibt,  als  der  vordere  äussere.  Ver- 
gleicht man  diesen  Zahn  mit  dem  entsprechenden  ersten  oberen, 
so  ist  er  der  umgekehrte  obere.  Er  ist  zweiwurzlig,  wie  auch 
der  2te  Backenzahn.  Die  vordere  Wurzel  trägt  2  äussere  Höcker 
und  3  innere  Schmelzwarzen,  die  hintere  Wurzel  einen  äusseren 
Haupt-Höcker  und  2  innere  kleinere.    Der  gleichfalls   zweiwurz- 


—    173    — 

lige  dritte  Backenzahn  zeigt  im  Grunde  keine  besonders  hervor- 
springende Höcker  mehr,  er  ist  vielmehr  aus  einer  Menge  klei- 
nerer Schmelzwarzen  zusammengesetzt,  die  mehr  oder  minder 
sich  zu  Spitzen  gestalten.  Im  Durchschnitt  ist  er  30  Mm.  lang 
und  20  breit.  Der  4te  Backenzahn,  ursprünglich  auch  zwei- 
•\vurzlig,  bekommt  im  Alter  eine  starke  verwachsene  Wurzel  und 
gleicht  im  Bau  vollständig  dem  3ten.  Durchschnittlich  misst  er 
28  und  20  Mm. 

Noch  bleibt  übrig  über  die 

Milchzähne,  den  Zahnwechsel  und  die  Lückenzähne 
Einiges  zu  sagen.  So  reich  auch  das  vorhandene  Material  an 
Kiefern,  so  selten  fanden  wir  Stücke,  in  welchen  die  Milchzähne 
nicht  ausgefallen  gewesen  wären.  Doch  ist  jedenfalls  genug  An- 
haltspunkt an  den  Alveolen  vorhanden,  um  Milchzahngebiss  und 
Zahnwechsel  zu  erkennen.  An  einigen  Duzend  Unterkiefern  sieht 
man  die  Alveolen  des  Milchzahngebisses,  nehmlich  3  Alveolen  für 
die  Schneidezähne,  1  für  den  Eckzahn,  2  bis  3  für  Lückenzähne 
und  3  für  den  3wurzligen  Milchbackenzahn.  Die  Milchschneide- 
zähne und  Lückenzähne  fand  ich  nicht.  Dagegen  ist  mehrmals 
der  Milcheckzahn  zu  treffen.  25  Mm.  lang,  stark  gebogen,  sieht 
etwa  einem  Fuchszahn  gleich,  der  Milchbackenzahn  ist  nur  Ein- 
mal vorhanden  und  ganz  eigenthümlich.  Er  ist  ein  vielhöckeriger 
Zahn,  an  welchem  G  Spitzen  gezählt  werden  können,  3  vordere, 
3  hintere,  unter  welchen  je  die  innere  Spitze  die  Hauptspitze 
bildet  und  die  2  aussen  gelegenen  überragt,  die  3  vorderen 
Höcker  sind  durchweg  grösser  und  höher  als  die  hinteren.  An 
jenem  Stücke  ist  der  Milcheckzahn  durchgebrochen  und  seiner 
Farbe  nach  und  seiner  Glättung  zu  urtheilen  bereits  im  Gebrauch, 
während  der  Backenzahn  noch  halb  versteckt  im  Kiefer  steckt 
und  nur  die  vordere  Hauptspitze  herausstreckt.  Hart  hinter  dem 
Milchbackenzahn  ist  eine  länglichte  Spalte  im  Kiefer,  durch  die 
man  an  den  meisten  Exemplaren  den  erstmals  ausbrechenden 
permanenten  2ten  Backenzahn  in  der  pulpa  liegen  sieht.  Dieser 
ist  der  erste  permanente  Zahn,  der  überhaupt  erscheint  und  in 
Benutzung  tritt,  nach  ihm  bricht  der  3te  Backenzahn  aus,  hierauf 
der   erste,    der   an  die  Stelle  des   Milchbackenzahns   zu   stehen 


—    174   — 

kommt.  In  4ter  Linie  kommen  der  Eckzahn  und  der  letzte 
Backenzahn,  und  zuletzt  die  Schneidezähne.  An  dem  jungen 
3V2  monatl.  Bären  aus  Werner's  zoologischem  Garten  ist  das 
Milchgebiss  vollständig  vorhanden,  nehmlich  3  Schneidezähne,  der 
erste  ist  aber  nicht  stärker  als  eine  gewöhnliche  Stecknadel, 
1  Eckzahn,  auf  der  einen  Seite  2,  auf  der  andern  3  Lückenzähne 
und  der  mehrspitzige  Backenzahn.  Die  Kieferstücke  des  Hohlen- 
steins  von  muthmasslich  ähnlichem  Alter  weichen  somit  von  der 
Zahnungsweise  des  braunen  Bären  nicht  ab.  —  Was  schliesslich 
die  Lückenzähne  anbelangt,  so  gilt  vollständig  was  v.  Nordmann 
auf  Grund  der  umsichtigsten  Prüfung  ausspricht,  auch  für  die 
Bären  des  Hohlensteins :  Es  ist  ihr  Auftreten  ein  durchaus  un- 
regelmässiges, zufälliges,  und  kann  nicht  als  specifisches  Merkmal 
angesehen  worden,  wie  Gervais  möchte.  Es  lassen  sich  an  meh- 
reren ausgewachsenen,  selbst  alten  Unter-  wie  Oberkiefern  einzel- 
stehende einwurzlige,  stiftförmige  Zähnchen  oder  ihre  Alveolar- 
löcher  beobachten,  wobei  jedoch  Niemand  in  den  Sinn  kommen 
wird,  bei  der  Zufälligkeit  ihres  Auftretens  an  den  sonst  ganz 
übereinstimmenden  Schädeln  irgend  Werth  auf  sie  zu  legen. 

Es  bleibt  von  den  Knochen  des  Kopfes  nur  noch  übrig,  einig« 
Worte  über  das  Zungenbein  zu  sagen.  Anschliessend  an  2  voll- 
Btändige  noch  durch  ihre  Bände  zusammenhängenden  Apparate 
junger  Bären  lassen  sich  die  mehrfach  gefundenen  einzelnen  Beine 
deuten.  Das  Zungenbein  besteht  aus  9  Knochen,  4  paarigen  und 
einem  unpaarigen,  der  unpaarige  {hasis)  verbindet  als  queerliegend 
die  Bänder,  welche  das  3te  und  4te  Paar  zusammenhalten.  Das 
erste  Paar  am  processus  mastoideus  befestigt  bilden  2  flache 
nach  innen  gebogene  Knochen,  die  scharfe  Seite  ist  nach  innen 
und  aussen  gekehrt.  Das  nächste  Paar,  länger  als  das  erste,  hat 
den  Knochen  nach  aussen  gebogen  und  sind  die  scharfen  Seiten 
nach  oben  und  unten  gewendet.  Die  Bänder,  welche  das  3te 
kürzeste  Knochenpaar  an  das  2te  heften,  machen  nunmehr  ein 
Knie  und  schlagen  somit  das  dritte  Paar  zurück,  seine  Stellung 
ist  wie  die  des  2ten  Paars.  Die  queerliegende  Basis  liegt  wieder 
flach  auf,  während  das  letzte  4te  Paar  (cornua  posteriora)  an 
Form,   Stellung  und  Grösse  dem  2ten  Paar  nahe  treten.    Am 


—    175    — 

kenntlichsten  sind  unter  den  vorderen  Hörnern  die  Knochen  des 
ersten  Paars,  von  diesen  fanden  sich  mehrere  vor  in  einer  Länge 
von  70 — 80  Mm.;  andere  verdicken  sich  keulenförmig  au  ihrem 
Ende.  Der  Basal -Knochen  des  Zungenbeins  oder  das  kurze  3te 
Paar  wurde  beim  Ausgraben  wohl  übersehen:  wenigstens  fand 
sich  kein  Stück  von  ihnen. 

II.    Die  Knochen  des  Stammes. 

Von  ihnen  liegen  mehrere  Tausend  Stücke  vor.  Wenn  auch 
ihre  Zurechtelegung  gerade  zu  der  angenehmsten  Arbeit  nicht 
gehörte,  so  fanden  sich  doch  bald  an  den  Wirbeln  gewisse  Eigen- 
thümlichkeiten ,  dass  man  mit  steigendem  Interesse  sie  verglich 
und  ihnen  ihre  Stellung  in  der  Wirbel-Säule  anwies.  Nur  die  Rippen 
sind  von  indifferentem  Werth.  Die  Maasse  der  Wirbel  stimmen 
vollständig  zu  den  bei  den  Schädeln  gemachten  Erfahrungen,  dass 
die  grössten  bis  jetzt  bekannten  Dimensionen  von  Höhlenbären 
im  Hohlenstein  zu  treffen  sind.     Wir  gehen  sie  in  Kürze  durch. 

1)  Die  Halswirbel,  v.  N  o  r  d  m  a  n  n  hatte  bislang  den  gröss- 
ten atlas  beschrieben  von  234  Mm.,  unser  grösster  misst  um 
8  Millimeter  weiter.  Er  ist  242  breit,  85  lang  im  Körper,  die 
vordere  Oeffnung  zum  occiput  misst  100,  die  hintere  zum  epistro- 
pheus  92.  Andere  Exemplare  von  230  Breite,  messen  95  und  85. 
Die  kleinsten  von  180  Breite  84  und  75.  Die  Flügel  des  Wir- 
bels sind  vollständig  abgerundet,  ohne  irgend  eine  Protuberanz, 
ebenso  die  Gelenkfläche  zum  epistropheus  ohne  Spur  der  flügel-_^ 
förmigen  Verlängerung,  welche  die  Skelette  des  braunen  Bären 
zeigen.  Die  arteria  vertebralis  tritt  aus  dem  Gehirn  durch  ein 
Foramen  an  den  obern  Bögen  in  einen  sinus,  von  dem  aus  sie 
den  Bogen  nach  unten  durchbricht,  um  jedoch  alsbald  von  der 
Unterseite  weg  am  Körper  des  Atlas  sich  nach  hinten  zu  wenden 
und  bei  dem  2ten  Wirbel  an  der  Basis  der  oberen  Bögen  zwi- 
schen diesen  und  dem  Queerfortsatz  hindurch  zu  gehen.  Am  epi- 
stropheus bildet  der  obere  Bogen  ein  förmliches  Dach  mit  spitzem 
First,  das  sich  über  der  Markröhre  wölbt.  Der  Wirbel-Körper 
articulirt  mit  dem  atlas  in  einer  grossen  gewölbten  Fläche  unter 
dem  Processus  odontoideus.    Die  Queerfortsätze  ragen  nach  hinten 


—    176    — 

und  schlägt  sich  deren  Ende  etwas  herauf,  ^Yodurch  sie  ein  ge- 
doppeltes Aussehen  bekommen.  Die  Fläche  zum  3ten  Wirbel  ist 
schwach  concav.  Die  übrigen  5  Halswirbel  haben  unter  sich 
grosse  Aehnlichkeit ;  ein  wenig  üebung,  die  einzelnen  der  Reihe 
nach  zu  sortiren,  lässt  bald  die  Merkmale  erkennen,  welche  jeden 
an  seinen  Ort  stellen.  Als  kurzes  Resultat  kann  aufgestellt  wer- 
den: 1)  Die  Dornfortsätze  werden  von  Wirbel  3  zu  7  immer 
höher,  so  zwar,  dass  der  processus  spinosus  der  dritten  kaum 
20  Mm.  unter  dem  Dach  des  epistroplieus  hervor  sich  erhebt, 
während  der  7te  bis  zu  60  Mm.  hoch  wird.  2)  Die  Gelenkfort- 
sätze haben  auf  ihrer  oberen  Fläche  eine  Knochenprotuberanz, 
die  von  Wirbel  3  zu  7  stetig  abnimmt  und  am  7ten  ganz  ver- 
schwindet, 3)  Die  Queerfortsätze,  welche  die  arteriae  vertehralis  an 
ihrer  Basis  durchlassen,  werden  vom  epistrophens  an  stärker  und 
gabeliger,  so  zwar,  dass  die  untere  Gabel  mehr  nach  hinten 
greift,  als  die  vordere.  4)  Das  foramen  arteria  vertebrcdis  wird 
von  2 — 7  immer  grösser  und  weiter.  5)  Die  Wirbel-Körper  neh- 
men an  Stärke  zu,  die  am  Grund  der  Körper  angedeutete  V  för- 
mige Knochenleiste  verschwindet  gegen  Wirbel  7  mehr  und  mehr. 

2)  Die  14  Brustwirbel.  Der  erste  vermittelt  nach  seiner 
ganzen  Form  Hals-  und  Brustwirbel.  Die  vorderen  Gelenkfort- 
sätze stehen  noch  weit  auseinander,  um  mit  denen  des  letzten 
Halswirbels  zu  articuliren,  die  hinteren  rücken  näher  zusammen. 
Die  Gabeläste  der  Queerfortsätze  einigen  sich  wieder  zu  Einem 
Körper,  tragen  jedoch  kein  tuherculum  der  Rippe,  dagegen  nimmt 
der  Wirbelkörper  in  einem  Ausschnitt  am  hintern  Ende  bereits 
das  capitulum  der  ersten  Rippe  auf.  Ein  vollständiger  Dornfort- 
satz misst  schon  75  Mm.  Ein  Stück  liegt  vor,  an  welchem  die 
Vertebral- Arterie  noch  den  Queerfortsatz  durchbricht,  wie  an  den 
Halswirbeln. 

Der  Körper  des  2ten  Brustwirbels  ist  weniger  breit,  als  der  des 
ersten,  der  Dornfortsatz  misst  120  Mm.  Mau  kennt  auch  diesen 
Wirbel  noch  leicht  daran,  dass  die  beiden  Queerfortsätze  nur 
vorne  mit  den  Gelenkfortsätzen  des  Isten  Wirbels  articuliren, 
die  hinteren  Gelenkfiächen  dagegen  am  Bogentheil  unter  der  Ba- 
sis  der  Dornfortsätze  angebracht  sind.    Von  jezt    an   sind    die 


177 


Querfortsätze  als  Träger  des  tuherculum  costae  anzusehen.  Die 
Körper  der  Wirbel  werden  immer  kräftiger  und  haben  je  vorne 
und  hinten  unter  dem  Querfortsatz  einen  Gelenk-Ausschnitt,  mit 
Ausnahme  des  13ten  Wirbels,  der  den  Ausschnitt  für  die  Auf- 
nahme des  Rippen-Kopfes  nur  vorne  hat.  Die  Querfortsätze 
legen  sich  mehr  und  mehr  in  die  Höhe  und  wird  der  Dornfort- 
satz stärker,  aber  auch  liegender.  Die  Gelenkflächen  sind  voll- 
ständig an  der  Basis  der  Dornfortsätze  und  schiebt  sich  bei  der 
immer  schieferen  Lage  die  Yorder-Basis  des  Dornfortsatzes  unter 
das  Hintertheil  des  vorangehenden  hinunter.  Der  14te  Brustwir- 
bel kann  bereits  als  erster  Lendenwirbel  gelten.  Er  trägt 
zwar  nocli  auf  einer  grossen  die  Hälfte  des  Körpers  einnehmen- 
den Gelenkfläche  eine  Rippe ,  darum  fehlt  ein  Querfortsatz ,  da- 
gegen bilden  sich  ausgezeichnete  Gelenkfortsätze,  die  ein  Aus- 
renken der  Wirbel  nahezu  unmöglich  machen.  Seitlich  sitzt  nur 
noch  ein  kurzer  schiefer  Fortsatz,  ebenso  ist  der  Dornfortsatz 
kurz  und  stark.  Die  Körper  der  6  Lendenwirbel  werden  zuneh- 
mend kräftiger  und  breiter  und  ebendamit  die  Querfortsätze,  die 
von  der  Basis  der  Bögen  ausgehen,  länger  und  breiter.  Die 
schiefen  Fortsätze  haben  sich  wieder  zu  vertikal  gestellten  Ge- 
lenkfortsätzen ausgebildet.  Ln  Kreuzbein  zählen  wir  gleichfalls 
6  verwachsene  Wirbel  mit  5  Paaren  foramina  sacralia,  zwischen 
dem  Isten  und  2ten  Wirbel  sitzt  noch  ein  kurzer  Dornfortsatz, 
der  allmälig  verschwindet  und  schliesslich  nur  noch  durch  eine 
schwache  Knochenleiste  angedeutet  ist.  Die  Angaben  der  Auto- 
ren über  die  Zahl  der  Kreuzwirbel  bei  U.  arctos  ist  verschieden : 
Daubenton  zählt  5,  Blainville  6,  Cuvier  7,  Delbos  7.  Die 
von  letzterem  bei  Sentheim  gefundenen  Kreuzbeine  stimmen  mit  den 
nnsrigen.  Specifisch  wird  sein,  dass  von  den  6  Kreuzwirbeln 
3  mit  dem  Darmbein  verwachsen  sind,  am  lebenden  Bären  nur  2. 
Ueber  die  wenigen  Schwanzwirbel  ist  nichts  zu  sagen,  ebenso 
wenig  über  die  Rippen.  Letztere  haften  mit  Ausnahme  der  letz- 
ten 14ten  mit  2  Flächen  an  den  Wirl)elkörpern.  Nur  die  letzte 
stummelartige  Rippe  sitzt  einfach  mit  grossem  Gelenkkopf  im 
Körper  des  21.  Wirbels.  Die  einzelnen  Glieder  des  Brustbeins 
haben  sich  in   grosser   Anzahl  gefunden,    besondoi-s    häufig   das 

Wilrttemb.  uatiii-.v.  Julireshefte.     18G2.    2.s  Heft.  1^ 


—    178    — 

grosse  manuhrium  sterni.  Ein  Knochen  sei  hier  noch  erwähnt, 
der  bisher  immerhin  etwas  selten  war,  das  os  penis,  von 
dem  über  30  Stücke  ausgegraben  wurden.  Alle  diese  Ruthen- 
knochen sind  sehr  ausgeprägt  und  übereinstimmend  in  ihrer  Form. 
Der  kleinste  Knochen  ist  155,  der  grösste  232  Mm.  laug,  Höhe 
10  und  22,  Dicke  5  und  15  an  den  Extremen.  An  der  Basis 
des  Knochens  bemerkt  man  einen  ausgesprochenen  Muskel-Ansatz, 
der  zu  beiden  Seiten  ziemlich  nach  vorne  greift.  Der  Knochen 
ist  schwach  vorwärts  gekrümmt  und  flach  bis  sum  Yorder-Ende, 
das  unter  dem  peiiis  Stack.  Auf  der  Rückenseite  des  Knochens 
ziehen  von  dem  Vorderende  zur  Basis  2  markirte  Seitenfurchen 
hin,  wodurch  der  Querschnitt  des  Knochens  in  der  Mitte  voll- 
kommen Seckig  wird.  Ganz  verschieden  ist  der  Ruthenknocheu 
des  braunen  Bären,  den  wir  erst  kürzlich  an  einem  i/2Jährigea 
Individuum  zu  untersuchen  Gelegenheit  hatten. 

III.    Die  Knochen  der  Extremitäten. 

A.  Yorderfuss.  Unter  allen  Knochen  haben  die  Schul- 
terblätter (scapula)  am  meisten  Noth  gelitten,  deren  über  100  vor- 
liegen. Der  dünne  Knochen  ist  in  den  meisten  Fällen  gebrochen^ 
die  Ränder  sind  unvollkommen.  Namentlich  sind  die  Knochen 
junger  Tliiere  alle  defekt,  je  älter,  desto  fester  wurde  die  Kno- 
chensubstanz der  scapula.  Bei  einem  der  grössten  Exemplare 
sind  die  Maasse :  Länge  der  spina  und  des  acromion  385.  Breite 
an  der  Gelenkfläche  und  dem  Rabenschnabel  100.  Abstand  des 
acromion  vom  ünterrand  der  Gelenkfläche  98.  Höchste  Breite  der 
scapula  290.  Der  Yorderrand  des  Schulterblattes  ist  nicht  ge- 
rade, wie  bei  dem  braunen  Bären ,  sondern  merklich  abgerundet, 
worin  ein  Hauptunterschied  des  Höhlenbären  liegt,  auf  den  na- 
mentlich V.  Nordmann  aufmerksam  macht.  Der  gewaltigste  Kno- 
chen am  ganzen  Bären-Skelett  ist  der  Oberarm-Knochen 
(humerus)j  von  dem  150  Stücke  ausgegraben  wurden.  Schon  die 
Knochen  der  kleinsten  und  jüngsten  Thiere,  die  nur  fingerlang 
sind,  zeichnen  sich  durch  relative  Stärke  aus.  Die  grössten 
Exemplare  werden  460  Mm.  lang,  die  kleinere  Form  misst  430. 
Die  Breite  am  capitulum  ist  entsprechend  1 10  und  85,  am  ünterende 


—    179    — 

145  u.  130.  Der  Durchmesser  des  Knochens  in  der  Mitte  70  u.  60. 
Ellenbogen  (ubiaj  wurden  130  gefunden.  Die  grössten  messen 
400  Mm.,  das  durchschnittliche  Längenmaass  ist  380.  An  einzel- 
nen Stücken  fällt  eine  Stärke  des  Knochens  über  dem  Unterende 
auf,  die  bei  gewöhnlicher  Länge  von  30  zu  45  schwankt.  Es 
wiederholt  sich  die  so  oft  schon  berührte  Differenz  zwischen 
schlanken  und  starkknochigen  Thieren,  die  ohne  Zweifel  in  sexuel- 
len Verhältnissen  begründet  ist.  Von  Spaichen  fradiusj  ist 
eine  ähnliche  Zahl  vorhanden,  wie  von  Ellenbogen.  Die  mittlere 
Länge  beträgt  330  Mm. ,  die  Stärke  am  Unterende  85.  Der 
grösste  radius  misst  340  bei  nur  85  Breite.  Letzteres  Maass 
schwankt  am  meisten,  sofern  Individuen  von  nur  330  Mm.  Länge 
eine  bedeutendere  Stärke  zeigen,  indem  sie  90  Mm.  Durchmesser 
erhalten.  Der  Kopf  des  radius  zeigt  auf  seiner  Innenseite  die 
halbzirkelförmige ,  convexe  Fläche,  Avelche  in  die  Concavität  der 
idna  passt.  Das  Bein  ist  bis  zu  der  Hälfte  seiner  Länge  voll 
Tuberositäten  zur  Insertion  von  Muskeln  und  Bändern.  Von  der 
untern  kreisförmigen  Gelenkfläche  zur  idna  springt  noch  ein 
Dorn  hervor. 

Unter  den  Carpal-Knochen  ist  der  grösste:  1)  Das  sca- 
phoideum  65  Mm.  lang,  60  breit.  An  der  Aussenseite,  welche 
den  starken  hinteren  Knorren  trägt,  articuliren  nach  unten  mul- 
tangulum  majus  et  minus ,  in  der  vertieften  Mitte  das  capitatumy 
an  der  Innenseite  hinten  tviquetrum^  vorne  hamatum.  Die  grosse 
obere  convexe  Fläche,  w^elche  mit  dem  radius  articulirt,  bot 
Spielraum  genug  zur  Drehung.  2)  Das  triquetrum  i^im  der  Mitte 
gemessen  40  Mm.  lang  und  breit;  vorne  trägt  es  die  ulna  und 
hinten  das  pisiforme  und  wird  getragen  vom  hamatum.  Auf  der 
Innenseite  nimmt  es  noch  an  der  Articulation  des  Daumens  Theil, 
auf  der  Aussenseite  stösst  es  mit  einer  kleinen  Fläche  [an  das 
scaphoideum,  3)  Os  pisiforme  sitzt  auf  der  Hinterseite  des  \tri- 
quetrum  fest  und  hilft  in  seiner  halbmondtVirmigen  Pfanne  die 
idna  tragen.  Seine  Stellung  und  Form  macht  es  dem  calcaneus 
sehr  ähnlich,  wie  elenn  der  ganze  Bau  von  Hand  und  Fuss  viel 
Gemeinsames  haben.  4)  Os  capitatmn  ist  38  lang,  32  hoch, 
23  breit.     Mit    seinem  oberen,   hinteren  Gelenkkopf  fest  in   das 


—    180    — 

scaphoideum  eingefügt,    articuliren  mit  ihm  die  3  mittleren  Finger, 
der  mittlere  ganz,  die  seitlichen  theilweise.    5)  Os  hamatum  40  Mm. 
breit,  35  hoch,  trägt  den   5ten  Finger  ganz  und  den  4ten  theil- 
weise.    6)  Os  multangulum  entging  leidiger  Weise  der  Aufmerk- 
samkeit beim  Ausgraben  und  kann  nichts  darüber  gesagt  werden, 
so  Avenig  als  über  die  Sesambeine,  die  nicht  wohl  unterzubringen 
sind.     Dagegen  sind  die  metacarpen    aufs  beste   und  zahlreichste 
erhalten.      Der    Daumen    durchschnittlich    65  —  66    lang ,    oben 
28  breit,  23—28  dick.     Ein  starker    seitlicher  Höcker  verdickt 
das   Obertheil  des   Fingers,    zum  Ansatz  an   das   os  majus  dient 
eine  einfache,  schwach  gekrümmte  Fläche.    Eine  Ansatzfiäche  zum 
Zeigefinger   ist   kaum  angedeutet  und   stunden  beide  Finger  nur 
am  obersten  Kand  mit  einander  in  Berührung.    Die  Aehnlichkeit 
des  Daumens  mit  dem  grossen  Zehen  ist  der  Art,  dass  sie  leicht 
zu  verwechseln  sind.     Nur  an  der  Dicke  und  Grösse,  nicht  aber 
an  der  Form   und   den  Gelenkflächen  kann   das  Glied  vom  ent- 
sprechenden  am   Fusse   unterschieden   werden.     Der  2te  Finger, 
80 — 82  lang,  oben  22  breit,  31  dick,   hat  auf  der  Daumen-Seite 
vorne  eine  kleine  abgerundete  Ansatzfläche,  zum  Mittelfinger  eine 
grosse  gebrochne,    seitliche  Fläche,    während  der  Oberrand  und 
eine  kleine  hintere  Fläche  sich  an  das    os  capitatum  anschliesst. 
Der  Mittelfinger  ist  86  lang,    24  breit,    34   dick,    articulirt   auf 
einer   schiefen   Fläche    mit    dem    multangulum.    Der   4te  Finger, 
95  lang,  25  breit,  35  dick,  hat  eine  länglichte,   concave  Ansatz- 
fiäche zum  hamatum,  an  der  auch  das  capitatum  hinten  noch  einen 
kleinen  Antheil  hat.     Auf  beiden  Seiten   sind  in   der  Nähe   der 
Epiphyse  starke    Gruben   für  Muskel-Insertion.     Der  5te  Finger, 
87  lang,    35  breit,    36  dick,    ist  der  stärkste  Finger  der  Hand, 
voll    Gruben    für    Muskel-Insertion.      Zum    4ten    Finger    weisen 
2  dreieckige    Haftflächen,    eine    grosse    von    hinten    nach    vorne 
herabgreifende   für   das   hamatum  und   eine  kleine    obere  für  tri- 
quetrum.     Hinten  beobachtet  man  eine   deutliche  Fläche  für  ein 
Sesambein.     Ueber    die    Phalangen  kann   nichts  Erhebliches  be- 
merkt werden. 

B)  Hinterfuss.     Es  hat,  wie  es  scheint,  noch  Niemand  so 
vollständige  Becken   zur  Untersuchung  gehabt,   als  solche   aus 


—    181    — 

dem  Hohlensteiii  vor  uns  liegen,  sonst  hätten  die  vielen  gründ- 
lichen und  scharfsichtigen  Arbeiten,  die  über  den  Höhlenbären 
existiren,  auf  die  grossen  Unterschiede  aufmerksam  gemacht,  die 
zwischen  dem  Becken  des  Ursus  arctos  und  spelmus  existiren: 
1)  Beim  Kreuzbein  sahen  wir  schon,  dass  bei  arctos  2  Kreuz-. 
Wirbel,  bei  spelccus  3  mit  deni  Darmbein  verwachsen,  worauf 
Delbos  aufmerksam  macht.  2)  Das  ganze  Becken  ist  bei  U.  arc- 
tos breiter  als  lang,  bei  U.  spelceus  umgekehrt,  länger  als  breit. 
Bei  dem  Skelett  unseres  ausgewachsenen  U.  arctos  ist  das  Maass 
vom  Vorderrand  des  ilhun  zum  tuber  ischii  280,  während  der  Ab-. 
stand  der  Aussenränder  beider  Darmbeine  300  beträgt,  ein  klei- 
neres Skelett  eines  jungen  Bären  weist  200  Länge  bei  210  Breite 
auf.  Ganz  anders  bei  U.  spelceus.  Ein  vollständig  erhaltenes 
Becken  eines  grossen  Exemplars  ist  440  lang,  gleichfalls  gemes- 
sen vom  Vorderrand  des  Darmbeins  zum  Siizkuorren,  während 
der  Abstand  der  beiden  Darmbeine  380  beträgt,  ein  kleineres 
Exemplar  m.isst  420  Länge,  350  Breite.  3)  L'iemit  hängt  lias 
Grössen -Verhältniss  von  Darmbein  und  Silzbein  zusammen,  bei 
U.  spelceus  ist  es  21  :  18  (von  den  Rändern  zur  Mitte  der  Pfanne 
gemessen),  bei  JJ.  arctos  17  :  9.  Hienach  war  bei  dem  Höhlen- 
bären das  Sitzbein,  beim  braunen  Bären  das  Darmbein  ausgebil- 
deter. Der  Durchmesser  des  Beckens  über  der  Pfanne  beträgt 
bei  unserem  U.  arctos  130,  dei  denen  des  Hohlensteius  190,  bei 
dem  grössten  Exemplar  200,  was  abermals  auf  eine  verhältniss- 
mässig  grössere  Breite  des  «rci'o.s--Beckens  hinweist.  Der  Durchmesser 
der  Pfanne  ist  beim  U.  spehvvs  65 — 70,  die  apertura  pelvis  ist 
110  hoch,  95  breit  und  bestätigt  dieses  Verhältniss  nur,  was  auch 
vom  Braunen  gilt,  dass  ihin  Schwangerschaften  und  Geburten  bei 
den  geringen  Dimensiom  n  der  Jungen  wenig  zu  schaifen  machten. 
Das  Schenkel b ein  (femur)^  von  dem  wir  gegen  200  Stücke  be- 
sitzen, ist  etwas  lärger  als  das  Oberarmbein,  aber  um  vieles 
schlanker  und  dünner,  trotzdem  macht  es  noch  gehörig  den  Ein- 
druck von  Stärke  und  Kraft.  Das  gewöhnliche  Maass  ist  460 
Mm.  Länge,  unsei-  grösstes  Stück  misst  490.  Breite  des  Unter- 
Endes zur  tihia  115,  des  Ober-Endes  zwischen  trochanter  und 
Caput  femoris  125.     Durchmesser  des  caput  65.     Von    derselben 


—    182    — 

Grösse  sind  die  Schenkelbeine,  die  Cuvier  und  Schmerling  ken- 
nen, die  Odessabären  Nordmann 's  sind  etwas  kürzer  (Nordmann 
p.  83).  Die  femur  von  Sentheim  messen  nach  Delbos  bei 
einer  oberen  Breite  von  110,  einer  unteren  von  90  Mm.  Solche 
Grössen  gehören  im  Hohlenstein  zu  den  kleinsten  Formen.  Das 
Verhältniss  von  femur  und  humerus  ist  bei  dem  pyrenäischen 
Bären  nach  Delbos  wie  31  :  26,  beim  russischen  Bären  nach  un- 
sern  Skeletten  35  :  31,  beim  Höhlenbären  des  Hohlensteins  dürfte 
als  durchschnittlich  gelten  46  :  44.  Vom  Schienbein  ftihia) 
liegen  gegen  150  Stücke  vor,  die  kleinsten  messen  300,  die  gröss- 
ten  326  Mm.,  an  dem  Ober-Ende  105  und  120,  am  Unter -Ende 
80  und  95.  Seltener  sind  die  Wadenbeine  (fihula)  gefunden 
worden,  offenbar  weil  sie  als  dünne,  schlanlve  Knochen  leicht  zer- 
brochen und  übersehen  wurden.  Doch  liegen  gegen  80  Stücke 
vor.  Die  durchschnittliche  Länge  beträgt  276  Mm,,  das  längste 
282,  das  kürzeste  260.  Der  Durchmesser  am  Ober-Ende  37 — 39, 
am  Unter-Ende  31—33,  in  der  Mitte  17—18.  IdiQ ßbula  von 
Nerubaj  messen  durchschnittlich  247.  Was  Nordmann  über  diese 
sagt,  gilt  auch  von  den  unsrigen,  mit  U.  arctos  verglichen  ist 
das  Wadenbein  des  U.  spelceus  viel  dicker,  gekrümmter  und  zum 
Unter-Ende  gewundener.  Unter  den  Tbr^wÄ- Knochen  ist  das 
Fersenbein  das  grösste,  es  ist  116  Mm.  lang  und  88  breit.  Das 
sustentacidum  calcanei  misst  35.  Der  astragalus  ist  75  breit  über 
der  Rolle  gemessen,  über  dem  caput  tali  62.  Am  scaplioideum 
ist  bei  Einem  Exemplar  hinter  der  tuherositas  eine  Gelenkfläche 
für  ein  Sesambein  zu  beobachten,  welches  das  sustentaculum  cal- 
canei mit  dem  scaphoideum  verband.  Das  cuboideum  ist  ein  wah- 
res Würfelbein,  das  43  und  40  Mm.  misst.  Es  ist  nur  durch  die 
i^feto^ar^aZ- Gelenkfläche  schief  abgestutzt.  Nach  Nordmann  soll 
hinter  dem  sulcus  ein  grosses  Sesambein  den  Höcker  des  Würfel- 
beins mit  dem  kleinen  Zehen  verbinden.  Eine  Fläche  beobach- 
tet man  an  unsern  Stücken  nicht.  Die  cuiieiforme-BtiwQ  wurden 
sehr  selten  gefunden.  Das  2te  cuneiforme  ist  etwas  breiter,  als 
das  von  Nerubaj,  das  Nordmann  beschreibt.  Unter  den  Meta- 
tarsen  ist  der  des  grossen  Zehens  der  kürzeste.  Er  misst  55  Mm. 
Mit  seiner  gekrümmten  Fläche  articulirt  er  zu  cuneiforme  primum. 


—    183    — 

Der  äussere  Höcker  hat  hinten  eine  etwas  undeutliche  Gelenk- 
fläche für  ein  Sesamhein.  Am  dicken  Oher-Ende  ist  er  24  Mm. 
breit.  Eine  seitliche  Gelenkfläche  zum  2ten  Zehen  ist  gar  nicht 
zu  sehen,  und  steht  so  der  grosse  Zehen  noch  mehr  als  der 
Daumen  von  den  übrigen  Zehen  ab.  Der  2te  Zehen  ist  72  lang, 
nur  15  breit,  dagegen  an  der  oberen  Gelenkfläche  30  Mm.  breit, 
von  vorne  nach  hinten  gemessen.  Diese  obere  Gelenkfläche  ist 
eine  doppelte,  die  eine  Hälfte  weist  zu  cuneifonne  secundumj  die 
andere  zum  3ten  metatarsus,  mit  dem  der  zweite  enge  verbunden 
ist.  Der  dritte  Zehen  ist  75  Mm.  lang,  20  und  32  breit.  Eine 
grosse  schief  nach  aussen  führende  Fläche  schliesst  an  cuneiforme 
tertiwn  an,  mit  einer  schmalen  Fläche  berührt  er  den  2ten,  und 
mit  2  durch  eine  Ligament-Grube  getrennten  Flächen  den  4ten 
Zehen.  Der  4te  Zehen  ist  90  Mm.  lang,  24  und  34  breit.  Die 
obere  Fläche  stösst  an  das  cuhoideum,  2  Flächen,  eine  grössere 
convexe  und  eine  kleinere  concave,  an  den  3ten  Zehen;  auf  der 
Seite  des  letzten  Zehen  ist  eine  tiefliegende  Grube  angebracht, 
in  welcher  eine  grosse  länglichte  Gelenkfläche  liegt,  nach  hinten 
eine  kleinere  höher  liegende.  An  dem  hintern  Höcker  sieht  man 
eine  deutliche  Reibung  durch  _ein  Sesambein.  Der  fünfte  Zehen 
ist  der  längste,  96  Mm.  lang,  35  und  32  breit.  Der  Grube  im 
4ten  Finger  entsprechend  arliculirten  hier  2  Flächen,  ein  läng- 
lichter schief  stehender  Höcker  und  eine  kleine  runde  Fläche. 
Die  Ansatzfläche  am  cuhoideum  ist  klein,  schliesslich  erbreitert 
sich  der  Kopf  stark  nach  aussen,  wodurch  diess  Glied  vor  allen 
kenntlich  wird.  Die  Gesammtbreite  der  metatarsal-GliQ&ev  ist 
114  Mm.  Die  Ansatzfläche  von  3,  4,  5  liegt  in  Einer  Linie,  der 
2te  tiberragt  wegen  des  zurücktretenden  cuneiforme  secundum  diese 
Linie  um  einige  Millimeter  und  seitlich  von  ihm  schUesst  sich 
ohne  Zusammenhang  die  grosse  Zehe  an.  Ueber  den  Isten  und 
2ten  Phalangen,  sowie  über  das  Nagelglied  ist  nichts  Besonderes 
zu  sagen.*     Unter  den   Sesambeinen  des  Hinterfusses  fand  sich 


*  Vergleicht  man  den  ganzen  Fuss  des  Höhlenbären  mit  dem  deg 
Braunen,  so  findet  man  eine  verhältnissmässig  viel  grössere  Breite  als 
Länge.  Es  gilt  dasselbe  wohl  auch  von  der  Hand,  aber  verhältnissmässig 
ist  es  beim  Fuss  noch  mehr  der  Fall. 


—    184    — 

das  grosse  Sesambein  der  Kniescheibe  sehr  häufig.  Das  grösste 
misst  80  Mm.  in  der  Länge ,  52  in  der  Breite  und  35  in  der 
Dicke.  In  ihrem  je  nach  dem  nach  rechts  und  links  gezogenen 
Oval  gleicht  sie  dem  Sesambein  des  lebenden  Bären. 

Aus  den  mehreren  Tausend  Bärenknochen  des  Hohlensteins, 
welche,  wie  oben  bemerkt,  so  frisch  und  gesund  sind,  dass  sie  ohne 
Schwierigkeit  gebohrt  und  mittelst  Drähten  an  einander  gefügt 
werden  können,  wurden  die  am  besten  zusammenpassenden  Kno- 
chen ausgesucht  und  Ein  In  di  vidi  um  zusammengesetzt,  das, 
wenn  auch  nicht  tadellös  vollständig,  doch  ein  leidliches  Ganzes  vor- 
stellt. Als  Gesammtlänge  des  Thiers  ergab  sich  2,491  Meter  oder 
8'7"5'"  württb.  Maass,  denkt  man  sich  dazu  Zwischen-Knorpel,  Mus- 
keln, Haut  und  Pelz,  so  erhalten  wir  reichlich  10  wtirttb.  Fuss  lauge 
Individuen.  Als  Höhe  des  Vorderfusses  ergiebt  sich  von  der 
Basis  des  pisiforme  zum  Oberrand  der  scapula  1,01.  Darüber 
reichen  noch  handhoch  die  Dornfortsätze  der  Brustwirbel  hinaus, 
so  dass  wir  reichlich  4  württb.  Fuss  Höhe  erhalten  und  mit  Muskel 
nnd  Pelz  eine  Höhe  von  4V2  Fuss  zwischen  den  Schulterblättern 
anzunehmen  berechtigt  sind.  Die  Gesammtlänge  unseres  ausge- 
wachsenen russischen  Bären-Skeletts  beträgt  nur  1,680,  d.  h.  zwei 
Dritttheile  des  Höhlenbären,  seine  Höhe  0,800. 

Schliesslich  noch  einige  \Yorte  über  kranke  und  verletzte 
Knochen.  Es  ist  wohl  selbstverständlich,  dass  unter  einer  so 
grossen  Anzahl  von  Knochen  eine  Reihe  Abnormitäten,  Alters- 
degenerationen und  dgl.  sich  finden.  Von  solchen  sei  nicht  die  Rede, 
nur  von  einigen  Fällen,  die  sozusagen  ein  palaeochirurgisches  In- 
teresse haben.  Zu  diesem  Ende  führe  ich  das  Gutachten  eines 
befreundeten  Arztes,  des  Herrn  Dr.  Holder,  hier  an,  der  die 
Gefälligkeit  hatte,  von  seinem  Standpunkt  aus  das  Material  der 
kranken  und  missbildeten  Knochen  durchzugehen. 

A.  Krankheiten.  1)  Stück  des  rechten  Oberkiefers.  Am 
fehlenden  2ten  Backenzahn  war  eine  ächte  Zahnfistel,  in  Folge 
der  der  Alveolarfortsatz  eine  in  die  Mundhöhle  führende  und 
eine  2te  grössere  mit  der  Nasenhöhle  in  Verbindung  stehende 
Kloake  zeigt.  Die  Zahnhöhle  ist  durch  caries  erweitert  und  der 
ganze  Knochen  in  weiterer  Umgebung  porös  (osteoporporosls).  2)  Schä- 


—    185    — 

delstück.  Am  rechten  Jochbein  ist  eine  hühnereigrosse  Knochen- 
gesch^Yulst,  am  Unterrand  des  Jochbeins  beginnend  und  auf  den 
proc.  zygomaticus  übergreifend.  Wie  der  Durchschnitt  beweist, 
ist  es  kein  callus,  die  Hülle  bildet  viehnehr  eine  sklerosirte  Schale 
und  ein  aus  feinmaschigem,  spongiösem  Gewebe  bestehendes  Cent- 
rum. In  der  Umgebung  der  Geschwulst  ist  der  Knochen  porös, 
die  Gefässfurchen  auf  derOberüiiche  tiefer  und  entwickelter,  und  ein- 
zelne zarte'  Osteophyten  vorhanden.  Alle  Theile  der  Knochen- 
neubildung sind  vollkommen  organisirt  und  mit  dem  übrigen  Kno- 
chen verschmolzen,  nirgends  eine  Spur  von  Necrose  oder  Caries. 

3)  Das  Zehen-Ende  eines  meto^ar^ws-Knochens,  kariös,  mit  reich- 
licher, weit  poröser  Osteophytenbildung  und  zerstörter  Gelenkfläche. 

4)  An  eiuer  Reihe  von  Wirbeln,  namentlich  dem  ersten  Brust- 
wirbel, beobachtet  man  reichhche  Osteophytenbildung,  einfach  die 
Folgen  von  Knochenablagerung  am  Ansätze  der  \Yirbelbänder  im 
hohen  Alter ;  ebenso  vielfach  an  Kiefern  Resorbtion  des  Knochens 
aus  demselben  Grund. 

B.  Verletzungen.  1)  Ein  sehr-  schöner  mit  nur  geringer 
Verschiebung  und  Verkürzung  geheilter  Schiefbruch  einer  falschen 
Rippe.  Der  c«//i^5  ist  beinahe  ganz  glatt  und  vollkommen  zurückgebildet. 
Er  bestand  viele  Jahre  vor  dem  Tod  des  Bären.  2)  Rippenbruch 
so  ziemlich  in  der  Mitte  der  Rippe:  das  hintere  Bruchstück  nach 
aussen  und  oben  verschoben.  Der  Bruch  ist  ziemlich  senkrecht, 
aber  zackig;  iiQV  callus  ist  noch  sehr  uneben  porös,  bestand  höch- 
stens einige  Jahre  vor  dem  Tod.  3)  Bruch  der  fihula  in  ihrem 
oberen  Dritttheil  unter  der  Gelenks-Verbindung  mit  der  tibia^  der 
callus  unregelmässig  mit  einem  grossen  Loch  für  den  Durchgang 
von  Gefässen  und  Nerven.  Derselbe  ist  sehr  alt.  4)  Ein  h^m- 
Y\q\\qv  fibula-BvvicXi.  Der  callus  ist  neueren  Datums,  noch  uneben 
und  porös,    die  Verschiebung  ist  in   beiden  Fällen  unbedeutend. 

5)  Nicht  consolidirter  Querbruch  des  radius  in  der  Nähe  des 
Handgelenkes.  Caries  mit  Osteophytenbildung  an  beiden  Bruch- 
Enden,  die  Markhöhle  geöffnet  und  die  spongiöse  Substanz  gleich- 
falls kariös.  Im  Leben  entsprach  demselben  bedeutende  Anschwel- 
lung des  Gelenks  und  Fistelöffnungen.  Der  Bruch  war  wahr- 
scheinlich von  Anfang  an  mit  einer  Wunde  verbunden.     6)  Split- 


—    186    — 

terbrucli  des  hwnerus,  bei  welchem  gleichfalls  kein  callus  sich 
bildete,  wahrscheinlich  weil  auch  hier  gleichzeitig  mit  dem  Bruch 
eine  äussere  Wunde  vorhanden  war.  Die  Bruchstücke  sind  kariös 
mit  dicken  Schichten  warziger  Osteophyten  auch  in  der  Markhöhle 
bedeckt.  An  dem  obersten  Bruchstück  ist  die  Fläche  eines  falschen 
Gelenkes  sichtbar.  Der  zum  Theil  enormen  Mächtigkeit  der  Os- 
teophyten nach,  bestand  der  Eiterungsprocess  wohl  sehr  lange  und 
wird  wohl  jedenfalls  den  Tod  des  Alten  herbeigeführt  haben  durch 
Erschöpfung  der  Kräfte  in  Folge  der  Schmerzen  und  der  profusen 
Eiterung,  sowie  durch  die  Unmöglichkeit  auf  Raub  auszugehen. 

Das  Gesagte  genüge!  Es  lässt  uns  einen  Blick  werfen  auf 
die  Kämpfe  des  Bären  um  seine  Existenz  zu  einer  Zeit,  da  er 
noch  im  Paradiese  lebte,  denn  sein  Erbfeind,  der  Mensch,  existirte 
noch  nicht  an  der  Lone.  Wer  dem  Höhlenbären  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  am  meisten  Rippen  einschlug  und  Knochen 
zerschmetterte,  war  das  Pferd.  Mit  den  Bärenknochen  kamen 
Pferdsknochen  am  häufigsten  vor,  auf  98%  Bärenknochen  kommt 
1%  Equus,  von  welchem  Zähne,  Kieferstücke,  Fusswurzelknochen  und 
Phalangen  vorliegen.  Diese  Reste  zeigen  durchaus  nichts  Eigen- 
Ihümliches,  daran  sie  von  lebenden  Pferden  unterschieden  werden 
hönnten,  und  tragen  theilweise  noch  deutliche  Spuren,  wie  die 
Zähne  der  Bären  an  ihnen  gearbeitet  hatten.  Es  kann  fast  kei- 
nem Zweifel  unterliegen,  dass  wir  in  den  Pferdsresten  die  Reste 
der  Raubzüge  des  Bären  haben.  Nicht  anders  kann  man  auch 
die  vielen  Geweihstücke  von  Cervus  dlces  ansehen,  dessgleichen 
Fussknochen  und  Unterkieferstücke  von  Cervus,  die  nicht  mehr 
näher  zu  bestimmen  sind,  ebenso  Kieferstücke  und  Fussknochen 
von  Ochs,  Ziege  und  Schaf.  Den  grössten  Werth  für  die  Beur- 
theilung  der  geologischen  Zeit  hat  offenbar  die  ausgegrabene  linke 
tibia  von  ElepJias,  die  zwar  stark  mitgenommen  ist,  die  Epiphyse 
verloren  hat,  aber  zweifellos  einem  Mammut h  angehörte.  Das 
fragliche  Schienbein  ist  zwar  kaum  etwas  grösser,  als  an  unserem 
Skelett  des  indischen  Elephanten;  es  war  demnach  wohl  kein 
altes  Thier,  an  das  der  Bär  sich  wagte  und  dessen  zerfleischten 
Reste    schliesslich   zum   Hohlenstein   hereingezerrt   worden   sind. 


—    187    — 

Mammuthe  ähnliclier  Grösse,  ja  selbst  noch  kleinere  fanden  sich 
auch  zu  Canstadt  bei  der  letztmaligen  Ausgrabung  in  der  Winter- 
halde zusammen  mit  Unterkiefern  und  Zähnen  von  Ui^sits  speiceus, 
nur  war  dies  Yerhältniss  des  Vorkommens  das  umgekehrte,  dort 
kam  1  Bär  auf  100  Mammuthe,  hier  ein  Mammuth  auf  100  Bären. 
Unter  solchen  Umständen  wird  es  gerechtfertigt  sein,  dem 
Hohlenstein  den  Namen  einer  ausschliesslichen  Bärenhöhle  zu 
geben,  als  Jahrhunderte,  besser  vielleicht  Jahrtausende  langer 
Behausung  des  Ursus  speiceus.  Darauf  weist  die  Crlättung  und 
Polirung  der  Felsenwände  hin,  einmal  da  wo  am  Eingang  zur 
ersten  Halle  der  Schlupf  sich  verengte  und  ferner  rings  an  den 
Wänden  der  Hallen  1  bis  2  Fuss  über  dem  jetzigen  Boden  der 
Höhle.  Vom  Dach  der  Höhle  hängen  nur  an  w^enigen  besonders 
feuchten  Orten  Tropfsteine  nieder,  sonst  findet  keine  Auskleidung 
der  Höhle  mit  Kalksinter  und  Tropfstein  statt;  wo  der  weisse 
Jura  als  das  Muttergestein  der  Höhle  am  Dach  oder  an  den 
Wänden  untersucht  wird,  zeigt  er  die  bekannte  Erosions-Erschei- 
nung dieses  Gesteins,  es  ist  durchnagt  und  zerfressen,  wie  z.  B. 
Marmor  von  Salzsäure  angegriffen  wird.  2  Fuss  über  dem  Boden 
aber  werden  die  Wände  glatt,  und  wo  in  der  Tiefe  der  Lehm 
von  der  Felswand  abgegraben  wird,  zeigt  sich  constant  diese 
Glättung.  Bei  genauer  Untersuchung  ist  es  jedoch  weniger  eine 
Polirung  des  Jurafelsen,  dass  etwa  dessen  Unebenheiten  abge- 
schliffen wären  auf  Eine  Fläche:  vielmehr  findet  eine  Ausfüllung 
der  kleinen  Unebenheiten  mit  papierdicken  gelblichen  Schalen 
statt,  die  kein  kohlensaurer  Kalk  sind,  vielmehr  als  fest  aufge- 
tragene, eingeriebene  Lehmschichten  betrachtet  werden  müssen, 
als  eine  Arbeit  des  Bären,  der  seinen  schmutzigen  Pelz  an  den 
Wänden  rieb. 

Die  Resultate  der  Ausgrabungen  im  Hohlenstein  und  der 
Untersuchung  der  Knochen  lassen  sich  in  wenigen  Sätzen  kurz 
zusammenstellen. 

1)  Vom  1.  Jahrhundert  vor  Christus  bis  zum  4.  Jahrhundert 
nach  Christus  war  der  Hohlenstein  mehrmals  von  Menschen 
bewohnt,  beziehungsweise  als  Zufluchts  -  Stätte  in  Kriegszeiten 
benützt. 


188 


2)  Die  Menschen-  und  Bären-Reste  haben  wohl  den  Ort,  nicht 
aber  die  Zeit  mit  einander  gemein. 

3)  Die  Bären -Reste  gehören  sämmtlich  nur  Einer  Art  an, 
dem   Ursus  spelceus  Bl. 

4)  Ursus  spelceus  kann  mit  lebenden  Arten  nicht  zusammen- 
gestellt werden,  denn  die  beobachteten  Unterschiede  in  der  Zahl 
der  Zähne,  Gestalt  des  Isten  und  3ten  Backenzahns,  Form  des 
frontale,  temporale,  occiput,  Zahl  der  Kreuzbein-AYirbel,  Gestalt 
des  Beckens,  Stellung  des  Daumens,  Breite  des  Fusses  u.  s.  w. 
müssen  als  wesentlich  und  spezifisch  angesehen  werden. 

5)  Die  Bären  bewohnten  lange  Zeiten  hindurch  ausschliess- 
lich den  Hohlenstein. 

6)  Die  Thiere,  auf  die  sie  Jagd  machten,  waren:  Mammuth, 
Pferd,  Ochse,  Elenn,  Hirsch,  Schaf. 


Beiträge  zur  württembergischen  Flora. 

Von  Dr.  R.  Finckli  in  Urach. 

Seit  meinem  letzten  Bericht  im  XVII.  Jahrgang.  S.  350 
u.  ff.  dieser  Hefte  sind  folgende  neue  Pflanzen  und  Standorte  zu 
meiner  Kenntniss  gelangt. 

Auf  der  Alp,  und  zwar  auf  dem  Hundsrücken,  O.A.  Balin- 
gen fand  zu  Anfang  Juli  vor.  J.  Herr  Pharmaceut  Harz  eine 
nicht  nur  für  die  württembergische,  sondern  für  die  deutsche 
Flora  neue  Pflanze,  den  Orohus  alpestris  W.  K.  unter  Bu- 
chen mit  Thesium  montamim.  Diese  dem  Orohus  albus  L.  ziem- 
lich ähnliche  Pflanze  kommt  sonst  in  Ungarn  und  Kroatien  vor; 
Es  ist  zu  wünschen,  dass  heuer  vollständigere,  namentlich  Frucht- 
exemplare eingesendet  werden,  um  die  Diagnose  dieser,  übrigens 
wie  es  scheint  richtig  bestimmten  Pflanze  ausser  allen  Zweifel  zu 
setzen.  Da  ich  sie  weder  im  Herbar  besitze,  noch  das  Kupfer- 
werk von  Waldstein  und  Kitaibel  (Plantae  rar.  Hungariae)  mir  zu 
Gebot  steht,  so  überlasse  ich  es  unserem  verehrten  Herrn  von 
Märten  s,  sich  bei  Gelegenheit  weiter  über  diesen  Fund  zu  äussern. 

An  Muschelkalkfelsen  bei  Aistaig  O.A.  Sulz  fand  Herr  Regi- 
mentsarzt  Dr.  Hegelmaier  die  Crepis  foetida  L.,  welche,  wie 
das  bei  Wasseralfingen  vorkommende  Atr'qjlex  laüfolium  AYahlbg., 
von  den  Verfassern  der  württ.  Flora  zu  den  Pflanzen  gerechnet 
wurde,  die  blos  in  den  tieferen  Gegenden  des  Landes  vorkom- 
men sollen. 

Auf  Schutt  am  Weg  von  Ebingen  nach  Biz  fand  im  August 
vor.  J.  Herr  Revierförster  von  Entress  das  Xanthhnn  spino- 
sum,   das  damals  auch  von  Herrn  O.-J.-Rath  Gmelin,   und   zwar 


—    190   — 

neben  X.  strumarium  auf  mit  Wollabfall  gedüngtem  Land  am 
Bothnanger  Weg  bei  Stuttgart  gefunden  wurde. 

Auf  einer  sumpfigen  Wiese  bei  Sanct  Johann  fand  ich  im 
Yor.  J.  Galium  uliginosum  L.  und  auf  Hohen -Urach  eine  arm- 
blüthige  Varietät  des  Hieracium  lunbellatum  mit  unten  ästigem 
Stengel  und  sternförmig  behaarten  Blüthenstielen  und  Hüll- 
blättchen. 

Herr  Forstassistent  Schiler  fand  im  Staatswald  Hochwald 
bei  Altensteig  Corallorhiza  innata  R.  Br.;  im  Staatswald  Schanz- 
hard  bei  Spielberg  O.A.  Nagold  Lister  a  cor  data  R.  Br,;  am  Kat- 
zenkopf MulgecUum  alpinum  D.  C. 

Die  Flora  des  Unterlands  betreffend,  so  fand  Herr  Ober- 
justizrath  W.  GimQliiL  Plantag o  arenaria  W.  /C  in  einem  Wein- 
bergsweg des  Bopser  bei  Stuttgart;  Cerastium  hrachypetaluin 
Desp.  am  Hasenberg;  Montia  minor  Gm.  auf  feuchten  Aeckern  bei  der 
Solittide ;  Atriplex  latifolium  Wahlbg.  bei  Stuttgart  und  bei  Maul- 
bronn; Heleocharis  ovata  Br.  und  Juncus  ohtusifloinis  Ehrh.  bei 
Maulbronn ;  Poa  fertilis  Host,  an  der  Tauber  bei  Mergentheim. 

Am  Sulzerrain  bei  Cannstatt  fand  Herr  Revierförster  von 
Entress  Potentilla  cinerea  Chaix.,  und  in  Weinbergen  bei  Stutt- 
gart fand  Herr  Regimentsarzt  Dr.  Hegelmaier  die  Crepis  pul- 
chra  L. 

Aus  der  Flora  des  Jaxtkreises  trage  ich  hier  nach  als  Zusatz 
zu  meinem  Bericht  im  V.  Jahrgang  dieser  Hefte:  Oenanthe  fistu- 
losa  L.  bei  der  Aumühle  O.A.  Ellwangen  und  Asperugo  procum- 
hens  L.  an  Kalkfelsen  bei  Höfen  O.A.  Neresheim  (Frickhinger). 

Ich  führe  hier  noch  eine  Mittheilung  des  Herrn  O.-J.-Raths 
Gmelin  an,  wornach  bei  Criesbach  im  Kocherthal  eine  ganz  ge- 
sunde Tilia  parvifolia  Ehrh.  sich  findet,  deren  Stamm  mindestens 
30'  im  Umfang  hat.  Sonst  pflegt  die  T.  grandifolia  solche  Gi- 
ganten hervorzubringen. 

In  Oberschwaben  fand  Herr  Regimentsarzt  Dr.  Hegel- 
maier, und  zwar  im  Gehölz  der  Hier  bei  Wiblingen  die  Ange- 
lica  7«on^rt7ia  Schleicher,  die  Kocli  in  seiner  Synopsis  als  eigene 
Art  aufführt,  die  jedoch  nur  eine  Varietät  von  A.  sylvestris  ist 
mit  herablaufenden  Fiederblättchen. 


—    191    — 

Von  Kryptogamen  fand  ich  in  hiesiger  Gegend  die  Ulo- 
thrix  valida  Naeg.,  eine  sehr  hübsche  und  seltene  Faden-Alge  mit 
Cladophora  uisignis  Kütz.  und  Ulothrix  inaequalis  Kiitz.  in  dem 
Springbrunnen  eines  Gartens  bei  Urach,  der  aus  der  Erms  sein 
"Wasser  erhält;  forner  Tetraspora  natans  Küiz.  im  Bassin  bei 
Güterstein  und  Oscillaria  limosa  ß)  uiicinata  Kiitz.  im  Schwimm- 
bassin bei  Urach.  Die  Tetraspora  nataiis  wurde  seither  auch  von 
Herrn  Apotheker  Valet  bei  Schussenried  gefunden.  Derselbe 
fand  in  Wassergräben  am  Lindenweiher  bei  Unter-Essendorf  die 
Ell  actis  chrysocoma  Kütz. 

Von  Moosen  fand  Herr  Dr.  Hegelmai  er  bei  Rottweil  Di- 
stichium  capillaceum  Br.  &  S. ;  Gümhelia  crinita  Hampe  bei  Tutt- 
lingen und  Giimbelia  orhicularis  H.  bei  Ulm. 

April  1862. 


8,     Die   Streitberger  Schwammlager  und  ihre 
Foraminifer  en-Einschlü  sse. 

Von  Bergmeister  G  um  bei  in  München. 
Mit  Taf.  III.  und  lY. 

Seit  der  interessanten  Entdeckung  zahlreicher  Foraminiferen- 
Arten  im  Lias  der  Umgegend  von  Metz  durch  Ter  quem*  und 
in  gleichalterigen  Schichten  von  Göttingen  durch  Bornemann** 
war  es  ^Yohl  nicht  länger  mehr  zweifelhaft,  dass  auch  in  den 
mächtigen  Meeresablagerungen  der  oberen  jurassischen  Formatio- 
nen Foraminiferen  in  zahlreicheren  Arten ,  als  sie  bis  dahin  be- 
kannt waren,  nicht  fehlen  könnten,  und  dass  die  Lücke  sicher 
verschwinden  werde,  welche  bi^^her  in  unserer  Kenntniss  dieser 
microscopischen  Thierformen  aus  Schichtengliedern  mitten  zwi- 
schen foramiuiferenreichen  Gebilden  (Lias  und  Kreidegestein)  un- 
ausgeftillt  geblieben  waren. 

Nach  d'  0  r  b  i  g  n y '  s  Prodrome  waren  diesem  1850  im  Ganzen 
aus  den  oberen  jurassischen  Formationen  (Dogger  und  Jura  im 
engeren  Sinne)  18  Arten  und  mit  Weglassung  zweifelhafter  Ge- 
nera nur  15  Arten  bekannt.  Davon  treffen  nur  4  resp.  3  auf  die 
eigentlichen  Juraschichten  und  in  diesen  blos  auf  das  d'Orbigny'sche 
Corallien. 

Davon  scheint  d'Orbigny  1825  zuerst  aus  dem  Grossoolith 
von  Ranville  mehrere  Arten  beobachtet  zu  haben,  denen  sich 
1839  einige  von  J.  A.  R  o  em  e  r  entdeckte  Formen  aus  den  Schichten 


*  Terquem:    reclierches    sur    les    foraminif.    du   lias,  memoire    de 
Tacad.  imper.   de  Metz   1858  und  2te  Abth.   1862. 

**  Bornemann:    Lias  von  Göttingen;  luaugural-Abh.  Berlin  1854. 


—    193   — 

des  Ammonites  Miirchisonae  von  Wrisbergholzen  zugesellten.  1843 
bis  1847  vervollstiiüdigte  d'Orbigny  die  Reihe  der  Dogger 
Foraminiferenspecies  durch  neue  Arten  von  Ranville  und  aus 
den  obern  Bathschichten  von  Aisne. 

Noch  1846  lässt  es  d'Orbigny  unentschieden,  ob  er  die 
Armuth  der  obersten  Juraschichten  an  Foraminiferen  dem  Um- 
stände zuschreiben  soll,  dass  solche  Thierformen  zu  jener  Zeit 
nicht  existirt,  oder  dass  sie  bei  Umbildung  der  Niederschläge  in 
festes  Gestein  zerstört  Avurden.* 

Diese  Kenntniss  oberjurassischer  Arten  scheint  sich  bis  1854 
nicht  erweitert  zu  haben,  weilReuss**  sich  auf  Erwähnung  der 
d'Orbigny 'sehen  Juraarten  beschränkt,  ohne  neuere  Funde  auch 
nur  anzudeuten,  indem  er  bemerkt:  ,,Die  äusserst  geringe  Anzahl 
von  Foraminiferenarten  im  Jura,  einer  Formation,  die  den  daran 
so  reichen  Kreidegebilden  im  Alter  unmittelbar  vorangeht  und 
sich  einer  so  bedeutenden  Verbreitung  erfreut,  wäre  gewiss 
auffallend,  wenn  sie  nicht  wenigstens  zum  Theil  in  der  grossen 
Seltenheit  weicher,  schlemmbarer  Gesteine  ihre  natürliche  Erklä- 
rung fände  und  durch  künftige ,  sorgfältigere  Forschung  ohne 
Zweifel  noch  eine  wesentliche  Bereicherung  erfahren  würde." 

Bronn  gibt  in  seinen  Entwicklungsgesetzen  der  org.  Welt, 
welche  auf  die  Erfahrungen  bis  zum  Jahre  1850  sich  stützen,  in 
den  jurassischen  Schichten  15  Genera  mit  34  Species  von  Polythala- 
mien  an,  erwähnt  weiter  noch  das  Vorkommen  zahlreicher  Arten 
in  dem  mittleren  Jura  von  Moskau. 

Jones  und  Parker  kennen  1860  bereits  sehr  zahlreiche 
Foraminiferspecies  aus  Oxord-  und  Kimmeridge  -  Mergel.  Sie 
nennen  darunter:  Nodosarinen,  Nubecularien ,  Trochaminen,  Or- 
thocerina.  Polymorphinen  und  die  Rotalia  elegans,  Bulimina  und 
Textularia.  Es  ist  nicht  weiter  bekannt,  welche  und  wie  viele 
Species  in  den  englischen  Juragebilden  bisher  gefunden  wurden. 

Soweit  scheinen  im  Allgemeinen  unsere  Kenntnisse  der  obe- 
ren jurassischen  Foraminiferen  zu  reichen. 


*  Foraminif.  von  Wien    p.  XXVII. 
**  Jahresbericht  der  Wetterau.    Gesellscb.  Hanau  :JS54  p.  74. 
Württemb.  naUmv.  Jahreshefte.    1862.    26  Heft  13 


194 


Was  nun  insbesondere  die  Juraschichteu  oberhalb  der  Stufe 
des  Ammonites  macroceplicäusj  anceps  und  Athleta  (Kellowaystufe) 
insbesondere  im  schwäbisch-fränkischen  Bezirke  anbelangt,  so  ist 
in  dieser  Hinsicht  Weniges  in  Bezug  auf  Foraminiferenein- 
schlüsse  weiter  zu  unserer Kenntniss  gelangt.  Selbst Quenstedt 
beschränkt  sich  in  seinem  Jura  (1858  p.  671)  da,  wo  er  von  den 
kleinen  Sachen  aus  den  Schwammschichten  des  weissen  y  spricht, 
auf  die  Bemerkung :  „selbst  Foraminiferen  glaubt  m  a  n  zu 
sehen." 

Mein  längerer  unfreiwilliger  Aufenthalt  in  dem  Curorte 
Streitberg,  jenem  durch  v.  Münsters  Auf  Sammlungen  und 
Goldfuss  Beschreibung  so  berühmt  gewordenen  Petrefactenfund- 
orte,  während  des  Sommers  1861  gab  mir  Veranlassung,  die  er- 
wähnten V.Münster'  Fundpunkte  näher  zu  untersuchen.  Hierbei 
war  ich  so  glücklich,  durch  Schlämmen  des  die  zahlreichen' feinen 
Versteinerungen  umschliessenden  Mergels  an  Ort  und  Stelle  zahl- 
reiche Foraminiferen  zu  entdecken,  deren  Artenreichthum  schon 
jetzt  geeignet  erscheint,  die  Aufmerksamkeit  der  Geognosten  welche 
sich  mit  dem  Studium  der  jurassischen  Formationen  in  schwäbisch- 
fränkischem  Bezirke  befassen,  auf  diesen  Gegenstand  hinzulenken. 
Hierbei  glaubte  ich  zugleich  passende  Veranlassung  zu  finden, 
über  die  geognostische  Stellung  der  durch  v.  Münster  und 
Goldfuss  so  bekannt  gewordenen  Streitberger  Schichten,  meine 
Beobachtungen  mitzutheilen. 

Die  Schichten,  in  welchen  bei  Streitberg  Foraminiferen  vor- 
kommen, bestehen  aus  einem  grünlichgrauen  krümmeligen  Mergel, 
in  dem  bald  mehr,  bald  weniger  häufig  Knollen  von  Kalk  und 
Kalkmergel,  oft  die  Schwämme  und  sonstigen  org.  Einschlüsse  in- 
krustirend,  eingestreut  lagern,  oder  auch,  wie  meistentheils  in  den 
oberen  Schichtenparthieeu,  zu  geschlossenen  Bänken  mit  zwischen- 
eingeschlossenen Lagen  weichen  Mergels  sich  vereinigen. 

Diese  Schichtenstreifen  knolligen  Kalks  bilden  erst  Bänke  von 
3 — 5'  Mächtigkeit  und  schliessen  fast  gleichmächtige  Mergelstreifen 
zwischen  sich  ein,  werden  jedoch  nach  oben  immer  mächtiger  und 
gehen  bei  fast  gänzlichem  Verschwinden  des  Mergels  zuletzt  in 
mächtige  Felsmassen  über,  welche  hohe  steile  Wände  bilden.   Auch 


—    195   — 

in    diesen  Lagen   ist   die   oolithisclie  Struktur  immer   noch   vor- 
herrschend. 

Als  die  unmittelbare  Unterlage  unter  den  grünlichgrauen 
Mergeln  zeigt  sich  ein  fahlgelblich  grauer  Thon  mit  grtlnen, 
nicht  runden,  sondern  eckigen  Körnchen  und  ein  gelbweisser,  oft 
mit  röthlichgefärbten  grösseren  oolith- artigen  Partieen  ausge- 
zeichneter Kalk,  ebenfalls  voll  grüner  Körnchen.  Hier  kommen 
fast  ausschliesslich  Ammoniten  (biplex,  Lamberti^  hiarmatus)  und 
Belemnlten  vor,  deren  Oberfläche  häufig  mit  einer  grünlichen 
Substanz  von  talkähnlichem  Aussehen  überzogen  sind.  Auch 
fehlen  rundliche  Knollen  von  schwarzen  Steinmergeln  nicht,  die 
aber  auch  noch  tiefer  nieder  gehen  und  hier  mit  Belemnites  hast- 
atus  (in  Unzahl)  in  einem  unverwittert  tiefschwarzgefärbten  Mer- 
gelthon  liegen.  Es  sind  diess  die  Grenzschichten  zwischen  braunem 
und  weissem  Jura,  welche  Qu  en  st  e  dt  in  seinem  Jura  den  grünen 
Oolith  der  Lambertiregion  (p.  518  u.  568)  nennt  und  auch  Oppel 
(Juraform.  p.  521  u.  619)  erwähnt.  Ich  selbst  habe  diese  höchst 
characteristische ,  wenn  auch  nur  gering  mächtige  Grenzschichte 
der  weissen  Kalke  mit  Glauconitkörnchen  und  Ammonites  biar- 
matus  durch  ganz  Franken  vom  Hesseiberg  bis  Kegensburg  ver- 
folgen und  nachweisen  können.  . 

Bei  Streitberg  steht  diese  Schicht  im  tiefen  Grabenbache 
oberhalb  der  Mühle  und  unterhalb  des  Grabenschusters  in  einem 
Erdrutsch, und  östlich  vom  Reitzensteinhause  auf  der  Viehweide 
unmittelbar  oberhalb  der  Muggendorfer  Strasse  an.  Unterhalb 
der  Muschelquelle  wurde  sie  am  oberen  Ende  der  Wiese  auf- 
geschürft. Sie  bildet  der  Lage  nach,  wie  auch  gemäss  der 
Beschaffenheit,  das  unmittelbare  Liegende  der  Schlammmergel, 
da  in  deren  untersten  Schichten  noch  grüne  Körnchen  eingesprengt 
sich  finden.  Diesen  nach  entspricht  die  Stellung  der 
Schwammmergel  dem  Niveau  des  schwäbischen  a.  Das 
unterliegt  keinem  Zweifel,  wenn  man  nur  nach  der  Lagerung 
sein  Urtheil  fällt.  Untersucht  man  aber  die  zahlreichen  org.  Ein- 
flüsse dieser  Schwammmergel,  so  stimmt  Alles  so  genau  mit  den 
feineren  Sachen,  die  Qu  enstedt  von  gewissen  Puncten  des  weissen 
y  anführt  (Taf.  79,  80  u.  81),  dass  man  an  eine  Identität  der  Schich- 


—    196    — 

tencomplexe  von  Streitberg  in  solchen  Schwammmergeln  mit  jenen 
von  der  Lochen  bei  Balingen,  von  der  Steige  bei  Weissenstein,  an 
der  Raudenstrasse,  am  Böllart  bei  Zillhausen,  von  Gosheim  und 
insbesondere  auch  von  Birmensdorf  in  der  Schweiz  kaum  zu  zweifeln 
ist.  Quenstedt  stellt  die  meisten  dieser  Fundstellen  mit  Streitberg 
selbst  auf  den  Horizont  seines  weissen  y  (J.  p.  602).  Dem  wider- 
spricht die  Lagerung  entschieden.  Liegt  ja  doch  bei  Streitberg  das 
y  in  ganz  anderer  mehr  kalkigen  Form  auf  weit  höherem  Horizonte. 
Wir  hätten  mithin  einen  jener  Ausnahmsfälle  vor  uns,  m^o  Lage- 
rung und  organische  Einschlüsse  nicht  in  üebereinstimmung 
ständen! 

Ein  Blick  auf  die  Tafeln ,  auf  welchen  die  schwäbischen 
Sachen  aus  a  und  y  abgebildet  sind,  lehrt  die  nahe  Verwandtschaft 
mancher  Lagen  beider  Gebilde.  Sie  wird  vermehrt  durch  das  Vor- 
kommen zahlreicher  org.  Ueberreste  in  den  fränkischen  Schwamm- 
mergeln, die  sonst  in  den  tiefsten  Regionen  des  weissen  Jura 
vorzukommen  pflegen,  so  dass  auch  paläontologisch  eine  Annähe- 
rung der  Schwammmergelfauna  von  Streitberg  an  das  schwäbische 
a  sich  zu  erkennen  gibt.  Genaue  Untersuchungen  haben  diese 
Verhältnisse  vollständig  aufgehellt  und  eine  Thatsache  festgestellt, 
von  der  ich  glaube,  dass  sie  des  allgemeinen  Interesses  werth  sei. 

Verfolgt  man  nämlich  die  Schammmergel  von  einem  Punkte 
ihrer  vollständigen  Entwicklung  an  in  ihrem  Fortstreichen,  so 
stösst  man  bald  an  Stellen,  wo  diese  besondere  Art  von  Mergel- 
bildung ziemlich  plötzlich  aufhört  und  auf  gleichem  Horizonte 
Gesteine  Platz  greifen,  welche  durch  den  Mangel  knolliger  Struk- 
tur, durch  ihre  vollkommene  Schichtung  und  ihre  vorherrschend 
kalkige  Beschaffenheit  von  der  Natur  der  Schwammmergel  ab- 
weichen. So  sehen  wir  genau  auf  ein  und  demselben  Horizonte 
über  dem  weissen  Glaukouitkalk  einerseits  Schwammmergel,  and- 
rerseits wohlgeschichtete  graue  Mergelkalke.  Beide  müssen, 
da  von  x^-.brutschungen  etc.  hier  keine  Bede  sein  kann,  gleich  al- 
ter ige  Gebilde  sein,  Entwicklungsformen  desselben  Niveau's, 
nur  unter  verschiedenen  äussern  Bedingungen  enstanden.  Es  ent- 
sprechen sich  aber  nicht  nur  solche  Bildungen  an  ganz  benachbar- 
ten Orten  von  gleichem  Niveau  wie  Grabenbach  und  die  N.  Fellern- 


—    197    — 

dorfer  Leithen,  sondern  man  kann  ihr  Nebeneinanderstellnngund. 
Uebergang  im  horizontalen  Sinne  auch  an  unmittelbar  neben- 
einander liegenden  Punkten  überblicken,  wie  am  Reitzensteinhause 
gegen  die  rothe  Leithe. 

Die  Schwammmergel  von  Streitberg  sind  demnach  nur  eine 
lokale  Facies  der  Schichten  vom  Niveau  der  grauen  wohlgeschich- 
teten Kalkmergel,  und  es  treten  auf  diese  Weise  zwei  vielfach 
verschiedene,  obwohl  gleichalterige  Faunen  unmittelbar  neben  ein- 
ander auf,  welche  im  Fall  sie  an  von  einander  entfernten  Orten 
beobachtet  würden,  als  über  einander  geordnet  und  ungleichalte- 
rig  gelten  würden.  Diese  Thatsache,  welche  sich  in  Franken  öf- 
ters wieder  findet,  mag  manche  bisher  unklare  Schichtenverhält- 
nisse, wo  Lage  und  Fauna  nicht  in  Einklang  zu  stehen  schienen, 
aufhellen.  Dass  Aehnliches  auch  im  schwäbischen  Jura  vorkomme, 
deutet  auch  Quenstedt  dadurch  an,  dass  er  wiederholt  von  einem 
tieferen  Herabgreifen  einer  Schichte  in  das  Niveau  einer  andern 
spricht.  Namentlich  glaubt  man  in  Schwaben  annehmen  zu  sollen, 
dass  die  als  y  Stufe  angesprochene  Schwammschicht  einiger  früher 
bezeichneter  Orte  unregelmässig  im  Horizonte  von  a  oder  ß  ge- 
lagert erscheine.  Diese  Abnormität  hielt  man  für  eine  Folge  von 
Abrutschungen  der  ursprünglich  höher  liegenden  Schichten  y  bis 
zum  Niveau  von  « — ß;  sie  ist  aber  in  der  That  nur  Folge  einer 
Faciesbildung. 

Eine  ähnliche  Verschiedenheit  in  der  Entwicklung  gleichalteri- 
gen  Ablagerung  hat  Fr  aas*  für  die  jüngsten  Glieder  der  deutsch- 
französischen  Jura's  durch  Nachweisung  dreier  gleichzeitig  neben 
einander  auftauchenden  Faunen  —  Corallen-,  Mollusken-  und 
Vertebraten  -  Facies  constatirt.  Ein  ähnliches  Verhalten  zeigen 
nun  in  tieferen  Schichten  die  Streitbergermergel  als  S-chwamm- 
facies  und  die  grauen  wohlgeschichteten  Kalkmergel  als  Mol- 
lusken-Facies. 

Das  Niveau  aber,  auf  dem  beide  stehen,  ist  jenes  unmittelbar 
über  der  glaukonitischen  Kalkbank  mit  Ammonites  hiarmatus,  d.  h. 
derjenigen   von  a,    oder   vom   oberen  a  mit  Einschluss   der  tie- 


*  Jahrb.  für  Min.  etc.  von  Leonh.  und  Bronn  1850  p.  171.  299, 


198 


feren  Lagen  von  ß.  Für  die  Schwamnimergel  ist  diess  zwar  pa- 
läontologisch schwer  nachweisbar,  w^eil  ihre  Fauna  eine  ganz  ei- 
genthümliche  ist,  welche  in  anderen  bisher  als  a  erkannten  La- 
gen wenig  Analogien  darbietet.  Doch  fehlen  Anklänge  nicht. 
"Wir  erinnern  nur  an  die  kleinen  verkiesten  rostfarbigen  Ammo- 
niten,  an  Asterias  impressae,  Belemnites  pressulus  u.  A.  m.  Auch 
die  grauen  Merkelkalke  sind  nicht  genau  dasselbe,  was  die  schw^ä- 
bischen  Impressa-Thone ;  aber  offenbar  ihre  Stellvertreter.  Dann 
fehlt  auch  die  ächte  Terebratula  impressa  im  Norden  (am  Hessel- 
berge  fand  ich  sie  noch  normal),  so  sind  doch  dieselben  rostfar- 
bigen Ammoniten  da  und  der  Fucoides  Heddngenis.  Dass  die 
Schichten  in  Franken  mehr  kalkig  als  thonig  sind,  bewirkt  eben 
die  Eigenthümlichkeit  ihrer  vom  schwäbischen  etwas  abweichen- 
den Fauna. 

Aber  wenn  man  auch  ganz  absieht,  von  organischen  Ein- 
schlüssen spricht  die  unmittelbare  Auflagerung  der  Schw^amm- 
schichten  auf  den  w^eissen  Glaukonitkalkschichten  mit  Amm.  hlplex 
biarmatus,  cordatus,  Lamberti  neben  Belemnites  hastatus,  ja  sogar 
der  deutliche  Uebergang  beider  Schichten  in  einander  klar 
und  bestimmt  für  die  Schichtenstellung  der  Schwammmergel  im 
tiefsten  Niveau  des  weissen  Jura.  Es  wäre  daher  nicht  nöthig,  noch 
weiter  zu  bemerken,  dass  das  normale  y  Schwaben's,  wie  es  im 
Schauergraben  deutlich  und  in  fortlaufend  unmittelbar  zu  tiber- 
blickenden Entblössungen  sichtbar  ist,  viel  höher  und  durch  später 
zu  beschreibende  massige  Kalke  getrennt,  in  Form  bröcklicher 
und  hornsteinreicher  Kalke  auftritt.  Dagegen  ist  eben  so  bestimmt 
zu  erkennen,  dass  die  von  den  bezeichneten  Schlammmergeln 
umschlossenen  org.  Reste  nicht  rein  den  Charakter  besitzen,  wie 
ihn  sonst  das  wohlgeschichtete  a  Schwabens  beansprucht,  viel  mehr 
Formen  auftauchen,  die  einem,  nach  schwäbischen  Mustern  zu 
sprechen,  viel  höheren  Horizonte  eigenthümlich  zu  sein  pflegen. 
Diese  Beobachtung  verliert  jedoch  sofort  den  Schein  einer  be- 
sonders auffallenden  Thatsache,  wenn  man  sich  erinnert,  dass  alle 
die  unterschiedenen  unteren  Glieder  des  weissen  Jura  einer 
einzigen  eng  verbundenen  Stufe  angehören,  deren  Fauna  in 
andern  Provinzen  des  anglo-francogermanischen  Jurareichs  wenig 


—    199    — 

Differenzen  bieten.  Dass  diese  Differenz  in  Schwaben  und  Franken 
stellenweise  stärker  hervortritt,  rührt  zum  Tlieil  von  dem  Um- 
stände her,  dass  hier  die  tieferen  Schichten  («—,3)  meist  in  Form 
wohlgeschichteter  Kalke  und  Kalkmergel  ausgebildet  sind,  während 
die  y  entsprechenden  Lagen  meist  in  der  Entwicklungsweise  der 
Schwamm-Korallenschichten  vorkommen,  mithin  zu  der  Yerschie- 
denheit,  wie  sie  das  ungleiche  Niveau  mit  sich  bringt,  sich  hier 
noch  die  Verschiedenheit  gesellt,  wiesle  die  abweichende  Fa- 
cies bewirkt.  Wo  dagegen,  wie  bei  Streitberg  und  an  verwandten 
Stellen,  gleich  vom  tiefsten  Gliede  (d)  an  die  Schwammentwick- 
lungsweise  anfängt  und  durch  die  ganzen  Schichtenreihen  bis  über 
y  hinauf  reicht,  da  müssen  die  Differenzen  der  Fauna  geringer  sein. 
Merkwürdig  und  höchst  denkwürdig  bleibt  jedoch  für  die  Streit- 
berger  Gegeixd  die  unmittelbare  Nebeneinanderstellung  der  beiden 
Facies  auf  einem  so  kleinen  Räume,  welche  auf  eine  Entfernung 
von  Streitberg  bis  Muggendorf  die  beiden  Facies  dreimal  neben 
einander  auftauchen  lässt. 

Das  Interesse,  welche  diese  Verhältnisse  an  sich  beanspruchen 
dürfen,  dann  aber  die  grosse  Unsicherheit,  welche  bezüglich  der 
von  Goldfuss  aus  der  Streitberger  Gegend  beschriebenen, 
organischen  Resten,  bezüglich  der  genauem  Bezeichnung  der 
Schichte,  aus  der  sie  stammen,  herrscht,  lassen  es  gerechtfertigt 
erscheinen,  hier  noch  einige  weiteren  Bemerkungen  beizusetzen, 
da  ich  Gelegenheit  nahm,  besonders  in  Bezug  auf  genaue  Er- 
mittlung des  Horizontes,  in  welchen  die  Goldfuss-Münster'schen 
Species  vorkommen,  die  Streitberger  Gegend  zu  untersuchen. 

Das  Wiesenthal  schneidet  bei  seiner  Ausmündung  in  die 
fränkische  Keuperfläche  bei  Forchheim  noch  tief  in  die  bunten 
Mergel  des  obersten  Trias  ein.  Oberhalb  Reut  und  Wiesenthau 
beginnen  die  Liasschichten  sich  über  den  als  Baustein  häufig  ge- 
wonnenen obersten  Keupersandstein  in  wenig  mächtiger,  höchst 
kümmerlicher  Entwicklung  zu  lagern.  Bei  Kirchehrenbach  und 
Unter-Weilersbach  tauchen  die  obersten  Schichten  des  Keupers 
unter  die  Thalsohle  unter,  ihnen  folgt  schon  unterhalb  Pretzfeld 
der  Lias,  so  dass  bereits  an  der  Strasse  vor  Pretzfeld  kleine 
Mergelgruben   in    an  Versteinerungen    reichen  Opalinusthon   des 


—    200    — 

Dogger's  —  Münster'schen  Fiindsteüe  —  eingegraben  sind.  Von 
da  an  nehmen  bis  Streitberg  die  tieferen  Theile  der  Thalgehänge 
den  Eisensandstein  des  Doggers,  die  höheren  Theile  und  die 
Bergfläche  wie  schon  von  Högelstein  und  der  Ehrenbürg  an, 
Jurakalk  ein.  Zwischen  beiden,  greifen  die  theils  kalkigen,  theils 
mergeligen  eisenoolitische  Gesteine  des  obern  Doggers  meist  nicht 
über  10  Fuss  mächtig,  Platz.  Im  Dorfe  Streitberg  und  gegen- 
über oberhalb  N.  Feilerndorf  reicht  der  Eisensandstein  noch  über 
50'  hoch  an  dem  Gehänge  hinauf.  Hier  zieht  quer  zum  Haupt- 
thale  von  Westen  her  der  Grabenbach  oder  Schauergraben  im 
Dorfe  Streitberg  herab,  ihm  gegenüber  erhebt  sich  die  N.  Fellern- 
dorfer  Leithe;  erstere  erschliesst  im  sog.  Schau  er  loch  die 
reichste  Fundstelle  der  ersten  tiefsten  Sehwammmergel,  wäh- 
rend an  der  N.  Fellerndorfer  Leithe  in  gleichem  Niveau  die  wohl- 
geschichteten grauen  Mergelkalke  in  einen  künstlich  ausgeführten 
Schurfgraben  unmittelbar  über  den  Ornatenthonen  und  der  glau- 
konitischen Kalkbank  blossgelegt  wurden.  Im  Schauerloch  ist 
diese  Grenze  nicht  so  scharf  aufgeschlossen;  doch  stehen  im 
Graben  an  der  Mühle  die  schwarzen  Ornatenthone  an,  höher 
bei  dem  Grabenschuster,  die  glaukonitischen  Kalke  und  2 — 3'  höher 
hinauf  die  Schwammmergel.  Noch  weit  interressanter  sind  die 
wenn  auch  spärlichen  Aufschlüsse  an  der  Muggendorfer  Strasse 
zwischen  dem  Reitzensteinhause  und  unter  der  rothen  Leithe.  Hier 
sind  kleine  Gruben  in  verschiedenem  Niveau  angelegt;  in  den 
untersten  stehen  die  gelblich  verwitterten  Mergeln  mit  schwarzen 
Steinmergelkugeln  und  übergehend  in  weisse  Kalke  mit  Glauconit- 
körnchen  und  voll  Äjmn.  biarmatus  hiplex^  und  Belemnites  hastatus  an. 
Darüber  folgt  nun  gegen  das  Reitzensteinhaus  und  die  Muschel- 
quelle zu  unmittelbar  die  Schwammfacies  des  Schauerlochs,  gegen 
die  rothe  Leithe  dagegen  eben  so  unmittelbar  graue  mergelige 
Kalke  und  zahlreiche  schieferige  Mergelzwischenlagen,  wie  sie 
bei  N.  Feilerndorf  gefunden  werden,  und  zwar  sowohl  topisch  wie 
geognostisch  in  gleichem  Horizonte  mit  den  Schlamm- 
mergeln. Wie  in  dieser  unteren  Schichtenreihe,  so  geht  nun 
auch  höher  die  Verschiedenheit  der  Entwicklung  nach  den  beiden 
Facies  weiter  fort. 


201 


Für  beide  soll  ein  vollständiges  Protil  mit  den  organischen 
Einschlüssen,  die  ich  fand,  aufgezeichet  werden. 

A)  Seliwammfacios 

Das  Profil  ist  genommen  aus  dem  Einschnitte  des  Schauer- 
grabens aufwärts  bis  zur  Leinleitener  Höhe. 

A  1)  Streitberger  Schammschichten  bestehend  aus 
graugrünlich  gefärbten  Mergeln  mit  knolligen  oolitischeu  Kalk- 
lagern, welche  sich  gegen  oben  verstärken  und  ganze  Schichten- 
bänke bilden;  36'  mächtig;  die  Fauna  der  tiefern  und  höhern 
Schichten  ist  nicht  verschieden.  Doch  sollen  die  bei  dem  Keitzen- 
steinhause  ausschliesslich  in  den  tiefsten  Lagen  unmittelbar  über 
dem  Glauconitkalke  gefundenen  Reste  vorerst  isolirt  aufgezählt 
werden.    Diese  sind: 

Ammonites  biplex*,  A.  convolutus,  A.  Ihigulatus,  A.  canali- 
culatus,  A.  serratus;  Belemnites  hastatu^,  B.  pressulus;  Ostrea- 
gregaria,  Pecten  cornutusy  P.  suhpunctatusj  P.  textor ins  albus; 
Aucella  impressae ;  Nucula  specr,  Terebratula  hisuff circinata^  T. 
senticosa  alhct^  T.  trüoboides,  T.  loricata,  T.  nucleata,  coarctata 
alba;  T.  cf.  impressa,  T,  guttat  T.  orpis,  Cidar^is  coronata,  C.  ßlo- 
grana;  Dysaster  granulatus,  Echinus  nodulosus,  Eugenia- 
crinites  Hoferiy  E.  caryophyll.  Sphaer ites  tabulatus; 
Pentacrinus  subteres;  Ceriopora  striata;  Cellepora 
orbiculata;  Tetrapora suevica ;  Schwämme  spärlich,  Foraminiferen 
reichlich.  Im  Schauerloch  sammelte  ich  selbst  folgende  Species 
aus  den  tiefsten  Lagen ;  Ammonites  biplex,  co7ivolutiis,  complanatus, 
dentatusy  Eugeni  d'Orb.,  falcida,  ßexuosus,  lingidatus,  Reineckianus 
und  serratus;  Aptychus  Gruppen  des  lamellosus  und  laevis; 
Belemnites  pressulus,  hasfatus,  cf.  excoitralis ;  Ostrea  gregaria, 
Spondylus  teniiistriatus ,  Cucullaea  concinnaj  Astarte 
spec;  Pecten  subtextorius  Mü.,  subpunctatus;  Posidonomia 
cf.  ornataCy    Isoarcü  t  ex  ata;    Aucella  impressae;  Nucula   spec, 


*  Die  Quenstedt'schen  und  Goldfuss'schen  Bezeichnungen  sind 
meist,  um  Missdeutungen  zu  vermeiden,  unverändert  gelassen  worden; 
um  die  Münster 'sehe  Funde  besonders  kenntlich  zu  machen,  dieselben 
mit  durchschossener  Cursivschrift  gedruckt. 


—    202    — 

Trochus  cinctus;  Thecidea  antiqua,  Crania  hipartita, 
porosa;  Terehratula  hisuffarcinata  typisch,  dann  eine  grosse msi^ms 
ähnliche  Form,  T.  nucleata,  gutta,  orbis,  af^  lagenalis^  pectunculus, ' 
Kurriy  loricata,  senticosa  alba,  Rhynchonella  lacunosa  fast  typische 
Form,  mit  einem  langen  Schnabel  und  dichotomen  Rippen,  R. 
triloboides,  äff,  Qu,  Jur  t.  74  Fig.  15  und  t.  78.  f.  32;  Serpula 
planorbifor litis,  cingulata,  sj^iralis,  gordialis,  capitata^ 
limata,  spirolinites,  Deshayesi^  subrugosa\  Cidaris  coro- 
7iatus,  cucumis,  propingua,  ßlograna,  spinosa;  Diadema  subor- 
gulare;  Euge7iiacrinites  nutaiis,  caryophyllatus,  cidaris, 
Hof  er  i;  Solenocrinites  scrobiculatus ,  Pentacrinus  subteres, 
cingulatus;  Ästerias  impressae,  Sphcerites piinctatus,tabidatus ;  Krabben 
Q.  Jur.  t.  81  f.  40  —  42;  Cellepora  orbiculata,  Ceriopora 
clavata,  striata  fav psa,  Alecto  dichotoma,  Tetrapora  suevica; 
Conodictyum  striatum;  Scyphia  articulata,  bipartita, 
calopora,  cylindrica,  Manon,  obliqua,  pertusa,  radicifor- 
7nis,  reticulata,  rugosa;  Tragos patella,  pezizoides;  Manori 
impressum;  Cneinidiumstriatopu7ictatum,  rimulatum.  Dazu 
kommen  die  später  beschriebenen  Foraminiferen  und  eine  Glyphea. 

A  2)  Unmittelbar  über  den  weichen  Schwammschichten  liegen 
knollig  flasrige,  bröckliche,  lichtgrauliche,  gelbe,  deutlich  oolitische 
Kalke  in  dünnen  Bänken  mehrfach  auf  einander.  Hier  fanden 
sich;  Ämmönites  flexuosus,  striolaris,  bimammatus,  an.ceps  albus, 
lingulatus,  ling,  canalis,  Aptychus  lamellosus,  Isoarca  texata^ 
Modiola  tenuistriata ,  Terebratula  bisuff'arcinata ,  loricata; 
Rhynehonella  lacunosa  (ganz  typisch)  Cidaris  remus;  Scyphiaparallela. 
Mächtigkeit  4V2— 6'. 

A3)  Massiger,  dichter,  lichtgelblich,  weisser,  oolitischer  Kalk, 
wechselnd  in  stärkeren  Bänken  mit  mergeligen,  knollig  bröcklichen 
minder  mächtigen  Bänken  im  Ganzen  50'  mächtig.  Ich  fand  hier 
besonders  häutig  A7n.  ßexuosus,  ferner  polyplocus,  striolaris,  anceps 
albus,  canaliculatus  falcula;  serratus,  lingidatus,  canalis,  dentatus; 
Belemnites  hastatus,  Lima  ovatissima,  Monotis  lacimosa,  Terebratula 
nucleata,  loricata^  bissuff.,  reticulata;  Rhynchonella  lacunosa  (typisch) 
Ceriopora  clavata  mit  zahlreichen  Crinoideen-Stielen,  Spongi- 
ten  und  Stylolithen.    Hornstein  Partieen  beginnen  sich  zu  zeigen. 


—    203    — 

A4)  Sehr  dichter,  feiner  lichtgelblich  -weisser  sehr  deutlich 
oolitischer  Kalk  mit  vielen  an  den  Wänden  ausgewittert  vor- 
stehenden verkieselten  Petrefakten,  namentlich  Crinoideen.  Dieser 
nur  im  Grossen  geschichtete  Kalk  bildet  eine  Wand  von  15' Höhe.  Die 
Ausbeute  an  Versteinerungen  ist  wegen  Härte  des  Gesteins  gering: 
Ammonites  polyjjlocus^  pkmulatus  parabolis,  complanatus,  Witteanus, 
ßcxuosus,  virgiilatus,  Ungidatus  canalis,  canallculatus,  inßatus,  involutus, 
Belemnites  hastatus,  Inoceramus  cor,  Ostr-ea  Roemeri,  Mo- 
diola  tenuistriata,  Plagiostoma  Q.  J.  t.  74Fig.  14;  Pectencornutus, 
'^erita  jurensis^  Terehratula  hlsuffarcinata,  kleine  aif.  orhis,  Rhyncho- 
nella  laciinosa,  var  dichotoma,  Cidaris  filograna,  zahlreiche  Spongiten. 

A^)  Dichte,  weissliche  Kalke,  z.  Th.  oolitisch,  in  dünnen, 
wellig  unebenen  Bänken,  geschichtete  Kalk  voll  Hornsteinknollen 
mit  Rhynchonella  lacunosa  und  Terehratula  bisuff.  in 
grosser  Menge,  ausser  diesen  T.  nucleata  (typisch)  Ammonites  po- 
lyplocus,  striolaris,  lingulatus,  dentatus,  serratus.  Belemnites  hastatus, 
Pecten  suhamnatus,  Pholadomja  elathrata,  Eugeniacrinites 
cidaris.  Trag ospaiella.     Mächtigkeit  17'. 

A6)  3'  mächtige  Dolomftschicht  mit  weissen  Hornsteinknollen 
voll  Rhynchonella  lacunosa. 

A"')  Bröcklich  brechender,  dünnbankiger  Kalk,  meist  deutlich 
oolitisch  und  voll  Hornsteinknöllchen,  oft  in  dolomitisches  Gestein 
übergehend  oder  mit  Dolomitzwischenlagen  versehen  —  25'  M., 
voll  Rhynchonella  lacunosa  ohne  Ammoniten. 

A^)  Amberger  Schichten,  oberes  Schwammlager;  sehr 
dichter,  weisslicher  Kalk  von  grünlichen  Thongallen  durchflasert 
und  in  unebene  Schichten  getheilt,  so  dass  durch  Auswitterung 
des  Thons  häufig  der  Kalk  in  grossen  Thierknochen  ähnliche 
Stücke  zerfällt ;  der  Kalk  ist  häufig  fein  oolitisch,  enthält  Schwefelkies- 
pünktchen und  sehr  viele  grosse  Hornsteinknollen,  welche  beim 
Auswittern  wie  die  ebenfalls  verkieselten  organischen  Einschlüsse 
ockergelb  gefärbt  erscheinen.  Häufig  geht  das  Gestein  nach  oben  in 
Dolomit  über  und  stellenweise  nimmt  Dolomit  von  den  tieferen 
Lagern  noch  oben  fortsetzend,  die  ganze  Stufenreihe  A^,  A'  und 
A^  ununterbrochen  ein.  Ausgewitterte  Hornsteinversteinerungen 
von  ockeriger  Farbe  finden  sich  häufig,  besonders  auf  der  Fläche 


—    204   — 

der  Leinleitener  Höhe,  bei  Wartleitea  und  Engelhardsberg  und 
zwar :  Ammonltes  Iiöchst  selten  (Amm :  trifurcatus^  Planulaten  Spu- 
ren) Belemnites  hastatus;  Ostrea  rastellaris  Mü.  (non  Q.),  0, 
nodulosa^  0.  Roemeri;  Monotis  subs'imiUs^=  M.  lacunosm;  Fec- 
ten  s'ubspinosus,  5?<i<ie?i^a^z^5  P.  velatus  albus,  P.  äff:  amhiguo; 
Lima  tegulata;  Inoceramus  laevigatus;  Terebratulabisuffarc: 
(typisch)  dieselbe  sehr  gross  i7isignis-2iYÜg,  dann  lagenalis-ähnlich; 
indendata;  T,  nucleata:  T.  substriata,  S.  loricata,  pectunculoides ; 
Rhynchonella  triloboides  (pisum  Mü.  non  Sow.)  M.  lacunosa  (typisch) ; 
V.  dichotoma^  var.  difformls ,  var.  inconstans  in  allen  Uebergängen 
zur  Normalform;  Echinus  sulcatus,  E.  granulosus;  Cidaris 
coronata,  C,  elegans,  C.  propinqua;  C.  maxima,  C. 
marginata,  C.  nobilis;  Diadema  sabangulare;  Dysa- 
ster  carinatusy  Galerites  depressus;  Apiocrinus  rosa- 
ceusy  Pentacrmus  pejüagonalis ,  Sphaerites  scutatus;  Cerio- 
pora  radiciformis,  angolosa;  Siphonia  pyriformisy 
Cnemidium  striato  punctafuin^  intermedium ,  C,  la- 
mellosum;  C.rimulosum;  Achilleum  cheirotomum;  Manon 
impressum;  Tragos  pateUa\  Sophia  articiclata,  S.  ca- 
lopord,  S.  costata,  S.  cylindrica,  jS.  dictyota,  S.  elegajis; 
S.  miUepunctata,  S.  pertusa,  S.  psylopora;  S.  texturata. 
Ferner:  Serpula  delphinula,  i?itercepta.  Im  Dolomite,  wel- 
cher wie  z.  B.  von  Müllerberg  bis  zum  Guckbtihel  diese  Region 
vertritt,  sind  nicht  selten  Versteinerungen  in  grösster  Häufigkeit 
eingeschlossen,  besonders:  Terebratula  bisiiffarcinata,  T.  nucleataj 
T.  loricata,  Rhynchonella  lacunosa  (typisch)  und  difformis; 
Pecten  textorius  albits,  P.  velatus  albus.  Die  Blöcke  an  der  Strasse 
zunächst  unterhalb  Muggendorf,  ja  selbst  noch  die  Spitze  des 
Guckbühel  bezeugen  diesen  Reichthum. 

Höhere  Stufen  kommen  im  ganzen  Norden  der  fränkischen 
Alp  nicht  vor. 

Wenden  wir  uns  nun  zur  Facies  der  wohlgeschichteten  Kalke, 
so  bemerken  wir  vorerst,  dass  nur  für  die  tieferen  Schichten- 
reihen (B  1  und  B  3)  in  dieser  Beziehung  eine  Differenz  hervor- 
tritt, die  oberen  aber  (A  ^  —  A  ^)  überall  in  ganz  gleicher 
Weise  entwickelt  sind,  mögen  die  tieferen  Lagen  der  Schwamm- 


—   205    — 

facies  oder  der  Facies  wohlgeschichteter  Kalke  angehören.  Die 
Schichten  über  der  glaukonithaltigen  weissen  Kalkbank,  wo 
sie  nicht  als  SchAvammfacies  auftreten,  sondern  von  wohlgeschich- 
teter Mergel  und  Kalke  dargestellt  werden,  lassen  sich  in  3  sehr 
leicht  erkennbaren  Stufen  scheiden: 

B  *)  untere  graue  Mergelkalke  und  Schief  er  mergel 
mit  rostfarbigen  Ammoniten;  sie  folgen  unmittelbar  über 
jener  glaukonitischen  Kalklage,  so  dass  selbst  in  einzelnen  Fällen 
der  grüne  glaukonit-artige  Anflug  oder  üeberzug  in  diese  Lagen  mit 
übergeht.  Namentlich  ist  es  der  Fucoides  Hechingems,  der  häufig 
vorkommend  grünen  üeberzug  aufweist.  Obwohl  nun  hier,  wie  im 
ganzen  N.  Franken  die  typische  Terehraiida  impressa  fehlt,  so  glaube 
ich  gleichwohl,  dass  die  tiefste  thonig-mergelige  Lage  diese  grauen 
Mergelkalke  mindestens  den  Horizont  der  Impressaschicht  vertrete. 
Dies  wird  durch  den  Umstand  sehr  wahrscheinlich  gemacht,  dass 
darin ,  wie  im  ächten  Impressathon,  sehr  zahlreiche ,  rostfarbige, 
meist  kleine  und  wenig  gut  erhaltene  hecticus-,  flexuosus-  und  com- 
2ilanatus-2i\m\\QhQ  Ammoniten  vorkommen.  Indessen  gehen  diese 
tiefsten  Mergel  so  ohne  irgend  feste  Grenze  in  die  höheren 
grauen  Mergelkalke  über,  dass  man  kaum  beide  sicher  auseinander 
halten  kann.  Auch  beim  Sammeln  konnte  ich  die  org.  Einschlüsse 
nicht  sicher  trennen  und  führe  zusammen  an,  was  ich  aus  den 
grauen  circa  60'  mächtigen  Schichten  erbeutete :  Ammonites  hi- 
jilex,  A.  canaliculatusy  A.  complanatusj  A.  Ungidatus,  A.  ßexuosus- 
A.  virgulatiis,  A.  striolaris,  A.  himammatus,  A.  anceps  albus,  poly- 
plocus ;  Aptychi  laeves  et  lamellosi;  Belemnites  hastatus,  Nautilus 
aganiticus;  Ostrea  Boemeri,  Pecten  cornutus,  Muricida  alba;  Te- 
rebratida  äff.  impressae,  T.  cf.  nucleata;  Dysaster  granulatus. 

B  2)  Weisser  "Werk bankkalk,  wegen  seines  la^erhaf- 
ten  Bruchs,  seiner  ansehnlich  dicken,  für  Mauerwerk  trefflich 
passenden,  bankartigen  Schichtung  und  rechtwinkeligen  Zerklüf- 
tung als  Baustein  häufig  ausgebeutet  und  in  zahlreichen  Stein- 
brüchen aufgeschlossen,  wegen  seiner  grösseren  Härte  auch  zur 
Strassenbeschotterung  vielfach  benützt,  bildet  über  dem  grauen 
Mergelkalke  eine  30  —  50'  mächtige,  wegen  geringer  Yerwitter- 
barkeit  an  den    Gehängen  oft   als  steile  Felswand  vorstehende"", 


—    206    — 

weithin  erkennbare  Stufe.  Nach  oben  geht  er  in  dünnbankig 
geschichtetes  Gestein  mit  Zwischenlagen  von  feinblätterigem  Mer- 
gel über.  Darin  kommen  vor:  Ammonites  lingulatus,  A.  flexuosusy 
(häufig),  A.  virgulatus,  A.  striolaris,  A  polyplocus^  A.  trifurcatusy 
A.  irißatus  binodosus,  A.  inßatus  macrocephalus,  A.  Wltteakus ;  Belem- 
niteshastatus;  OstreaEoemeri,  O.aff.Exogyra  suhpllcata,  Pholadomya 
dathrata  (liäufig);  Pecten  cornutus,  P.  cardinatus,  P.  cf.  demissus, 
P.  pseudoparadoxus  {äff.  P.  paradoxus^  docli  nur  V2  so  gross ,  die 
10  Radial  streifen,  als  schmale  Leisten  vorstehend)  P.  vellatus 
albus,  Plicatida  subserrata,  Astarte  Q.  /.  t.  73  f.  55;  Jnoceramus 
laevigatus,  Terebratula  coarctata  alba;  T.  striochicta,  Dysaster 
granulosus.  Es  ist  dies  die  Region  von  ß  und  vielleicht  von  noch 
etwas  höheren  Schichten. 

B  3)  Grauer  Mergelkalk  und  schiefriger  Mergel 
unten  oft  in  klotzigen  Knollen  brechend,  die  in  schalig  musche- 
ligen Stücken  zerfallen,  nach  oben  mehr  plattig  geschichtet  und 
bedeckt  von  plattigen,  dichten,  weissen  oolitischen  Kalken  mit 
weissen  Hornsteinknöllchen.  Hier  sind  die  Ammo7iiten  in  grösster 
Häufigkeit:  A.  polyplocus,  A. polygyratus,  A.  striolaris,  A.  inflatus, 
A.  Corona,  A.  n.  sp.  äff.  crista  galli,  A.  bidentosus,  A^  perarmatus 
A.  lingulatus,  A.  anceps  albus,  A.  Witteanus,  A.  pictus;  Belemni- 
tes  hastatus,  B.  äff  pressulus;  Aptychi  laevi  et  lamellosi;  Ostrea 
Roemeri;  Opis  cardissoides  {^j^  so  gross)  ;  Mo7iotis  subsimilis ;  Pecten 
cornutus.  Astarte  af.  Q.  I.  t.  73  f,  56;  Äff.  Q.  1. 1.  73  f.  55;  Nucula 
mit  Schloss  äff.  Q.  /.  t.  73  f.  50;  Terebratula  nucleata;  T.  substriata. 

Diese  drei  petrographisch  so  deutlich  unterscheidbaren  Stufen 
der  wohlgeschichteten  Kalke  sind  fast  durch  ganz  Franken  zu  be- 
obachten. Sie  scheinen,  wenn  auch  nicht  absolut  genau,  den  3 
Stufen  a,  |3  und  y  Quenstedts  zu  entsprechen,  xmd  werden  in  der 
Schwammfacies  durch  die  mergelreiche  nicht  weiter  bestimmt 
trennbare  Glieder  A  1)  bis  A  ^)  ersetzt,  wie  der  Augenschein  au 
der  rothenLeithe  bei  Streitberg  auf's  bestimmteste  lehrt.  Beide 
Partieen  liegen  im  gleichen  Niveau  und  gehen,  was  noch  mehr 
sagen  will,  in  einander  über.  Das  gleiche  Niveau  ist  nämlich 
trügerisch;  nicht  selten  sind  ganze  Partieen  aus  höherer  Lage 
herabgerutscht  und  liegen  nur  scheinbar  und  sekundär  mit  wirk- 


207 


lieh  älteren  Scliichten  in  gleichem  Niveau.  Nicht  selten  aber 
nehmen  die  vollständig  regelmässig  geschichteten  Gesteine  da, 
wo  sie  in  die  Schlammfacies  übergehen,  eine  Art  Unregelmässig- 
keit an,  schwellen  auf,  biegen  sich  wellig  auf  und  steigen  so  in 
ein  höheres  Niveau  aufwärts.  Ein  Blick  von  der  Höhe  des 
Schlosses  Neideck  auf  die  gegenüber  liegenden  Thalgehänge  vom 
Hammerstein  bis  zum  Müllcrberg  zeigt  diese  Verhältnisse  auf's 
Schönste.  Dadurch  drängt  sich  unwillkürlich  der  Gedanke  vor, 
dass  die  Schwammschichten  Korallenriff  ähnliche  Züge  innerhalb 
der  Juraschichten  bilden,  zwischen  denen  die  wohlgeschichteten 
Partieen  sich  ausbreiten.  An  der  Grenze,  längs  welcher  beide 
Facies  sicli  aneinander  schliessen,  zeigt  sich  kein  allmähliger 
Uebergang  der  Schichten  beider  Facies,  sondern  gleichsam  schief 
unter  25 — 30 ^  die  wohlgeschichteten  Lagen  abschneidend,  greifen 
an  ihrer  Stelle  die  Schwammmergel  Platz  und  schwellen  zu  wall- 
artigen Massen  an,  welche  gleichwohl  ihre  Schichtungsabsonde- 
rung  deutlich  beibehalten. 

Obwohl  nun  dieses  Verhältniss  und  dasjenige  der  Abrut- 
schungen an  vielen  Stellen  das  Erkennen  in  gleichem  Niveau  gela- 
gerter und  gleichaltriger  Schichtenglieder  erschwert,  so  ist  doch  bei 
Streitberg  das  Verhalten  der  einzelnen  Schichten  und  dieEntblössun- 
gQii  zu  klar,  als  dass  Zweifel  über  die  Gleichaltrigkeit  der 
Schichten  A  i),  A  ^—^  mit  B.  i),  B  2)  und  B  3)  obwalten  könnte. 
Als  durch  Abrutschen  verschobene  Partieen  erachte  ich  aber  auch 
hier  die  Schichtencomplcx  von  Schloss  Streitberg  selbst  und  Par- 
tieen vor  dem  Dorfe  daselbst.  Wenn  solche  Abrutschungen 
vorkommen,  so  dürfte  das  nicht  das  geringste  Gewicht  in  die 
Waagschale  dafür  einlegen ,  dass  auch  die  unteren  Schwammla- 
gen müssen  in  das  Niveau  der  Kalke  a  und  ß  herabgerutscht 
sein ;  ihre  Stellung  nebeneinander  ist  vielmehr  für  eine  genetische 
und  primitive  zu  halten. 

Ueberblickt  man  nun  schliesslish  noch  die  Fauna  der  in  den 
tieferen  Ptegionen  des  Jura  entwickelter  Schichtenreihen,  so  tritt 
uns,  wenn  man  jedesmal  die  beiden  Facies  einer  Stufe  zusammeu- 
berücksichtigt,  eine  so  geringe  Differenz  entgegen,  dass  sich  auf 
diese   eine  vielfache    Gliederung   nicht  bauen  lässt.    Die  Unter- 


208 


Scheidung  von  6  Stufen  nach  getrographischen  Momenten  ist  hier 
in  Franken  leicht  und  praktisch  nützlich,  sie  kann  in  grosser 
Beständigkeit  durch  den  ganzen  bayerischen  Antheil  der  Jura- 
gebilde nördlich  von  der  Donau  immer  wieder  erkannt  werden, 
aber  paläontologisch  lässt  sie  sich  nicht  immer  durchführen;  daher 
behält  diese  Eintheilung  nur  lokalen  Werth,  aber  dieser  ist  ihr 
sicher. 

1)  Als  erste  und  älteste  Stufe  beobachtet  man  constant 
den  durch  schwarze  Steinmergelkugeln  und  gelblich  weisse  Kalke 
mit  Glauconit  kör  neben  ausgezeichneten  wenig  mächtigen 
Kalkmergelstreifen,  der  durch  die  ganze  württembergische  und 
bayerische  Alp  fortzieht.  Hier  sind  Ammonites  Lamherti  und  hi- 
armatus  charakteristisch;  erstere  endet,  A.  hiplex  beginnt.  Sie 
ist  paläontologisch,  wie  petrographisch  gleich  sicher  festgestellt. 

Die  darüber  folgenden  3  Stufen  sind  in  den  Facies  der  wohl- 
geschichteten Kalke  nur  petrographisch,  nicht  aber  paläontolo- 
gisch scharf  zu  scheiden ;  in  ihrer  Schwammfacies  gelingt  es  auch 
petrographisch  nicht  so  bestimmt  zu  trennen.  Die  Fauna  ist 
ohnehin  fast  ganz  dieselbe.  In  gleichem  Bildungsniveau  liegen 
hier : 


Facies  der  wohls:es  chicliten  Kalke. 


Schwammfacies. 


2)  B 1)  Untere  graue  Kalke  und  Mergel  mit 
Terhraiula  impressa  oder  Verwandten 
und  rostigen   kleinen  Ammoniten. 


unter  grauen  mer- 
'  eeligen  Schwamm- 
f      ^  schichten. 


3)  B2)  AVeisse    Werksteinkalkbänke    mit    zahl- 
reichen Planulaten. 


A3)   Massiger   Spongiten 
Kalk. 


4)  B3)  Oberer  grauer  Mergelkalk  —  — 

mit  Ammonites  perarmatus^  planiäatus  in 
Menge 


A*)  und  vielleicht  von 
A  5)  dichter  Kalk  in 
hohen  Wanden  an- 
stehend. 


5)  A6)  u.  A7)  Für  beide  Facies  gleiche  bröcklich  brechende,  dünnbankige, 

oft  dolomitische  Kalke.  * 

6)  AS)  Dichte,    w^eisse   hornstelnreiche   Schwammkalke    oder  Dolomit  — 

Amberffer  Schichten   — 


—    209    — 

Fast  höher  in  mehr  nach  Süden  und  Südost  gelegenen  Lan- 
destheilen  folgen  dann  die  plumpen  Felsenkalke  und  die  Solen- 
hofer  Platten  mit  den  oberen  Kalken  der  Korallenfauna  (Diceras- 
Schichten  und  Plattenhalke).  In  der  ganzen  Reihe  2 — 6  tritt  kein 
bedeutender  Unterschied  der  Fauna  hervor,  so  dass  sie  zusammen 
ein  Glied  des  Oxfordjura  ausmachen.  Die  einzelnen  Stufen  gehen 
zwar  bei  Streitberg  auch  paläontologisch  schwach  auseinander,  aber 
die  beobachteten  Charaktere  haben  sich  bis  jetzt  nur  von  dieser  be- 
schränkten Lokalität  festgestellt  und  lassen  erst  allgemeinere 
Schlüsse  zu ,  wenn  gleiche  Beobachtungen  bestätigend  auch  an 
andern  Punkten  angestellt  worden  sind.  Auffallend  bleibt  das 
Fehlen  oder  die  grosse  Seltenheit  von  Ammoniten  in  dem  oberen 
Schwammkalke,  wogegen  für  die  Schichte  B  3)  A.  perarmatus  be- 
zeichnend und  für  die  tiefste  Lage  von  B  ^)  Terehratula  impressa 
doch  zunächst  stehende  Formen  charakteristisch  sind. 

Die  oberen  Kalkbildungen  kann  ich  trotz  ihrer  grossen  Horn- 
steinknollen  nicht  für  Schichten  vom  Niveau  des  schwäbischen  g, 
halten.  Es  fehlen  nicht  nur  selbst  die  geringsten  Spuren  von 
Sternkorallen,  dann  die  Rhynchochella  trilohata  und  ächte  inconsta7is, 
sondern  es  kommen  auch  ganz  typisch  gebildete  Rh.  lacunosa  und 
Terehratula  bisufarcinata  noch  in  grösster  Häufigkeit  vor.  Die 
mit  Rh.  lacunosa  vorkomniende  ungleichseitig  entwikelte  Tere- 
bratel  ist  die  cVfformis  und  leicht  von  der  mconstans  des  plumpen 
Felsenkalkes  zu  unterscheiden,  deren  Vorläufer  sie  allerdings  sein 
mag.  Dem  entsprechend  gehört  die  Hauptmasse  des  fränkischen 
Dolomits  nicht  der  Region  des  schwäbischen  g  an,  sondern  ver- 
tritt, wie  der  häufige  Einschluss  der  typischen  Rh.  lacunosa  und 
T.  hisuff.  lehrt,  zum  grössten  Theil  im  nördlichen  Franken 
und  bei  Streitberg  zumal  die  Stufe  der  oberen  Schwammkalke, 
der  Amberger  Hornsteinkalke. 

Wie  schon  erwähnt,  finden  sich  Foraminiferen  vorherrschend 
in  den  tiefsten  Schwammlagen  A  i) ,  obwohl  in  allen  anderen 
Schichtenstufen  Spuren  und  Querschnitte  beobachtet  wurden;  aber 
isoliren  lassen  sich  diese  meist  gar  nicht.  Diese  Foraminiferen- 
führende  Schwammmergel  lieferten  allein  unser  Material. 

Wärtterab.  natur\r.  Jahreshefte.     1862.    2s  Heft.  14 


—    210   — 

Nach  Feststellung  des  Horizontes ,  auf  welchem  bei  Streit- 
berg die  Foramini feren  sich  finden  (A  *)  und  welcher  den  unteren 
Schichten  der  Oxfordstufe  entspricht,  erübrigt  noch  Einiges  über 
die  Natur  der  hier  aufgeschlossenen  Rhyzopodenarten  im  Allge- 
meinen zu  sagen. 

Auch  bei  den  Juraformen  fällt  vor  Allem  der  Umstand  auf, 
dass,  ähnlich  wie  beim  Lias,  fast  nur  solche  Genera  vorkommen, 
welche  auch  in  jüngeren  Formationen  und  grösstentheils  lebend 
zu  beobachten  sind.  Eigenthümliche  Geschlechter  sind  höcht  spär- 
lich vorhanden,  ja  selbst  besonders  ausgezeichnete  Arten  gehören 
zu  den  seltenen  Erscheinungen. 

Die  bei  Streitberg  gefundenen  Species  gehören  16  Genera 
an,  wenn  man  die  unsicher  ermittelten  und  zweifelhaften  nicht 
mitzählt;  mit  letzteren  sind  es  ungefähr  20  Genera;  sie  ver- 
theilen  sich  in  folgender  Weise  auf  die  verschiedenen  Gruppen, 
wobei,  um  die  Vergleichung  mit  früheren  Arbeiten  zu  erleichtern, 
die  d'Orbigny'sche  Eintheilung  beizubehalten  für  zweckmässig  ge- 
funden wurde. 

I.  Monosteaia  mit  dem 


III.  Helicostegia 


IV.  Enallostegia 
V.  Agathisteg  ia 


lus  Lagena 

in  3 

Arten 

era  Nodosarla 

4 

5? 

Dentalina 

2 

55 

Vaginulina 

1 

5? 

Frondicularia 

1 

55 

Marginulina 

5 

5) 

Cristellaria 

6 

55 

Rohulina 

1 

55 

Nonionina 

2 

55 

SpiriUina 

2 

55 

Rotalina 

2 

55 

Pohjstomella  (?) 

1 

55 

Spiralina  (?) 

1 

5) 

Rosalina 

1 

55 

Textilaria 

2 

'55 

Guttulina 

2 

55 

(?)  Biloculina 

1 

55 

— 

;.    37  Arten. 

.   —   211 


zweifelhaft 


in 

1 

Art 

1 

5» 

1 

35 

1 

5? 

Siderolina 

Bulimina 

GlobuUna 

(?) 

Zusammen  oder  im  Ganzen  41  Arten. 

Die  Foraminiferenfauna  der  Streitberger  Schwammschicliten 
zeichnet  sich  diesem  nach  durch  das  Vorherrschen  der  Stichoste- 
gier in  zahlreichen  Arten  besonders  aus,  nächst  diesen  ragt  das 
Genus  Cristellaria  unter  den  Helicostegier  vor  den  andern  her- 
vor. Bemerkenswerth  ist  die  Armuth  an  Enallostegier  und  Aga- 
thistegier.  Durch  alle  diese  Verhältnisse  schliesst  sich  diese  ober- 
jurassische Fauna  aufs  engste  an  die  liasische  an,  welche  einen 
ganz  ähnlichen  Charakter  aufw^eist.  Auch  die  einzelnen  Species 
haben  ihre  nächsten  Verwandten  unter  Formen  des  Lias  und 
Doggers. 

Was  den  Erhaltungszustand  der  Foraminifereü  in  den  Schwamm- 
mergehi  anbelangt,  so  ist  derselbe  keineswegs  sehr  vollkommen. 
Die  Oberfläche  ist  sehr  häufig  wie  zerfressen  oder  ausgenagt,  oft 
wie  durch  Verwitterung  rauh  oder  auch  incrustirt;  namentlich  ist 
es  schwierig,  bei  einzelnen  Fällen  die  Form  der  Oeifnung  zu  be- 
stimmen. 

Neben  der  Fülle  kleiner,  meist  erst  mit  Hülfe  der  Loupe 
deutlicher  erkennbarer  org.  Einschlüsse,  welche  die  Forami- 
niferen  begleiten,  ist  der  Mangel  an  Ostrakopoden  auffallend, 
während  äusserst  kleine  Crinoideen,  insbesondere  Stacheln  von 
Cidarisarten,  die  fast  nicht  grösser  als  Foraminiferen  selbst  sind, 
die  zierlichen  Diadema  subangulure  und  Echinus  nodulosus,  fer- 
ner das  schöne  Conodictyum  mit  zahlreichen  Formen  von  Bryo- 
zoen,  endlich  ganz  kleine  Brachiopoden  und  Serpulen  leicht  auf 
bestimmte  Thierformen  sich  beziehen  lassen,  findet  man  unter 
dem  Mikroscope  noch  eine  Menge  von  Fragmenten,  welche  meist 
haarähnlich,  oft  auch  crenulirt,  oft  wie  Belemniten  gestalten,  bald 
sternartig  verbunden,  bald  unförmig  und  wie  Körner  der  Oolithe 
gebildet,  eine  sichere  Deutung  schwierig  machen.  Diess  ist  noch 
ein  weites  Feld  der  Forschung. 

Doch  nicht  bloss  die  Juraschichten  (im  Gegensatz  zu  Dogger 
und  Lias  speciell  aufgefasst)  beherbergen  in  Franken  Foramini- 


—   212    — 

feren.  Nach  meiner  Entdeckung  derselben  in  den  Streitberger 
Schwammmergeln  glückte  es  mir  bei  fortgesetzten  Untersuchun- 
gen bald  in  fast  jeder  auflockerbaren  mergeligen  Schichtencom- 
plexe  der  jurassischen  Formationen  (Lias,  Dogger  und  Jura  zu- 
&;ammengefasst)  mindestens  Spuren  davon  nachzuweisen. 

Als  die  tiefste  Schicht,  in  der  ich  sie  auffinden  konnte,  darf 
der  oft  mergelige  Kalk  mit  grossen  wasserhellen  Quarzkörnchen 
gelten,  welcher  die  Gryphcea  ohliqua  (bei  Amberg  die  Form  der 
G.  gigas)  umschliesst  und  auf  der  G-renze  zwischen  unterem  und 
mittlerem  Lias  steht.  Diese  Schicht  führt  in  den  am  Fusse  des 
Hesseibergs  durch  viele  Steinbrüche  aufgeschlossenen  Lagen: 
Nodosaria  Simoniana  d'Orb.  N.  nitida  Terq.,  Frondicularia  nitida  Terq. 
F.  aß:  Terquemi  d'Orb.,  Dentalina  Terquemi  d'Orb.,  D.  matutina 
d'Orb.,  Marginulina  fabacea  Terq.  Cristellaria  matutina  d'Orb.  C. 
prima  d'Orb.  C.  Terquemi  d'Orb.  C.  incisa  Terq.  und  Robulina  metensis 
Terq.  Auch  in  der  Gesteinsmasse,  welche  die  grosse  Gryphcea  von 
Amberg  (Paulersdorf)  ausfüllen,  fand  ich  einige  dieser  Arten,  aber 
meist  sehr  zerfressen.  Seltener  sind  die  Foraminiferen  in  dem 
den  Ammonites  costatus  umhüllenden  Thon.  Vom  Drimeusel  bei 
Kloster  Berg  stammenden  Massen  lieferten  mir  wenigstens  eine 
Art,  die  Cristellaria  rustica  d'Orb. 

Relativ  am  häufigsten  fand  ich  jurassische  Foraminiferen 
ausser  Streitberg  in  einem  weichen,  etwas  schwierig  schlämmbaren 
Mergel  voll  der  kleinen  Crinoideen,  Bryozoen  etc.,  wie  sie  Quen- 
stedt  aus  seinem  y  abbildet,  an  dem  Wege  von  Oerhausen  zu  Dr. 
Leube's  Cementbruch  bei  Blaubeuren.  Nodosarien,  Cristeliarien, 
Marginulinen  konnte  ich  reichlich  in  dem  kleinen  Stückchen  be- 
obachten, das  icli  von  jener  Stelle  mitnahm.  Die  Schicht  liegt 
tief  unter  dem  Cementkalke  und  noch  etwas  im  Liegenden  eines 
weissen,  oolithischen,  fast  schiefrigen  Kalksteins,  in  welchem  an 
dem  bezeichneten  Fahrwege  ein  Steinbruch  betrieben  wird  und  ge- 
hört wahrscheinlich  den  jüngsten  Schichten  der  Oxfordstufe  an. 
Da  ich  derzeit  zu  geringes  Material  von  dieser  Stelle  besitze, 
habe  ich  einstweilen  die  hier  vorkommenden  Foraminiferen  un- 
berücksichtigt gelassen,  hoffe  aber  später  in  die  Lage  zu  kommen, 
auch  diese  zu  untersuchen. 


—    213   — 


Beschreibung-   der  Arten. 
I.   Spirillina. 

Bei  Streitberg  finden  sich  2  sehr  nahe  verwandte  Formen, 
welche  einestheils  sich  an  die  Operculina  cretacea  Reuss  und  das 
Genus  Spirillina^  anderentheils  an  (?)  CydoUna  impressa  Egger 
von  Passau  und  der  liasischen  Involut'ma  Terquem's  anschlies- 
sen;  aber  wegen  ihrer,  wenn  auch  nun  sehr  wenig  ungleichseiti- 
gen Gestalt,  und  wegen  einer  halbrunden  (statt  dreieckigen) 
Mündung  weder  zum  Genus  Operculina,  noch  wegen  der  nicht  cy- 
clischen,  sondern  spiralen  Windungen  zum  Genus  CydoUna  zu 
gehören  scheinen.  Es  sind  flache  scheibenförmige  Gehäuse 
mit  sehr  schmalen,  zahlreichen,  rundlichen  Windungen,  welche 
Planorbis-artig  spiral  dicht  neben  einander  gerollt  liegen,  dass 
eine  kaum  bemerkbare  Furche  die  einzelnen  sämmtlich  sichtba- 
ren Windungen  trennt.  Nach  Oben  schliessen  die  Windungen 
zu  einer  fast  ebenen  Fläche  zusammen,  nach  Unten  sind  diesel- 
ben gegen  die  Mitte  flach  vertieft.  Das  Ende  ist  senkrecht  zur 
Spiralen  Röhre  abgesetzt  und  auf  dieser  Endfläche  scheint  dicht 
an  der  folgenden  Windung  eine  fast  kreisförmige  Mündung  zu 
liegen.  Kammerwände  konnten  trotz  der  Durchsichtigkeit  des 
Gehäuses  und  trotz  Anschleifens  sowie  Anätzens  mittelst  Säuren 
keine  wahrgenommen  werden.  Die  Schale  ist  kalkig  und  porös. 
Diese  Hauptmerkmale  scheinen  sich  bei  Operculina  creatacea  und 
CydoUna  impressa  gleichfalls  vorzufinden  und  es  dürften  diese 
4  Arten  der  Familie  der  Spirillideen  nahe  zusammengehören, 
denen  sich  dem  Aeussern  nach  noch  Terquems  Invohdina  an- 
reiht. 

Herr  Professor  Reuss,  welchem  ich  Exemplare  vorlegte, 
hatte  die  Güte,  mir  brieflich  seine  Ansicht  dahin  auszusprechen, 
dass  diese  Juraforaminiferen  ohne  Zweifel  Arten  der  Gattung 
SpiriUina  sind,  wie  auch  Egger's  CydoUna  impressa  zu  Spirillina 
gehöre. 


214 


1)  Spirillina  polygyrata  n.  sp. 

mit  Taf.  VI.  Fig.  IIa,   IIb  u.  11c. 

Gelläuse  mit  schmalen,  nach  dem  Mittelpunkt  immer  schmä- 
ler werdenden,  durch  schräge  Ausbauchungen  und  Buchtungen 
unregelmässig  dicken  "Windungen,  welche  in  ihrer  Mitte  meist 
durch  Gesteinssubstanz  erfüllt,  an  den  sich  berührenden  Wänden 
durchscheinend  werden;  gegen  das  Ceiitrum  ist  der  ganze  Kör- 
per pellucid;  im  Ganzen  sind  10 — 12  Windungen  zu  unterschei- 
den, die  3  äusseren  sind  im  Innern  ununterbrochen  ausgefüllt.  Das 
Uebrige  wie  bei  dem  Genus  angegeben. 
Durchmesser:  1  Mm., 
Höhe  der  äussersten  Windung:    0,12. 

An  einem  Exemplar  wurde  deutlich  wahrgenommen,  dass  die 
senkrecht  stehende  Endfläche  aus  der  Windungsebene  herausge- 
treten ist;  doch  scheint  diess  nicht  bei  allen  der  Fall  zu  sein. 
Die  Porosität  des  Gehäuses  stellt  Fig.  U^^  dar. 

Fundort:  Eine  der  häufigsten  Arten  in  den  Schwammschich- 
ten bei  Streitberg, 

2)  Spirillina  tenuissima  n.  sp. 
Taf.  IV.  Fig.  12a  und  12b. 

Gehäuse  ähnlich  wie  bei  der  vorigen  Art,  doch  viel  kleiner, 
mit  noch  schmäleren,  und  dabei  zahlreicheren  Windungen,  welche 
beiderseits  gegen  die  Mitte  zu  flach  sich  einsenken;  im  Centrum 
selbst  bemerkt  man  keine  Windungen  mehr ,  es  scheint  daselbst 
eine  verhältnissmässig  grosse  Anfangszelle  zu  liegen.  Der  Körper 
ist  mehr  ganz  pellucid,  aber  trotzdem  von  Kammerwänden  keine 
Spur  zu  sehen. 

Durchmesser:    1   Mm., 

Höhe  der  äussersten  Windung:    0,07  Mm. 

Fundort:     Häufig  mit  voriger  um  Streitberg. 

II.    Lagena   Walk. 

3)  Lagena  franeoniea  n.  sp. 

Taf.  III.  Fig.  la  und  b. 

Das  spindelförmige  Gehäuse  verjüngt  sich  nach  unten  all- 
mählig  und  endigt  in  eine  Spitze;   nach  oben  läuft  dasselbe  min- 


—   215   — 

der  rasch  abnehmend  zu  einem  schmalen  kurzen  Halse  zu,  der 
auf  seinem  ^venig  er\Yeiterten  Ende  eine  runde  Oeffnung  trägt; 
die  Schalenoberfläche  ist  glatt,  nach  oben  mit  G  nur  schwach  an- 
gedeuteten Längslinien  versehen,  welche,  wie  es  scheint,  die  Kan- 
ten von  Flächen  vorstellen ;  die  letzteren  scheinen  das.  nach  oben 
ins  6flächige  übergehende  Gehäuse  zu  begrenzen, 

Grösste  Länge:    5   Mm., 

Grösster  Durchmesser:    i   Mm. 
Diese  Art  ist  mit  Oolina  aciculai^isTerq,  verwandt,  unterscheidet 
sich  jedoch  durch  kürzeren,   dünneren  Hals,    stärkere  Zuspitzung 
nach  unten  und  nähert  sich  dadurch  mehr  der  0.  clavata  d'Orb. 
Fundort:     Sehr  selten  Grabenbach  bei  Streitberg. 

4)  Lagena  compressula  n.  sp. 
Taf.  III.  Fig.  2a,   2b  und  2c. 
Das  Gehäuse  ist  dick,  linsenförmig  und  wird  längs  des  seit- 
lichen Randes  von    einem  rings  um  bis  zum  Halse  verlaufenden 
leistenähnlichen  Wulste  umsäumt,    der  ununterbrochen  über  das 
untere  Ende  fortlauft;  gegen  oben  an  dem  zu  einem  kurzen  Halse 
ausgezogenen,    die    runde  Oeffnung  tragenden  Ende    verschwächt 
sich  das  Gehäuse  zu  einem  wenig  erhabenen  Hofe  um  den  Hals; 
die  Oberfläche  ist  ohne  sonstige  Verzierung. 
Grösste  Länge:    1  Mm., 
Grösste  Dicke:   i  Mm. 
Diese  Art  steht  in  nächster  Nähe  der  lebenden  Oolina  com- 
pressa    d'Oi*b.,    unterscheidet   sich   jedoch   sehr   bestimmt   durch 
schwächere  Wülste  an  dem  Seitenrande,  grössere  Dicke  bei  regel- 
mässigerer  Rundung   und   durch    einen  längeren ,    viel  dünneren 
Hals. 

Fundort:     Sehr  selten  Mergelgrube  in  der  Nähe  des  Reitzen- 
steinhauses  in  Streitberg. 

5)  Lagena  (?)  Steitbergensis  n.  sp. 
Taf.  m.   Fig.  3a  und  3b. 
Gehäuse  kugelig,  nach  unten  mit  einer  kurzen  scharfen  Spitze, 
in  welche   die  Kugel  rasch  zulaufend   endigt;     nach  Oben  sitzt 


—   216    — 

eine  kurze  fast  cylinderische  Spitze  etwas  excentrisch  auf  dem 
kugelförmigen  Gehäuse  gerade  auf,  ohne  dass  letzteres  von  der 
regelmässigen  Form  abweichend  gegen  diese  Spitze  merklich  zu- 
läuft; die  Oberfläche  ist  ohne  Verzierung. 
Grösste  Länge  0,62  Mm. 
Grösste  Dicke  0,56  Mm. 

Obwohl  der  ganze  Habitus  gut  zu  Genus  Lagena  passt,  so 
glaubte  ich  doch,  da  mir  nur  ein  Exemplar  dieser  Art  zu  Ge- 
sichte kam,  desshalb  die  Zuzählung  zu  dieser  Gattung  vorläufig 
noch  fraglich  zu  lassen,  weil  die  als  oberes  Ende  angenommene 
Spitze  etwas  excentrisch  und  schief  aufgesetzt  ist,  so  dass  die 
Möglichkeit  vorliegt,  nur  die  letzte,  untere  Kammer  des  Gehäu- 
ses einer  Dentalina ^  ähnlich  wie  bei  D.  giittifera,  D.  simplex 
etc.  etc.  vor  sich  zu  haben.  Zu  Gunsten  der  Zurechnung  zu  La- 
gena spricht  dagegen  die  Grösse  des  Gehäuses,  die  für  das  End- 
stück einer  Dentalina  eine  ungewöhnliche  wäre. 

Fundort :  Sehr  selten  bei  dem  Reitzensteinhause. 

III.  Nodosaria  Lamk. 

6)  Nodosaria  nitidula  n.  sp. 

♦       Taf.  in.    Fig.  4a,  4b ;  5a,  5b ;  6a  und  6b. 

Gehäuse  puppenförmig ,  mit  sechs  durch  ziemlich  tiefe  Ein- 
schnürungen abgegrenzten,  kugelig  gewölbten  Kammern,  die  nach 
unten  rasch  an  Grösse  abnehmen ;  die  unterste  letzte  Kammer  ist 
kugelig,  so  gross  als  die  vorhergehende,  oder  doch  nicht  im  Ver- 
hältniss  zu  der  Verjüngung  der  übrigen  Kammern  verkleinert; 
die  oberste  Kammer  endigt  in  einer  derben,  fast  cylinderischen 
Spitze,  welche  die  runde  Oeffnung  trägt;  die  Oberfläche  ist  glatt, 
fast  glänzend, 

Länge  0,62—0,77  Mm. 
Dicke  der  ersten  obersten  Kammer  0,20—0,27  Mm. 

Diese  Art  unterscheidet  sich  von  der  sehr  verwandten  liasi- 
schen  N.  nitida  Terq-.  durch  minder  tiefe  Einschnürungen  zwischen 
den  Kammern,  durch  etwas  mehr  länglich  runde  Form  der  Kam- 
mern und  eine  im  Allgemeinen  etwas  schlankere  Gestalt. 


—   217    — 

Besonders  ausgezeichnet  ist  die  Form,  welche  auf  Taf.  III.  Fig. 
5  a,  5b  dargestellt  ist,  und  als  Yar.  suhdougata  ausgeschieden 
werden  könnte.  Sämmtliche  Kammern  sind  mehr  in  die  Länge 
gezogen  und  die  Zuspitzung,  welche  die  Oeffnung  trägt,  ist  länger 
und  schmäler,  üebergänge  scheinen  sie  mit  der  Stammform  zu 
verbinden. 

Fundort:  Sehr  häufig  im  Grabenbache,  unter  der  Muschel- 
quelle und  am  Reitzensteinhause  in  Streitberg. 

7)  Nodosaria  Münsterana  n.  sp, 
Taf.  m.   Fig.  7a  u.  7b;  Sa  u.  8b. 

Gehäuse  puppenförmig,  in  die  Länge  gezogen  mit  zahlreichen 
kugelig  gewölbten  Kammern,  welche  mit  breiter  Basis  sich 
an  einander  reihen  und  durch  tiefeinschneidende  Nähte  im  Uebri- 
gen  getrennt  werden.  Die  Kammern  vergrössern  sich  nach  oben 
stetig  und  langsam,  die  unterste  letzte  ist  abgerundet,  ohne  Spitz; 
die  Oberfläche  ist  von  16  schmalen,  hohen  Längsleisten  verziert, 
w  eiche  durch  die  Einschnürungen  fortziehen.  An  einem  2ten  Exem- 
plar finden  sich  nur  an  der  grösseren  Kammer  IG  Längsrippchen, 
an  den  folgenden  kleineren  dagegen  nur  8;  auch  ist  hier  die 
grösste  Kammer  etwas  mehr  länglich  rund.  Die  Zwischenräume 
zwischen  den  Längsrippchen  sind  breiter  als  letztere,  etwas 
rauh. 

Grösste  Länge:  1,00—1,12  ]\Im. 

Dicke  der  grössten  Kammer  0,25 — 0,37  Mm. 

Diese  Art  hat  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  der  basischen 
N.  prima  d'Orb,  aus  der  Gruppe  der  iV.  badenensis  d'Orb.;  unter- 
scheidet sich  jedoch  von  ersteren  durch  stärkere  Einschnürungen, 
mehr  länglich  runde  Form  der  einzelnen  Kammern  und  durch 
breitere  Zwischenräume  zwischen  den  schmäleren  Rippchen. 

Fundort :  Selten  im  Grabenbache. 

8)   Nodosaria  jurassiea  n.  sp. 

Taf.   ni,    Fig.  9a  u.  9b. 

Das  fast  stabförmige,  abgesetzt  gegliederte  Gehäuse  besteht 
aus  langen,  wenig  ausgebauchten,  an  den  Nähten  durch  deutliche 
aber  nicht  tiefe  Einschnitte  getrennte  Kammern,  welche  alle  fast 


—    218    — 

gleich  lang  und  gleich  dick  sind.  Die  Oberfläche  ist  mit  10 
schmalen  Längsrippchen  verziert,  welche  in  der  untersten  Kammer 
zu  ein  spitzer  Ende  zusammen  laufen. 

Länge  des  Skammerigen  Fragmentes:  1,12  Mm. 

Grösste  Dicke:  0,21  Mm. 

Diese  Species  besitzt  einige  Aehnlichkeit  mit  der  N'.  sexco- 
stata  Terq.  des  Lias,  unterscheidet  sich  leicht  von  dieser  Art 
durch  die  fast  gleich  dicken,  an  Länge  fast  ganz  gleichen  Kam- 
mern, wodurch  die  Form  einer  Walze  bedingt  ist  und  durch  die 
zahlreicheren  Längsrippchen.  Das  vorliegende  Skammerige  Bruch- 
stück deutet  auf  eine  sehr  bedeutende  Grösse  dieser  Art. 

Fundort:  Selten  im  Grabenbache  bei  Streitberg. 

9)  Nodosaria  eorallina  n.  sp. 
Taf.  III.    Fig.  10a  u.  10b. 

Gehäuse  fast  walzenförmig,  nur  schwach  und  allmählig  nach 
unten  an  Dicke  abnehmend,  an  den  Kammernähten  schwach  ein- 
geschnitten und  abgegliedert;  die  in  der  Mitte  nur  wenig  ausge- 
bauchten Kammern  besitzen  fast  gleiche  Länge,  die  letzte,  un- 
terste ist  durch  eine  Wulst  an  der  Naht  und  eine  kugelige  Ab- 
rundung  ausgezeichnet;  die  Oberfläche  trägt  8  schmale  Längs- 
rippchen, welche  auf  der  untersten  Kammer  nur  angedeutet  sind. 

Länge:  1,12  Mm. 

Grösste  Dicke  oben:  0,25  Mm. 

Die  grösste  Verwandtschaft  mit  dieser  Art  zeigt  die  liasische 
N.  Shnoniana  d'Orb.,  welch  letztere  jedoch  nur  6  Längsrippchen 
trägt,  mehr  kugelig  ausgebauchte  Kammern  besitzt  und  sich  stär- 
ker verjüngt. 

Fundort:  Grabenbach  bei  Streitberg. 

III.  Dentalina  d'Orb. 
10)   Dentalina  Goldfussana  n.  sp. 

Taf.  III.    Fig.   IIa  u.  IIb. 

Gehäuse  puppenförmig,  gekrümmt,  glatt;  die  kugelig  ausge- 
bauchten Kammern  sind  durch  tiefe  Einschnürungen  abgegliedert 
und  nehmen  nach  unten  rasch  an  Dicke  ab;  die  oberste  letzte 
ist  etwas  eiförmig,   die  unterste  letzte  kugelig,   ohne   (?)  Spitze. 


.     —   219    — 

Länge:  1  19  Mm. 

Grösste  Dicke  der  obersten  Kammer:  0,27  Mm. 
Auch  für  diese  Art  finden  wir  die  nächste  Verwandtschaft 
bei  der  D.  simjylex  Terq.  des  Lias.  Das  Yerhältniss  geringerer 
Länge  in  Verbindung  mit  rascher  Abnahme  der  weit  beträcht- 
lich-dickeren Kammern  dürfte  für  die  Juraart  ausreichen,  sie 
von  der  Liasspecies  zu  unterscheiden,  üebrigens  ist  erstere  auch 
viel  stärker  gekrümmt. 

11)  Dentalina  raphanistriformis  n.  sp. 
Taf.  III.  Fig.  12a.  u.   12b. 

Gehäuse  puppenförmig,  unregelmässig  gebogen,  ungleich  ab- 
gesetzt gegliedert;  die  Kammern  sind 'schwach  gewölbt,  durch 
seichte  Einschnürungen  abgegrenzt,  sehr  ungleich  dick  und  lang; 
die  letzte  unterste  endigt  in  einer  kurzen  Spitze.  16  Längsripp- 
chen bedecken  die  Oberfläche  und  laufen  ohne  Unterbrechung 
durch  die  seichten  Einschnürungen  hindurch;  sie  sind  etwa  so 
breit,  als  ihre  Zwischenräume. 

Länge  des  Exemplars:  1,28  Mm. 

Grösste  Dicke  der  obersten  Kammer:  0,34  Mm. 
„  „         „    untersten  Kammer:  0,27  Mm. 

D.  ornata  Terq.  aus  dem  Lias  von  Metz  hat  einige  Aehn- 
lichkeit  mit  der  als  neu  aufgestellten  Art  des  Jura.  Seichtere 
Einschnürungen  zwischen  den  Kammern,  stärkere  Biegung  des 
Gehäuses  und  die  in  eine  Spitze  endigende,  unterste  Kammer  un- 
terscheidet die  letztere  von  der  Liasart. 

Fundort:  Sehr  selten  im  Grabenbache  bei  Streitberg. 

V.  Frondiciilaria,  Defrance. 

12)  Frondieularia  franconica  n.  sp. 

Taf.  in.   Fig.  13a,  13b  u.  13c. 

Gehäuse  flach,  zusammengedrückt,  fast  gleich  dick,  im  Um- 
risse birnförmig,  nach  oben  zu  einem  kurzen  Halse  zulaufend, 
nach  unten  in  einer  etwas  verdickten  Kammer  endigend;  Kam- 
mern zahlreich,  die  Nähte  kaum  sichtbar;  die  Oberfläche  scheint 
etwas  rauh,  ist  wenigstens  nicht  glänzend  glatt. 


—    220   — 

Grösste  Länge:  1,12  Mm. 

Grösste  Breite:  0,44  Mm. 

Grösste  Dicke:  0,15  Mm. 
Diese  Art  steht  in  der  Nachbarschaft  der  liasischen  F.  nitita 
Terq.,  unterscheidet  sich  aber  von  dieser  und  allen  ähnlichen  For- 
men der  Kreide  durch  ihre  Umrisse  und  fast  ebenen  Seitenflächen, 
welche  gegen  die  Mitte  hin  sogar  etwas  vertieft  erscheinen;  der 
Rand  ist  schwach  gewölbt  und  abgerundet. 

Fundort:  Selten  im  Grabenbache  bei  Streitberg. 

YI.   Yagiiiuliiia  d'Orp. 

13)   Vaginulina  jurensis  n.  sp. 
Taf.  III.   Fig.  14a,   14b  und  14c. 

Gehäuse  länglich,  spindelförmig,  etwas  einseitig  schief  gebo- 
gen, nach  beiden  Enden  langsam  zulaufend,  im  Querschnitt  läng- 
lich oval;  die  Mündung  liegt  ausser  der  Mitte  der  obersten  Kam- 
mer und  ist  sehr  klein,  rund.  Die  5  —  6  Kammern  sind  durch 
zur  Achse  schief  gestellte ,  nicht  über  die  Oberfläche  vorragende 
Scheidewände  und  kaum  bemerkbaren  Einschnürungen  des  Ge- 
häuses getrennt;  die  Oberfläche  ist  glatt  und  glänzend. 
Länge:  1,02  Mm. 
Grösste  Dicke:  0,17  Mm. 

Diese  Art  hat  einige  Aehnlichkeit  mit  der  liasischen  Denta- 
Una  vetusta  d'Orb;  scheint  mir  aber  zu  Vaginulina  gestellt  wer- 
den zu  müssen.  Die  spindelförmige,  etwas  breit  gedrückte  Form 
und  das  fast  gänzliche  Fehlen  von  Einschnürungen  lassen  diese 
Species  leicht  und  sicher  erkennen.  Bei  dem  in  Fig.  14c  abge- 
bildeten Exemplare  scheint  das  obere  Ende  abgebrochen, 
Fundort:  Grabenbach  bei  Streitberg. 

YII.    >Iapgmiilina  d'Orb. 
14)  Margiuulina  irregularis  n.  sp. 

Taf.  III.    Fig.  15a,   15b.  17  u.  18. 

Gehäuse  unregelmässig,  walzenförmig,  glatt  oder  durch  kno- 
tige Erhöhungen  und  seichte   Vertiefungen  puppenförmig ,   nach 


—    221    — 

unten  mit  einem  verdickten  Knopfe  seitlich  gekrümmt,  nach  oben 
in  einen  kurzen  nach  hinten  stehenden  Hals  zulaufend,  im  Quer- 
schnitte etwas  elliptisch.  Die  Kammern  sind  nicht  deutlich  er- 
kennbar, jedoch  durch  mehr  oder  weniger  deutliches  Ausbauchen 
des  Gehäuses  angedeutet. 

Länge  des  Normalexemplars  Fig.  15:  0,88  Mm. 

Dicke:  0,20  Mm. 
Hier  sind  einige  sehr  häufig  bei  Streitberg  vorkommende 
Formen  unter  einem  gemeinsamen  Namen  vereinigt,  deren  Zu- 
sammengehörigkeit ich  zwar  nicht  verbärgen  kann,  welche  aber 
zugleich  durch  Uebergänge  und  Zwischenfoi'men  so  eng  verbun- 
den sind,  dass  ich  eine  bestimmte  Grenze  der  Abscheidung  nicht 
erkennen  konnte;  wie  denn  überhaupt  der  Umstand,  dass  der 
Körper  nicht  durchscheinend  ist,  die  Genauigkeit  der  Bestimmung 
schwierig  macht.  Die  Oberfläche  ist  wie  incrustirt  und  rauh, 
durch  die  an  vielen  Exemplaren  bemerkbaren  knolligen  Erhöhun- 
gen noch  besonders  uuregelmässig  gestaltet.  An  einem  Exem- 
plar, das  in  Fig.  18  abgebildet  ist,  zeigt  sich  sogar  eine  knie- 
förmige  Krümmung.  Trotz  dieser  Besonderheit  und  einer  über 
das  gewöhnliche  Maas  weit  hinaus  reichende  Grösse  dieses  Indi- 
viduums konnte  dasselbe  doch  nicht  specifisch  von  der  Normal- 
form abgetrennt  werden;  da  es  durch  die  Zwischenformen  F.  16 
und  F.  17  mit  demselben  eng  verbunden  ist. 

Fundort:  Grabenbach,   Muschelquelle  und  Reitzenstein- 
haus  bei  Streitberg. 

15)  Marginulina  Beierana  n.  sp. 

Taf.  III.    Fig.  20a  und  20b. 

Gehäuse  in  die  Länge  ausgedehnt,  schmal  zusammengedrückt, 
nach  oben  gerade,  nach  unten  seitlich  gekrümmt,  fast  gleich  breit, 
nach  Oben  nur  um  Weniges  breiter,  glatt,  mit  10— 12  schiefstehen- 
den  Kammern  ohne  Einschnürungen.  Die  Seitenflächen  sind  nur 
wenig  gewölbt,  fast  eben,  so  dass  im  Querschnitte  sie  fast  als 
gerade  Linien  erscheinen. 
Länge  1,10  Mm. 
Grösste  Breite  oben:  0,34,  unten:  0,29  Mm. 


—    222    — 

Diese  Art  besitzt  eine  Aelmlichkßit  mit  Cristellaria  antiquata 
d'Orb.  des  Lias,  ist  jedoch  viel  stärker  zusammengedrückt,  daher 
viel  flächer,  kürzer  und  am  untern  Ende  nur  seitlich  gekrümmt, 
nicht  eingerollt,  wesshalb  diese  Form  zu  Marglmdina  gestellt  wer- 
den musste. 

Fundort:  Grabenbach  bei  Streitberg, 

16)  Marginulina  jtirassiea  n.  sp. 
Taf.  III.   Fig.  21a  ii.  21b. 

und  var.    substriata 

Taf.  III.  Fig.  22. 

Gehäuse  kurz,    breit,  stark  zusammengedrückt,  Seitenflächen 
nur  schwach  gewölbt,    nach  unten  verschmälert,  in  einer   etwas 
verdickten,    seitlich   gebogeneu  Anfangskammer  endigend;  Quer- 
schnitt länglich  elliptisch;  Kammern  wenig  zahlreich,  sehr  schief 
gestellt,  Oberfläche  glatt  oder  bei  der  Varietät  substriata  mit  ganz 
schwachen  Längsstreifchen  verziert. 
Länge:  0,90  Mm. 
Grösste  Breite:  0,37  Mm. 
Dicke:  0,15  Mm. 

Hiermit  ist  die  liasische  *M.  Terquemi  d'Orb.  zu  vergleichen, 
welche  jedoch  nicht  flach  gedrückt  ist  und  deutliche  Einschnü- 
rungen an  den  Kammeruähten  zeigt,  während  bei  der  Juraform 
solche  Einschnürungen  nicht  bemerkbar  sind.  Die  als  Yar.  substriata 
hierhergezogene  Form  scheint  trotz  einer  grösseren  Breite  und 
gedrungener  Gestalt  kaum  von  der  Normalform  getrennt  werden 
zu  können,  weil  bei  der  Zartheit,  der  Streifen  diese  selbst  leicht 
unsichtbar  werden,  die  Dimensionen  gewiss  grösseren  Schwan- 
kungen unterworfen  sind  und  andere  Momente  der  Unterscheidung 
nicht  vorliegen. 

Fundort:  Grabenbach  bei  Streitberg. 

17)  Marginulina  serratoeostata  n.  sp. 

Taf.  III.   Fig.  23a  und  23b. 
Gehäuse  in  die  Länge  gestreckt,  dreiseitig,  nach  unten  stark 
verjüngt  und  in  einer  seitlichen  Krümmung  endigend;  die  nacli  vorn 


—    223    — 

gerichtete  Fläche  mit  3  dornig  gezackten  Längsrippchen  und  die 
dornartigen  Zacken  unter  sich  verbindenden  Querleistchen  ver- 
ziert, zwischen  diesen  Hervor Agungen  vertieft,  die  spitzwinklig 
nach  hinten  zusammenstossenden  Seitenflächen  schwach  gewölbt 
mit  3 — 4  schwachen  Längsstreifchen  bedeckt,  welche  von  den  An- 
deutungen der  Kammernähte  in  schiefer  Richtung  durchkreuzt 
werden.  Die  sehr  zahlreichen  Kammern  sind  zur  Achse  schief 
gestellt;  die  obere  Endfläche  gewölbt. 

Länge:   P/^  Mm. 

Grösste  Breite:   0,33  Mm. 

Grösste  Dicke:  0,30  Mm. 
Diese    unter   allen   Formen   jurassischer   Foraminiferen   die 
eigenthümlichste   und  ausgezeichnetste  hat  nur  in    der  liasischen 
M.  spinata  Terq.  eine  aber  sehr  entfernte  Verwandte. 

Fundort:  Mergelgrube  am  Reitzensteinhaus  bei  Streitberg. 

18)  Marginulina  flabellata  n.  sp. 
Taf.  III.  Fig.  24a,   24b.  u.  24c. 

Gehäuse  sehr  flach,   glatt  gedrückt,   breit  nach  unten  rasch 
sich  verschmälernd  in  eine  kugelige  Erdkammer  verlaufend;  die 
breiten  Seitenflächen    etwas  gewölbt,    wellig  uneben,    nach  vorn 
und  hinten  mit  einer  abgerundeten  Kaute  zusammenstossend,  von 
fächerförmig  aus  einander  laufenden  Längsrippchen  verziert,  der 
vordere  Rand  ist  an  den  Kammernähteu  schwach  vertieft,  daher 
grob  gekerbt;   weniger  deutlich  ist  diess  am  hinteren  Rande  der 
Fall.    Die  zahlreichen  schief  verlaufenden  Kammern  sind  nur  un- 
deuthch    kenntlich;    die   Endfläche  ist    gewölbt  und  trägt  nach 
hinten   eine  kurze  Spitze   mit  der  runden,   von  kurzen  radialen 
Streifchen  umgebenen  Oefihung. 
Länge:  1,64  Mm. 
Breite:   0,56  Mm. 
Dicke:  0,19  Mm. 

Auch  diese  Form  ist  einzig  in  ilirer  Art,  nähert  sich  jedoch 
wieder  mehr  denen  des  Lias:  M.  undulata  und  Mete^isis  Terq. 
Zu  ihrer  Unterscheidung  bedarf  es  keiner  weiteren  Auseinander- 
setzung. 

Fundort:  Sehr  selten  im  Grabenbache  bei  Streitberg, 


—    224   —        • 

VIII.  Cristellaria  Lamarck. 

19)  Cristellaria  jurassiea  n.  sp. 
Tat  IlL  Fig.  2oa,  25b  u.  25c. 
Gehäuse  breit,  sehr  flach  gedrückt,   nach  unten  rasch    und 
stark  verschmälert,  kurz  eingerollt ;  Seitenflächen  fast  eben,  schwach 
gewölbt,    Rücken  und  Bauch  schmal  abgerundet,    ohne  Einker- 
bungen an  den  Nähten;  Kammern  zahlreich  sehr  schief  gestellt 
nach  oben  sehr  erweitert;  Oberfläche  glatt,  matt. 
Länge:   1,12. 
Grösste  Breite:  0,54, 
Dicke:  0,25. 
Aehnliche   Formen   finden    sich  in    mehreren   Formationen: 
C.  simplex    d'Orb.    C.  intermedia   Rss.    unter    dem    liasischen  C. 
matutina  d'Orb.   Die  Juraart  unterscheidet  sich  von   diesen  durch 
ihre  zusammengedrückte  Form  und  die  deutliche  Abgrenzung  des 
kleinen  eingerollten  Tbeiles. 

Fundort:  Nicht  selten  im  Grabenbache  bei  Streitberg. 

20)  Cristellaria  spongiphila  n.  sp. 
Taf.  III.  Fig.  26. 

Gehäuse  in  die  Länge  gestreckt,  flachgedrückt,  nach  oben  fast 
gerade,    wenig  erweitert,    nach   unten  kurz  eingerollt,    an   den 
Kammernähten  schwach  eingekerbt;  Seitenflächen  etwas  gewölbt, 
Rücken-  und  Bauchrand   abgerundet;   Kammern  nicht, sehr   zahl- 
reich, schief  gestellt;  Oberfläche  glatt. 
Länge:  0,69. 
Breite:  0,29. 
Dicke:  0,12. 

Diese  Art,  welche  mit  der  vorigen  sehr  nahe  verwandt  ist, 
bleibt  viel  kleiner  und  zeichnet  sich  besonders  durch  die  fast 
gleiche  Breite  des  oben  gerade  gestreckten  Theiles,  so  wie  durch 
eine  geringere  Anzahl  wenig  schief  gestellter  Kammern  so  sehr 
vor  jener  aus,  dass  ich  nicht  wagen  konnte,  sie  damit  zu  ver- 
einigen. 

Fundort:  Häutig  im  Grabenbache,  an  der  Muschelquelle  und 
am  Keitzensteinhause  bei  Streitberg. 


225 


21)   Cristellaria  franconica  n.  sp. 
Taf.  III.    Fig.  27a,  27b  u.  27c. 

Gehäuse  länglich,  von  der  Seite  schwach  zusammengedrückt, 
so  dass  der  Querschnitt  länglich  elliptisch  erscheint,  die  Seiten 
sind  gewölbt,  wie  der  vordere  und  hintere  Rand;  das  nach  unten 
rasch  verschmälerte  Gehäuse  ist  stark  eingerollt;  doch  reichen 
die  eingerollten  Kammern  nicht  bis  zur  halben  Höhe  des  ganzen 
Gehäuses,  aber  über  den  halben  vorderen  Rand;  die  Kammern 
sind  nicht  sehr  zahlreich,  dabei  sehr  schief  gestellt  und  an  ihren 
Nähten  oberflächlich  schwach,  aber  merklich  vertieft,  so  dass  auf 
dem  hintern  Rande  flache  Einschnürungen  sich  bemerkbar  machen. 
Die  Oberfläche  ist  glatt. 

Länge:  1,06  Mm. 
Breite:  0,62  Mm. 
Dicke:  0,44  Mm. 

G.  prima  d'Orb  aus  dem  Lias  von  Metz  steht  der  oben  ge- 
nannten Art  nahe;  die  letztere  lässt  jedoch  wegen  grösserer  Dicke 
geringerer  Einrollung  und  Fehlen  der  Kieles  eine  Verwechslung 
mit  jener  nicht  wohl  zu. 

Fundort:  Grabenbach  bei  Streitberg. 

22)  Cristellaria  triquetra  n.  sp. 
Taf.  III.  Fig.  28a,  28b  u.  28c. 
Gehäuse  in  die  Länge  gestreckt,  dreiseitig,  nach  unten  schwach 
verjüngt  und  eingerollt,  nach  oben  fast  gerade,  die  Seitenflächen 
wenig  gewölbt,  nach  hinten  in  einer  gekielten  Kante  zusammen- 
laufend, nach  vorn  mit  abgerundeten  Kanten  an  die  schwach 
concave,  vordere  Seite  stossend,  der  eingerollte  Theil  reicht  nur 
bis  über  das  untere  Drittel  der  vorderen  Seite  hinauf;  die  obere 
Endfläche  ist  stark  gewölbt,  von  einem  wulstigen  Rand  umgrenzt, 
der  nach  vorn  sich  convex  ausbiegt.  Die  Nähte  der  schiefstehen- 
den Kammern  ragen  um  ein  Weniges  (vielleicht  in  Folge  einer 
Abwitterung?)  über  die  Oberfläche,  welche  etwas  rauh  erscheint,  vor. 

Länge:  1,12  Mm. 

Dicke:  0,56  Mm. 

Breite:  0,62  Mm. 

Württemb.  natunv.  Jalireshefte.    1862.     2s  HetU  15 


•       226    - 

Diese  sehr  ausgezeichnete  Species  schliesst  sich  zunächst  an 
C.  arcuata  d'Orb.  von  Wien  und  Passau,  ohne  jedoch  mehr,  als 
eine  entfernte  Aehnlichkeit  damit  zu  besitzen.  Nach  den  ange- 
gebenen Merkmalen  ist  diese  Art  leicht  zu  erkennen. 

Fundort:  Grabenbach  bei  Streitberg,  selten, 

23)   Cristellaria  alata  n.  sp. 
Taf.  IV.   Fig.  la  u.  Ib. 

Gehäuse  flach,  zusammengedrückt,  breit  mit  schmalem  abge- 
plattetem Rücken,  welcher  von  fast  ganz  flachen,  breiten  Seiten- 
flächen beiderseits  durch  eine  kielartige  Leiste  abgegrenzt  wird;  die 
Einrollung  ist  sehr  stark,  so  dass  sie  bis  zu  der  weit  herabrei- 
chenden Endfläche  emporreicht;  die  Kammern  sind  stark  gekrümmt, 
an  ihren  bogenförmigen  Nähten  ist  die  Oberfläche  vertieft,  zwischen 
ihnen  gewölbt,  rauh  oder  mit  kleinen  Höckerchen  besetzt;  die 
schmale  hohe  Endfläche  ist  gegen  den  Rand  von  einer  Leiste 
begrenzt,  flach  oder  etwas  vertieft. 

Länge:    1,00  Mm. 

Breite:    0,63  Mm. 

Dicke:  0,19  Mm. 
Diese  ganz  flache,  durch  ihren  schmalen,  glatten,  gekielten 
Rücken  ausgezeichnete  Form  gehört  wegen  der  in  einer  ausgezo- 
genen Spitze  befindlichen  runden  Mündung  zum  Genus  Cristel- 
laria; ob  die  vertieften  Nahtränder  an  der  Oberfläche  nur  ein- 
fach rauh,  oder  vielleicht  durchlöchert  sind,  konnte, nicht  deut- 
lich erkannt  werden,  wie  überhaupt  die  Oberflächenverzierung 
selten  gut  erhalten  scheint. 

Fundort:    Selten  im  Grabenbache  bei  Streitberg, 

24)  Cristellaria  Quenstedti  n.  sp. 
Taf.  lY.  Fig.  2a  u.  2b. 
Gehäuse  scheibenförmig,  rundlich,  etwas  zusammengedrückt, 
gegen  die  Mitte  schwach  vertieft,  stark  eingerollt,  deutlich  gekielt; 
die  Nahtränder  der  stra'k  gebogenen  Kammern  stehen  über  den 
gewölbten  Seitenflächen  leistenartig  vor  und  verlaufen  aus  der 
etwas  vertieften  Mitte  mit  einer  nach  vorn  convexen,  grossen 
Biegung  gegen  den  Kiel,  wo  sie  sich  nach  vorn  concav  umbiegen 


—    227    — 

und  au  den  Kiel  anschlicssen;  die  Oberflüche  ist  glatt,  matt;  die 
breite,  berandete  Endfläche  hochgewölbt. 
Grüsste  Höhe:    1,45  Mm. 
Breite:    1,06  Mm. 
„        Dicke:    0,56  Mm. 
Diese  stattliche  Art  hat  unter  den  Liasarten   von  Metz  kei- 
nen  Repräsentanten;   sie  zeichnet  sich  in  gleicher  Weise  durch 
Grösse  und  Verzierung  der  Oberfläche  vor  den  übrigen  verwand- 
ten Formen  aus. 

Fundort :      Selten    Mergelgrube    am    Eeitzensteinhause    bei 
Streitberg. 

XI.   Robullna,  d'Orbigny. 

25)  Robulina  jurassofraneoniea  n.  sp. 
Taf.  rv^  Fig.  .3a  u.  3b. 
Gehäuse  scheibenförmig,    rundlich,    hoch  gewölbt,   eingerollt, 
mit  einer  Nabelschwiele  in  der  Mitte,  stark  gekielt;  an  den  Naht- 
rändern schwach  vertieft;  Oberfläche  rauh,  d.  h.  zwischen  glatten 
glänzenden  Stellen,  feinkörnig,  matt  schimmernd.    Mündung  drei- 
eckig, am  obern  Ende  der  gewölbten,  breiten  Endfläche. 
Länge:    1,62  Mm. 
Breite:    1,11  Mm. 
Dicke:    0,87  Mm. 
Diese  grosse  Ai't  sclieint  einigen  Veränderungen  unterworfen 
zu  sein,  indem  sich  Exemplare,  vorzüglich  grössere,    fanden,   bei 
denen  der  Kiel  weniger  deutlich  bemerkbar  war,  bei  anderen,  na- 
mentlich kleineren  Individuen,  stand  die  Nabelschwiele  weiter  vor 
und  sie  besassen  zugleich  auch  eine  glatte,  glänzende  Oberfläche, 
die  wie  durch  Abreibung,  nur  stellenweise  rauh  erschien.    E.  clypei- 
formis  d'Orb.  ist  eine  verwandte,  doch  viel  glättere  Form. 
Fundort:    Nicht  selten  im  Grabenbache  bei  Streitberg. 

X.  Outlulina  d'Orbigny. 

26)  Guttulina  strumosa  n.  sp. 
Taf.  IV.  Fig.  13a,  13b,  14a  u.  14b. 
Gehäuse  birnförmig,  oval,  nach   oben  zugespitzt  in  einen  die 
runde  Mündung   tragenden  Hals   verlängert,    flach   zusammenge- 


—  228    — 

drückt,  nach  unten  in  einen  kropfartig  erweiterten,  abgerundeten, 
etwas  seitlich  gerückten  Ende  auslaufend,  mit  4  Kammern,  welche 
länglich  convex  durch  seichte  Einbuchtungen  getrennt,  schräg  an 
einander  gereiht  sind.   Die  Oberfläche  ist  glatt. 
Länge:    0,62—0,75  Mm. 
Breite:    0,22—0,31  Mm. 
Dicke:    0,12—0,17  Mm. 

Es  sind  hier  zw^ei  Formen,  welche  in  ihren  Extremen  ziem- 
lich auffallende  Unterschiede  zeigen,  vereinigt,  weil  Uebergänge 
zwischen  beiden  vorkommen.  Die  kleinere  Form  zeichnet,  sich 
durch  ihre  mehr  grade  Gestalt  und  den  kurzen  Hals,  die  grössere, 
durch  die  einseitige  Entwicklung  das  seitliche  Vortreten  des  ku- 
geligen unteren  Endes  und  den  langen  Hals  aus.  Einige  Aehn- 
lichkeit  zeigte  G.  austriaca  d'Orb. 

Fundort:    Ziemlich  häufig  im  Grabenbache  bei  Streitberg. 

27)  Guttulina  jurassiea  n.  sp. 
Taf.  IV.   Fig.  15a  u.  15b. 

Gehäuse  spindelförmig,  oval,  wenig  zusammengedrückt,   nach 
oben  und  unten  spitz  zulaufend,  mit  4  convexen,  dicht  an  einan- 
der schliessenden ,  schräggestellten  Kammern.    Die  Oberfläche  ist 
glatt,  fast  ohne  Vertiefungen  zwischen  den  Kammern. 
Länge :    1  Mm, 
Breite:   \  Mm. 
Dicke:    0,34  Mm. 
Diese  mit  der  vorigen  Art  verwandte  Form  unterscheidet  sich, 
abgesehen  von  ihrer  beträchtlicheren  Grösse,    durch  ihre  ziemlich 
gleiche  Zuspitzung  nach  beiden   Enden  und  grösserer  Abrundung 
der  Kammern. 

Fundort:  Selten  in  der  Mergelgrube  am  Reitzeusteinhause  bei 
Streitberg. 

XI.  Textilaria.  Defraiice. 

28)  Textilaria  jurassiea  n.  sp. 
Taf.  IV.   Fig.  17a  u.  17b. 

Gehäuse  keilförmig,  langgestreckt,  plattgedrückt,  aus  zahlrei- 
chen  schiefgestellten  keilförmig  in  einander  greifenden  Kammern 


—    229    — 

bestehend,  welche  wenig  gewölbt  und  an  den  Wänden  nur  schwach 
eingetieft  sind;  Oberfläche  glatt,  die  schmalen  Seitenränder  abge- 
rundet, nicht  gekielt. 

Länge:    1,06  Mm. 

Grösste  Breite:  0,37  Mm. 

Dicke:  0,12  Mm. 
T.  Icevigata  d'Orb.  hat  Aehnlichkeit  mit  dieser  Art,  welche  sich 
durch  ihre  glatte  Form  und  die  Abrundung  an  den  schmalen  häufig 
kielartig  zugeschärften  Randseiten  kenntlich  macht.  Die  Dicke 
nimmt  nach  Unten  etwas  ab  ,  die  Anfangszeile  ist  kugelig  etwas 
dicker,  als  die  nächsten  Kammern. 

Fundort:     Grrabenbach  bei  Streitberg. 

29)  Textilaria  franconiea  n.  sp. 

Taf.  IV.   Fig.  18a  u.  18b. 

Gehäuse  keilförmig,  geradegestreckt,  flachgedrückt  mit  zahl- 
reichen, gewölbten,  an  den  Nähten  schwachvertieften  schiefgestell- 
ten,   keilförmig  in    einander   greifenden  Kammern,    die  schmalen 
Randseiten  abgerundet,  durch  die  Vertiefungen  der  Kammernähte 
gekerbt;  Oberfläche  glatt. 
Länge:    0,81  Mm. 
Grösste  Breite:    0,31  Mm. 
'Dicke:    0,19  Mm. 
Diese  mit  der  vorigen  sehr  verwandte  Art  unterscheidet  sich 
von  dieser  durch  ihre  verhältnissmässig  kürzere,    dicker  gedrun- 
genere Form,   durch  höhere  Wölbung  der  Kammern  und  tiefere 
Vertiefungen  an  den  Nähten ;  die  Kammern  selbst  sind  im  Umrisse 
mehr  kugelig,  die  Anfangskammern  gross  und  dick. 

Fundort:    Mergelgrube  am  Reitzensteinhause  bei  Streitberg. 

XII.  Rotalina,   d'Orbigny. 

30)  Rotalina   franconiea  n.  sp. 

Taf.  lY.    Fig.  9a  u.  9b. 

Gehäuse  scheibenförmig,  ungleichseitig,  rundlich,  gekielt,  nach 
oben  conisch  zulaufend  zu  einer  grossen  Nabelschwiele,  nach  un- 
ten convex  gewölbt,  gegen  die  Mitte  vertieft,  Windungen  hoch  mit 


—    230    — 

zahlreichen  Kammern,  deren  Wände  über  die  Oberfläche  leisten- 
artig vorstehen;  die  Oberfläche  ist  glatt,  glänzend,  mit  rauhen 
Erhöhungen. 

Durchmesser:    1,06  Mm. 
Höhe:    0,44  Mm. 
Diese  Art,    welche  in  die  Gruppe  der  R.  Partsclüana  d'Orb. 
gehört,  ist  in  dem  vorliegenden  Exemplare   an  der  Mündung  zu- 
sammengebrochen und  undeutlich. 

Fundort:     Grabenbach  bei  Streitberg. 

31)  Rotalina  turbinella  u.  sp. 

Taf.  IV.    Fig.  10  a  u.  10b. 

Gehäuse  flach,  conisch,  im  (Jmriss  rundlich,  unten  flach,  nicht 
vertieft  nach  oben  conisch  zulaufend,  in  der  Mitte  mit  einer  klei- 
nen, glatten  Nabelschwiele  versehen;  Windungen  nicht  sehr  zahl- 
reich mit  nicht  deutlich  erkennbaren  Kammern;  Oberfläche  kör- 
nig rauh. 

Durchmesser:    \  Mm. 
Höhe:    0,19  Mm. 

Diese  kleine,  häufig  vorkommende  Art,  lässt  sich  sogleich  an 
ihrer  geringen  Grösse ,  rauhen  Oberfläche ,  und  ebenen  unteren 
Fläche  leicht  und  sicher  erkennen. 

Fundort:  Häufig  im  Grabenbache,  an  der  Muschelquelle  und 
am  Reitzensteinhause   bei  Streitberg. 

XIII.  Rosalina,  d'Orbigny. 

32)  Rosalina  aspera  n.  sp. 

Taf  IV.    Fig.  8a  u.  81). 

Gehäuse  flach,  scheibenförmig,  zusammengedrückt  rundlich, 
unten  nach  der  Mitte  zu  stark  vertieft,  oben  flachconisch  zulau- 
fend; Windungen  spiral  eingerollt,  nicht  hoch,  am  Rücken  abge- 
rundet, mit  zahlreichen  engen  Kammern,  deren  Wände  schwach 
durchscheinen;  Oberfläche  rauh,  feinkörnig. 

Grösster  Durchmesser:    1,10. 

Grösste  Höhe:    0,56. 


231 


Diese  Art  hat  einige  Aehnlichkeit  mit  Rosalina  dubia  d'Orb. 
von  Wien.  Die  schmalen  Windungen,  die  durch  keine  Einschnitte 
von  einander  getrennt  sind,  die  fast  nicht  bemerkbare  Einschnü- 
rungen an  den  Kammerwünden ,  lassen  die  jurassische  Art  leicht 
erkennen. 

Fundort:     Sehr  selten  im  Grabenbach  bei  Streitberg. 

XIV.  Polystomella,  Lamaick. 

33)    Polystomella  (?)    polypora  n.  sp. 

Taf.  lY.   Fig.  6a  u.  Gb. 

Gehäuse  länglichrund,  stark  zusammengedrückt,  flach,  einge- 
rollt, die  Seitenflächen  wenig  gewölbt,  der  Rücken  gerundet;  Kam- 
mern zahlreich,  ihre  Wände  bogenförmig  gekrümmt,  über  die  Ober- 
fläche vorstehend  und  von  grösseren  Poren  dicht  besetzt;  die  Ober- 
fläche zwischen  den  Rippchen  ist  körnig,  porös  (?);  die  Endfläche 
berandet,  mit  Poren  dicht  besetzt,  nach  oben  in  eine  Art  Spitze 
zulaufend;  grössere  Mündung  nicht  deutlich  wahrnehmbar. 

Länge:    1,31  Mm. 

Breite:    0,81  Mm. 

Dicke:    0,29  Mm. 
Das  Genus  dieser  ausgezeichnet  verzierten  Art  konnte  wegen  Ge- 
steinsausfüllung nicht  sicher  festgestellt  werden.  Während  die  ganze, 
in  die  Länge  gedehnte,  flache  Form,  das  Vorhandensein  einer  Spitze, 
ähnlich  wie  bei  Cristellaria^  eine  Zugehörigkeit  zu  diesem  Genus 
in  der  Nähe  der  hier   beschriebenen   Cristellaina  alata  vermuthen 
lässt,    ohne  dass  jedoch  die  runde  Oefi'nung  in  dieser  Spitze  er- 
kannt werden  konnte,  sprechen  andere  Merkmale,  namentlich  das 
Vorhandensein   einer  Mündung   ähnlichen  Vertiefung  am  unteren 
Ende   der  Mündungsfläche    für  das    Genus    Nonionina.    Das   mit 
grösster  Wahrscheinlichkeit  anzunehmende    Vorhandensein  mehr- 
facher Mündungen  entscheidet  endlich  zu  Gunsten  von  Polystomella, 
Fundort:     Sehr  selten  im  Grabenbache  bei  Streitberg. 
Daran  reiht  sich  als  von  zweifelhafter  Genus  vielleicht  zu  Spi- 
ralina gehörig: 


—    232    — 

34)   Spiralina  (?)  Streitbergensis  n.  sp. 
Taf,  IV.    Fig.  7  a  u.  7  h. 

Gehäuse  in  die  Länge  ausgedehnt,  oben  fast  gleich  breit,  zu- 
sammengedrückt, nach  unten  bis  zur  Hälfte  des  vorderen  Randes 
eingerollt  und  mit  einer  Nabelschwiele  versehen;  der  Rücken  ist 
abgerundet,  ungekielt,  die  vordere  Randfläche  neben  den  2  seit- 
lichen rinnenartigen  Depressionen  in  der  Mitte  leistenartig  erhöht, 
Kammern  zahlreich,  schief  gestellt,  ihre  Wände  nicht  vorstehend; 
die  Oberfläche  matt,  die  Endfläche  schwach  concav,  neben  der 
. leistenartigen  Randwulst  mit  Poren  (?)  besetzt. 
Länge:  1,30  Mm. 
Breite:    0,44—0,50  Mm. 

Der  allgemeine  Habitus  erinnert  sehr  an  Cristellaria^  wozu 
auch  eine  spitzenartige  Erhöhung  der  obersten  Kammer  überein- 
stimmen würde.  Da  sich  jedoch  auf  der  Endfläche  mehrfache 
Oeffnungen  (Mündungen?)  vorfinden,  so  konnte  denn  doch  eine 
Zurechnung  zu  diesem  Genus  nicht  gewagt  werden.  Erst  das 
Auffinden  mehrerer  und  vollständiger  erhaltener  Exemplare  wird 
über  die  generische  Stellung  klaren  Aufschluss  bringen. 

Fundort:    Sehr  selten  im  Grabenbache  bei  Streitberg. 

XV.   Nonionina,  d'Orbigny. 

35)  Nonionina  maeromphalus  n.  sp. 
Taf.  IV.   Fig,  4a  u.  4b. 

Gehäuse  dick,  scheibenförmig,  rundlich,  eingerollt,  in  der 
Mitte  mit  einer  abgegrenzt  vorstehenden  Nabelschwiele  versehen, 
scharf  gekielt;  Oberfläche  glatt,  glänzend,  an  den  Nahträndern 
etwas  eingesenkt. 

Länge:    0,85  Mm. 
Breite:    0,69  Mm. 
Dicke:    0,48  Mm. 
Das  Genus  Nonionina  ist  aus  den  Lias   noch  nicht  bekannt, 
die  nächsten  Formen  sind  tertiäre,  aber  auch  unter  diesen  fehlen 
sehr  ähnliche. 

Fundort:   Selten  im  Grabenbache  bei  Streitberg. 


233 


36)  Nonionina  Fraasana  n.  sp. 
Taf.  lY.    Fig.  5a  u.  5b. 

Gehäuse  länglich  rund,    stark  eingewickelt,    gegen  die  Mitte 
abgerundet,  vertieft,  mit  .breitem,  vollständig  abgerundetem  Rücken, 
ungekielt,  durch  die  etwas  über  die  Oberfläche  vorstehenden  Kam- 
nierwände  im  Umriss   troppenförmig    eckig;    Kammern  zahlreich, 
ihre  Wände  fast  ganz  radial  gestellt,  unmerklich  ausgebogen;  die 
Oberfläche  hinter   denselben   schwach   eingeschnürt,    glatt,    doch 
nicht  glänzend,  sondern  matt  schimmernd. 
Länge:    0,88  Mm. 
Breite:    0,69  Mm. 
Dicke:    0,40  Mm. 

Diese  bei  Streitberg  nicht  seltene  Art  ist  meist  nur  dürftig 
erhalten,  so  dass  die  rundliche  Mündung  auf  der  Endfläche  nicht 
absolut  sicher  erkannt  werden  konnte.  Es  wäre  daher  wohl 
möglich,  dass  sie  zu  einem  andern  Genus  gehört.  Uebrigens  sind 
die  angeführten  Merkmale  so  eigenthümlich ,  dass  die  Species 
sicher  daraus  zu  erkennen  ist.  ~ 

Fundort:     Nicht  selten  bei  Streitberg. 

XYI.   Biloeiilina,  d'Orbigny. 
37)    Biloculina  applanata   n.  sp. 

Taf.  lY.    Fig.  16a,  16b  u.  16c. 

Gehäuse  linsenförmig  kreisrund,  einerseits  flach,  andernseits 
gewölbt,    an  den  Seitenrändern  mit   einem  w^ulstigen  Saume  ver- 
sehen:  Oberfläche  rauh,    wie  gerissen;    Mündung    auf  einer  vor- 
stehenden Verlängerung  des  Gehäuses,  schmal,  spaltenförmig. 
Länge:    0,75  Mm. 
Breite:    0,50  Mm. 
Dicke:    0,21  Mm. 
Diese  etwas  fremdartige  Form  glaubte  ich  am  besten  in  die- 
sem Genus  unterzubringen,  obgleich  die  Undeutlichkeit  der  Mün- 
dungsbeschaffenheit  keine   volle    Sicherheit  gewährt,    dass   diese 
Auffassung  die  richtige  sei. 

Unter  den  Biloculinen  kommen  ähnliche  Formen  vor;  doch 
ist    an   der  jurassischen   Art   die   einseitig  flache  Beschaffenheit, 


—    234   — 

die  Verlängerung  zu  einem  die  Mündung  tragenden  Halse  und 
die  Abrundung  des  wulstigen  Randes  (statt  einer  scharfen  Kante) 
auffallend.  Leider  fand  sich  bis  jetzt  nur  ein  Exemplar  die- 
ser Art. 

Fundort:  Mergelgrube  am  Reitzensteinhause  bei  Streitberg. 


Damit  schliesst  die  Reihe  der  den  Foraminiferen  mit  Sicher- 
heit zuzuzählenden,  bestimmbaren  Formen  aus  den  Schwamm- 
schichten bei  Streitberg.  Es  muss  aber  bemerkt  werden,  dass 
damit  keineswegs  die  ganze  Fülle  der  Arten  erschöpft  ist,  welche 
sich  daselbst  finden,  vielmehr  kamen  mir  noch  so  viele  meist  nur 
in  kleinen  Fragmenten  erhaltene  oder  undeutlichere  Reste  vor, 
dass  die  Fauna  sicher  noch  eine  namhafte  Bereicherung  in  dieser 
Richtung  erwarten  lässt.  Einige  der  minder  deutlichen  Formen, 
welche  mit  Sicherheit  den  Foraminiferen  nicht  zuzuweisen  waren, 
kommen  so  häufig  vor  und  scheinen  so  charakteristisch  für  diese 
Schwammmergel,  dass  sie  hier  in  einem  Anhange  einer  kurzen 
Erwähnung  wohl  werth  erscheinen. 

Es  sei  hier  noch  ausdrücklich  bemerkt,  dass  das  bei  Streit- 
berg in  den  Formaniferen-Schwammmergeln  entdeckte  Couo- 
dictyum  striatum  Mü.,  welches  neuerdings  fragweise  von 
Reuss  der  Familie  der  Ainmodiscineen  angeschlossen  wurde,  nach 
meinen  wiederholten  Untersuchungen  nicht  zu  den  Formaniferen 
gestellt  werden  kann.  Der  kreiseiförmige  Körper  ist  im  Innern 
ganz  von  Gestein  ausgefüllt,  ohne  Spur  einer  Kammerung,  und 
allseitig  von  einer  dünnen  Kalkkruste  umschlossen,  welche  netz- 
artig, wie  bei  Bryozoen,  gestaltet  ist.  Diese  Kruste  ist  zusammen- 
gesetzt aus  eng  an  einander  schliessenden-  6seitigen  Zellen,  welche 
in  ihrer  Mitte  eine  w^ite  Mündung  zeigen.  Zumeist  ist  diese  Mün- 
dung von  Gestein  ausgefüllt  und  nicht  sichtbar  und  tritt  erst  nach 
Auswitterung  des  Mergels  hervor.  Ob  an  dem  unteren  stielartigen 
Ende  eine  Oeifnung  sich  vorfindet,  konnte  nicht  coustatirt  werden. 


—   235   — 


Zweifelhafte   Foraminiferen-ähnlielie  Thierreste. 

1)  Siderolina-ähnliche  Formen.  (Taf.  lY.  Fig.  19)  bestehen 
aus  4  gleich  Langen  nach  aussen  stumpf  zuUxuf enden,  gegen  die 
Mitte  sich  zu  einem  breiten  Körper  vereinigenden  Aesten,  welche 
in  ihrer  Mitte  einen  leistenartigen  Yorsprung  tragen ;  das  Centrum 
der  Yereinigung  nimmt  eine  nabelschwieleähnliche,  rundliche  Er- 
höhung ein,  um  welche  die  Astleisten  sich  vereinigend  eine  Art 
Hof  bilden;  die  Oberfläche  ist  sonst  glatt;  Mündung  konnte  keine 
beobachtet  werden;  beide  Seiten  sind  gleich;  Durchmesser:  1  Mm. 

Diese  mit  Siderolina  grosse  Aehnlichkeit  zeigende,  weisse 
opake  Sternchen  kommen  bei  Streitberg  häuhg  vor,  zugleich  mit 
ähnlichen,  aber  sehr  unregelmässig  gestalteten  kreuzfvörmigen 
Körperchen,  welche  eher  für  Accessorien  von  Schwämmen  etc,  als 
für  selbsständige  Gehäuse  zu  halten  sind.  Uebergänge  zwischen 
solchen  kreuzförmigen  Gestalten  in  die  oben  beschriebenen  For- 
men machen  es  zweifelhaft,  ob  auch  diese  für  mehr,  als  für  Stern- 
haare anzusehen  sind. 

2)  Bulimina- ähnliche  Körperchen  (Taf.  lY.  Fig.  20)  von 
puppenähnlicher  Gestalt,  bestehen  ganz  aus  Gesteinssubstanz  und 
lassen  weder  Kammern,  noch  eine  Oeifnung  erkennen.  Doch  kehren 
diese  Formen  in  dieser  ganz  bestimmten  Gestaltung  zu  häufig 
wieder,  um  in  ihnen  eine  blosse  Yereinigung  kleiner,  oolitischer 
Klümpchen  annehmen  zu  können.    Häufig  bei  Streitberg, 

3)  Gl obulina- artige  Formen  haben  die  Gestalt  einer  Flasche 
und  lassen  weder  Kammern,  noch  Mündung  erkennen.  Ihre  Ober- 
fläche besteht  aus  einer  krumösen  Masse,  welche,  wie  durch 
Sprünge,  in  eine  Menge  kleiner,  rauher  Wärzchen  zertheilt  ist. 
(Taf.  lY.  Fig.  21.)  Sie  finden  sich  im  Grabenbache  bei  Streitberg. 

4)  Grosse,  länglich  runde  bis  eiförmige  Körperchen,  gehören 
zu  den  häufigsten  Begleitern  der  Foraminiferen  von  Streitberg. 
Sie  erinnern  zunächst  an  Oolithkörner;  der  Mangel  jeder  Spur 
einer  schaligen  Struktur  und  ihre  bemessene  Grösse  widersprechen 
dieser  Zuweisung,  wogegen  der  Mangel  von  erkennbaren  Kammern 
und  einer  Mündung  nicht  erlaubt,  sie  den  Foraminiferen  anzu- 
schliessen.    Der  steinige  Körper  ist  oberflächlich  rauh  oder  matt 


—    236    — 

und  durch  kleine  Erhöhungen  und  Vertiefungen  wellig  knollig, 
wie  gewisse  Sorten  länglich  runder  Kartoffeln.  Zuweilen  glaubt 
man  eine  Mündung  zu  sehen  (Taf.  IV.  Fig.  22),  doch  ist  diese 
sehr  unbestimmt.  Auch  bei  einem  angeschliffenen  Exemplare 
konnte  ich  keine  Kammerwände  wahrnehmen. 


Erklärung  der  Abbildungen. 

Sämmtliche    Figuren    sind    gleichförmig    im    20faclien    (linear")    der 
natürlichen  Grösse  gezeichnet. 

Tafel  III. 
Figur  1  a.    Lagena  franconica,  Seitenansicht. 
„       Ib.  ,,  ,,  von  oben  gesehen. 

,,       2  a.    Lagena  compressula,  Seitenansicht. 
„2  b.         5,  „  von  oben  gesehen. 

,,      2  c.         ,,  ,,  von  unten  gesehen. 

,,      3  a.    Lagena  (?)  Streitbergensis,  Seitenanansicht. 
j,      3  b.         ,j  ,,  von  oben  gesehen. 

,,      4,  5  und  6.    Nodosaria  nitidula. 

„      4  a,  5  a  und  6  a.  Seitenansicht  verschiedener  Formen. 
,,      4  b,  5  b  und  6  b.  dieselben  von  oben  gesehen, 
„      7  a  und  8  a.  Nodosaria  Münsterana,  Seitenansicht. 
„      7  b  und  8  b.  ,,  ,,  von  oben  gesehen. 

,,      9  a.   Nodosaria  jurassica,  Seitenansicht. 
,,      9  b.  ,,  ,,  von  oben  gesehen. 

,,    10  a.    Nodosaria  corallina,  Seitenansicht. 
5,    10  b.  ,,  ,,  von  oben  gesehen. 

„    IIa,    Dentalina  Goldfussana,  Seitenansicht. 
„    11  b.  „  „  von  oben  gesehen. 

„    12  a.    Dentalina  raphanistriformis,  Seitenansicht. 
„    12  b.  ,,  „  von  oben  gesehen, 

j,    13  a.    Frondicularia  franconica,  Seitenansicht. 
j,    13  b.  ,,  ,,  von  vorn  gesehen. 

„    13  c.  ,,  ,,  von  oben  gesehen. 

,,    14  a.    Vaginulina  jurensis,   Seitenansicht. 
,,    14  b.  ,,  „  von  oben *;  gesehen. 

„    1 4c.  „  „  besondere  Form. 

„    l5a,  16, 17, 18.  Marginulina  irregularis,  Seitenansicht. 
5,    19.^         '  ,,  ,,  Fig.  15a  von  oben  gesehen. 


—    237    — 

Figur  20  a.   Marginulina  Beierana,  Seitenansicht. 

„  20  b.  „  ,,  von  oben  gesehen. 

„  21  a.    Marginulina  jurassica,  Seitenansicht. 

,,  21  b.  •  ,,   ,  „  von  oben  gesehen. 

,,  22,  ,,  ,,  var.  substriata. 

„  23  a.   Marginulina  serratooostata,  Seitenansicht, 

„  23  b.  „  „  Frontansicht, 

„  24  a.    Marginulina  flabellata,  Seitenansicht. 

,,  24  b.  ,,  ,,  von  vorn  gesehen, 

,,  24  c.  ,,  ,,  von  oben  gesehen. 

,,  25  a,    Cristellaria  jurassica,  Seitenansicht, 

„  25  b.  ,,  „  von  vorn  gesehen. 

„  25  c.  ,,  ,,  von  oben  gesehen. 

„  26.     Cristellaria  spongiphila,  Seitenansicht. 

„  27  a.    Cristellaria,  franconica,  Seitenansicht. 

,,  27  b.  ,,  ,,  von  vorn  gesehen. 

,,  27  c.  ,,  ,,  von  oben  gesehen. 

„  28  a.    Cristellaria  triquetra,  Seitenansicht. 

,,  28  b.  ,,  ,,  von  vorn  gesehen. 

„  28  c.  „  -„  von  oben  gesehen. 

Tafel  lY. 
Figur  1  a.  Cristellaria  alata,  Seitenansicht. 

,,  1  b.  ,,  ,,       von  vorn  gesehen. 

„  2  a.    Cristellaria  Quenstedti.  Seitenansicht. 
,,      2  b.  ,,  ,,  Frontansicht. 

,,  3  a.    Robuiina  jurassofranconica,  Seitenansicht. 

„  3  b.  ,,  ,,  ,,  Frontansicht, 

,,  4  a,    Xonionina  macromphalus,  Seitenansicht. 

,,  4  b.  ,,  ,,  Frontansicht. 

,,  5  a.  Noninonina    Fraasana,  Seitenansicht. 

,,  5  b.  „  „         Frontansicht. 

,,  6  a.    Polystomella  (?j  polypora,  Seitenansicht. 

,,  6  b.  „  „  P'rontansicht. 

„  7  a.    Spiralina  (?)  Streitbergensis,  Seitenansicht. 

„  7  b.  „  „  Frontansicht. 

,,  8  a.    Rosalina  aspera,  Seitenansicht. 

},  8  b.  „  „         Frontansicht. 

,,  9  a.  Rotalina  franconica,  Seitenansicht. 

,,  9  b.  „  „  Frontansicht. 

„  10  a.    Rotalina  turbinella,  Seitenansicht. 

V  10  b.  y,'  „  Frontansicht. 

„  IIa.  Spirillina polygyrata,  Seitenansicht. 

^  11  b.  „  „  Frontansicht. 

«  llc.  „  ,  stark  vergrössertcb  Stück  d.  Oberfläch». 


—   238    — 

Figur  12  a.   Spirillina  tenuissima,  Seitenansicht. 
„12  b.  „  „  Frontansicht. 

„    13  a,  14a.    Guttulina  strumosa  Seitenansicht. 
„    13  b,  14b.  „  „         von  oben  gesehen. 

„    15  a.    Guttulina  jurassica,  Seitenansicht. 
„    15  b.  „  „  von  oben  gesehen. 

„    16  a.    Biloculina  applanata,  von  vorn  gesehen. 
«    16  b.  „  „  von  hinten  gesehen. 

«    16  c.  „  „  von  oben  gesehen. 

„    17  a.  Textilaria  jurassica,  Seitenansicht. 
„    17  b.  „  „  von  vorn  gesehen. 

„    18  a.    Textilaria  franconica,  Seitenansicht. 
„18  b.  p  „  von  vorn  gesehen, 

„    19.    Siderolina-ähnliche  Körperchen. 
„    20.    Bulimina- ähnliche  Körperchen. 
„    21.    Globulina-ähnliche  Körperchen. 
„    22.    Oolith-artige  Körperchen. 


9.   Die   Farben   der  Pflanzen. 

Von  Georg  von  jNIartens. 
Mit  Tafel  V. 

I.    Der  Regenbogen. 

Siehe  den  Regenbogen  an,  und  lobe  den,  der  ihn  gemacht  hat ; 
denn  er  hat  sehr  schöne  Farben, 

Sirach  Cap.  43,  V;  12. 

Wenn  auf  einer  Seite  des  Himmels  Regen  fällt,  während  auf 
der  gegenüberstellenden  Seite  die  Sonne  scheint,  so  erblickt  man, 
der  Sonne  den  Rücken  zuwendend,  im  grauen  Regenschleier  einen 
bunten  Bogen.  Die  auf  die  kugelförmigen  Wassertropfen  treffen- 
den Sonnenstrahlen  werden  auf  der  vorderen  W^and  des  Tropfens 
bei  ihrem  Eintreten  aus  der  dünneren  Luft  in  das  dichtere  Wasser 
abwärts  gebrochen,  von  der  liinteren  Wand  des  Tropfens  theil- 
weise  auf  die  vordere  wie  von  einem  Spiegel  zurückgeworfen 
und  hier  bei*  ihrem  Austreten  aus  dem  dichteren  Wasser  in  die 
dünnere  Luft  aufv/ärts  gebrochen. 

Während  dieses  doppelten  Durchgangs  durch  die  Wasser- 
tropfen wird  der  weisse  Strahl  in  farbige  Strahlen  von  verschie- 
dener Brechbarkeit  zerlegt,  der  am  schwächsten  gebrochene,  rothe 
Strahl  gelangt  unter  einem  Winkel  von  40^2'  in  das  Auge  des 
Beobachters,  der  am  stärksten  gebrochene,  violette  Strahl  unter 
einem  Winkel  von  42^17',  wodurch  der  Bogen  eine  Breite  von 
20  15'  erhält. 

So  bestimmen  die  Stellen  der  Sonne,  des  Tropfens  und  des 
Beobachters  die  der  Farbe,  jeder  Zuschauer  sieht  den  Bogen  an 
einer  andern  Stelle,   jeder  Tropfen  spiegelt  nur   eine  Farbe«  auf 


240 


einmal,  aber  fallend  schnell  nach  einander  alle,  so  rasch  von  sei- 
nen Nachfolgern  ersetzt,  dass  der  in  raschem  Wechsel  begriffene 
Bogen,  wie  das  Bild  der  Sonne  in  schnell  fliessendem  Wasser, 
als  ruhend  erscheint. 

Diese  Ruhe  ist  jedoch  noch  in  einer  weiteren  Beziehung  nur 
scheinbar,  der  Regenbogen  hält  gleichen  Schritt  mit  der  Sonne, 
aber  in  entgegengesetzter  Richtung,  wie  das  Gegengewicht  an  dem 
Zeiger  einer  Thurmuhr ;  der  Morgenregenbogen  senkt  sich  daher 
und  rückt  dabei  von  Süden  nach  Norden,  der  Abendregenbogen, 
steigt  und  rückt  von  Norden  nach  Süden,  zusammen  mit  einer 
Geschwindigkeit  von  15  Minuten  eines  Grades  auf  eine  Minute  Zeit. 

Der  Mittelpunkt  des  Kreises,  w^ovon  der  Bogen  ein  Abschnitt 
ist,  befindet  sich  der  Sonne  gegenüber  an  der  Stelle,  v-ohin  der 
Schatten  des  Kopfes  des  Beobachters  fällt,  d.  h.  in  drr  Verlän- 
gerung einer  von  der  Sonne  durch  seinen  Kopf  gezo5,enen  Linie, 
da  also  die  Sonne  nothwendig  über  dem  Horizont  stehen  muss,  um 
einen  Regenbogen  zu  bilden,  so  fällt  er  mit  gleicher  Nothwendig- 
keit  immer  unter  den  Horizont ;  der  Regenbogen  übersteigt  daher 
selbst  im  günstigsten  Falle  des  Sonnenuntergangs  im  Meere  nicht 
die  Hälfte  des  Kreises  und  wird  um  so  flacher,  je  höher  die  Sonne 
steht,  da  seine  Höhe  schneller  abnimmt,  als  seine  Breite;  dieses 
verleiht  ihm  eine  grosse  architektonische  Schönheit  der  Form,  leb- 
haft an  unsere  schönsten  Brückenwölbungen  erinnernd. 

Erreicht  die  Höhe  der  Sonne  über  dem  Horizont  42<^,  so 
fällt  der  ganze  Kreis  unter  den  Horizont  und  damit  die  Möglich- 
keit weg,  dass  ein  Regenbogen  erscheine. 

Je  stärker  es  regnet,  je  reiner  der  Sonnenschein  ist  und  je 
dunkler  der  Hintergrund,  desto  lebhafter  und  schöner  ist  der  Re- 
genbogen, in  grösster  Vollkommenheit  erscheint  er  mit  einem 
Neben  regen  bogen;  dieser  entsteht  über  dem  Hauptbogen  durch 
eine  ähnliche  Strahlenbrechung,  aber  so,  dass  ein  auf  die  untere 
Oberfläche  der  Wasserkugel  treffender  Strahl  gebrochen  wird, 
während  es  bei  dem  Hauptbogen  ein  die  obere  Oberfläche  der- 
selben treffender  ist,  und  dass  die  Strahlen  erst  nach  einer  dop- 
pelten Zurückwerfung  an  der  hinteren  Wand  des  Tropfens  sechs- 
mal schwächer  als  am  Hauptbogen   und  in  umgekehrter  Ordnung 


—   241    — 

unter  einem  Winkel  von  50*^44'  bis  54^24'  in  das  Auge  gelangen, 
er  ist  daher  3^40'  breit,  also  um  1^25'  mehr  als  ein  Drittheil, 
breiter  als  der  Hauptbogen. 

Der  8^27'  betragende  Zwischenraum  zwischen  beiden  Bogen 
erscheint  dunkler  als  der  übrige  Himmel,  der  Kugelabschnitt 
zwischen  dem  Hauptbogen  und  dem  Horizont  heller,  weil  die 
oberhalb  des  Hauptbogens  fallenden  Tropfen  uns  nur  von  ihrer 
Vorderseite  zurückgeworfene  Strahlen  zusenden,  die  unterhalb 
derselben  fallenden  aber  auch  von  ihrer  hinteren  Wand. 

Eine  Folge  davon  ist  es,  dass  die  äussere  Seite  des  Haupt- 
regenbogens  schärfer  begrenzt  ist,  als  die  innere,  dagegen  bei 
dem  Nebenregenbogen  die  innere  schärfer  als  die  äussere. 

Zuweilen  sieht  man  am  inneren  oder  unteren  Rande  des 
Hauptbogens  noch  eine  melirfache  Wiederholung  der  Farben  in 
schmäleren  Bändern,  doch  nur  am  obersten  oder  mittelsten  Theil 
desselben. 

Bei  beschränkterem  Regeufall  und  theilweisem  Hervortreten 
des  blauen  Himmels  ersheint  nur  ein  Theil  des  Bogens,  eine 
Wassergalle;  man  sieht  daher  auch  selten  einen  vollständigen 
Regenbogen  auf  einmal  erscheinen,  noch  seltener  auf  einmal  ver- 
schwinden, auch  ist  er  gewöhnlich  von  ungleicher  Stärke  an  ver- 
schiedenen Stellen,  von  rechts  gegen  links  oder  umgekehrt  be- 
ginnend, zunehmend,  abnehmend,  verschwindend. 

Sehr  selten  sind  Regenbogen  in  der  Abend-  oder  Morgen- 
röthe,  mit  stark  vorherrschendem  Roth  und  ohne  Blau;  ich  habe 
in  meinem  langen  Leben  keinen  in  der  Abendröthe,  nur  zwei  in 
der  Morgenröthe  gesehen. 

Ebenso  habe  ich  nur  einmal  einen  Mondregenbogen  ge- 
sehen, da  hier  zu  den  übrigen  Bedingungen  noch  die  eines  star- 
ken Mondscheins,  also  um  die  Zeit  des  Vollmondes  herum,  hin- 
zukommt. 

In  unserer  gemässigten  Zone  treten  die  Bedingungen  des 
Regenbogens  am  häufigsten  im  Sommer  bei  Gewittern  ein  und 
zwar  nie  vor,  immer  nach  dem  Gewitter;  diese  Beobachtung  ist 
sehr  alt:  Gleichwie  der  Regenbogen  stehet  in  den  Wolken,  wenn 
es  geregnet  hat,  sagt  schon  Hesekiel  c.  1,  v.  28 ;  sie  hat  die  Deu- 

Württemb.  naturw.  Jahresliefte.    löG2.     2s  Heft.  16 


—    242    — 

tung  des  Regenbogens  als  Zeichen,  dass  keine  Sündfluth  mehr 
kommen  solle,  veranlasst  (1  Buch  Moses  c.  9,  v.  12 — 15);  der 
Grund  davon  ist,  dass  die  Sommer-  und  Herbstgewitter  Nachmit- 
tags von  Westen  heraufziehen,  also  vor  ihrem  Ausbruch  die  Sonne 
verdecken,  welche  erst  hervortreten  kann,  wenn  sie  schon  vor- 
übergezogen sind  und  in  Osten  den  dunkeln  Hintergrund  bilden. 

Im  Frühling  hat  man  zwar  bis  zur  Sonnenwende  zuweilen 
verkehrte  Gewitter,  welche  von  der  Ostseite  kommen,  diese  treten 
aber  in  den  Morgenstunden  ein  und  verhalten  sich  also  zur  Sonne 
gleich  den  andern. 

Gegen  den  Winter  wird  die  Erscheinung  immer  seltener, 
bis  sie  ganz  wegfällt,  eben  so  gegen  die  Pole,  während  sie  gegen 
den  Aequator  an  Glanz  und  Häufigkeit  zunimmt,  innerhalb  der 
Wendekreise  ihr  Maximum  erreicht,  obgleich  der  Stand  der  Sonne 
ihr  innerhalb  der  Polarkreise,  wo  er  nie  42  ^  erreicht,  am  günstig- 
sten wäre,  innerhalb  der  Wendekreise  dagegen,  wo  er  90^  er- 
reicht, über  die  Hälfte  des  Tages  hindurch  den  Regenbogen  un- 
möglich macht,  aber  die  Gewitter  sind  in  den  Tropenländern  stets 
Nachmittagsgewitter,  sie  haben  einen  um  so  rascheren  Verlauf 
um  so  grössere  und  häufigere  Regentropfen,  je  höher  die  Tem- 
peratur ist,  und  liefern  gegen  die  Pole  bei  niedriger  Temperatur 
wegen  allgemeiner  Verbreitung  der  Wolken  und  Kleinheit  der 
Wassertropfen  keine  Regenbogen  mehr,  schon  lange  ehe  solche  unter 
0.  sinkend  dieselben  ganz  unmöglich  macht. 

Es  wäre  interessant,  die  Grenze  des  Regenbogens  nach  Klima 
und  Jahreszeit  zu  bestimmen,  allein  so  weit  hat  es  die  Meteorolo- 
gie noch  nicht  gebracht. 

Die  Sprachen  der  germanischen  Stämme  bezeichnen  die  schöne 
Erscheinung  mit  dem  prosaischen,  nüchternen  Namen  Regenbo- 
gen, holländisch  Regenboog,  englisch  Bainbow,  bei  den  romani- 
schen Stämmen  hört  man  im  Volke  von  Venedig  bis  Lissabon 
ganz  gleichlautend  den  poetischen  Ärco  Celeste,  französisch  Arc-en- 
ciel,  himmlischer  Bogen,  wahrscheinlich  schon  uritalienisch,  wäh- 
rend die  Dichter  den  mythologischen,  griechischen  Namen  Iris, 
Iride  anwenden.  In  Toskana  hört  man  ihn  auch  Arco  haüno. 
Blitzbogen,  nennen,  ein  Name,  der  die  Erscheinung  an  Gewitter 


—    243   — 

knüpft,  und  in  Portugal  hat  man  neben  dem  vorherrschenden 
Arco  Celeste  der  Römer  auch  den  germanischen  Regenbogen,  -^rco 
chuvoso  und  den  sich  an  Zaubersagen  knüpfenden  Arco  da  velhe^ 
Bogen  des  alten  Weibes.  # 

II.   Das   Prisma. 

Ganz  nach  denselben  Gesetzen  und  unter  denselben  Bedin- 
gungen, wie  bei  Gewitterregen,  erscheinen  grössere  oder  kleinere 
Bruchstücke  eines  Regenbogens  an  Wasserfällen,  Springbrunnen, 
Mühlrädern.  In  dem  beim  Rudern  aufspritzenden  Wasser  beob- 
achtete sie  schon  Aristoteles,  was  damals,  als  alle  grossen  Schiffe 
Galeeren  waren,  viel  häufiger  und  besser  geschehen  konnte,  als 
später;  jetzt  kann  man  dieses  Farbenspiel  wieder  häufig  an  den 
Rädern  der  Dampfboote  beobachten. 

An  diese  irdischen  Farbenbogen  schliesst  sich  die  ebenfalls 
durch  Reflexion  entstehende  Erscheinung  des  Irisirens  an,  ein  lieb- 
liches Spiel  der  sich  bei  jeder  Bewegung  des  irisireuden  Körpers 
oder  des  Beobachters  ändernden  Regenbogenfarben;  man  sieht  sie 
au  den  Federn  mehi-erer  Vögel,  dem  Pfau,  dem  Halse  der  wilden 
und  der  diesen  ähnlich  gefärbten  zahmen  Tauben,  beschränkter  an 
den  Flügeln  der  darnach  benannten  Schmetterlinge,  an  den  Flügel- 
decken einiger  Käfer,  an  den  silbernen  Schuppen  vieler  Fische,  be- 
sonders schön  an  vielen  Schalthieren,  der  inneren  und  der  von  der 
Oberhaut  entblössten  äusseren  Fläche  der  Kreiselschnecken  fTro- 
chusj,  Mondschnecken  (Turbo) ^  Meerohren  (Haliotis)  und  Perlen- 
muscheln (Meleagrina),  dem  Labradorstein,  Chalcedon,  verwittern- 
dem Glase,  Seifenblasen,  aber  nie  an  Pflanzen. 

Dass  eckige  Glasstücke  das  Farbenspiel  der  Iris  auch  am 
durchgehenden  Licht  hervorbringen,  erwähnt  schon  Seneca  und 
wendet  diese  Beobachtung  zur  Erklärung  des  Regenbogens  an 
(Quaest.  nat.  Liber  /,  cap.  7) ;  diess  führte  zum  bunten  Luxus 
der  gläsernen  Kronleuchter,  wurde  aber  noch  durch  das  blitzende 
Farbenspiel  geschliffener  Diamanten  übertroffen,  welche  davon 
den  Xamen  Brillanten  erhielten. 


244 


Vitellio,  der  im  13ten  Jahrhundert  lebte,  erwähnt  in  seiner 
Optik,  dass  ein  mit  Wasser  gefülltes  Glas  im  Sonnenschein  ein 
Farbenbild  auf  den  Boden  werfe. 

So  %elangte  man  zur  Hervorbringung  eines  Farbenbildes, 
welches  die  Farben  des  Regenbogens  in  gleicher  Ordnung  enthält, 
vermittelst  eines  dreiseitig  geschliffenen  Glases,  Prisma  genannt. 
Francesco  Maria  Grimaldi,  der  im  Jahr  1663  starb,  warder  erste, 
welchem  die  längliche  Gestalt  dieses  Farbenbildes  auffiel  und 
der  daraus  den  Schluss  zog,  dass  bei  der  Brechung  die  beiden 
Seiten  des  Lichtstrahls  aus  einander  giengen. 

Im  Jahr  1666  verfinsterte  Isak  Newton  ein  von  der  Sonne 
beschienenes  Zimmer  durch  genau  schliessende  Läden,  nur  ein  La- 
den hatte  eine  kleine,  runde  Oeffnung,  durch  diese  fiel  das  Son- 
nenlicht auf  einen  weissen  Papierbogen  als  kreisrundes  Sonnen- 
bild. Nun  hielt  er  ein  Prisma  so  vor  die  Oeffnung,  dass  die 
eine  Kante,  die  Brechungskante  genannt,  nach  unten  gekehrt  war. 
Jetzt  erschien  das  Sonnenbild  nicht  an  der  früheren  Stelle,  son- 
dern über  derselben,  nicht  kreisrund,  sondern  fünf  Mal  länger 
als  breit  und  nicht  weiss,  sondern  regenbogenfarbig.  Hierauf 
fing  er  das  ganze  Farbenbild  durch  ein  Brennglas  auf  und  erhielt 
so  ein  dem  früheren  gleiches,  rundes,  weisses  Sonnenbild  an  der 
früheren  Stelle. 

Aus  diesen  Versuchen  schloss  Newton,  dass  das  weisse  Licht 
kein  einfaches,  sondern  ein  aus  einer  unzählbaren  Menge  farbiger 
Strahlen  zusammengesetztes  Licht  sei.  Mit  einander  vereint  mach- 
ten diese  Strahlen  das  weisse  Licht  aus,  da  sie  aber  eine  ver- 
schiedene Brechbarkeit  hätten,  so  entfernten  sie  sich  durch  die 
Brechung  in  dem  Prisma  von  einander  und  bildeten  so  das  Spec- 
trum genannte  Farbenbild. 

In  dieser  ebenso  zahlreichen,  als  wegen  der  unmerklichen 
Uebergänge  schwer  zu  unterscheidenden  Farbenreihe  nahm  New- 
ton sieben  einfache  oder  Grundfarben  an,  nach  der  steigenden 
Brechbarkeit  von  unten  nach  oben  gezählt:  Both,  Orange,  Gelb, 
Grün,  Hellblau,  Dunkelblau.  Violett. 

Diese  7  Farben  haben  weder  eine  gleiche  Breite,  noch  eine 
gleiche  Lebhaftigkeit.     Theilt  man  das    Farbenbild   nach   seiner 


—   245   — 

Länge  in  360  Grade  oder  Theile,  so  kommen  davon  auf  Roth  45, 
Orange  27,  Gelb  48,  Grün  60,  Hellblau  60,  Dunkelblau  40,  Violett 
80,  hiebei  steigt  die  Lebhaftigkeit  oder  Stärke  des  farbigen  Lichtes 
von  Roth  an,  erreicht  in  Gelb  und  Grün  ihr  Maximum  und  nimmt 
von  da  an  eben  so  gleichförmig  wieder  ab. 

Man  kann  dieselbe  Schrift,  von  dem  gelben  oder  grünen 
Lichte  erhellt,  in  einer  grösseren  Entfernung  lesen,  als  von  dem 
rothen  oder  violetten  beleuchtet. 

III.    Die  Farbentafel. 

Lange  vor  Newton  zählte  auch  Franz  Maurolycus  von  Mes- 
sina im  Regenbogen  sieben  Farben,  diess  mochte  Newton  wohl 
unbekannt  geblieben  sein,  indessen  scheint  es  doch,  dass  er  diese 
Zahl  nicht  erfunden,  sondern  sich  einem  alten  Volksglauben  an- 
geschlossen habe.  Die  urälteste  auf  die  Mondsviertel  gegründete 
Zeiteintheilung  erhob  die  Zahl  sieben  zu  einer  Wichtigkeit,  welche 
ihre  Uebertragung  auf  die  heterogensten  Dinge  veranlasste.  So 
finden  wir  in  der  heiligen  Schrift  sieben  Schöpfungstage,  Kains 
Tod  soll  siebenfach  gerochen  werden,  Lamech  sieben  und  siebzig 
Mal,  in  Egypten  folgen  7  Theurungsjahre  auf  7  fruchtbare,  7 
Lampen  brennen  in  der  Stiftshütte,  in  der  Offenbarung  Johannis 
7  Sterne  und  7  Leuchter  der  7  Gemeinden,  ein  Buch  mit  7  Siegeln, 
7  Engel  mit  7  Posaunen,  7  andere  mit  den  7  letzten  Plagen  und 
7  goldenen  Schalen,  hei  den  Griechen  7  Wunderwerke  und  7 
Weise,  und  so  sollte  auch  der  himmlische  Bogen  7  Farben  haben. 

Allein  schon  Aristoteles  zählte  am  Regenbogen  nur  3  deut- 
liche Hauptfarben,  ebenso  Tobias  Mayer  in  Göttingen.  Diese 
drei  einfachen  Grundfarben  sind  Roth,  Gelb  und  Blau,  jede  der- 
selben vermischt  sich  mit  ihren  beiden  Nachbarn,  an  Stärke  ab- 
nehmend, je  näher  sie  ihnen  kommt;  so  bilden  sich,  wo  zwei  an^ 
grenzende  Farben  sich  auf  halbem  Wege  zu  einander  das  Gleich- 
gewicht halten,  drei  secundäre  Farben :  Orange,  Grün  und  Violett, 
zwischen  diesen  secundären  Mittelfarben  und  den  Hauptfarben 
tertiäre  Mittelfarben  und  so  in's  Unendliche  fort. 

In  von  Middendorffs  trefflicher  Reise  in  den  äussersten  Nor- 
den und  Osten  Sibiriens,  St.  Petersburg  1848—1851,  11  Bände  4,, 


246 


äussert  der  Bearbeiter  der  Meergewächse,  Dr.  F.  J.  Ruprecht, 
den  Wunsch  nach  einer  vollständigen  Farhentafel,  auf  die  man 
sich  bei  Angabe  der  Farben,  für  welche  die  Sprache  oft  kein 
Wort  hat,  beziehen  könnte,  ein  Wunsch,  dem  die  bisherigen  Ta- 
feln, z.  B.  Mirbels  und  Willdenows,  nicht  genügend  entsprechen 
und  dem  ich  mit  der  anliegenden  Tafel  entgegenzukommen  hoffe. 

Auf  dieser  Tafel  wird  eine  kreisrunde  Scheibe  durch  Radien 
in  24  keilförmige  Abschnitte  getheilt,  welche  die  Farben  des  Re- 
genbogens  und  Spectrums  in  ihrer  Reihenfolge  bis  zur  vierten 
Abstufung  darstellen.  Der  Mittelpunkt  des  Kreises,  den  man 
mit  0  bezeichnen  kann,  ist  der  Abwesenheit  alles  Lichts,  schwarz, 
gewidmet,  der  Rand  oder  die  Peripherie,  mit  O  zu  bezeichnen, 
der  Anwesenheit  des  vollen  Lichtes,  weiss.  Zwischen  beiden 
bilden  9  concentrische  Kreise  in  jedem  Fache  8,  die  Intensität 
der  Farbe  angebende,  mit  a  bis  h  bezeichnete  Vierecke,  8  Far- 
bentöne des  üebergangs  von  der  Nähe  der  schwarzen  zu  der 
der  weissen  Farbe  gebend,  so  erhält  man  192  Farben,  die  ganz 
kurz  durch  Angabe  der  Zahl  und  des  Buchstabens,  z.  B.  rosen- 
roth  24  f,  himmelblau  17  e,  bezeichnet  werden. 

Diese  Farben  sind  indessen,  wie  die  des  Regenbogens,  sämmt- 
lich,  so  weit  sie  nicht  /einfach  sind,  binär,  es  fehlt  also  die  grös- 
sere Zahl  der  aus  allen  drei  Grundfarben  zusammengesetzten  ter- 
nären  Farben,  die  aber,  wie  Misstöne  in  der  Musik,  trüb  und 
düster  sind,  lividus,  luridus,  squalidus,  und  leichter  entbehrt  wer- 
den können,  und  ebenso  eine  Abstufung  des  reinen  Schwarz  durch 
Dunkelgrau  und  Hellgrau  bis  zu  Weiss. 

Ich  hatte  schon  lange  meine  Farbentafel  durch  meine  Tochter 
Luise  ausführen  lassen,  ein  Exemplar  derselben  meinem  Sohn 
Eduard  auf  seine  Reise  nach  Ostasien  mitgegeben,  auch  diese 
Tafel  in  der  Vorrede  zu  meinem  Bohnenbuch  beschrieben,  als 
ich  von  meinem  verehrten  Freunde  Dr.  Schnitzlein,  Professor 
der  Botanik  in  Erlangen,  des  geistreichen  Lecoq  pflanzengeogra- 
phische Studien  erhielt  und  zu  meiner  Ueberraschung  des  be- 
rühmten Chevreul  Plan  einer  ähnlichen  Farbentafel  darin  fand. 

Chevreul  nimmt  dieselben  drei  Grundfarben  Roth,  Gelb  und 
Blau   und  dieselben   drei   secundäre   Farben   Orange,    Grün  und 


—    247    — 

Violett  an,  dann  Uebergänge  dritter,  vierter  Stufe  u.  s.  w.  Die 
von  mir  mit  Zahlen  bezeichneten  Farben  nennt  er  Abstufungen 
(Nuances)^  die  von  mir  mit  Buchstaben  bezeichneten  Grade  der 
Intensität  Töne  (Tons)^  eine  ganze  Reihe  solcher  Töne  in  einer 
Abstufung  eine  Tonleiter  (Gamme).  Jede  Farbentonleiter  besteht 
aus  einer  Normalfarbe,  die  sich  in  einer  Kichtung  durch  Zusätze 
von  Schwarz  verdunkelt,  in  der  entgegengesetzten  durch  Zusätze 
von  Weiss  erhellt,  bis  sie  diese  beiden  Farben  erreicht. 

Soweit  stimmen  wir  vollkommen  mit  einander  überein,  statt 
aber  dass  mir  bei  Entwerfung  meiner  Tafeln  das  Bild  einer  Wind- 
rose oder  eines  Schiffskompasses  vorschwebte,  soll  die  seinige  die 
Nachahmung  einer  Erdkarte,  eines  Planiglobs  sein.  Schwarz 
und  Weiss  wären  die  beiden  Pole,  im  Aequator  oder  richtiger 
in  der  Ekliptik  lägen  die  Normalfarben,  die  sich  mit  allmähliger 
Verengerung  ihres  Feldes  einerseits  verdunkelnd  dem  schwarzen, 
andererseits  erblassend  dem  weissen  Pol  nähern  würden;  die 
Bezeichnung  der  Stufe  geschähe  durch  den  Längengrad,  die  des 
Tons  durch  den  Breitengrad,  da  aber  die  Eintheilung  mit  360 
Graden  zu  schwierig  und  überflüssig  sei,  so  genüge  es  an  Feldern 
von  10  Graden  Länge  und  Breite,  so  dass  jede  Hemisphäre  18 
Abstufungen  und  in  jeder  Abstufung  18  Töne  hätte,  eine 
Hemisphäre  wäre  den  binären  Farben  gewidmet,  die  andere  den 
ternären.  Durch  Wendekreise  und  Polarkreise  könnte  man  grös- 
sere Abtheilungen   der  Töne  bezeichnen. 

Ob  eine  solche  Farbentafel  auch  wirklich  ausgeführt  worden 
ist,  wird  niclit  gesagt,  es  scheint  bei  dem  Vorschlag  geblieben  zu 
sein;  mir  scheinen  nach  den  von  mir  gemachten  Erfahrungen 
und  angestellten  Versuchen  18  Abstufungen  zu  wenig  und  18  Töne 
zu  viel  zu  sein,  auch  scheint  es  mir  passender,  die  Verdunke- 
lung durch  Verengerung,  das  Lichterwerden  durch  Erweiterung  der 
Felder  zu  bezeichnen. 

Ich  habe  versucht,  den  vorhandenen  Farbenbenennungen  durch 
meine  Tafel  einen  festen  Sinn  zu  geben,  den  sie  bisher  nicht  hat- 
ten, wie  man  aus  den  Beispielen  mancher  Blumen  sehen  kann,  welche 
bei  gleichen  von  der  Farbe  entlehnten  Beinamen  abweichende  Far- 
ben haben;  indessen  ist  es  mir  nicht  gelungen,  für  jeden  Farben- 


—    248   — 

ton  einen  passenden  Namen  zu  finden  oder  zu  erfinden,  und  so 
sind  in  der  Nomenklatur  einige  Lücken  stehen  geblieben. 

Die  Farben  sind  nach  Analogie  des  Schiffskompasses: 


1. 

Roth. 

2. 

'/s  Roth, 

Vs  Gelb. 

Roth-Orange-Roth. 

3. 

3/4  Roth, 

V4  Gelb. 

Orange-Roth. 

4. 

%  Roth, 

3/8  Gelb. 

Orange-Orange-Roth. 

5. 

1/2  Roth, 

1/2  Gelb, 

Orange. 

6. 

'k  (>elb, 

3/8  Roth. 

Orange-Orange-Gelb. 

7. 

3/4  Gelb, 

1/4  Roth. 

Orange-Gelb. 

8. 

'/s  (>elb. 

i/s  Roth. 

Gelb-Orange-Gelb. 

9. 

Gelb. 

10. 

'/s  Gelb, 

i/s  Blau. 

Gelb-Grün-Gelb. 

11. 

3/4  Gelb, 

1/4  Blau. 

Grün-Gelb. 

12. 

%  C^elb, 

3/8  Blau. 

Grün-Grün-Gelb. 

13. 

1/2  Gelb, 

1/2  Blau. 

Grün. 

14. 

%  Blau, 

3/8  Gelb. 

Grün-Grün-Blau. 

15. 

3/4  Blau, 

1/4  Gelb. 

Grün-Blau. 

16. 

"/s  Blau, 

Vs  Gelb. 

Blau-Grün-Blau. 

17. 

Blau. 

18. 

'k  Blau, 

i/s  Roth. 

Blau-Violett-Blau. 

19. 

3/4  Blau, 

1/4  Roth. 

Violett-Blau. 

20. 

5/8  Blau, 

3/s  Roth. 

Violett-Vlolett-Blau. 

21. 

V2  Blau, 

1/2  Roth. 

Violett. 

22. 

%  Roth, 

3/8  Blau. 

Violett-Violett-Roth. 

23. 

3/4  Roth, 

1/4  Blau. 

Violett-Roth. 

24. 

Vs  Roth, 

Vs  Blau. 

Roth-Violett-Roth. 

Bestimmuung  der  lateinischen  und  deutschen   Farbennamen 
nach  der  Tafel: 

0     Ater.   Kohlschwarz,  Pechschwarz. 
1,  a.  Atrorubens.    Schwarzroth,  Tiefroth. 

b.  Ruberrimus.  Hochroth. 

c.  Cinnabarinus.   Zinnoberroth. 

d.  Corallinus.    Corallenroth. 

e.  Ruber,   Roth. 

f.  RubeUus.   Hellroth. 

g.  Rubens.   Röthlich. 

h.  Alborubescens.   Röthlichweiss. 


—    249    — 

2,  a.  Rubiaceus.   Krapproth. 

b.    Obscure  coccineus.  Dunkel- Scharlachroth, 
e.  Coccineus.     Scharlachroth. 

d.  Balaustinus.   Granatblüthe. 

e.  Auroreus.    Morgenroth. 

f.  Carneus.    Incarnat. 

g.  Pallide  carneus.   Hellincarnat. 
h.  Rutilans.    Blassröthlich. 

3,  a.  Obscure  rubens.   Indisch-Roth. 

b.  Candens.    Glühendroth. 

c.  Tgneus.    Feuerroth. 

d.  Flammeus.    Flammroth. 

e.  Lateritius.    Ziegelroth. 

f.  Rubescente  heholus.    Gelbröthlich. 

g.  Pallens.    Bleich, 
h.  Pallidus.    Blass. 

4,  a.  Hepaticus.    Leberfarbig. 

b.  Cuprinus.    Kupferroth. 

c.  Rufus.    Fuehsroth. 

d.  Testaceus.    Topfroth. 

e.  Pallide  testaceus.    Hell-Topfroth. 

f.  Helvolus.   Rothgelblich. 

g.  Rufescens.    Hellfuchsröthlich. 

h,  Alborufescens.    Fuchsröthlichweiss. 

5,  a.  Brunnens.    Rothbraun. 

b.  Miniatus.   Meunigroth. 

c.  Aurantiacus.    Orange,   Pomeranzengelb. 

d.  Flavescente-rufus.   Rothgelb. 

e.  Pallide  aurantiacus.    Hellorange. 

f.  Carneo-lutescens.    Gelblich-incarnat. 

g.  Flavescente-rubens.    Orangeröthlich. 
h.  Alutaceus.   Rothgelblichweiss. 

6,  a.  Badius.   Kastanienbraun. 

b.  Ferrugineus,  Rubiginosus.    Rostgelb. 
■  c.  Croceus.    Safrangelb. 

d.  Fulvus.   Fahl. 

e.  Aureo-rubescens.    Messinggelb. 

f.  Rubescente  Intens.  Röthlichgelb. 

g.  Rubescente-ochroleucus.   Blassröthlichgelb. 
h.  Fulvescens.   Fahlgelblichweiss. 


—    250   — 

7,  a.  Cinnamomeus.   Zirametfarbig. 

b.  Spadiceus.    Braungelb. 

c.  Ochraceus.   Ockergelb.  (Siena  Erde.) 

d.  Vitellinus.    Dottergelb. 

e.  Aureus.    Goldgelb. 

f.  Rubescente-flavus.   Hellröthlichgelb. 
g.  Isabellinus.    Isabellfarbig. 

h.  Eburneiis.    Elfenbeinfarbig. 

8,  a.  ruscus.    Braun. 

b.  Fuscesciis.   Hellbraun. 

c.  Fuscoluteus.    Bräunlichgelb. 

d.  Intensive  luteus.   Indisch  Gelb. 

e.  Luteo-aureus.   Dunkelgoldgelb. 

f.  Gilvus.    Fahlgelb. 

g.  Ochroleucus.   Blassgelblich. 

h.  Obsolete  ochroleucus.    Gelblichweiss. 

9,  a.  Olivaceo-fuscus.    Olivenbraun. 

b.  Argillaceus.    Thonfarbig. 

c.  Corneus.    Hornfarbig. 

d.  Luteus.   Dunkelgelb. 

e.  Flavus.    Gelb. 

f.  Citrinus.    Citronengelb. 

g.  Sulfureus.    Schwefelgelb. 
h.  Cereus.    Wachsgelb. 

10,  a.  Olivaceus.    Olivengrtin. 

b.  Pallide  olivaceus.   Hellolivengrün. 

c.  Luteoviridis.   Dunkelgelbgrün. 

d.  Flavovirens.    Apfelgrün. 

e.  Flavicante-virens.    Gelbgrünlich.*) 

11,  b.  Vernalis.   Frühlingsgrün. 

d.  Flavescente-viridis.    Gelblichgrün. 

e.  Prasinus.   Lauchgrün. 

f.  Pallide  prasinus.    Hell-Lauchgrün. 

g.  Dilute  prasinus.    Yerwaschen-Lauchgrün. 
h.  Prasino-albus.    Lauchgrünlich  weiss. 

12,  a.  Aestivalis.    Sommergrün. 
c.  Herbaceus.    Grasgrün. 

*)  Für  die  Farbentöne  10,  f  bis  h  unb  die  in  den  folgenden  Stufen 
ausgelassenen  Buchstaben  fehlen  mir  passende  Namen. 


—    251    — 

13,  a.  Atrovirens.    Schwarzgrün. 

b.  Obscure  viridis.    Dunkelgrün. 

c.  Viridis.    Grün. 

d.  Virens.    Hellgrün. 

e.  Dilute-viridis.    Yerwaschengrün. 

f.  Chrysoprasiniis.    Chrysoprasfarbig. 

g.  Yirescens.    Grünlich. 

h.  Albovirescens.    Grünlichweiss. 

14,  b.  Smaragdinus.    Smaragdgrün. 

f.  Beryllinus.    Beryllgrün. 

15,  d.  Caerulescente-viridis.  Bläulichgrün, 
e.  Aeruginosus.    Kupfergrün. 

g.  Viridi-caesius.  Graugrünlich. 

16,  a.  Caerulescente-niger.    Schwarzblau, 
b.  Chalybeus,    Stahlblau. 

e.  Virescente-caeruleus.    Grünlichblau. 

f.  Glaucus.    Wasserblau. 

,    g.  Glaucescens.    Wasserbläulich. 

h.  Alboglaucescens.   Hellwasserbläulich. 

17,  a.  Atro-coeruleus.    Tiefülau. 

b.  Azureus.    Azurblau. 

c.  ültramarinus.    Ultramarinblau. 

d.  Coeruleus.  Blau. 

e.  Coelestis.   Himmelblau. 

f.  Caesius.    Hellblau. 

g.  Caerulescens.    Bläulich. 
h.  Lacteus.    Milchweiss. 

18,  a.  Cyanomelas.    Schwärzlichblau. 

b.  Lapis  Lazuli.   Königsblau,    Victoriablau, 
h.  Argenteus.    Silberfarbig. 

19,  a.  Indigoticus.    Indigoblau. 

b.  Violaceo-coeruleus.    Violettblau. 

c.  Cyaneus.    Kornbluinenblau. 

d.  Obscure-lilacinus.    Dunkel  Lilafarbig. 

e.  Lilacinus.    Lilafarbig. 

f.  Pallide-lilacinus,   Hell  Lilafarbig. 

h.  Obsolete  lilacinus.   Lilafarbig  weiss. 

20,  d.  Coeruleo-rufescens.    Röthlichblau. 

21,  a.  Obscure  violaceus.    Dunkelviolett. 


—    252    — 

21,  b.  Violaceus.   Violett. 

c.   Janthinus.    Hellviolett. 

h,  Yiolaceo-albus.   Weissviolett. 

22,  a.  Caeruleo  purpureus.   Bläulich  purpurroth. 

b.  Yiolaceo-purpureus.    Purpurröthlich-violett. 

c.  Amethystinus.   Ametliystfarbig. 

f.  Pallide-amethystinus.    Hell  Amethystfarbig. 

23,  a.  Xerampelinus.   Dunkelpurpurroth. 

b.  Purpureus,  Puniceus.    Purpurroth. 

c.  Amarantinus.   Amaräntroth. 

d.  Malinus.    Apfelblüthroth. 

e.  Persicinus.    Pfirsichblüthfarbig. 

f.  Pallide  purpureus.    Hellpurpurroth. 

g.  Purpurascens.    Purpurröthlich. 

h.  Purpurascente-albus.    Purpurröthlich  weiss. 

24,  a.  Sanguineus.   Blutroth. 

b.  Carmosinus.    Karminroth. 

c.  Pallide-carmosinus.    Hellkarminroth. 

e.  Obscure-roseus.    Dunkelrosenroth. 

f.  Roseus.   Rosenroth. 

g.  Pallide-roseus.    Hell  Rosenroth, 
h.  Roseo-albus.    Rosenröthlichweiss. 

O       Albus.   Candidus.    Mveus.    Weiss. 

Von  der  Tafel  ausgeschlossene  Farben. 

1)  Der  Uebergang  von  Schwarz  in  Weiss. 
©  b.  Niger.   Negerfarbig. 

c.  Schistaceus.    Schieferfarbig. 

d.  Murinus.   Mausfarbig. 

e.  Griseus.    Grau. 

f.  Cinereus.   Aschgrau. 

g.  Incanus.    Hellgrau, 
h.  Albidus.    Weisslich. 

2)  Aus  allen  drei  Grundfarben  zusammengesetzte  Farben. 
Aeneus.    Erzfarbig. 
Cervinus.    Hirschbraun. 
Fuligineus.    Russfarbig. 
Fumosus.   Rauchfarbig. 
Leucophaeus.    Hellbraun. 
Lividus.   Livid.   Todtenfarbig. 


—    253 

Luridus.   Lederfarbig, 
Pullus.   Dunkelbraungrau. 
Squalidus.    Sohmutzigbraun. 
Tabacinus.    Tabakfarbig. 
Umbrinus.    Umberbraun. 


Das  Farbenspiel  in  der  Pflanzenwelt. 

I.   Die  Wurzel. 

Jede  Gefässpflanze  hat  eine  indifferente  Stelle,  eine  Scheibe 
oder  einen  idealen  Querschnitt,  von  welchem  an  die  sich  ent- 
wickelten Theile  ein  entgegengesetztes  Streben  zeigen,  die  un- 
teren nach  unten  centripetal,  dem  Mittelpunkte  der  Erde  zu, 
in  der  Kichtung  der  Schwerkraft,  die  oberen  centrifugal,  der 
Sonne  zu,  in  der  Richtung  der  Schwungkraft.  Mit  der  Benen- 
nung eines  negativen  und  eines  positiven  Pols  hat  man  diese 
Ei'scheinung  bezeichnet,  keineswegs  erklärt.  Mir  scheint  dieses 
Streben  ein  praktisches  zu  sein,  die  Pflanze  strebt,  sich  durch 
die  Wurzel  Wohnung  und  Nahrung  zu  erringen,  einen  festen, 
sichern  Halt  und  hinreichende  Feuchtigkeit,  beides  findet  sie 
unter  der  Oberfläche  der  Erde  und  opfert  für  ihren  untern  Theil 
den  Genuss  des  Lichtes,  zum  Theil  auch  der  Wlirme,  dafür  auf. 

Je  weicher,  wärmer,  trockener  der  Boden  ist,  je  gerader 
und  tiefer  dringt  die  Wurzel  senki'echt  in  denselben  hinab,  so 
bei  Sandpflanzen,  Echinophora,  Daucus,  ^pocynum  venetum^  bei 
vielen  Doldengewächsen,  deren  senkrechte  Wurzel  dem  senk- 
rechten Stengel  entspricht. 

Wo  aber  die  Pflanze  das  Gesuchte  nicht  in  der  Tiefe  findet, 
auf  Hindernisse  stösst,  nehmen  ihre  Wurzeln  eine  andere  Rich- 
tung an,  so  Linaria  Cymbalaria  Mill,  Ceterach  officinarum  Sw., 
Asplenium  trichomanoides  und  Euta  muraria  L. ,  an  senkrechten 
Mauern  wachsend,  eine  völlig  wagerechte;  auf  dem  Bopser  bei 
Stuttgart  steht  ein  Forchenwald  auf  einer  Bank  von  Keupersand- 
stein,    die   Wurzeln    erreichten    bald    dieselbe   und   sahen  sich 


—    254   — 

genöthigt,  eine  horizontale  Richtung  anzunehmen,  der  Regen 
hat  im  Laufe  der  Jahre  die  schwache  Schicht  von  Pflanzenerde 
und  verwittertem  Sande  weggespült,  und  die  Wurzeln  liegen 
vielfach  verschlungen  und  gebogen  zu  Tage;  im  Eisenharzer- 
Wald  in  Oberschwaben  traf  ich  einen  Fichtenwald  auf  Torfboden ; 
obschon  der  Torf  die  senkrechte  Richtung  der  Wurzeln  mecha- 
nisch nicht  verhindert  hat,  drangen  die  Wurzeln  der  Fichten 
doch  nicht  in  denselben  ein,  sondern  breiteten  sich  wagerecht 
in  der  oberen  schwachen  Schichte  von  Pflanzenerde  aus,  dem 
Bedtirfniss  der  Nahrung  den  der  Festigkeit  aufopfernd,  wie  einige 
vom  Sturm  umgerissene  Bäume  bewiesen. 

In  der  höhern  Alpenregion  und  in  den  Polarländern  findet 
man  die  höchste  Temperatur,  das  Maximum  der  Wärme  da,  wo 
"der  Boden  die  Sonnenstrahlen  auffängt,  ein  paar  Zoll  über  und 
unter  der  Erdoberfläche ;  hier  ist  das  Bedürfniss  der  Wärme  das 
vorherrschende,  denn  was  hilft  das  Wasser,  wenn  es  gefroren 
ist;  Wurzeln  und  Stengel  ziehen  daher  die  wagerechte  Stellung 
der  senkrechten  vor  und  wachsen  parallel  statt  in  entgegengesetzter 
Richtung,  so  auffallend  bei  Arctostaphylos  alpina  Spr. ,  -^zdlea 
procumhens  1j.  ^  Empetriim  nigrum  L.,  Salix  Mysinites^  reticulata^ 
retusa,  herbacea  L. 

An  steilen  Ufern  gepflanzte  Weiden  und  Pappeln  senden 
gerne  ihre  Wurzeln  wagerecht  ins  Wasser  hinaus,  selbst  das 
Licht  nicht  scheuend,  welches  sie  röthlich  färbt. 

Indem  nämlich  die  Wurzeln  auf  Licht  verzichten,  verzich- 
ten sie  auch  auf  Farbe ;  in  der  ersten  Jugend  glasartig  farblos, 
zeigen  sie  später  nur  eine  bleiche  Mischung  von  Gelb,  Schwarz 
und  Roth,  aber  ohne  eine  Spur  von  Blau,  eine  unendliche  Ton- 
folge einer  trüben,  braunen  Färbung  von  braun  f  bis  h,  selten 
an  der  Oberhaut  der  dunkleren  Hälfte  der  Farbentöne  angehö- 
rend, wie  bei  der  hienach  benannten  Schwarzwurzel  {Scorzonera 
hispanica  L.,)  der  schwarzen  Nieswurz  {Hellehorus  niger  L.),  dem 
Winterrettig  {Raphanus  sativus  a  niger  Dec.)  und  manchen  an- 
dern nie  rein  schwarzen,  sondern  nur  tief  dunkelbraunen,  den- 
noch auffallenden  Wurzeln. 


—  255   — 

Anders  gefärbte  Wurzeln  sind  seltene  Ausnahmen,  oft  Cul- 
turprodukte;  am  häufigsten  findet  man  noch  die  der  braunen 
nächst  verwandte  gelbe  Farbe,  doch  selten  rein,  gewöhnlich  mit 
einem  kleinen  Zusatz  von  Roth,  so  bei  dem  Sauerdorn  (Berbe- 
ris  vulgaris  L.)  9  f,  dem  Maulbeerbaum  (Monis  alba  L.)  8  f, 
den  zahlreichen  gelben  Thalictrum- Arten,  der  gelben  Rübe 
(Daucus  Carola  L.),  deren  verschiedene  Spielarten  von  Blassgelb 
8  f,  durch  dunkelgelb  8  d  bis  in  Orange  5  c  und  4  c  tiber- 
gehen, während  die  vergebens  angepriesene  Riesenmöhre  und 
die  wilde  Stammart  weissliche  Wurzeln  haben,  die  Curcuma 
longa  L.,  von  den  Franzosen  Safran  de  terre  genannt  7  e,  der 
Costus  arablcus  L.  7  f,  der  Rhabarber  und  mehrere  andere 
Rheumarten,  wie  einige  Rumexarten  6  e,  die  Runkelrübe 
{Beta  altissima  Beckmann)  schon  zu  Ende  des  vorigen  Jahrhun- 
derts als  Surrogat  des  Zuckerrohrs  empfohlen,  5  c,  d. 

Näher  an  Roth  stehen  die  Wurzeln  der  Asperula  t'mctoria 
und  cynanchica  L.  4  d,  der  berühmten,  das  türkische  Garn  und 
die  Knochen  der  sie  fressenden  Thiere  färbenden  Färberröthe, 
2  b,  und  der  ihr  ähnlichen  wilden  Färberröthe  (Rubia  pere- 
grina  L.)  2  d,  auch  einiger  andern  Rubiaceen. 

Seltener  findet  man  an  Wurzeln  die  rothe  Farbe  mit  einem 
kleinen  Zusätze  von  Blau,  also  der  janthinischen  Farbenreihe 
angehörend,  so  bei  der  rothen  Rübe  23  b,  dem  rotlien  Monat- 
rettig  23  b — e,  theilweise  an  der  Runkelrübe  23  c  und  d,  am  obern 
Ende  der  weissen  Rübe  23  e,  bei  Änchusa  tinctorla  L.  und 
Lithos per  räum  tinctorum  L.  22  a  und  selbst  bei  unserem  Acker- 
steinsamen (Lithospermwn  arvense  L.)  22  b. 

Bei  den  von  mir  beobachteten  Pflanzenwui'zeln  ist  sonach 
22,  Violett- Violett-Roth  ^/^  Roth  und  %  Blau  die  äusserste  Grenze 
der  farbigen  gegen  Blau,  21  Violett  bis  17  Blau  fehlen  gänz- 
lich, und  Grün  kommt  nur  abnorm  am  obersten  Theile  ein- 
zelner Wurzeln  vor,  welche  aus  der  Erde  hervorstehend,  mit  der 
Stellung  des  Stengels  auch  eine  Annäherung  an  seine  Farbe  er- 
halten. Aus  demselben  Grunde  sind  die  Wurzeln  der  Mistel 
(Viscura  und  Loranthus)  gi'ün,    weil   sie  im  Lichte  keimen  und 


—   256  — 

im  Fortgang  ihres  Wachsthums  mehr  von  den  späteren  Holz- 
schichten überwachsen  werden,  als  tief  in  den  Ast  eindringen. 
Die  bei  den  Pflanzenwurzeln  ausser  den  höchst  entschieden  vor- 
herrschenden Farben  Weiss  und  Braun  noch  vereinzelt  vorkom- 
menden beschränken  sich  sonach  auf  2  bis  9  und  22  bis  23, 
noch  nicht  die  Hälfte  der  24  Farben  der  Tafel. 

II.   Der  Stengel. 

Die  Stengel  und  Stämme  der  Pflanzen  und  ihre  Verzwei- 
gungen haben  in  der  Jugend  die  Farben  der  Blätter,  bei  den 
einjährigen  Gewähcsen,  welche  ihr  Leben  auf  die  Dauer  von  6 
bis  8  Monate  beschränkend  in  kälteren  Gegenden  dem  Froste 
des  Winters,  in  wärmeren  der  Trockenheit  des  Sommers  ent- 
gehen, also  immer,  eben  so  bei  den  zweijährigen,  wie  Disteln, 
Wollenblumen,  vielen  Doldengewächsen,  Kohl,  Rüben  u.  s.  w., 
welche  zweijährige  Wurzeln,  aber  nur  einjährige  Stengel  haben 
und  den  mit  der  Abnahme  der  Temperatur  an  Zahl  zunehmenden 
perennirenden  Pflanzen,  welche  zwar  mehrere  oft  viele  Jahre 
lebende  Wurzeln,  aber  auch  nur  einjährige  Stengel  haben  und 
sich  so  unter  der  Erde  und  der  schützenden  Schneedecke  der 
Strenge  polarer  und  alpinischer  Winter  entziehen. 

Im  Alter  zeigen  dagegen  die  Stengel  und  Stämme  der  Pflan- 
zen die  Farben  der  Wurzeln,  grau  oder  braun  in  allen  Abstu- 
fungen, oft  mit  vorherrschender  gelber  oder  rother  Farbe,  so 
orange  bei  Crataegus  Oxyacantha  L.,  Fraxinus  aurea  Wild.,  roth 
bei  Cornus  sanguinea  und  alba  L.,  beinahe  violett  22  a,  bei 
AngeUca  sylvestris  L.  bis  violettblau  bei  mehreren  Eryngium- 
Arten,  beinahe  schwarz  wie  Ebenholz  bei  Datura  fastuosa  L. 

Auch  der  an  den  Früchten  häufigere  bläulich  graue,  staub- 
artige Duft  tritt  schon  am  Stengel  einzelner  Gewächse  auf,  so 
besonders  schön  am  Wuuderbaum  {Ricinus)  und  an  der  AngeUca, 
nie  aber  rein  binär  und  häufig  durch  den  Einfluss  des  Lichtes 
dunkler,  so  dass  die  Farben  der  Wurzeln  in  die  oberen  Töne 
e  bis  h,  die  der  Stämme  und  Aeste  in  die  unteren  a  bis  d  fallen 
und  man  diese  Farben  denen  der  Säugethiere  vergleichen  könnte, 
die  der  Stämme    denen   des   dem  Lichte  zugekehrten  Rückens, 


—    257   — 

die  der  Wurzeln  denen  des  davon  abgewendeten  Bauches.  Wurzel- 
farbig sind  die  Stengel  und  Stämme  der  von  den  Polen  gegen  den 
Aequator  an  Zahl  der  Arten  wie  der  Individuen  absolut  wie 
relativ  zunehmenden  über   dem  Boden   ausdauernden   Gewächse. 

Bunte  Stämme,  wie  am  gestreiften  Ahorn,  oder  Stengel,  wie 
am  Conium  maculatum  L.  und  einigen  andern  Doldenpfianzen,  sind 
seltene  Ausnahmen. 

Von  den  merkwürdigen  Schmarozerpflanzen ,  welche  ihren 
Nahrungssaft  schon  verarbeitet  aus  andern  Pflanzen  saugen,  theilen 
die  auf  den  Zweigen  der  Bäume  zwischen  den  Blättern  wachsenden 
die  grüne  Farbe  der  letzteren,  so  viele  tropische  Orchideen  und 
Tillandsien,  in  Europa  die  Misteln;  den  Parasiten  der  Wurzeln 
aber  fehlt  mit  den  Spaltöffnungen  und  dem  Athmungsprozess  auch 
die  Fähigkeit,  Chlorophyll  zu  bilden  und  somit  die  grüne  Farbe,  ihre 
Stengel  sind,  sich  an  die  Wurzelfarbe  anschllesend,  um  so  farb- 
loser, bleicher,  weiss  oder  röthlichgelb ,  je  schattiger  und  licht- 
ärmer ihr  Standort  ist,  bei  stärkerem  Lichte,  wie  die  Stämme, 
braun  oder  trübroth;  die  Blätter,  ihres  wichtigen  Dienstes  bei 
andern  Gewächsen  enthoben,  verkümmern  zu  unscheinbaren,  stiel- 
losen Schuppen  und  theilen  wie  die  Deckblätter  und  Kelche,  wo 
letztere  vorkommen,  die  Farbe  des  Stengels. 

Wir  haben  in  Württemberg  sechszelm  in  vier  Familien  ver- 
theilte  Pflanzen  dieser  Lebensart,  die  bleichste  ist  die  in  schat- 
tigen Wäldern  auf  den  Wurzeln  der  Buchen  tief  im  modernden 
Laub  und  Moos  vergraben  lebende  Schuppenwurz  {Lathraea  squa- 
maria  i..),  lebend  beinahe  rein  weiss,  getrocknet  aber  schwarz. 
An  sie  schliesst  sich  der  ebenfalls  im  Waldschatten  auf  den 
Wurzeln  der  Buchen  und  Kiefern  wachsende  Baumsauger  {Mono- 
tropa  Hypopitys  L.)  an,  die  ganze  Pflanze  sammt  der  Blume  bleich- 
röthlichgelb,  5  g. 

Die  verhasste  Flachsseide,  auch  Teufelszwirn  genannt  {Cus- 
cuta  europaea  L.,  C.  Epithymum  L.  und  C.  Epilinum  '[Veihe),  be- 
sonders dem  Leine  und  der  Lucerne  schädlich,  ist  nach  Umständen 
weiss,  z.  B.  in  dichten  Leinfeldern,    oder  purpurröthlich,  23  e. 

Aehnlich  verhält  es  sich  mit  unsern  schmarozenden  Orchideen, 
die  Korallenwurzel  {Corallorhiza  innata  R.  Br.)    ist  die  bleichste, 

WUrtt*:mb.  miturw.  Jahre&hefte.     1862.     2ä  HciU  1< 


—    258    — 

11  g,  dann  folgt  das  seltene,  auf  faulendem  Holz  wachsende 
Epipogium  Gmelini  Rieh.  6  g.  und  das  blassbräunliche  Vogelnest 
(Neottia  Nidus  avis  Rieh.). 

Die  dunkelsten,  rothbraunen  Farben,  doch  auch  stets  ohne 
Spur  Yon  grün,  zeigen  die  zahlreichen  Gewächse  der  Erbsen- 
würgerfamilie  {Orohancheae)^  weil  sie,  meist  auf  niedrigen  Pflanzen 
echmarozend,  von  allen  am  meisten  Licht  empfangen,  auch  er- 
halten sie  sich  im  Herbar  am  Besten. 

In  den  Urwäldern  der  heissen  Zone  erreicht  auch  diese 
Pflanzenform,  wie  viele  andere,  ihre  höchste  Entwicklung,  sich 
den  Pilzen  nähernd,  eben  so  lichtscheu,  so  rasch  sich  entwickelnd 
und  verwesend,  eben  so  bleich  und  grünscheu.  Endlicher  hat  die 
beiden  hieher  g  ehörigen  Familien,  Balanophoren  und  Rafflesiaceen^ 
mit  den  subtropischen  Cytineen  unter  dem  Namen  Rhizantheae, 
Wurzelblumen,  vereinigt  und  tiefer  als  die  Gräser  unter  die 
Acrobrya  gestellt,  oft  ohne  Stengel,  oder  wenn  einer  auftritt,  mit 
sehr  unvollkommenen  Gefässen,  die  zu  Schuppen  verkümmerten 
Blätter  ganz  ohne  solche,  aus  blossen  Zellen  zusammengesetzt,  wie 
bei  den  Cryptogamen. 

Die  berühmtesten  dieser  Schmafozer  sind  die  Rafflesien  auf 
den  Sundainseln ;  Rafflesia  Horsßeldi  R.  Broitm  erscheint  auf  Java 
im  dichten  Urwalde  auf  den  Wurzeln  der  Lianen,  Cissus,  zuerst 
wie  ein  trüb  blauröthlicher  Kohlkopf,  dann  sich  öffnend  als  Blume 
von  drei  Fuss  Durchmesser,  in  Farbe  und  Geruch  verwesendem 
Fleische  gleichend,  w-ie  die  kapische  Stapelia  hirsuta,  und  so  wie 
diese  eine  Menge  Fliegen  anlockend,  welche  ihre  Befruchtung 
fördern,  während  die  eigene  Brut  als  Opfer  ihres  Irrthums  umkommt, 

III.    Die  Knospen. 

Die  Knospen  der  Bäume  sind  anfangs,  wenn  sie  sich  im 
August  bilden,  hellbraun,  werden  aber  mit  dem  Abfallen  der 
Blätter  immer  dunkler ,  a  der  Farben  zwischen  Roth  und  Gelb, 
gewöhnlich  noch  dunkler,  bei  den  Eschen  völlig  schwarz,  was 
von  der  Kälte  veranlasst  Wärme  gibt  t  diese  Farbe  zeigt  sich  aber 
nur  an  den  frei  der  unmittelbaren  Einwirkung  des  Lichts  und 
der  Kälte    ausgesetzten   Theilen    der  Schuppen;    die   bedeckten 


—   259    — 

Theile  strecken  sich  im  Frühling  hellgrün  oder  geröthet,  wie  bei 
der  Hainbuche,  hervor,  sehr  schön  kann  man  diese  Zweifarbig- 
keit an  den  grossen,  sich  öffnenden  Knospen  der  Rosskastanien 
sehen.  Die  innern  Schuppen  gehen  in  abfallende  Deckblätter 
über,  so  bei  Carpimis,  Fagtcsj  oder  in  Blätter,  wie  bei  Lonicera. 
Cornus  hat  durch  ungeschützte  Blattembryonen  gebildete  Knospen, 
und  auch  an  den  Endlmospen  der  Esche  sah  ich  solche  Blattem- 
bryonen, kammartig  zusammengelegt,  eben  so  schwarz,  wie  die 
Schuppen  der  Seitenknospen. 

IV.   Die  Blätter. 

1)  Fr  ühlings  tr  ach  t. 

Dem  Lichte  vollständig  entzogen,  im  geschlossenen  Keime, 
im  Samen  unter  dem  Boden,  in  den  Köpfen  unseres  Kohls  und 
Salats,  in  den  gebundenen  Endivienbüscheln,  in  den  keimenden 
Spargeln,  an  den  Trieben  der  in  dunkeln  Kellern  aufbewahi'ten 
Gemüsen  sind  Stengel  und  Blätter  farblos,  dann  weiss,  dann  mit 
fortschreitender  Entwicklung  dem  Lichte  zustrebend  gelb,  wenige 
Stunden  Sonnenlicht  aber  genügen,  die  blaue  Farbe  hervorzurufen, 
welche,  indem  sie  sich  mit  der  gelben  verbinde^,  beide  grün  färbt; 
so  fand  ich  an  einer  Lauchpflanze  {AUiwa  Porrum  Z.),  die  ich 
im  Januar  untersuchte,  die  Wurzel,  Zwiebel  und  den  untersten 
Theil  der  sich  als  Scheiden  umschliessenden  Blätter  rein  weiss, 
weiter  nach  oben  giengen  die  verhüllten  Blätter  die  Stufen  der 
rein  gelben  Farbe  9  von  h  durch  g  bis  zu  f,  Citronengelb,  durch, 
dann  sich  öffnend  und  dem  Lichte-  zugewendet  schnell  ergi-ünend 
durcli  11  e  prasinus,  lauchgrün,  in  12  e,  12  d  und  endlich 
13  c,  rein  Grün,  über.  Ebenso  war  Selleri  im  Keller  9  f,  wurde 
bald  10  d  e  und  im  Freien  endlich  11  a  bis  12  a.  Dieselbe 
Lrscheimmg  zeigt  sich  im  Früliling,  die  an  das  Licht  tretenden 
Blätter  sind  nicht  nur  heller,  sondern  auch  gelber  als  späler;  die 
beständigste  Pfiaiizenfarbe,  Gelb,  tritt  zuerst  schon  in  der  Knospe 
auf,  die  flüchtigste,  Blau,  gesellt  sich  um  so  reichlicher  zur  gelben, 
je  längeren  und  wärmeren  Sonnenschein  das  Blatt  erhält,  so  fiel 
die  Farbe  der  Blätter  von  dreizehn  am  28.  März  1862  vergliche- 
nen Pflanzen  bei  sieben   auf  11  b,  einer  auf  11  e  und  fünf  auf 


—   260    — 

12  b  bis  d,  kein  Blatt  hatte  ein  reines  Grün,  13,  keines  den 
tiefsten  Ton  a  seiner  Stufe  erreicht.  Gegen  den  Sommer  findet 
bei  den  einzelnen  Blättern  zugleich  mit  dem  dunkler  werden  ein 
Fortrücken  von  Gelb  gegen  Blau  statt;  so  fand  ich  bei  dem  Mas- 
holder (Acer  campestre  L.J  die  eben  geöffneten  Blätter  10  c,  ent- 
wickeltere 11  b,  vollendete  12  a,  die  Hainbuche  zeigte  die  Ueber- 
gänge  10  a,  11  b,  12  a,  13  a,  der  Geisfuss  (Aegopodium  Poda- 
graria  L.)  10  c,  dann  11  b,  zuletzt  13  b.  Birnbaumblätter  gehen 
von  11  b  bis  14  a.  Eschenlaub  von  11  a  bis  13  a.  Espen- 
laub von  11  b  bis  13  a,  Buchenlaub  von  11  c  bis  13  a,  die 
Rothtanne    von  11  e   bis   12    a.     Die    Silbertanne  von   11    e  bis 

13  a,  die  untere  Seite  von  11  e  bis  14  g.  Andere,  wie  es  scheint, 
vorzüglich  Monokotyledoneen ,  schreiten  nur  in  einer  Stufe  vom 
Hellen  zum  Dunkeln  fort,  ohne  das  Yerhältniss  der  gelben  zur 
blauen  Farbe  zu  ändern;  so  fand  ich  die  Blätter  der  Gartenhya- 
ciuthe  innerhalb  der  Zwiebel  weiss,  nach  oben  zu  unmerklich, 
aber  schnell  in  dem  Masse,  als  sie  auseinander  giengen,  die  ganze 
Tonleiter  von  11  h  bis  11  a  durchlaufend,  ohne  durch  hinzu- 
kommendes Blau  in  12  überzugehen.  Ebenso  fand  ich  die  Blätter 
der  gelbrothen  Eintagsblume  (Hemeroccdlis  fulva  L.)  den  25.  März 
11  e,  im  August  11  a. 

Diese  Farbenreihen  kann  man  an  denselben  Zweigen  gleich- 
zeitig wahrnehmen,  so  lange  sich  dieselben  fortentwickeln,  beson- 
ders schön  an  der  Rebe,  zugleich  kann  man  an  den  Blättern  den 
Wechsel  längerer  Epochen  heiterer  und  trüber,  bewölkter  Tage 
bemerken,  da  die  im  Sonnenschein  gedunkelten  ilire  Farbe  unver- 
ändert beibehalten  haben,  während  diejenigen,  welche  sich  in  den 
nachfolgenden  trüben  Tagen  entwickelten,  nocli  bleich  geblieben 
sind.  Dieser  Unterschied  zwischen  dem  Grün  der  jüngsten  und 
dem  der  älteren  Blätter  einer  und  derselben  Pflanze  ist  in  der 
heissen  Zone  eben  so  auffallend,  so  fand  mein  Sohn  in  Singapur 
an  demselben  Strauch  die  Blätter  der  frischen  Sprosse  10  d  und 
selbst  10  e,  der  älteren  Zweige  II  a. 

Tritt  im  Frühling  und  Vorsommer  rauhe,  kalte  Witterung  ein, 
so  röthen  sich  die  jungen  empfindlichen  Blätter,  da  aber  die  rothe 
Farbe,  1  b,  die  grüne  nicht  verdrängt,    sondern  sich  nur  ihr  zu- 


,      —   261    — 

gesellt,  so  entsteht  dadurch  eine  ternäre  Farbe,  ein  trübes  Brann- 
roth,  am  tiefsten  am  Rande  und  an  der  Spitze  des  Blattes,  mei- 
stens beschränkt  auf  das  Parenchym,  so  dass  häufig  die  Gefäss- 
bündel  (Blattnerven)  grün  bleiben,  und  bei  der  Farbentwicklung 
des  Blattes  allmählig  wieder  verschwindend. 

So  sah  ich  bei  der  Sommereiche  die  Frühlingsfarbe  11  c 
durch  2  b  getrübt,  bei  der  Zimmtrose  11  c  durch  24  b,  bei 
der  canadi?chen  Himbeere  11  a  durch  1  a,  bei  Spiraea  cha- 
maedri/foUa  Z.  11  a  durch  24  b,  bei  dem  Sauerdorn  (Berheris 
vulgaris  L.)  11  a  durch  2  b,  ein  ähnliches  Erröthen  zeigten  die 
Espe  und  die  Hainbuche.  Den  3.  Mai  gesäte  Lychnis  Haageana 
und  Lupinus  Hartwegii  giengen  grün  auf  und  blieben  es  längere 
Zeit,  als  aber  anfangs  Juni  nach  starken  Hagel- Gewittern  die 
Temperatur  schnell  von  22 ^  auf  12^  sank,  trat  Roth  zum  Grün, 
und  Cotyledonen,  Blattstiele  und  untere  Blattfläche  färbten  sich 
braunroth. 

Dieselbe  Erscheinung  tritt  häufig  bei  Pflanzen  ein,  welche 
aus  den  Gewächshäusern  in  die  freie  Luft  versetzt  werden,  so 
fand  ich  bei  Begrmia  nitida  a  alba  Ait.  die  jungen  Blätter  12  b 
mit  purpurnem  Anflug,  die  erwachsenen  12  a  ohne  Roth.  Bei 
manchen  Pflanzen  tritt  die  dunkelrothe  oder  braune  Farbe  der 
noch  unentwickelten  Blätter  regelmässig  ein,  so  bei  einer  darnach 
benannten  Taubnessel  {Lamium  purpureum  L.),  bei  Ampelopsis  he- 
deracea  Dec,  einigen  amerikanischen  Ahornarten,  besond^'s  Acer 
laciniatum  Duroi,  bei  Glechoma  hederacea  Z/.,  Euphorbia  sylvatica 
Jacq,,  Erythroniwn  Deni  canis  L.,  Scilla  hifolia  Z.,  Gagea  lutea  R. 
et.  S.,  bei  der  Monatrose,  der  Stechpalme,  dem  Nussbaum  und 
vorzüglich  auffallend,  gleichsam  die  dunkelrothe  Blume  im  Voraus 
ankündigend,  24  b  durch  13c  getrübt,  bei  den  frühe  und  kräftig 
dem  Boden  entsteigenden  Gichtrosen  (Pceonia  oßcinalis  L.). 

Diese  Jugendröthe  tritt  im  ganzen  Gebiet  der  Vegetation 
von  den  Polen  bis  zur  Linie  ein,  dass  sie  mit  der  Kälte  zunimmt, 
liegt  in  der  Natur  der  Sache,  aber  auch  innerhalb  der  Tropen 
begegnet  man  ihr.  Seitdem  ich  hier  darauf  achte,  schrieb  mir 
mein  Sohn  den  6.  März  aus  Bukif  Tima  auf  Singapur,  l^N.  Br., 
finde  ich  viele  Kräuter  und  Sträucher,  deren  jüngste  Blätter  roth 


—   262   — 

sind,  sei  es  auf  beiden,  sei  es  nur  auf  der  unteren  Seite,  ersteres 
meist  bei  hellerem  Roth ,  etwa  23  d ,  letzteres  bei  dunklem 
Araarantroth,  23  a  bis  b,  das  Roth  ist  aber  immer  durch 
Beimischung  von  Grün  getrübt,  selbst  ein  Farn  {Blechnum)  ist 
darunter  und  zwar  unter  den  beiderseits  rothen.  Da  es  jetzt  hier 
viel  regnet  und  die  Temperatur  nicht  besonders  drückend  heiss 
ist,  so  würde  dieses  der  Annahme  nicht  widersprechen,  dass  die 
TOthe  Farbe  der  jungen  Blätter  Folge  niedrigerer  Temperatur  sei. 

2)   Sommertracht. 

Bei  einer  Vergleichung  der  Sommertracht  der  Pflanzen- 
welt mit  meiner  Farbentafel  fiel  mir  zuerst  auf,  dass  die  Farben 
der  Blätter  denen  der  Tafel  an  Schönheit  und  Lebhaftigkeit  um 
eben  so  viel  nachstehen,  als  die  der  Blumen  sie  übertreffen,  es 
zeigt  sich  bei  allen  eine  matte  Trübung,  welche  auf  eine  ternäre 
Farbenverbindung  hinweist,  das  Chlorophyll  der  inneren  Zellen 
wird  durch  farbigen  Zellensaft,  durch  die  oberste  chlorophyllleere 
Zellenschicht  und  durch  Duft,  Flaum  oder  Haare  bald  stärker, 
bald  schwächer  getrübt. 

Sodann  fand  ich  das  Grün  der  Pflanzen  mit  dem  der  Tafel 
verglichen  sehr  einförmig,  die  Tafel  hat  zwischen  Gelb  und  Blau 
sieben  Farbenstufen,  jede  mit  8  Farbentönen,  zusammen  56  Far- 
ben; bei  der  Untersuchung  der  Sommerfarbe  von  640  Pflanzen- 
arten aus  den  verschiedensten  Familien  hatten 

LO  a.     __     —    —    —    —     —    2. 

10  b  bis  h.  keine. 

U  a.  —  —  __'—  129 

IIb.  —  _  —    _    _  44 

11  c.  —  —  —    —    —  6^  ^^^• 
11  d.  —  —  —    —     —  3 

11  e  bis  h.  keine. 

12  a.      —    _     —    —    —  173 
12  b.      —     —     —     —     —  90,     ^^„ 

12  c. 23^     2^^- 

12d.      —     —     —     —     ~  1 
12  e  bis  h.  keine. 


—    263    — 

13  a.      _-     —     —     —     —  49 

13.b.      _     —     —     —     _  36 

13  c. 9l     ^^^ 

13  (i.      —     _     —     —     — 

13  e.      —     —     _     —     —  3\ 

13  f.      —     —     —     —     —  2  '' 

13  g  und  h  keine. 

14  a.      _     _     _     —      -  14 
14  b.      —     —     —     —     —  6  1 
14  c.      _     _     —     _     —  12/ 
14  d. ll    40. 


'S 


14  e.      —    —    —     —     - 

14  f.      ______ 

14  g.      _     _     _     -     _ 

14  h  keine. 

15  a.      —     —     —     —      -        1 

15  b.      —     —     —     —     —        4 

15  c.      —     —     —     —     —        2j 

15  d.      —     —     —     —     —        9V   22. 

15  e.      —     —     —     —     —        2| 

15  f.      _____     _        1 

15  g.      _____     _        3 

15  h.  keine. 

16  a  bis  h  keine. 

Es  sind  also  von  den  56  Farben  der  Tafel  in  diesen  640 
Pflanzenarten  nur  29  vertreten. 

Gelbgrüngelb  mit  "/§  Gelb  sind  nur  zwei  Pflanzen,  aber  Grün- 
gelb mit  %  Gelb  schon  182,  und  auf  Grüngrüngelb  mit  ^/g  Gelb 
fällt  die  höchste  Zahl  mit  287,  so  dass  diese  zwei  Stufen  schon 
über  zwei  Drittheile  der  Gesammtzahl  enthalten.  Grün  mit  Gelb 
und  Blau  im  Gleichgewicht  hat  mit  107  Arten  noch  den  sechsten 
Theil  der  Gesammtzahl,  aber  mit  dem  Uebergewicht  der  blauen 
Farbe  sinkt  die  Zahl  schnell  herab,  Grüngrünblau  mit  %  Gelb 
hat  nur  40  Arten,  Grünblau  mit  ^4  Grelb  nur  22,  und  Blaugrün- 
blau mit  %  Gelb  fehlt  gänzlich.  Es  fällt  sonach  nicht  einmal 
der  zehnte  Theil  der  beobachteten  Pflanzen  auf  die  drei  Stufen 
mit  überwiegendem  Blau,  im  vollständig  ausgebildeten  Chlorophyll 
der  Sommertracht  überwiegt   in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle 


—    264    — 

die  gelbe  Grundfarbe  das  hinzugetretene  Blau,    wenn  auch  nicht 
so  stark,  wie  in  dem  unausgebildeten  der  Frühlingstracht. 

Zugleich  zeigt  sich  eine  bedeutende  Intensität  der  Farbe,  ein 
dunkler  werden  als  Hauptzug  der  Sommertracht,  Folge  der  Ein- 
wirkung des  Sonnenlichts,  welches  alles  Lebende  färbt,  alles 
Todte  bleicht ;  von  den  640  Pflanzen  fallen  nicht  weniger  als  548 
auf  die  zwei  tiefsten  Töne  a  und  b,  74  auf  die  zwei  anderen  der 
dunkleren  Hälfte  der  Töne  c  und  d.  und  nur  18  auf  die  lichtere 
Hälfte  der  Tonleiter  e  bis  h.  Hiebei  kommt  noch  in  Erwägung, 
dass  selbst  in  diesen  seltenen  Fällen  der  Grund  der  helleren, 
meistens  zugleich  blaueren  Farbe  nicht  im  Chlorophyll  liegt,  son- 
dern in  einem  milchweissen  oder  lichtgrauen  Dufte,  wie  bei  dem 
echten  Rohr  {Arundo  Donax  Z.),  der  grauen  Segge  {Carex 
gkmca  Scop.),  der  grauen  Calandrinie  (Calandrmia  glauca  Schrad.)^ 
dem  Kohl,  dem  Meerkohl  {Crambe  maritima  L.),  dem  Gartenmohn 
und  vielen  Aloen,  Cactus,  Sedum  und  andern  Fettpflanzen,  oder 
in  einer  weissen  oder  grauen  Behaarung,  welche  das  Chlorophyll 
des  Zellgewebes  nur  wenig  durchschimmern  lässt,  wie  bei  der 
"Wollenblume  {Verhascum  Tapsus  L.),  der  Balvia  aethiops  jL.,  der 
Salvia  argentea  Z.,  einigen  Potentillen  und  Gnaphalien,  der  Arti- 
schoke  und  als  zusammentreffende  Extreme  bei  vielen  Alpen- 
und  Meerstrandpflanzen,  z.  B.  Senecio  iyicanus  L.,  Artemisia 
glacialis  L.  nnd  maritima  L.,  A.coerulescens  L.  und  Cineraria  mari- 
tima L.  Auch  der  schöne,  sammtartige,  blaugraue  Schimmer  des 
Blaublattes  {Cyanophyllum  speciosum  und  magnificum)  entsteht 
durch  die  Behaarung  der  an  sich  grünen  Blätter. 

Dieses  lichte  Graugrün  auf  die  Alpen-  und  Meerstrandi-egion, 
Sandwüsten  und  tropische  Felsenberge  beschränkend,  kann  man 
im  Grossen  für  den  Eindruck  der  Gesammtvegetation  nur  drei 
Farbentöne  annehmen : 

1)  Das  Grasgrün  der  Saaten  und  Wiesen,  grüngrüngelb, 
um  12  c,  im  lichtarmen  Norden  vorherrschend,  vielgeriihmt  im 
nebelreichen  Albion,  an  welches  sich  in  Mitteleuropa  das  Grün 
der  ausserhalb  ihres  natürlichen  Verbreitungsbezirks  unmalerischen 
Rebe  anschliesst. 


—    265    — 

2)  Das  Dunkelgrün  der  Laubwälder,  grüngrünblau,  um 
14  a,  im  August  culminireud,  wenn  nach  vollendetem  Wachstimm 
der  diessjährigen  Blätter  sich  die  Knospen  der  nächstkünftigen 
zu  bilden  beginnen.  Die  verschiedenen  Baumarten  zeigen  hier 
sehr  geringe  Abweichungen,  oft  genaue  üebereinstimmung,  so 
dass  man  sie  aus  der  Ferne  wohl  nach  ihren  1  mrissen,  nicht 
leicht  aber  nach  ihrer  Farbe  unterscheiden  kann;  endlich 

3)  Das  Schwarz  grün  der  immergrünen  Bäume  und  Sträu- 
cher, in  den  Tropenländern  vorherrschend,  in  Südeuropa  durch 
immergrüne  Eichen  (Quercus  Jlex  L.  und  Suber  L.y,  durch  Lor- 
beerbäume, Vihurnum  Tinus  Z.,  Pistacia  Lentiscua  i>.,  Cypressen, 
Pinien  und  mehrere  andere  Zapfenbäume,  im  übrigen  Europa  bei- 
nahe nur  durch  die  Nadelwälder  vertreten,  welche  die  treffenden 
Benennungen  des  Schwarzwaldes,  des  Harzes,  Schwarzenberg, 
Montenegro^   Tschernagora  veranlasst  haben. 

Trotz  dieser  Eintönigkeit  der  grossen  Massen  herrscht  auch 
in  der  Sommertracht  der  Pflanzenwelt  ausser  diesen  Gegensätzen 
noch,  wie  bei  dem  einfarbigen  Himmel  und  Meer,  eine  unendliche 
Mannigfaltigkeit  durch  den  Lichtwechsel  der  Tai-cs/eiten,  die  be- 
rühmte, unerschöpfliche  und  fast  unerreichbare  Stimmung  der 
Landschaft.  Bei  Nacht  sind  alle  Bäume,  wie  nach  dem  Sprüch- 
wort alle  Kühe,  schwarz,  aber  schon  der  Mond  bringt  silber- 
schimmernde Partien  in  die  schwarze  Masse,  bei  anbrechendem 
Tage  ist  die  Landschaft  einfarbig,  aber  unaussprechlich  schön 
ist  das  Farbenspiel  der  Morgenröthe  und  der  ihr  entsprechenden 
Abendröthe  mit  seinen  Uebergängen  von  weiss  durch  gelb  in 
roth,  als  würde  sie  durch  eine  ganze  Reihe  gefärbter  Gläser  an- 
geschaut, Lieblingsstimmungen  der  Maler,  leider  so  flüchtig  und 
so  sparsam  vorkommend,  dass  sie  nur  von  sehr  begabten  Künst- 
lern in  völhger  Treue  festgehalten  werden  können,  während  an- 
dere bald  zurückbleibend,  bald  übertreibend  ein  Phantasiegebilde 
statt  der  Wahrheit  geben. 

Einen  andern  Wechsel  der  Stimmung  bewirkt  die  Witterung; 
bei  niederem  Barometerstande,  bedecktem  Himmel  und  durchsich- 
tiger Luft  die  grösste  Eintönigkeit,  während  bei  hohem  Baro- 
meterstande und  heiterem  Himmel  ein  leichter  Duft  die  Abstufungen 


—    266    — 

des  Vor-,  Mittel-  und  Hintergrundes  stark  hervorhebt,  der  Nähe 
ein  dunkleres  Grün  gibt,  die  Ferne  mit  dem  lichten  Blau  der 
Meerstrandpflanzen  umhüllt. 

Andere  Farbenabstufungen  bildet  der  Regen,  andere  der 
Wechsel  vorüberziehender,  nur  einzelne  Stellen  beschattender  Wol- 
ken, ein  schönes  Farbenspiel  bringen  die  Strömungen  der  Luft 
durch  ümkehrung  der  Blätter  an  den  sich  neigenden  Halmen 
und  Zweigen  hervor,  die  untere  Blattfläche  ist,  weil  vom  Lichte 
abgewendet,  wie  die  untere  Seite  der  Thiere,  bleicher  als  die 
obere,  wechselt  sie  nun  mit  dieser  im  Spiel  des  Windes  ab,  so 
zeigen  wallende  Saatfelder  ganz  den  Farbenwechsel  der  Meeres- 
wellen, ebenso  die  Bäume,  besonders  schön  die  Weiden,  am  schön- 
sten die  Silberpappel. 

Das  Hinzutreten  der  blauen  Farbe  zu  der  ursprünglichen 
gelben,  die  Verwandlung  des  Xantophylls  der  Chemiker  in  ihr 
Chlorophyll,  hält  gleichen  Schritt  mit  dem  Athmungsprozesse  des 
Blattes,  der  Aushauchung  des  Sauerstoifes  durch  die  obere  Blatt- 
fläche im  Sonnenlichte;  diese  Fläche  wird  um  so  tiefer  grün,  je 
länger  und  stärker  die  Sonne  sie  bescheint.  So  ist  Sonnenschein 
dringendes  Bedürfniss  der  Blätter,  und  es  ist  wunderbar,  welche 
Anstrengungen  die  Pflanzen  machen,  um  mit  möglichst  vielen 
Blättern  das  Sonnenlicht  zu  geniessen;  am  Rande  eines  Waldes, 
vor  Allem  am  östlichen  und  südlichen,  treiben  alle  Bäume  ihre 
stärksten,  längsten  Zweige  und  Aeste  nach  aussen;  wird  eine 
Strasse  durch  einen  Wald  gebahnt,  so  beeilen  sich  die  stehen  ge- 
bliebenen Bäume,  sie  zu  überwölben,  mit  ihren  Aesten  die  von 
den  gefallenen  hinterlassene  Lücke  wieder  auszufüllen ;  je  dichter  di-e 
Pflanzen  stehen,  im  Druck  nennen  es  die  Forstmänner,  j€  mehr  stre- 
ben sie  nach  oben,  entwickeln  kräftig  ihren  Gipfel,  während  die 
unteren,  des  Sonnenlichts  ganz  beraubten  Aeste  absterben,  wie 
man  am  schönsten  an  den  stets  beschattenden  Nadelhölzern  und 
in  den  Urwäldern  der  heissen  Zone  sieht.  Wie  so  die  ganz^ 
Pflanzen  in  die  Wette  einander  auszuweichen,  das  Sonnenlicht  zu 
gewinnen  streben,  ebenso  die  Blätter  der  einzelnen  Pflanzen,  sie 
stellen  sich  stets  so,  dass  möglichst  viele  von  der  Sonne  beschie- 
nen werden,    die  unteren  die  von  den   oberen  gelassenen  Lücken 


—    267    — 

ausfüllen,  kein  Sonnenstrahl  verloren  gehe.  Die  Zweige,  welche, 
so  lange  sie  grün  sind,  das  gleiche  Bedürfniss  haben,  unterstützen 
dieses  Streben;  der  Winkel,  den  sie  mit  dem  Stamme  machen, 
steht  im  Verhältniss  zu  der  Grösse  und  Zahl  der  bald  spiral,  bald 
kreuzständig  entgegengesetzt,  bald  im  Kreise  gestellten  Blätter,  und 
tritt  einmal  der  Fall  ein,  dass  der  Zweig,  unfähig  die  Last  der 
Blätter  und  Früchte  zu  tragen,  sich  zur  Erde  neigt,  so  helfen 
sich  die  Blätter  durch  Verdrehung  des  Stiels,  um  am  Zweige  eine 
verkehrte  Stellung  einzunehmen,  die  Unterseite  des  Blattes  der 
Spitze  des  Zweiges  zugewendet. 

Hängende  Zweige  sind  indessen  in  der  freien  Natur  eine  sel- 
tene Erscheinung,  in  Europa  fast  nur  an  der  Birke  und  der  Roth- 
tanne, seltener  an  der  Weisstanne ,  in  ximerika  an  Schinus  Molle 
L.  und  Amyris  polygama  Cavanilles,  in  Australien  an  den  blatt- 
losen Casuarinen.  Häufiger  sind  sie  ein  Kunstprodukt  der  Gärt- 
ner, wie  die  unnatürliche  Hangesche,  deren  steife,  zähe  Zweige 
nicht  einmal  durch  ihr  Gewicht  herabgezogen  werden,  ja  selbst 
unsere  viel  besprochene  Trauerweide  {Salix  babylonica  L.)  dürfte 
ein  solches,  wahrscheinlich  in  China  zu  Stande  gekommenes  Kunst- 
produkt sein;  sie  war  den  Alten  unbekannt,  liinne  hat  sie  zwar 
für  den  in  der  Bibel,  Psalm  137  Vers  2  erwähnten  und  von 
Rauwolf  Seite  1S2  beschriebenen  und  Nro.  160  abgebildeten  Garb 
gehalten,  allein  der  angeführte  Psalm  sagt  von  dieser  Weide  nichts, 
als  dass  sie  am  Wasser  wachse,  was  bei  vielen  Weiden  der  Fall 
ist,  und  dass  die  Juden  ihre  Harfen  daran  hingen,  wozu  die 
Trauerweide  am  wenigsten  passt;  nach  Rauwolf  sind  ihre  Zweige 
stärker  als  die  der  deutschen  Weiden,  die  Blätter  zwei  Finger 
breit,  was  wieder  nicht  passt,  und  das  auffallendste  Hauptkenn- 
zeichen der  Trauerweide,  die  hängenden  Zweige,  erwähnt  keine  der 
beiden  Stellen.  Nach  Sprengel  hist.  rei  herbarice  /.,  pag.  270 
wäre  sie  der  Garb  des  Avicenna,  allein  dieser  sagt  von  solchem 
gar  nichts,  als  dass  dessen  Rinde,  Blätter,  Blumen  als  Arznei 
angewendet  und  'eine  der  besten  Sorten  Borax  darauf  gesammelt 
werde,   was  Alles  nicht  auf  die  Trauerweide  passt. 

Gegenwärtig  ist  die  Trauerweide  über  die  ganze  gemässigte 
Zone  von  Asien,  Europa  und  Amerika,  von  Japan  bis  zum  Missisippi 


—    268    — 

verbreitet,  allein  nirgends  -wild,  der  Umstand,  dass  es  überall  nur 
weibliche  Blume  sind,  lässt  vermuthen,  dass  sie  nur  die  unermess- 
liche  Verm3hrung  eines  einzigen  Baumes  durch  Stecklinge  sind, 
und  der  Mangel  an  Samen,  durch  welche  der  Baum  [zu  seiner 
Stammart  zurückgeführt  werden  könnte,  schneidet  jede  Möglich- 
keit   einer  Widerlegung  oder  Bestcätigung  jener  Vermuthung  ab. 

Ob  die  Cypressen  mit  hängenden  Zweigen  (Ciqyressus  pendula 
Tli'xnh.  aus  Japan  und  C.glauca  Lam.  aus  Goa)  naturwüchsig  oder 
Kunsterzeugnisse  sind,  getraue  ich  mir  nicht  zu  entscheiden. 

3)  Herbstracht. 

Hat  die  Pflanze  ihren  Lebenslauf  von  der  Keimung  bis  zur 
Reifung  der  Frucht,  bei  den  Bäumen  vom  Aufbrechen  der  Knospe 
bis  zur  Ausbildung  der  nächstjährigen,  vollendet,  so  beginnt 
das  Athmen  der  Blätter  abzunehmen,  und  mit  der  Abnahme  der 
Saaerstoffaushauchung  hält  das  Abnehmen  der  blauen  Farbe  glei- 
chen Schritt:  hat  erstere  ganz  aufgehört,  so  ist  auch  die  letztere 
gan^  verschwunden,  die  Blätter  kehren,  die  ältesten  zuerst,  zur  gel- 
ben Farbe  der  Kindheit  zurück,  der  ^Yind,  der  ihr  ganzes  Leben  hin- 
durch bald  sanft,  bald  unsanft,  mit  ihnen  gespielt  hat,  löst  sie  fort- 
spielend von  den  schwankenden  Zweigen  ab  und  legt  sie  in's  Grab. 

Diese  gelbe  Farbe  ist  aber  selten  rein,  unter  126  von  mir 
beobachteten  Fällen  zeigten  nur  in  15  die  Blätter  ein  reines  Gelb, 

9  b  bis  g,  drei  ein  mittleres  Gelbgrüngelb,  10  c  und  e;  wäh- 
rend sich  nehmlich  die  in  den  inneren  Zellen  enthaltenen  Chloro- 
phyllkörner wieder  in  Xanthophyllkörner  umwandeln,  nimmt  der 
wasserhelle  Zellsaft  eine  rothe  Farbe  an ,  und  da  beide  Farben 
neben  einander  auftreten,  so  entsteht  oft  an  einem  und  demselben 
Blatte  ,  immer  im  Gesammteindruck  der  Herbstlandschaft ,  eine 
unendliche  Mannigfaltigkeit  von  Farben,  welche  sich  im  auffallend- 
stea  Gegensatze  zu  der  Einförmigkeit  des  sommerlichen  Grüns 
der  Fülle  der  Farbenabstufungen  der  Blumenblätter  anschliesst. 

Ich  beobachtete  in  108  Fällen  43  Farbenstufen  und  Töne, 
am  häufigsten,   in  12  Fällen,    ein   mittleres  Orangegelb  7    e ,  in 

10  Fällen    ein    mittleres   Gelborangegelb    8    d.      Die    äussersten 


—    269  — 

Grenzen  dieses  dreizehn  Stufen  umfassenden  Farbenspiels  waren 
ein  mittleres  Gelbgrtingelb ,  10  e  bei  der  schwarzen  Maulbeere 
und  bei  Cydonia  japonica  Fers,  und  Violettviolettroth  bei  der 
Gichtrose,  22,  a,  und  dem  Wasserholder  {Viburnuni  Opulus  L.) 
22  c,  es  beginnt  also  die  Reihe  dicht  an  der  Grenze  des  Blatt- 
grüns, ohne  je  auch  nur  den  halben  Weg  von  Rotli  zu  Blau  in 
der  violetten  Farbe  zu  erreichen. 

Dafür,  dass  diese  rothe  Färbung  durch  starkes  Licht  bei  nied- 
riger Temperatur  enstehe,  habe  ich  entscheidende  Beweise  er- 
halten. Die  gelbe  Farbe  der  sterbenden  Blätter  tritt  um  so  rei- 
nei-  und  lichter  auf,  je  tiefer  im  Waldschatten  der  Strauch  steht 
oder  je  mehr  diese  Blätter  von  den  andern  desselben  Baumes 
beschattet  und  verdunkelt  werden.  Die  oben  als  die  äusserste 
Grenze  gegen  Grün  erwähnten  Blätter  der  schwarzen  Maulbeere 
und  der  japanischen  Quitte  waren  ganz  vom  Sonnenlicht  abge- 
schnitten, an  einem  grossen,  von  kleineren  Obstbäumen  umgebenen 
Birnbaum  färbten  sich  alle  Blätter  der  unteren  viel  im  Schatten 
stehenden  Zweige  lebhaft  gelborangegelb  8  e,  die  der  oberen  im 
vollen  Sonnenschein  stehenden  dunkel  violettroth  23  a;  an  dem 
amerikanischen  Epheu  {Ämpelopsis  hederacea  Dec.)  an  der  Mittags- 
seite einer  Gartenlaube  hatte  sich  ein  Blatt  dicht  über  das  an- 
dere gelegt,  das  ganze  obere  Blatt  und  die  hervorschauenden 
Theile  des  unteren  hatten  im  Herbst  die  gewöhnliche  tiefe  Kar- 
minfarbe 24  a  b,  dieses  beliebten  Strauches  angenommen,  als 
ich  aber  das  obere  wegnahm,  zeigte  das  untere,  so  weit  es  bedeckt 
gewesen  war,  eine  scharf  begrenzte  lichtgelbe  Farbe  8  f. 

Dieses  bunte,  schöne  Farbenspiel  der  Herbstblättor  tritt  am 
lebhaftesten  im  wärmeren  Theile  der  gemässigten  Zone  auf,  z.  B. 
im  südlichen  Jiluropa,  wo  die  Holzpflanzen  mit  abfallenden  Blät- 
tern im  Mittelpunkt  ihres  Verbreitungskreises,  ungestört  ihren 
jährlichen  Lebenslauf  vollenden  können.  Dem  Wendekreise  nähert 
sich  dieser  Trachtenwochsel  um  so  mehr,  je  continentaler  oder 
ostküstiger   die   Temperaturen  sind.     So  schildert  Fortune  *j   die 


*)  Robert  Fortune's  Wanderungen  in  China  während  der  Jahre  1843 
bis  1815^  nebst  dessen  Reisen  in  die  Theegegenden  Chinas  und  Indiens 
1848  bis  1851,  aus  dem  Englischen  übersetzt  von  Dr.  J.  Th.  Zenker. 
Leipzig  1854.  8  0. 


—    270    — 

Herbsttracht  auf  Kintang  (der  Silberinsel)  an  Chinas  Ostküste  unter 
300  nördlicher  Breite  mit  folgenden  Worten:  Ein  ruhiges  und  schö- 
nes Thal  lag  zu  meinen  Füssen,  hie  und  da  sah  man  eine  kleine 
Bauernhütte,  und  das  ganze  Thal  war  auf  allen  Seiten  von  reich  mit 
Sträuchern  und  Bäumen  bekleideten  Hügeln  umschlossen.  Es  war 
ein  schöner  Herbsttag  und  viele  Blätter  waren  schon  roth  und 
gelb  gefärbt,  die  des  Talgbaums  (Stillingia  sebifera  Michx.)  und 
eines  Ahorns  hatten  eine  leuchtende  blutrothe  Farbe  angenommen, 
andere  waren  beinahe  weiss,  und  der  Abstand  zwischen  diesen 
Farben  und  dem  dunkeln  Nadelholze  machte  einen  höchst  eigen- 
thümlichen  Eindruck,  während  Büsche  von  schönem  Bambus  und 
der  Sing,  eine  Fächerpalme  {Chamcerops  excelsa  Thunb.^  die  nörd- 
lichste Palme  in  Ostasien  wie  Chamcerops  hamilis  L.  in  Europa) 
der  Landschaft  einen  tropischen  Charakter  gaben. 

Je  weiter  man  dagegen  nach  Norden  geht,  je  grösser  wird 
die  Zahl  der  Pflanzen,  die  sich  der  Polargrenze  ihrer  Verbrei- 
tung nähernd  oder  künstUch  über  dieselbe  noch  hinaus  versetzt, 
mitten  in. ihrem  Sommerleben  vom  Herbstfroste  überrascht,  eines 
gewaltsamen  Todes  sterben.  So  sah  ich  bei  Trient  Ende  Octo- 
bers  die  Abhänge  der  Berge  vom  dichten  Gebüsch  des  Perüken- 
baumes  {Rhus  Cotinus  L.)  glühend  roth  gefärbt,  in  Stuttgarts 
Gärten  aber  fielen  die  von  den  Octoberfrösten  getödteten  Blätter 
in  voller  grüner  Sommertracht  ab.  Auch  die  Thränen weide  und 
der  Flieder  {Syringa  vulgaris  L.)  erinnern  durch  ihren  Uebergang 
zum  Tode '  ohne  vorgängiges  Erbleichen  an  ihre  Herkunft  aus 
wärmerer  Heimath,  und  wie  viele  unserer  Gartengewächse  fallen 
im  Herbste  bald  früher,  bald  später,  ohne  Farbenwechsel  dem 
Froste  zum  Raub,  wie  die  Sonne  an  trüben  Tagen  ohne  Abend- 
roth von  uns  scheidet. 

Innerhalb  der  Wendekreise  fällt  mit  unsern  Jahreszeiten  auch 
die  deutliche  Trennu^ig  einer  Frühlings-,  Sommer-  und  Herbst- 
tracht der  Pflanzenwelt  weg,  an  die  Stelle  des  Wechsels  der  ge- 
mässigten Zonen  tritt  dort  der  einfachere  der  nassen  und  trockenen 
Jahreszeit;  erstere  mit  der  Sonne  im  Zenith,  dennoch  durch 
die  ungeheure  Wassermasse  tropischer  Regen,  w^elche  die  Tempe- 
ratur der  oberen  xitm'  -^ph^re  der  unteren  zuführen,  weniger  heiss, 


—    271    — 

wird  der  Sommer  genannt,  weil  die  Zeit  der  raschesten  Ent- 
wicklung der  üppigen  Vegetation,  letztere  der  Winter,  weil  der 
Wassermangel  ähnlich  dem  Froste  wirkt,  es  ist  für  die  organische 
Natur  gleich  schlimm,  wenn  das  Wasser  als  Wasser  fehlt,  ob  es 
zu  Dampf  verflüchtigt  oder  ob  es  zu  Eis  erstarrt  sei. 

Mein  Sohn  Eduard  schildert  mir  in  seinen  Briefen  aus 
Ostindien  einen  solchen  tropischen  Winter.  Es  ist  gegenwärtig 
(19.  Januar)  hier  in  Siam,  etwa  13  <*  Nordbreite,  Winter;  ein 
frisch  angekommener  Europäer  wird  es  freilich  nicht  einsehen, 
wenn  ihn  die  Hitze  schon  um  9  Uhr  Morgens  nach  Hause  treibt, 
wenn  er  den  Staub  der  Strassen,  das  Grün  der  Wälder,  die 
Menge  reifer  Orangen,  Bananen  und  Cocosnüsse  sieht,  Schlangen 
und  Eidechsen  im  Hause  umherlaufen  und  er  im  Kalender  eine 
Mitteltemperatur  von  20  ^  R.  für  diesen  Monat  findet ;  aber 
bald  fällt  ihm  eine  Reihe  grosser  Bäume  auf  {Plumieria  acuminata 
Alton)  voll  weisser  Blüthen  an  den  Spitzen  der  glatten  dichoto- 
mischen  Aeste,  ohne  alle  grüne  Blätter  oder  mit  solchen,  die  eben 
gelb  11  b  aus  den  Knospen  hervorbrechen,  er  denkt  an  unsere 
Obstbäume  und  glaubt  sich  im  Frühling:  dann  sieht  er  die  er- 
bleichenden, oft  schön  gelben  g  e  Blätter  der  durstenden  Bana- 
nen, einzelne  rothe  Blätter  an  andern  Bäumen  und  denkt:  es  ist 
Herbst.  Die  Knospen  sind  auch  hier  gelb,  die  sich  entwickelnden 
Blätter  gehen  durch  Aufnahme  von  Blau  stufenAveise  von  11  b 
und  12  b  in  das  tiefe  satte  Grüü  13  a  der  gleichzeitig  vor- 
handenen, im  Ton  der  Landschaft  vorherrschenden  alten  über, 
diese  wieder  nicht  gleichzeitig,  sondern  nach  und  nach  einzeln  in 
unsere  Herbsttracht,  so  dass  alle  drei  Trachten  an  den  meisten 
Bäumen  gleichzeitig  vorhanden  sind.  Gelb  gewordene  Blätter 
habe  ich  an  Musa  paradisiaca  L. ,  Carica  Papaya  Z.,  einigen 
Bambusarten  und  einigen  andern  Bäumen  bemerkt,  rothe  und 
zwar  schön  vermillion  nur  an  Einem  Baume  mit  grossen  ,  etwas 
wolligen  Blättern,  an  diesem  aber  sehr  häufig;  abgefallen  findet 
man  dann  auf  dem  Boden  vielerlei  Abstufungen  von  Roth  1  b 
zum  gewöhnlichen  Hellbraun  des  verwelkten  Laubes,  so  reichen 
sich  Frühling  und  Herbst  hier  die  Hand. 


—    272    — 

Von  Bukit  Tima,  dem  Aequator  näher,  schreibt  er:  Blätter, 
die  erst  mit  dem  Alter  roth  werden,  tinde  ich  hier  nicht  viele, 
doch  einige,  namentlich  die  grossen  Blätter  der  Terminalia  Catappa 
L.,  dann  einer  Melastoma.  Die  Farbe  ist  eine  andere,  als  die 
der  jnngen  rothen  Blätter,   mehr  scharlachroth,   1  b,  2  c,  3  d. 

Diese  Gleichzeitigkeit  der  verschiedenen  Trachten  kann  man 
auch  bei  uns  an  tropischen  und  subtropischen  Pflanzen  in  Ge- 
wächshäusern beobachten,  besonders  an  solchen,  welche  im 
Sommer  in's  Freie  gestellt  werden.  So  fand  ich  den  8.  Juli  1861 
an  einer  jungen  cac?a  Aiophantha  Willd.  aus  Neuholland  den  Stamm 
trüb  braunroth  23  a,  das  noch'  geschlossene  Blatt  6  c.  eiu 
junges  schon  offenes  Blatt  gelbgrün  12  c  mit  purpurnem  23  b 
Baume  an  der  untern  Seite  der  Blättchen,  während  ihre  obere, 
im  Schiat  geschlossene  und  geschützte  Fläche  ganz  grün  war. 
Aeltere  Blätter  befanden  sich  in  voller  Sommertracht,  lebhaft 
grün  13  c.  das  unterste,  absterbende  Blatt  endlich  war  röth- 
lich-gelb  8  c  mit  tiefrothem  Saume  1  a. 

Die  Herbsttracht  der  Blätter  erhält  sich  im  Freien  nur  so 
lange,  als  noch  etwas  Leben  in  ihnen  ist,  ganz  todt  verfallen  sie 
der  allgemeinen  braunen  Farbe  der  Pflanzenleichen,  im  Trockenen 
erbleichend,  in  der  Nässe  verdunkelt  bis  zum  Schwarzbraun  des 
Humus;  schnell  für  das  Herbar  getrocknet  erhält  sich  aber  die 
rothe  und  noch  mehr  die  gelbe  Farbe  dieser  Herbsttracht  viel 
besser,  als  das  leicht  in  Braun,  zuweilen,  wie  bei  den  darnach 
benannten  Cytisus  nigricans  L.  und  Orohus  niger  L.,  auch  bei 
vielen  Rhinanthaceen  selbst  in  Schwarz  übergehende  Grün  der 
Frühlings-  und  Somm.ertracht. 

4)   W  i  n  t  e  r  t  r  a  c  h  t. 

Unser  berühmter  von  Mohl  hat  auf  einen  periodischen,  mit 
jedem  Winter  bei  ausdauernden  Blättern  sich  wiederholenden 
Farbenwechsel  aufmerksam  gemacht,  indem  sich  die  gelbliche 
Wintertracht  solcher  Blätter  mit  kommendem  Frühling  wieder 
in  die  sommerliche  grüne  Farbe  umwandle,  und  nachgewiesen, 
dass  hiebei  das  Chlorophyll  selbst  seine  sattgrüne  Farbe  einbüsse 
und  eine  gelbliche  annehme. 


273 


Der  ausgezeichnete  Handelsgärtner  Hvass  in  Stuttgart  ver- 
sicherte mich  ebenfalls,  dass  die  im  Winter  braunen  Nadeln  der 
Coniferen  im  Sommer  wieder  grün  werden. 

Mein  Freund  von  Kurr  hatte  die  Güte,  mich  am  23.  Febr. 
1861  nach  einem  strengen  Winter,  in  welchem  wir  eine  Kälte 
von  mehr  als  20^  R.  unter  Null  überstanden  hatten,  in  den  Gar- 
ten des  Herrn  Gutsbesitzers  Klein  einzuführen;  den  31.  Juli  des- 
selben Jahres  wiederholten  wir  diesen  Besuch,  und  ich  erhielt 
mit  Hinzufügung  der  in  andern  Gärten  und  im  Walde  gemachten 
Aufzeichnungen  folgende  Ergebnisse : 

Farbe   immergrüner  Blätter  im 


Sommer. 


Neue. 


Alte. 


Winter. 
Geschützte.  BlosgesteUte 


Abies  excelsa  Dec i  11  e. 

—  pectinata  Dec.      .     .     .        11  e. 
Buxus  sempervirens  L.        .     .        12  b. 
Calluna   vulgaris  Salisb. 
Cryptomeria  japonica  Don      .        11   d. 
Hex  Aquifolhim  L.   ,     . 
Juniperus  communis  L. 

—  Sabina  L. 

—  virginiana  L.  .  ,  !  13  d. 
Mahonia  Aquifolium  Nutall.  .  11  c. 
Pinus  austriaca  Trattinik        .        13  c. 

—  balsamea  L 11  c. 

—  canadensis  Aiton. 

—  coerulea  Loddiges 

—  Pinea  L 15   d. 

—  Pinsapo  Steudel. 

—  Pumilio  Haenke.      .     .        12  b 

—  Sabiniana  Douglas 

—  Strobus  L IIb.  c. 

—  sylvestris  L.  .  . 
Taxus  baccata  L.  .  . 
Thuja  aurea  Hort 11  a, 

—  compacta  Hort.   .      ,     .        11  a. 

—  occidentalis  L.     .     .     .        12   b. 

—  Orientalis  L.    .     . 
— :      Wareana  Hort.    . 

Wellingtonia  gigantea  Hort. 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.    1862.     2s  Heft. 


12  a. 

13  a. 

12  a. 

12  b. 

12  b. 

13  b. 

15  e. 

13  a. 

14  b. 

11  a.  b. 

13  a. 

13  a.  b. 

12  c. 

Uc. 

14  b.. 

13  a. 

12  a. 

15  d. 

42  a.  b. 

13  c. 

13  a.  14  a. 

11  b. 

13  a. 

12  a. 

13  a. 

12  b. 

11  a. 


12  b. 

13  b. 
8  c. 


13  a.  b. 
3  b. 


13  c. 
12  c. 

10  c. 

14  a. 
12  b. 

10  a. 


12  a. 

1  a. 

2  a. 
4  a. 

Iabis2a. 

2  a.- 

1  a. 

1  a.  b.  c. 

0  c. 

13  a.  b. 

8  b. 


3  b. 
12  c. 

10  a. 

7  a. 
1  a. 

1  a. 

2  a. 

1  a. 

2  a. 


18 


274 


Es  hatten  sich  nehmlich  im  Winter  die  Blätter  an  einer  und 
derselben  Pflanze  sehr  verschieden  gefärbt,  die  innersten,  am 
meisten  durch  die  äussern  bedeckten  und  geschützten  hatten  ihre 
Sommerfarbe  wenig  oder  gar  nicht  verändert,  die  äussern  aber 
sich  um  so  mehr  durch  Verlust  von  Blau  und  Hinzutritt  von 
Roth  geröthet  und  gebräunt,  je  mehr  sie  dem  Sonnenlicht,  der 
Kälte,  dem  Thau  und  Reif  ausgesetzt  waren  und  je  wärmer  die 
natürliche  Heimath  der  Pflanze  war. 

Dieses  Braunwerden  der  Nadelwaidungen  und  der  Heiden 
gibt  im  Norden,  noch  erhöht  durch  den  Gegensatz  des  Schnees, 
der  Landschaft  im  Winter  die  ernste,  dunkle  Stimmung,  welche 
in  südlicheren  Gegenden  die  trockene  Hitze  des  Spätsommers 
bewirkt. 

Dass  diese  Farbenveränderungen  lediglich  in  der  Temperatur 
ihren  Grand  haben,  die  Folge  trockener  Kälte  bei  starkem  Lichte, 
bei  uns  der  Ostwinde  sind,  beweist  der  Umstand,  dass  die  Arau- 
carien  und  Cupressus  pendula  Thunb.  im  Winter  im  Gewächshause 
lebhaft  grün  12  c  waren,  im  Mai  aber  in's  Freie  gestellt  sich 
rötheten  und  so  die  umgekehrte  Erscheinung  durch  die  gleiche 
Ursache  hervorgebracht  wurde. 

Im  Allgemeinen  waren  stark  geröthete  Nadeln  verloren  und 
fielen  im  Frühling  ab  oder  vertrockneten,  schwach  gebräunte  aber 
wurden  im  Sommer  wieder  grün. 

Wie  oft  sich  dieser  Wechsel  wiederhole,  darüber  sind  mir 
keine  Beobachtungen  bekannt  geworden,  ich  selbst  fand  an  der 
Kiefer  oder  Forche,  die  Zwischenräume  des  Stammes  zwischen 
den  Astkreisen  als  Jahre  gezählt,  4 — 5jährige  Nadeln,  aber  keine 
älteren. 

5)  Farbige  und  bunte  Blätter. 
Wir  haben  gesehen,  dass  die  Blätter  in  der  Kindheit  und  im 
Alter  gelb  und  roth  sind,  auch  haben  kränkelnde  oder,  wie  die 
Gärtner  sagen,  zurückgehende  Pflanzen  oft  die  Bleichsucht  und 
gehen  vor  der  Zeit  von  grün  in  gelb  zurück,  aber  in  voller 
Kraft  und.  Gesundheit,  in  der  Sommertracht,  sind  die  Blätter 
weitaus  überwiegend  grün.    Indessen  fehlt  es  in  der  freien  Natur 


—    275    — 

nicht  an  zahlreichen  Fällen  andersfarbiger  Blätter,  und  die  uner- 
müdlich nach  Neuigkeiten  und  Sonderbarkeiten  strebenden  Han- 
delsgärtner haben  von  uralten  Zeiten  bis  auf  heute,  von  Jeddo 
und  Peking  bis  Paris  und  London  ihre  ganze  Kunst  aufgeboten, 
um  die  Pflanzenliebhaber  mit  nicht  grünen  oder  buntblätterigen 
Pflanzen  zu  versehen.  Allein  das  Blau  lässt  sich  von  einem  ge- 
sunden Blatte  nicht  leicht  verdrängen,  das  Gelb  gar  nicht,  es 
gibt  daher  keine  weissen  und  keine  blauen  Blätter,  sehr  wenig 
gelbe.  Nur  die  rothe  Farbe  entschliesst  sich  leicht  zu  bleiben, 
ohne  jedoch  die  beiden  andern  verdrängen  zu  können,  daher  sie 
während  der  Sommertracht  trüb  und  dunkel  bleibt,  nur  dann  in 
ihrer  ganzen  Schönheit  auftretend, 'wenn  das  Blau  noch  nicht  er- 
schienen oder  schon  wieder  verschwunden  ist. 

Kunstprodukte  dieser  Art  sehen  wir  häutig  in  unsern  Gärten, 
so  die  Blutbuche ,  deren  jüngste  Blätter  im  Sonnenschein  das 
schönste  Karmin  24  a  durchschimmern  lassen,  während  die  äl- 
teren an  der  oberen  Fläche  beinahe  schwarz,  an  der  unteren  bei- 
nahe violett  22  a  gefär])t  sind,  der  rothe  Wunder1)aum  {Rici- 
7ms  sanguüieus  Hort.),  die  indische  Melisse  (Perilla  ocymoides  L.) 

22  a,    das   rothe   Basilienkraut    22  a,    die    rothe    Gartenmelde 

23  b,  der  rothe  Gänsefuss  {Chenopodium  atriplicis  L.)  23  b, 
mehrere  Amarante  {Amarantus  sanguineus  L.,  caudatus  L.,  hypo- 
chondriacus  L.,  melanchoUcus  L.,  cdropurpureiis  Moxb.,  cruentus  L., 
purpurascens  Otto  23  a),  neuere  Spielarten  der  Cardinalsblume 
{Lolelia  fulgens  Willd.)  und  des  Blumenrohrs  (Canna  coccinea  Äit.), 
die  rothe  Rübe,  deren  purpurne  Blätter  23  a  später  durch  grün 
getrübt  beinahe  schwarz  erscheinen  und  der  rothe  Kohl;  merk- 
würdig ist  es  an  den  beiden  letzten  Pflanzen,  dass  während  die 
blaue  Farbe  streng  überall  fehlt,  wo  das  Licht  fehlt,  die  purpurne 
sich  auch  in  der  Finsterniss  entwickelt,  so  in  der  Wurzel  der 
rothen  Ptübe.  Bei  dem  rothen  Kohl  sind  die  äussersten  freien 
Blätter  durch  grün  und  durch  einen  grauen  Duft  getrübt,  die 
des  geschlossenen  Kopfes  aber  noch  lebhafter  und  schöner  pur- 
purroth  22  b,  als  die  Farbentafel,  die  innersten  eng  zusammen- 
gepressten,  nie  dem  Lichte  zugänglich  gewesenen  Blätter  sind  die 
schönsten,  am  lebhaftesten  gefärbten,  doch  nur  in  den  äussersten 


—    276    — 

Zellenschicliten  beider  Oberflächen,  niacM  man  einen  Durchschnitt, 
so  zeigt  sich  das  Innere  des  Stengels,  der  Blattnerven  und  selbst 
des  Zellgewebes  ganz  weiss,  ohne  eine  Spur  von  störendem  Gelb 
oder  Grün. 

Eine  andere  Spielart  des  Kohls  fand  ich  weisslichgelb    9  h, 
nur  die  Rippe  und  Nerve  purpurroth   22  e,  die  innersten  gelber, 
8  f.    Eben  so  hat  man  Spielarten  des  kraussen  Winterkohls,  woran, 
nur  der  krausse  Rand  grün  ist,  die  innere  Fläche  rosenroth  oder 
geljjlichweiss. 

Von  wildwachsenden  Pflanzen  mit  ganz  rothen  Blättern  habe 
ich  nur  den  Drachenblutbaum  in  Gewächshäusern  gesehen,  Dracaena 
ferrea  L.  23  a,  Dracaena  terminaUs  L.  23  b;  auch  könnte  man 
die  zahlreichen  Orohayichen  hieher  rechnen,  deren  zu  Schuppen 
verkümmerte  Blätter  wie  der  Stengel  und  die  Kelche  roth- 
braun sind. 

Dagegen  gibt  es  viele  Pflanzen,  bei  denen  sich  die  bleiche 
untere  Blattfläche  röthet,  während  die  obere  grün  ist,  so  sehr  schön 
bei  vielen  Begonien,  z.B.  B.  orega?ia  Hort.,  kommend  oben  10  b, 
unten  1  b,  erwachsen  oben  12  a  bis  13  b,  unten  23  b  bis  24  b, 
bei  allen  Cyclamenarten,  z.  B.  C.  europceum  L.  oben  14  a  mit 
hellen  I*lecken  14  d,  unten  22  b,  bei  Calandrinia  glauc.a  Schrader 
oben  14  c,  unten  23  c,  bei  Anemone  Hepatica  L. ,  Tradescantia 
discolor  Herit. 

Oefters  wird  die  obere  grüne  Fläche  der  Blätter  durch  an  ein- 
zelnen Stellen  auftretendes  Rothbraun  gefleckt,  so  bei  Armm  macu- 
latumLi.,  Erythronium  Dens  canis  Ij..^  Orchis  macidatalj.,  Phyteuma 
spicatum  L.,  Ranuncidus  acris  L.,  Äjuga  reptans  L. ,  Sanseviera 
guineensis  Willd.,  Oxalis  maculata  Desf.,  fuscata  Jacq.,  punctata.  L., 
tetraphylla  Cav.,  Medicago  maculata  Willd.,  Hypochoeris  maculata 
L.  Bei  Pelargo?iiu7n  zonale  L.  und  einigen  andern  hat  der  roth- 
braune Flecken  die  Gestalt  eines  Gürtels  oder  Halbkreise,  bei 
Trifolium  pictum  Savi  die  eines  Pfeils,  bei  Polygonum  Persicaria 
L.,  lapatliifolium  L.,  tenuiflorum  Spr.  die  eines  Halbmondes,  bei 
Coleus  Blumei  Bentham  und  Coleus  Verschaffelti  Hort,  aus  Java 
die  eines  Dreieckes.  Bei  allen  diesen  Pflanzen  sind  die  Flecken 
an  jungen  Blättern  am  dunkelsten,    aber   nicht  sehr   beständig, 


—    277    — 

treten  zuweilen  gar  nicht  auf  und  verschwinden  oft  auf  den 
erwaclisenen  BHtttern. 

Ein  reines  Gelb  9  ist  jnir  bei  normalen  Blättern  nie  vor- 
gekommen, sie  fallen  immer  der  rothen  oder  der  blauen  Farbe 
zu,  am  nächsten  kommt  ihm  eine  ziemlich  unbeständige  Spielart 
des  Riesenkürbisses  (Cucurbita  maxima  Duchesne)^  an  welcher 
Stengel,  Blätter  und  unreife  Früchte  lebhaft  gelb-orange-gelb 
8  e  gefärbt  sind. 

Nicht  häufig,  weil  leicht  ausartend  und  durch  Verschwinden 
der  rothen,  der  gelben  oder  dieser  beiden  Farben  zum  normalen 
Grün  zurückkehrend,  aber  doch  wohl  bekannt  ist  das  Tausend- 
schön oder  die  Papageifeder,  dessen  Blätter  der  Quere  nack 
scharf  abgetrennt,  gegen  den  Stiel  tiefroth  1  a,  in  der  Mitte  licht 
orangegelb  7  f ,  gegen  die  Spitze  grasgrün  12  c  sind.  Es  scheint 
eine  sehr  alte  Erfindung  der  Chinesen  und  von  China  schon 
frühe  über  Ostindien  und  Arabien  nach  Europa  gekommen  zu 
sein.  Sprengeis  Annahme,  dass  es  die-  Gromphena  alternis  viri- 
dibus  foseisque  per  caulem  foliis  des  Plmius  hist.  nat.  Lib.  26, 
cap.  7  sei,  ist  zwar  unsicher,  sicher  dag"egen,  dass  es  die  Gelisia 
der  im  Jahr  1180  verstorbenen  Aebtissin  von  Bingen,  Hildegard 
(Physica  2,  153)  -ei,  das  grün,  roth  und  gelbe  Kraut  fühi't 
nämlich  in  Spanion  den  Namen  Celosia,  Eifersucht,  Fleur  de 
Jalousie  in  Frankreich,  welchen  Linne  durch  Verwechslung  auf 
den  ächten  Amarant  {Celosia  cristata  L.)  übergetragen  hat,  der 
getrocknet  seine  Gestalt  und  Farbe  behält,  während  er  unpassend 
das  vergängliche  Tausendschön  Amarantus  tricolor,  den  dreifar- 
bigen Unverweiklichen,  genannt  hat. 

Blätter  mit  helleren  Flecken  kommen  an  wilden  Gewächsen 
noch  häufiger  vor,  als  solche  mit  dunkleren  Flecken,  meistens 
sind  aber  die  Flecken  nur  lichter  gefärbte  Stellen  in  gleicher 
Farbenstufe,  so  bei  Ranuuculus  repeiis  L.  12  a  mit  12  b  gefleckt, 
bei  dem  Wiesenklee  12  a  mit  12  c,  Trifolium  repens  L.  11  a 
mit  11  g,  mehreren  andern  Kleearten,  dem  Gartenmohn,  der 
Wachsblume  (Ceriiithe  minor  L.  und  alpina  Kit)  13  c  mit  13  f, 
der  italienischen  Katzenmünze  (Nepeta  italica  L.y*,  einer  Taub- 
nessel, Lamium  maculatum  L.,  11  a  mit  11  h  Flecken;  auch  diese 


—    278    — 

Flecken  sind  an  den  jüngsten,    den  Frühlingsblättern   am    deut- 
lichsten und  verschwinden  oft  gegen  den  Sommer. 

Beständiger  sind  die  lichten  Flecken  mehrerer  Aloen,  z.  B. 
bei  Aloe  acinacifolia  Jacq.  13  c,  die  Flecken  13  g,  dann  die 
Warzen,  bei  Aloe  Radida  Jacq,  15  h  auf  dunklem  15  b  Grunde, 
ebenso  bei  A.  margaritifera  Alton  und  A  subfasciata  Sahn  Dyck. 
Auch  die  Blätter  sind  beständiger,  auf  welchen  die  lichten 
Flecken  netzartig  den  Blattrippen  folgen,  wie  bei  Arum  italicum  L., 
Saxifraga  sarmentosa  L.,  einigen  Abarten  des  Kürbisses,  Cucurbita 
polymorpha  Duchesne  13  a  und  f,  Carduus  leucographus  L.,  der 
in  Roms  Campagna  häufigen,  in  deutschen  Gärten  leicht  ver- 
wildernden Mariendistel  {Carduus  marianus  L.),  deren  milchweisse 
Flecken  13  g  auf  12  c  eine  alte  Yolkssage  der  von  Maria  auf 
der  Flucht  nach  Egypten  verschütteten  Milch  zuschreibt. 

Es  ist  der  Kunst  der  Gärtner  gelungen,  bei  einer  grossen 
Zahl  von  Pflanzen  Spielarten  mit  Gelb  bis  elfenbeinfarbig  9  h 
gefleckten  oder  am  Rande  eingefassten  Blättern,  wie  sie  im 
wilden  Zustande  oft  im  Herbst  oder  an  kränkelnden  Pflanzen 
einzeln  vorkommen*),  hervorzubringen,  doch  können  diese  pana- 
schirten  Pflanzen  nicht  durch  Aussaat,  nur  durch  Wurzeltheilung, 
Ableger,  Stecklinge  oder  Propfen  vermehrt  werden,  kommen  also 
nur  bei  ausdauernden,  am  schönsten  bei  immer  grünen  Gewächsen 
vor.  Eine  in  den  Jahresheften  des  Yereins  für  vaterländische 
Naturkunde,  Jahrgang  1854,  S.  30  angegebene  Ausnahme,  dass 
sich  eine  Rosskastanie  mit  panaschirten  Blättern  auch  durch  Aus- 
saat erhalten  habe,  bedarf  noch  sehr  der  Bestätigung. 

Beispiele  solcher  künstlich  hervorgebrachten  Pflanzen  mit 
hellgefleckten  Blättern   sind  unter  den  Dicotjdedoneen: 

Acer  Negundo  L.    12  b  mit  10  g. 

Aesculus  Hippocastanum   L.    12  a   mit   8  e. 

Aphelandra  Leopoldii   Hort. 

Aucuba  japonica  L.  12  b   mit  8  g. 

Boßhmeria  argentea  Hort, 


*)    Weinmann    hat    in  seiner  Phytantoza-Jconographica    14    dieser 
Pflanzen  abgebildet. 


—    279    — 

Buxus  sempervirens  L.    12  a  mit  7  f   oder  mit  9  h  gefleckt 
oder  umsäumt. 

Coronilla  vakntina  L.  13  d  mit  9  f. 

Evonymus  japonicus  L. 

Fagus  sylvatica  L.  13  a  mit  9  e. 

Hedera  Helix  L.  13  a  mit  9  f  oder  9  h. 

Hydrangea  japonka  Siehold. 

Hex  Aquifolium  L.  13  b  und  9  f. 

Ligiistrum  vulgare  L.  13  a  und  8  g. 

Lonicera  Caprifolium  L.  13  c  und  9  f. 

Myrtus  commmm  L.  14  e  mit  8  g  oder  mit  9  h. 

Pelargonium  marginatum   Willd.  11  a,  margine  lÖ  g. 

Rhammis  Akiternus  L.  13  a  mit  8  e  oder  9  h  umsäumt. 

Salvia  officinalis  L.  15b  mit  10  e  oder  9f  oder  9  g  umsäumt. 

Sambucus  nigra  L.  12  a  mit  10  li. 

Sempervivum  arhoreum  L.  12  d  mit  23  g  umsäumt,  das  sich 
am  Rande  zu  23  e  verdunkelt. 

Thymus  SerpyUum  L.  12  b  mit  8  e. 
,,         vulgaris  L.  13  d  init  9  e. 

Vinca  major  L.   12  a  und  10  f. 
,.      i^osea  L.  12  a  und  12  h. 

Witheringia  pogonandra  Hort. 
Bei  den  Monocotyledoneen  reilien  sicli  in  Folge  ihres  Baues 
mit  meist  geringer  Breite  und  parallelen  Nerven,  die  lichten 
Flecken  wie  die  Blattpilze  zu  schmalen  langen  Bändern,  so  be- 
sonders schön'  bei  dem  allgemein  beliebten  und  verbreiteten 
Bandgras  {Phalaris  arundinacea  p'  picta  L.)  12  a  bis  13  b,  ge- 
bändert mit  8  g  bis  9  h  und  in  Stideuropa  bei  dem  noch  schöneren 
Bandrohr  (Ärundo  Donax  L.)  14  e  und  8  h;  da  die  Monocoty- 
ledoneen keine  abgegliederten  Stiele  und  aus  diesem  Grunde  keine 
abfallenden  Blätter  haben,  so  laufen  die  Bänder  bei  diesen  Grrä- 
sern  ununterbrochen  an  der  Blattscheide  bis  zum  Knoten  herab, 
bei  einer  gebänderten,  der  Blüthe  nahen  Agave  americana  L.  im 
botanischen  Garten  zu  Neapel  sah  ich  die  Bänder  8  g  auf  15  b 
ununterbrochen  am  Stamm  herablaufen,  bis  sie  auf  ein  anderes 
Blatt  trafen. 


—    280    — 

Ebenso  verhält  es  sich  mit  den  gebänderten  Blättern  bei 
dem  goldgestreiften  Blumenrohr,  Canna  aureovittata  Loddiges,  der 
Kaiserkrone  (FritÜlaria  imperialis  L.^,  der  Maiblume  IIa  mit  10  g 
und  der  12  a  mit  12  h  gestreiften  Plectogyne  variegata  Hort.  Eine 
Schwertlilie  fand  ich  13  c  mit  11  Ti  gebäudert  und  gesäumt,  bei 
der  Tradesca7itia  vittata  Hort.,  einer  panaschirten  Spielart  der 
Tr.  discolor  Heritier,  ist  die  Unterseite  der  Blätter  schön  purpur- 
roth  mit  durchscheinenden  hellen  Längsstreifen.  Die  Blätter  der 
Yucca  rufoclncta  Haworth  sind  dreifarbig  gebändert,  in  der  Mitte 
grasgrün  12  c,  zu  beiden  Seiten  weissgrün  12  h  und  am  Rande 
lichtkarmin  24  c  umsäumt. 

Diese  lichten  Flecken  und  Bänder  dürften  Stellen  des  Blattes 
sein,  an  welchen  das  Chlorophyll  in  den  Zellen  sparsam  vorhanden 
ist,  ganz  weisse,  also  chlorophyilleere  Blätter  hat  man  aber  nicht 
zu  Stande  gebracht,  die  sogenannten  weissen  Abarten  der  Gai  ten- 
melde  (Atriplex  hortensis  1j.  ß  albaj  11  e  und  des  Mangolds  fBeta 
vulgaris  ß  alba  Bauhin)  sind  nur  heller  grün,  wie  Atrij)leT  alba 
Scopoli,  Tilia  alba  Michaicx,  Abics  alba  Poiret,  Basella  alba  L. 
und  manche  andere. 

Nach  Courtin  (Grartenzeitung  I,  90)  ist  die  Panaschirung 
beständig,  wenn  sie  sich  gleichmässig  am  Rande  der  Blätter  zeigt, 
veränderlich  aber,  wenn  sie  nur  als  zerstreute  Flecken  erscheint, 
wovon  nur  Äucuba  japonica  L.  eine  Ausnahme  mache,  deren 
unregelmässig  gefleckte  Blätter  doch  nie  ganz  grün  sind.  Mit 
andern  Worten  dürfte  man  dieses  Gesetz  dahin  ausdrücken,  dass 
die  Flecken  und  Streifen  der  Blätter  um  so  unbeständiger  sind, 
je  unregelmässiger  sie  auftreten. 

Y.    Die  Nebenblätter. 

Die  Nebenblätter  (stipulaej^  welche  bei  einer  grossen  Zahl 
dicotyledonischer  Familien  vorkommen,  bei  den  monocotyledo- 
nischen  aber  fehlen  und  eben  so  häufig  durch  Blattscheiden  er- 
setzt werden,  haben  die  Bestimmung,  die  Blätter  in  ihrer  frühesten 
Jugend  zu  beschützen,  gehen  daher  denselben  in  der  Entwicklung 
voraus  und  entwickeln   sich  nicht   weiter  oder  fallen  ab,    sobald 


281 


das  Hauptblatt  herangewachsen  ist,  in  der  Farbe  unterscheiden 
sie  sich  nicht  von  den  Blättern,  höchstens  sind  die  schuppen- 
förmigen  bleicher,  von  der  Farbe  des  Blattstiels. 

\I.    l>ie  Deckblätter. 

Die  Deckblätter  (hracteae)  sind  im  Fortschreiten  der 
Pflanzenmetamorphose  vereinfachte  und  verkleinerte  Blätter,  welche 
die  noch  schlummernden  Biüthen  auf  gleiche  Weise  schützen,  wie 
die  Schuppen  die  Knospen  und  die  Nebenblätter  die  Blätter, 
sich  also  aucli  ebenso  vor  den  Biüthen  entwickeln  und  stehen 
bleiben  oder  abfallen,  wenn  die  Reihe  der  Entwicklung  an  die 
Blumen  kommt.  Bei  den  Monocotyledoneen  treten  sie  häufig  als 
Scheiden  (spathae)  auf,  so  bei  allen  Palmen  und  vielen  Li- 
liaceen. 

Ihre  Farbe  ist  gewöhnlich  die  der  Blätter,  dasselbe  Grün, 
und  wenn  die  Blätterfarbe  durcli  roth  getrübt  ist,  dasselbe  Roth, 
so  bei  Perilla  ocymoides  L.  Die  Farbe  der  künftigen  Blume 
kündigt  sich  aber  häufig  im  Voraus  an,  oft  schon  am  Stengel, 
wie  bei  den  Kartoffeln,  Dahlien,  Fuchsien,  Heliotropien,  der  dun- 
kelrotheu  Cardinalsblume'  '{Lobelia  falgens  Willd.)  und  dem  dunkel- 
rothen  Blumenrohr  {Caima  coccinea  Alt.),  weniger  an  den  Blät- 
tern, denen  grün  su  sein  Bedürfniss  ist,  stärker  aber  au  den  Deck; 
blättern,  w^elche  den  Blumen  viel  näher  stehen.  Die  Deckblätter 
sind  daher  bleicher  als  die  Blätter ,  wenn  die  Blumen  bleich 
sind;  so  an  den  Linden  die  Blätter  11  a,  das  Deckblatt  11  f, 
die  Blumenblätter  7  g;  bei  der  Wiesendistel  {cirsium  oleraceum 
Scop.)  die  Deckblätter  lOf,  die  Blumenblätter  5  g;  bei  einer  Daklia 
fand  ich  die  äussersten  zurückgeschlagenen  Blätter  der  Blüthen- 
hülle  dunkelgrün  wie  die  Blätter,  13  a,  die  inneren  angedrückten 
hellgelb-grüngelb  10  d,  die  Blumenblätter  hellrosenfarbig  23  g, 
am  Grunde  gelb  9  e.  Ebenso  sind  die  Blüthenscheiden  der  hell- 
blumigen Monocotyledoneen  häufig  bleich,  Alllum^  Narcissus,  oder 
vertrocknend  und  farblos,  Iris  pallida  Lam.^  bei  Arum  maculatum 
und  itcdicuia  L.  hellgrün-grüngelb  12  g,  bei  Calla  aethiopica  und 
palustris  L.  schneeweiss. 


—    282   — 

Stehen  die  Blumen  in  der  blaurothen  Beihe,  so  sind  häufig 
auch  die  Deckblätter  geröthet,  ^yie  bei  den  Taubnesseln,  der 
Stachys  alpina  Z. ,  Ajuga  reptans  und  genevensis  L. ,  Origanum 
vulgare  L.  22  b,  Salvia  sylvestris  L  .  22  c,  Monarda^  Thymus  und 
vielen  anderen  Pflanzen  der  Labiatenfamilie,  in  welcher  sowohl 
Deckblätter  als  blaurothe  Blumen  vorherrschen,  bei  den  Astrantie?!, 

Ist  die  Blüthe  gelb,  so  gehen  oft  auch  die  Deckblätter  in 
diese  Farbe  über,  so  bei  Chrysosple^iium  stuienv^eise  von  dem 
tiefen  Grüngrüngelb  12  b  der  Wurzelblätter  bis  in  das  reine 
Gelb  9e  der  Blumenblätter,  'bQv  Bupleurum protractum  Link,  ei- 
nigen Wolfsmilcharten,  Eupliorhia  Cyparissias  L.,  verrucosa  Lam., 
palustris  L. ,  mehreren  Compositen  mit  vertrocknender  Blüthen- 
hüiie,  wie  Gnaphallmn  Stoechas  L.,  angustifolium  Lam,  und  splen- 
didum  Thunh.  8  6,  Gnaphalium  Orientale  L.,  arenarium  L.  und 
siculura  Spr,_  9  f. 

Zuweilen  tritt  die  reinste  Farbe  der  Blumenkrone  verfrüht 
schon  in  den  Deckblättern  auf,  so  erscheinen  an  der  westindischen 
Äjjhelandra  cristata  R.  Br-.  Deckblätter,  Blumenstiele,  Kelch  und 
Krone  vom  reinsten  Gelb  9  e,  an  der  Brasilianischen  Salvia 
splendens  Ker  dieselben  Theile  vom  schönsten  Scharlachroth  2  c. 

Yf eicht  die  Farbe  des  gefärbten  Deckblattes  von  der  der 
Blume  ab,  so  ist  ersteres  röther,  so  bei  unserem  die  Kornfelder 
schmückenden  Kuhweizen  {Melampyrum  arvense  L.)  die  Blumen- 
kronen violett- violett-roth  22  b  und  gelb  9  f-,  die  Deckblätter  ganz 
von  ersterer  Farbe  22  c,  bei  dem  Muskatellerkraut  (Salvia  Sclarea 
L.)  die  Blumen  milchweiss  17  g,  die  Deckblätter  licht  rosenroth 
24  g.  Bei  heterochromen  Compositen  vertreten  oft  die  inneren 
Blätter  der  trockenen  Blüthenhülie  die  strahlenden  Eandblüthen, 
so  sind  bei  Aimnohium  alatum  R.  Br.  die  Blüthenhülie  weiss,  die 
Büthen  9  e,  bei  Helichrysum  fulgidum  Willd.  erstere  weiss-gelb  9  e, 
8  d  e,  orange  5  c,  orangeroth  3  b  bis  purpurroth  23  a,  während  die 
Blüthen  hellgelb  9  f  bleiben,  weil  die  Kunst  der  Gärtner  sich 
lediglich  mit  der  Hülle,  nicht  mit  den  unscheinbaren  Blüthen  be- 
schäftigt hat,  ebenso  bei  den  Strohblumen  (Xeranthemum  annuum 
L.y),   die  man  in  Gärten   mit  weisser  und   purpurröthlicher  23  c, 


—    283    — 

22  e  f  bis  carminrother  24  b  Blüthenhülle  bei  blassgelblichen 
Blüthen  antrifft. 

Als  seltener  Fall  treten  über  den  normalen  Deckblättern  der 
Blumen  an  der  Spitze  des  Stengels  noch  einige  Paare  blüthen- 
loser,  grösserer,  lebhaft  gefärbter  Deckblätter  auf,  welche  gleich- 
sam die  unscheinbaren  Blumen  vertreten,  dieses  ist  bei  Melam- 
pi/rum  nemorosum  L.  der  Fall,  mit  kleinen  lichtgelben  9  f  Blu- 
men und  licht-violett-violett-blauem  20  f  Schöpfe,  noch  schöner  bei 
Salviallorminum  L.  mit  violetten  21  b  u.  g  Blumen,  hier  ist  der  Schopf 
gewöhnlich  violettroth  23  e,  bei  einer  selteneren  Spielart  dunkel- 
violett 21  a  und  getrocknet  dunkel  violett-blau  19  a,  der  äusser- 
sten  Grenze  der  Deckblätterfarbe  von  Roth  gegen  Blau,  welches 
ganz  fehlt,  da  selbst  die  schönen  Farben  der  Zweige  und  Dolden- 
Irnllen  einiger  Mannstreu -Arten  nicht  über  Violett-violett-blau, 
Eryngiurn  auietliysünum  L.,  planum  L.  und  creticum  Lam.  20  c,  und 
Violettblau ,  Eryngiinn  maritimum  L.  19  g,  triquetrum  Vahl  19  e, 
hinausgehen. 

Die  Deckblätter  der  Gräser  {glumae)  haben  häufig,  wie  die 
andern  Theile  der  Pflanze,  auf  der  Sonnenseite  einen  violetten 
Anflug,  um  so  lebhafter,  je  kälter  der  Standort,  so  in  der 
Alpenregion  und  in  Grönland,  die  der  Cyperaceen  sind  häufig 
gelbbraun  oder  rothbraun,  wie  bei  den  meisten  Cyperusarten,  wo- 
von mehrere  davon  den  Namen  führen,  a,  adustus  Presl^  auran- 
tiacus  H.  et  B.,  aureus  Tenor e,  auricomus  Sieber ^  badius  Desf.^  ca- 
staneus  Willd.,  chrysomelimis  Link,  cinnamomeus  Metz,  croceus 
Vahl,  cruentus  Rottboell,  cupreus  Presl,  ferrugineus  Po\r.,  flavescens 
L. ,  flavicom'is  Michi:,  flavidus  Retz,  flavissimus  Schrad.,  fiavus 
Presl,  fidvus  R,  Br.,  fuscescens  Willd.,  haematodes  End,,  ochraceus 
Vahl,  olivaceus  Vahl,  j)urpurascens  Vahl,  rubicundus  Vahl,  rufus 
H.  B.,  sanguinevs  Balbis,   bei   vielen  Scirpus-  und  Schoenusarten. 

Andere  sind  beinahe  schwarz  oder  völlig  geschwärzt,  wie 
bei  Cyperua  fuscus  L.,  atropurpureus  P,,  ater  Vahl,  niger  R.  et 
P.,  melanocephalus  R,  Br.,  melanostachys  TL  et  B.^  ustulatus  Rieh., 
Schoenus  nigricans  L.  und  in  der  Alpenregion  Carex  atrata  L., 
aterriina  Hoppe,  atrofusca  Steven,  nigra  Torrey,  nigricans  Meyer, 
während  es  in  Grönland  wohl  braune,  aber  keine  schwarze  Ried- 


—   284    — 

gräser  gibt,  weil  das  Licht  nicht  hinreichend  intensiv  dazu  ist. 
Diese  Verdiinkhmg  der  Farbe,  in  kalten  Regionen  auch  an  den 
Insekten,  Käfern,  Schmetterlingen  häufig,  begünstigt  die  Erwär- 
mung durch  das  Sonnenlicht.  Andere  sind  beinahe  weiss,  wie 
bei  Cyperus  albus  Presl,  alhidus  Retz^  alhostriatus  Schind.,  ccmus 
PresI,  leucocephalus  Retz,  leucostachys  Wüld.,  margaritaceus  Vahl, 
niveus  Retz,  pallesce7is  Desf.^  paUidus  Nees,  ßchoenus  albus  L., 
Carex  baldensis  L.,  alba  ßcop. 

Bei  vielen  Pdedgräsern  hat  das  grüne  Deckblatt  zwei  braune 
oder  schwarze  Striche. 

Die  Binsen  (Juncaceae)  verhalten  sich  ganz  wie  .  die  Cype- 
raceen,  man  hat  auch  einen  Juncus  castaiieus  Smith,  fuscoate'f 
Schreb.,  atratus  Lam.,  melananthus  Rchb.,  melanocephahu:  Frivaldshy^ 
eine  Luzula  spadicea  Dec,  albida  Dec,^  nivea  Desv. 

Auf  ähnliche  Weise  sind  die  Deckblätter  der  kätzchentragen- 
den Pflanzen  {Amentaceae)  häufig  braun,  um  so  dunkler,  je  näher 
der  Schneeregion. 

Merkwürdig  ist  die  Familie  der  Zapfenträger  (Coniferae) 
nebst  vielen  anderen  Eigenthümlichkeiten  auch  dadurch,  dass  bei 
ihr  die  Deckblätter  zur  Frucht  werden,  entweder  kapseiartig  ver- 
trocknend und  die  grüne  Farbe  in  die  des  Todes,  braun,  ver- 
wandelnd, wie  bei  den  Tannen,  Fichten,  Föhren,  Pinien,  Zirbel- 
nüssen, Araucarien,  Cypressen  und  Lebensbäumen,  oder  selbst 
zu  einer  Beere  zusammenwachsend  und  deren  Farben  annehmend, 
roth  1  c  bei  dem  Eibenbaum  {Taxus  baccata  L.),  dunkelroth  mit 
bläulichem  Dufte  bei  Juniperus  macrocarpa  Sibth.,  Oxycedrus 
L.,  phoenicea  L.,  schwarz  mit  gleichem  Dufte  bei  unserem  Wach- 
holder, dem  virginischen  Wachholder  und  dem  Sewenbaum  (/. 
Sabina  L.). 

YII.    Dei-  Kelch. 

Der  Kelch  {calyx)  ist  der  Abschluss  des  Zweiges  oder  Sten- 
gels und  der  Anfang  der  Blume,  einer  Endknospe,  welche  statt 
weiterer  Knospen  die  Keime  getrennter  Individuen  entwickelt 
und  so  das  Wachsthum  des  alten  beschliesst.  Er  hat  daher, 
wie  die  Deckblätter,    in   der  Regel  die  Farbe  der  Blätter,    vor- 


285 


herrschend  grün,  häufig  mehr  oder  weniger  geröthet  und'  zwar 
stärker  als  dieselben,  weil  das  Grün  leichter  zurücktritt,  nament- 
lich gerade  an  seiner,  dem  Lichte  durch  die  anderen  BHithen- 
theile  entzogenen  oberen  Seite,  so  bei  allen  Pflanzen  mit  rothen 
Blättern,  bei  mehreren  Amaranten  23  a,  dem  Hahnenkamm  23  a  b, 
24  a,  dem  Kugelamarant  {Gomphreiia  globosa  L.)  22  b,  den  roth- 
blühenden Sileneen,  z.  B.  Dianthus  carthuslanorum  L.  23  d,  Lych- 
nis  diurna  Sibth.  23  b,  während  er  bei  der  nahe  verwandten  L. 
vespertina  Sibth.  grün  bleibt,  Lychnis  Flos  Cuculi  L.  23  a,  L.  Vis- 
caria  L.  23  c,  Saponaria  ocymoides  L.  23  c,  bei  vielen  Labiaten, 
z.  B.  Origanum  vulgare  L.  22  b,  Thymus  Serpyllum  L.  22  e, 
dann  bei  Dictamnus  Fraxinella  Lam.  23  a,  Epilobium  angustifoiium 
L.  22  b,  bei  der  Pfirsche,  der  Aprikose  23  e,  dem  Granatapfel 
3  d,  der  klebrigen  Robinie  2  b. 

Wie  bei  den  Deckblättern,  so  verursacht  auch  an  den  Kelch- 
spelzen der  Gräser  die  Kälte  eine  violette  Färbung,  so  stark  in 
Grönland,  wo  Calamagrostis  purpurascens  R.  Br.,  Dupontia  psi- 
losantha  liupr.,  Foa  ceni^ia  All.,  Agrostis  rubra  L.,  Glyceria  va- 
ginata  Lange^  Festuca  ovina  L.,  Triticum  violaceum  Hornemann 
21  c  und  22  c  angeflogen  sind. 

Auch  in  anderen  Farben  schliesst  sich  der  Kelch  gern  an 
die  Farbe  der  Krone  an,  so  sind  bei  Lopezia  miniata  Dec.  beide 
rein  roth  1  e,  bei  Lopezia  coronata  der  Kelch  1  c,  die  Krone 
carminroth  24  b  bis  f,  bei  Echeveria  secunda  Bot.  Reg.  aus 
Mexico  der  Kelch  2  c,  die  Krone  äusserlich  ebenso,  innen  gelb- 
orange-gelb 8  e ,  bei  den  Gartenvarietäten  des  Vanillenkrauts 
{Heliotropium  peruvianum  L.)  der  Kelch  um  so  dunkler,  je  dunkler 
die  Krone,  an  der  Etoile  de  Nancy  bis  20  a;  b'ei  dem  Lavendel 
ist  die  Krone  20  d,  der  Kelch,  weil  durch  grün  getrübt,  20  c, 
bei  Calamintha  alpina  Lam.  ebenso;  blüht  dagegen  die  Pflanze 
gelb,  so  ist  der  Kelch  oft  heller  als  die  Krone,  so  bei  dem 
Sauerdorn  {Berberis  vulgaris  L.),  ersterer  9  f,  letztere  9  e,  bei 
Rhinanthus  major  Ehrh.  der  Kelch  11  f,  die  Krone  9  e,  bei 
Anthyllis  Viäneraria  L.  der  Kelch  9  h,  die  Krone  9  e,  dieses 
Wundkraut  erhält  in  den  Alpen  oft  eine  rothe  Farbe  24  b,  (A. 
V.  ß  rubriflora  Dec)  und  dann   ist  auch  der  Kelch  roth. 


—    286    — 

Ungewöhnlich  gefärbte  Kelche  sind  die  weissen  der  Celosia 
argentea  L.,  der  Christwnrz  {Hellehorus  niger  L.),  der  Hydrangea 
arhorescens  L.,  der  Schneeballen  (Viburmtm  Opulus  L.).  Die  Kelche 
der  Hortensia  sind  anfangs  hellgrünlich  11  f,  dann  heller  11  g, 
endlich  rosenroth  24  f  bis  e.  Man  hat  sich  sehr  bemüht,  durch 
künstliche  Erden  blaue  Hortensien  zu  erhalten,  aber  es  höchstens 
bis  auf  Violettblau  19  d  gebracht. 

Der  Kelch  der  durch  ihre  zierlichen  hängenden  Blumen  so 
beliebt  gewordenen  südamerikanischen  Fuchsien  ist  schön  karmin- 
roth  24  b,  die  Krone  dunkehiolett  21  a,  Staubfäden  und  Griffel 
wieder  von  der  Farbe  des  Kelchs;  die  Kunstgärtner  haben  sich 
viele  Mühe  gegeben,  andere  Farben  zu  erhalten,  aber  mit  ge- 
ringem Erfolg,  indem  man  kaum  um  2  Stufen  gegen  gelb  vor- 
rückte durch  1  c  bis  2  d,  dagegen  gar  nicht  gegen  blau,  die 
Krone  brachte  man  von  21  a  bis  auf  2  d  und  erzielte  so  statt 
eines  stärkeren  Gegensatzes  oft  völlige  Uebereinstimmung  ihrer 
Farbe  mit  derjenigen  der  übrigen  Biumentheiie. 

Etwas  besseren  Erfolg  hatte  das  Bestreben,  weisse  Fuchsien 
zu  erlangen,  zwar  blieb  die  Krone  dunkel,  kam  nicht  über  den 
Farbenton  d  in  2  hinaus,  aber  den  Kelch  erhielt  man  durch  alle 
Töne  bis  weiss,   nur  an  der  Aussenseite  etwas  grünlich. 

Den  Hahnenkamm  hat  m^n  nicht  weiter  gebracht,  als  von 
karminroth  24  a  bis  eine  Stufe  über  orange  hinaus  6  b,  c,  d. 

Die  artenreiche,  meerliebende  Gattung  Statice  hat  trockene, 
gelblich-weisse  Kelche  und  schön  violettblaue  Kronen,  bei  einer 
Art  aber,  der  mittelländischen  Statice  smuat'a  L.  kehrt  sich  dieses 
Verhältniss  um,  der  ansehnliche  Kelch  ist  lebhaft  violett- violett- 
blau 20  d ,  die  Krone  gelblich-weiss  9  h. 

Bei  den  einquirligen  Dicotyledoneen  (ilio^^ocA/^wft/e«?)  fehlt  die 
Krone,  die  Metamorphose  der  Blätter  springt  vom  Kelch  unmittel- 
bar auf  die  Staubgefässe  über,  häufig  bleibt  dann  der  Kelch 
grün,  Urticece,  Che7iopodecB,  mehrere  Amaranten  und  Ampfer,  oft 
aber  sucht  er  die  Lücke  dadurch  auszufüllen,  dass  er  sich  mehr 
oder  weniger  vollkommen  kronenartig  verdünnt  und  färbt,  am 
häufigsten  roth,  wie  bei  den  Sauerampfern,  bei  Polygonum  Persi- 
caria  L.  23  c  d,  Orientale  L,  23  c,   amphibium  L.  und  Bistorta  L. 


—    287    — 

23  e,  Hf/drojjiperh.  minus  Huch.  und  mite  Sc]ircüik2^  f,  vivipariim 
L.  und  Fagopyrum  L.  24  f,  Daphnc  Cneorum  L.  23  d,  Z).  Mezereum 
L.  22  b,  Sanguisorba  offic inal is  1j.  22  a,  Empetrum  nigrumlj,  22  c, 
Anemone  pavonina  und  stellata  Lam.  24  b,  hepatica  L.  22  c,  y«/>o- 
Tizc«  Äo?'^.  22  d,  seltener  violett,  Anemone  Pidsatilla  L.  21  b,  coro- 
naria  \^.  21  d,  hepatica  L.  29  c,  bei  welcher  3  Deckblätter  den 
Kelch,  5  Kelchblätter  die  Krone  vollständig  vertreten ,  welche 
nur  in  den  gefüllten  Gartenspielarten  durch  rückschreitende 
Metamorphose  der  Staubgefässe  gleichfarbig  auftritt,  die  Leber- 
blume ist  zugleich  die  äusserstc  Grenze  des  Roth  gegen  das 
fehlende  Blau,  zuweilen  weiss,  Polygoniim  aviculare  L.,  Thesium, 
Anemone  nemorosa  L.,  narcissißora  L.,  sylvestris  L.,  selten  gelb, 
Aristolochia  Clematitis  L.  8  f,  Anemone  ranunculoides  L.  8  e, 
Cattha  palustris  L.  8  e. 

Aber  auch  da,  wo  sich  eine  Krone  vollständig  entwickelt, 
schliesst  sich  ihr  oft  der  Kelch  in  Gestalt  und  Färbung  so  innig 
an,  dass  er  selbst  von  vielen  Botanikern  nicht  von  ihr  unter- 
schieden wird,  nur  an  dem  etwas  derberen  Bau  und  der  Lage 
als  unterer  wechselständiger  Quirl  noch  erkennbar  ist.  Dieses  ist 
besonders  häufig  bei  den  Monocotyledoneen  der  Fall,  bei  denen 
als  der  niedriger  stehenden  Klasse  eine  entschiedene  Trennung 
des  Kelchs  von  der  Krone  laiige  nicht  so  häufig  wie  bei  den 
Dicotyledoueen  vorhanden  ist.  Zuweilen  bleibt  dieser  kronenar- 
tige Kelch  noch  an  der  untern  oder  äussern  Seite  seiner  3  Blät- 
ter der  Länge  nach  in  der  Mitte  grün,  so  bei  der  wilden  Tulpe, 
{Tidipa  sylvestris  L.)  11  d,  bei  Getliyllis,  Hypoxis,  den  vielen 
Arten  der  gelben  und  weissen  Vogelmilch,  Gagea  12  c  und  Or- 
nithogalwn  13  d,  welche  geschlossen  grün,  der  Sonne  geöffnet 
goldgelb  oder  silberweiss  schimmern,  wie  das  liebliche  Ornitho- 
galum  umhellatum  L.,  von  den  Engländern  der  Stern  von  Betlehem, 
von  den  Franzosen,  weil  sich  spät  der  Sonne  öffnend,  die  Dame 
der  elften  Stunde  genannt,  der  gemeinen  Zwiebel,  15  c,  und 
mehreren  andern  Alliumarten. 

Bei  den  durch  keine  Scheiden  in  ihrer  Kindheit  geschützten 
Tulpen  haben  die  3  Kelchblätter  in  der  Blumenknospe  völlig 
die  Farbe  der  Stengelblätter,  13  c,  zuweilen  bleibt  eines  dieser 


—    288    — 

3  Kelchblätter  bei  raschem  "Wachsthiim  an  dem  Stengel  zurück, 
bleibt  der  Länge  nach  zur  Hälfte  grün  und  nimmt  auf  der  an- 
dern Hälfte  die  bunten  Farben  der  andern  5  Blumenblätter  an; 
man  erhält  dann  durch  diese  Missbildung  eine  höchst  klare  An- 
schauung der  Metamorphose  der  Stengelblätter  in  Kelch-  und 
Blumenblätter,  indem  das  Blatt  auf  halbem  Wege  stehen  bleibt. 
Zuweilen  nehmen  die  Kelchblätter  mit  abweichender  Richtung 
auch  abweichende  Farbenstufen  und  Töne  an,  wie  bei  den  Schwert- 
lilien (/m),  meist  aber  werden  sie  den  Kronenblättern  völlig  gleich- 
farbig,  so  bei  dem  Sturmhut  {Äco7iitnm),  vielen  Ritterspornen 
(Delphinium)^  bei  Trollius^  Clematis,  Ati^agene,  Nuphar^  der  gan- 
zen Familie  der  Liliaceen,  AmarT/lUdeen,  Asparageen  und  Col- 
chicaceen. 

Eine  einzeln  stehende,  aber  dieser  allgemeinen  nahe  ver- 
Avandte  Erscheinung  kann  man  oft  in  Gärten  an  Schlüsselblumen 
sehen,  der  Kelch  verwandelt  sich  in  eine  Krone,  die  eigentliche 
Krone  lässt  sich  dadurch  in  ihrer  Entwicklung  nicht  stören,  und 
so  entstehen  zwei  Kronen  gleich  zwei  in  einander  gesteckten 
Trichtern,  ich  beobachtete  diese  Erscheinung  nur  an  rother  Pri- 
mula  elatior  Jacq,  3  b  und  23  c. 

Bei  den  nicht  durch  Deckblätter  geschützten  papaveraceen 
besorgt  ein  meist  den  Blättern,  gleichfarbiger,  wohl  schliessender 
Kelch  diesen  Schutz,  fällt  aber  ab,  sobald  die  Krone  erwacht 
und  sich  ihrer  Wiege  entwindet,  die  Blume  scheint  dann  nie 
einen  Kelch  gehabt  zu  haben. 

Je  mehr  dagegen  das  Deckblatt  diesen  Schutz  übernommen 
hat,  je  weniger  betheiligt  sich  der  Kelch  daran,  er  bleibt  während 
der  Blüthezeit  in  der  Entwicklung  zurück,  um  sich  später  als 
Hülle  oder  Schale  der  Frucht  zu  entwickeln,  Umhelliferae,  Dip- 
saceae,  Compositae,  Evon^miis,  Phi/saUs,  Nicandra^  oft  besorgt  er  bei- 
des zugleich,  der  obere,  die  Krone  schützende  Theil  verwelkt  dann 
mit  ihr,  der  untere  bildet  sich,  Grösse  und  Farbe  verändernd,  zur 
Schale  der  Frucht  aus,  Cucurhitaceae^  Pomaceae,   Rosa. 


—    289    — 

VIII.    Die  Krone. 

Das  Blattgrün  hat  sich  in  der  fortschreitenden  Metamorphose 
der  Pflanze  von  den  Blättern  durch  die  Deckblätter  bis  zum 
Kelche  fortgesetzt,  hier  aber  abgeschlossen,  um  nur  zuletzt  noch 
einmal  in  der  unreifen  Frucht  wieder  aufzutreten,  mit  ihm  endigt 
auch  die  davon  untrennbare  Aushauchung  von  Sauerstoff. 

Es  tritt  nun  die  Blumen  kröne  (corolla)  als  zweiter  Quirl 
{verticillus)  der  Blumen  auf,  welche  den  Sauerstoff  einsaugt  und 
Kohlensäure  aushaucht,  der  Grund,  warum  Blumen  in  geschlosse- 
nen Bäumen  der  Gesundheit  nachtheilig  sind.  Da  der  Krone  die 
Chlorophyllkörner  fehlen,  so  liegt  der  Sitz  ihrer  Farben  allein 
im  Zellensaft,  die  grosse  Durchsichtigkeit  der  ausserordentlich 
zarten  Zellenwandungen  lässt  diese  Farben  ungetrübt  in  ihrer 
höchsten  Vollkommenheit  durchschimmern,  so  dass  nur  ein  Theil 
davon.  Gelb,  Orange,  Karminroth,  Blau,  in  der  Farbentafel  er- 
reicht werden  konnte,  ein  anderer  Theil,  besonders  die  blaurotheij 
Stufen  20  bis  23  unerreiclibar  geblieben  ist,  während  umgekehrt 
die  Farben  der  andern  Pflanzentheile  gewöhnlicli  von  den  ent- 
sprechenden der  Tafel  an  Glanz  und  Lebhaftigkeit  übertroffen  werden. 
So  tritt  die  Krone,  stets  in  der  Kindheit  durch  Deckblätter, 
Kelch  oder  beide  zugleich  geschützt,  schnell  entwickelt,  zart  und 
leicht  in  blendender  Schönlieit  als  "iiöchster  Schmuck  der  Pflanze, 
als  ihr  Hochzeitkleid  auf,  aber  flüchtig  und  durch  ihre  Vergänglich- 
keit eben  so  berühmt,  wie  durch  ihren  Glanz  und  Wohlgeruch*); 
die  Eintagsschöne  ( Hemer ocallis),  welche  ihren  Namen  von  dieser 
Vergänglichkeit  erhielt,  theilt  solche  mit  vielen,  besonders  tropi- 
schen Blumen;  so  öffnet  sich  die  prächtige  Blume  des  west- 
indischen Cereus  grandifloinis  Miller  nach  Sonnenuntergang,  um 
sich  vor  Sonnenaufgang  auf  immer  zu  schliessen,  die  peruanische 
Wunderblume  {Mirahilis  lalapa  L.)  hält  es  bei  hoher  Temperatur 
eben  so,  was  ihr  die  Namen  Belle  de  nidt,  Don  Diego  de  noclie^ 
Fior  di  notte,  Boas  noytes  (gute  Nacht)  verschafft  hat,  welche  aus 
gleichem   Grunde   zum   Theil   aucli   einer  Winde,  Ipomoea  Bona 


*)  Flores  vero  odoresque  in  diem  gignit  magna  admonitione  ho miyiiLm 
quae  sjpectatissime  ßoreant,  cejlerime  marcescere.    Plin.  hist.  nat.  XXI.  1. 
Württejjib.  naturw.  Jahreshefte.    1862.     2s  Heft.  19 


—   290   — 

fiox  L.  gegeben  werden.  Die  tropische  Stundenblume  {mhiscus 
mutahilis  L.)  geht  Morgens  weiss  auf,  ist  Mittags  rosenfarbig, 
Abends  purpurroth  und  den  andern  Morgen  verwelkt.  Unsere 
Leinfelder  prangen  an  heitern  Sommermorgen  mit  vielen  tausend 
blauen  Blüthen,  deren  Blätter  Abends  auf  dem  Boden  liegen. 
Ungemein  kurz  ist  die  Dauer  4er  zahlreichen  bunten  Irideen, 
welche  die  weiten  Gefilde  des  südlichsten  Afrikas  zwischen  den 
Winterregen  und  der  Sommerdürre  auf  kurze  Zeit  schmücken, 
und  mehrere  haben  von  dieser  Flüchtigkeit  den  Beinamen  erhal- 
ten, so  Moraea  fugax  Jacq.^  Viesseuxia  fugax  Delaroche,  Ms  fu- 
gax Pers.,  deren  Blumen  nur  eine  Dauer  von  drei  Stunden 
haben. 

Derbe  Blumenkronen  sind  grosse  Seltenheiten,  so  die  flei- 
schigen der  Stapelien,  der  Wachsblume  {Hoya  carnosa  R.  Br.) 
und  einiger  andern  Asdepiadeen^  die  kleinen  der  gelben  Seerosen 
(Nuphar),  die  steifen  der  Xüopien,  häufiger  sind  unansehnliche, 
verkümmerte,  Cardamine  impatiens  L.,  Lepidhim  ruderale  L.,  Ce- 
rastium  hrachypetalum  Desportes,  oft  fehlen  sie  ganz  und  werden 
durch  den  Kelch  ersetzt  und  vertreten. 

Im  Sonnenschein  sind  die  Farben  der  Blumen  glühender,  die 
der  blaurothen  Reihe,  z.  B.  der  durchscheinenden  Glockenblumen 
(Campanula  pyramidalis  L.,  rotundifolia  L..  pusilla  Haenke)  röther, 
manche  Maler  stellen  daher  die  Blumen,  welche  sie  malen  wollen, 
in  die  Sonne. 


1)  Farbenverhältnisse  der  Blumenkronen  in  Württem- 
bergs freier  und  Garten-Flora. 

Um  die  Gesetze  der  Farbenvertheilung  in  den  Blumen  zu 
erforschen,  habe  ich  die  Farben  der  in  Württemberg  wild  wach- 
senden Pflanzen  aufgezeichnet;  unsere  Flora  umfasst  1341  Pflan- 
zenarten, wovon  aber  364  ohne  Blumenkrone  blühen,  es  bleiben 
sonach-  977  Arten,  die  in  den  Bereich  dieser  Untersuchungen 
fallen,  da  ich  jedoch  bei  diesen  die  bunten,  gefleckten,  zweifar- 
bigen, wie  viele  Gorymhiferen,  bei  jeder  ihrer  Farben  aufgezeich- 
net habe  und  ebenso  die  Farbenvarietäten,  z.  B.  bei  Polygala  vid- 


—    291    — 

garis  L.  blau,  roth  und  weiss,  so  ist  die  Zahl  der  Farben  dadurch 
auf  1088  gestiegen. 

Sodann  habe  ich  zur  Vergleichung  und  Gegenprobe  die  Far- 
ben von  1200  in  Gemüs-  und  Blumengärten,  kalten  und  warmen 
Gewächshäusern  gezogenen  Pflanzen  verzeichnet;  hier  übersteigt 
die  Farbenzahl  noch  weit  mehr  die  der  Arten  und  beträgt  2159, 
theils  weil  man  unter  diesen  aus  allen  Welttheilen  vorzugsweise 
ihrer  Schönheit  wegen  eingeführten  Blumen  mehr  bunte,  wie 
Convolvulus  tricolor  L.,  Gilia  tricolor  Lodd.,  Schwertlilien  und 
Gladiolen  findet,  theils  und  vorzüglich  aber  in  Folge  des  Bestre- 
bens der  Handelsgärtner,  neue  Farben  zu  erzielen  und  in  Um- 
lauf zu  bringen. 

So  gelangte  ich  zu  folgenden  Ergebnissen: 

Die  gelbe  Farbe,  von  allen  die  leuchtendste,  tritt  als  Grund- 
ton der  ganzen  Pflanzenwelt  in  der  Blumenkrone  sehr  häufig  auf, 
meist  ganz  rein  oder  nur  um  eine  Stufe  der  Nachbarfarbe  ge- 
nähert, grössere  Annäherungen  sind  seltener,  sie  zeigt,  seitdem 
sie  mit  (^em  Zurückbleiben  des  Chlorophylls  sich  von  der  blauen 
getrennt  hat,  nicht  die  mindeste  Neigung,  sich  mit  derselben  zu 
verbinden,  und  es  ist  ein  Hauptcharakter  der  Blumenkrone,  dass 
sie  höcht  selten  grün  ist. 

Während  unter  den  977  Blumen  der  württembergischen  Flora 
die  rein  gelbe  Farbe  in  253  auftritt,  hat  schon  Gelbgrüngelb  mit  Vg 
Blau  nur  20  aufzuzählen,  und  von  diesen  haben  nur  die  Spitzen  der  3 
Ki'onenblätter  der  Frühlingsglocke,  welche,  indem  sie  ihr  Weiss  an  die 
3  Kelchblätter  mittheilten,  deren  Grün  angenommen  haben,  eine 
etwas  tiefere  Farbe,  10  d,  die  anderen  bilden  eine  Reihe  von 
bleichen,  unscheinbaren  Blumen,  wie  die  Einbeere  {Paris  qua- 
drifolia  L.)  10  e,  Astragalus  ghjcyphyllus  L.  10  f,  der  Wau  und 
die  gelbe  Reseda  10  g,  Trifolium  ochroleucum  L.  10  g,  der 
Epheu  10  g,  Pyrola  chlor antha  Sw,  10  g,  das  Beinholz  {Lonicera 
Xylosteum  L.)  10  h,  vier  Orchideen  10  h. 

In  der  folgenden  Stufe,  Grüngelb,  sinkt  die  Zahl  schon  auf 
15  herab.  Grüngelb  blühen  unsere  Niesswurzarten ,  Ilellehorus 
viridis  und  foetidus  L.  11  b,  drei  Convallarien  11  d,  die  seltene 
Adoxa  moschatellina  L.  11  e,  fünf  Orchideen  Hg,  die  Zaunrübe 


—    292    — 

11  g,  der  Kreuzdorn  11  g,  Ribes  alpinum  L.  11  g,  der  Spindel- 
baum  11s  ii. 

Grimgrüngelb  finden  wir  nur  noch  bei  4  Blumen,  an  der 
lebiiaft  violetten  Krone  des  Solanum  Dulcamara  L.  au  der  Basis 
jedes  Abschnittes  zwei  schön  grüne,  12  b,  durch  einen  weissen 
Saum  von  der  violetten  Farbe  getrennte  Flecken,  die  Kroneu- 
blätter  der  zierlichen  Schneetropfen  haben  an  der  Spitze  einen 
grünen  Flecken,  12  c,  Veratrum  albumlj.  blüht  12  f,  Streptopus 
amplexifolius  Dec,  12  g. 

Hier  schliesst  sich  in  der  württembergischen  Flora  die  An- 
näherung der  gelben,  stets  das  Uebergewicht  behauptenden  Farbe 
gegen  die  blaue  ab,  ein  reines  Grün  und  der  dreistufige  üeber- 
gang  von  Grün  zu  Blau  fehlen  gänzlich. 

Die  rothe  Farbe  sondert  sich  in  den  Blumenkronen  nicht 
so  schroff,  wie  die  blaue,  von  der  gelben  ai),  die  Zahl  der  gelben 
Blumen,  welche  in  der  achten  Stufe  durch  V^  roth  eine  wärmere 
-Farbe  angenommen  haben,  57,  beträgt  beinahe  das  dreifache  der 
grünlichen  der  zehenten  Stufe,  17  haben   ^1^  roth,  4  %  roth,  und 

12  stellen  sich  in  Orange  zwischen  beiden  Hauptfarbeu  in  die 
Mitte;  '%  roth  haben,  doch  nur  theiiweise,  5  Blumen,  Hypericum' 
pidchrum  L.  und  Pedicidaris  Sceptrum  Carolinum  L.  4  c,  Gcum 
rivale  L,,  Orohanche  ruhens  Wallroth  und  Orohanche  minor  Button 
4  f.  Drei  andere  Orohanchen  und  die  schöne  Adonis  aestivalis 
L.,  ein  Schmuck  unserer  Getreidefelder,  haben  ^l^  roth,  und  7, 
darunter  die  hübsche  Anagallis  arvensis  L.,  '/§  roth ,  es  tritt  so- 
nach in  dieser  Flora  die  gelbe  Farbe  in  253  Blumen  rein  auf, 
in  106  in  Verbindung  mit  roth,  in  39  in  Verbindung  mit  blau, 
im  Ganzen  also  in  398  Blumen  oder  %  der  Gesammtzahl. 

Die  gelben  Blumen  gehören  überwiegend  den  helleren  Tönen 
an,  das  Braun  der  tiefsten  meidend  und  sich  in  den  leuchtenden 
mittleren  Normaltönen  e  und  f  am  Besten  gefallend.  Von  den 
erwähnten  253  Blumen  fallen  nur  19  auf  d,  eine  auf  c,  keine 
auf  a  und  b,  dagegen  175  auf  e,  52  auf  f,  5  auf  g  und  9  auf  h, 
von  den  106  der  rothgelben  Stufen  fallen  83  auf  die  vier  lich- 
teren Töne,  nur  IS  auf  die  4  dunkleren  und  von  den  41  der  grün- 
gelben Stufen  31  auf  die  4  licliteren,  10  auf  die  4  dunkleren  Stufen. 


—    293    — 

Bei  den  1200  verglichenen  Cnlturgewäclisen  treten  einige  Ab- 
weichungen von  diesen  Ergebnissen  der  freien  Flora  eines  ge- 
mässigten Himmelsstrichs  auf,  es  macht  sich  der  Eintluss  tropi- 
scher und  subtropischer  Floren  geltend  und  mehr  noch  das  Stre- 
ben der  Kunst-  und  Handelsgärtner  nach  Prachtblumen,  blenden- 
den und  ungewölmlichen  Farben  und  Abbeugungen  von  dem  ge- 
wöhnlichen Gange  der  Xatur. 

Die  gelbe  Farbe  tritt  hier  mächtiger  auf,  in  656  Blumer, 
etwas  über  die  Hälfte  der  Gesammtzahl,  aber  von  diesen  blühen 
nur  237,  also  wenig  über  ein  Drittheil,  rein  gelb,  weil  die  gelbe 
Farbe  in  Europa  nicht,  wie  in  China,  die  Lieblingsfarbe  ist. 

Noch  weniger  beliebt  ist  die  grüne  Farbe  in  den  Blumen, 
doch  duldet  man  sie  an  vielen  Pflanzen,  welche  nicht  der  Blume 
wegen  cultivirt  werden,  so  an  mehreren  Bäumen,  dem  Perücken- 
baum (JRhus  Cotinus  L.)  10  e,  dem  Tulpenbaum  10  f,  Acer  laci- 
niatwn  Duroi  10  f,  Acer  Xegundo  L.  10  g-  ^ophor  japonicci  L., 
welche  in  Stuttgart  die  Winterkälte  aushält,  aber  keine  Früchte 
ansetzt,  was  sie  in  Rom  tliut,  10  h.  Rhus  TodcocJendron  L. 
und  typhinum  L.  11  f ,  Ampelopsis  hederacea  Dec.  11  f,  Acer  ta- 
taricura  L.  und  Gleclitschia  triacanthos  L.  12  f,  bei  einigen  zu 
ökonomischen  Zwecken  gebauten  Gewächsen,  wie  ein  paar  Ta- 
baksarten {Nicotiana  rustlca  und  panicidcäa  L.)  10  f.  Petersilien 
10  h,  Stachelbeere  11  c,  Zwetschge  11  g,  Rebe  12  f,  so  dass 
sich  im  Ganzen  unter  jenen  1200  Pflanzen  50  auf  die  Stufen  10 
bis  14  fallende  befinden,  der  24.  Theil,  bei  der  Flora  Württem- 
bergs nur  der  25. 

Sehr  auiiallendist  dagegen  die  Vermehrung  der  Blumen  der  roth- 
gelbeu  Reihe  in  den  Gärten,  da  Orange  und  Scharlacliroth  zu  den  l)e- 
liebtesten  Farben  gehören,  die  aus  allen  Welttheilen  lierbei  zu 
holen  und  mit  der  grössten  Geduld  und  Ausdauer  künstlicli  her- 
vorzubringen gestrebt  wird. 

Wer  kennt  nicht  die  Ringelblume  {Ccdendida  arvensis  L.)  6 
b  c,  mit  welcher  der  Italiener  seine  Todten  schmückt,  die  perua- 
nische Kapuzinerkresse  {Tropaeolum  majus  L.)  5  a  bis  c,  die 
Feuerlilie  5  b,  den  Saflor  5  b,  wie  glänzen  die  Farben  von 
Phlornis  Leonurus  L.  5  c,   Gesneria  bidbosa  L.  5  c,  Aquüegia  cana- 


—    294    — 

densis  L.  5  c,  Asclepias  curassavica  L.  5  c,  Papaver  Orientale  L. 
4  b,  Hemerocallis  fulva  L.  4  d.  Pelargonium  inquinans  L.  3  c  bis 
2  c,  Canna  indica  L.  2  c,  Salvia  splendens  Ker  2  c,  Emilia  son- 
chifolia  Dec.  2  c  und  Ipomoca  coccinca  L.  2  d. 

So  ist  es  gekommen,  dass  ich  in  der  Gartenflora  im  Gegen- 
satz zur  wilden  nicht  weniger  als  369  Blumen  erhalten  habe, 
welche  der  rothgelben  Reihe  2  bis  8  angehören,  mehr  als  die 
Hälfte  der  ganzen  gelben  Farbe. 

Die  gleiche  Erscheinung  zeigt  sich  in  der  Intensität  der 
Farbe,  von  den  237  rein  gelben  Blumen  fällt  keine  auf  a  bis  c, 
8  fallen  auf  d,  154  auf  e,  47  auf  f,  21  auf  g  und  7  auf  h. 

Ebenso  fallen  von  den  50  Blumen  der  grüngelben  Stufen 
nur  8  auf  die  4  dunkleren  Töne,  47  auf  die  4  helleren,  selbst 
die  grünen  Farben  einiger  nach  denselben  als  einem  auffallen- 
den Kennzeichen  benannten  Blumen,  der  Aquilegia  viridiflora  Pal- 
las, Correa  viridis  Fischer,  Iloya  viridiflora  R.  Br,,  Gonolohus  vi- 
ridiflorus  Nutall,  Solanum  viridiflorum  Ruiz  et  Pavon,  Erica  viri- 
diflora Andrew,  Erica  virescens  Link,  Ixia  viridiflora  Lam.  fallen 
alle  in  die  helleren  Töne  der  überwiegend  gelben  Stufen  10  bis  12. 

Nicht  so  in  der  gelbrothen  Reihe,  zwar  folgt  die  gelbe  Farbe 
in  8  demselben  Gesetze,  indem  von  131  Blumen  nur  29  auf  die 
4  dunkleren,  102  auf  die  4  helleren  Töne  fallen,  allein  schon  in 
der  folgenden  Stufe  7  bei  ein  Yiertheil  Roth  theilen  sich  die  46 
Blumen  in  zwei  gleiche  Hälften,  und  von  6  an  tritt  ein  üeber- 
gewicht  der  dunklen  Töne  immer  stärker  auf,  bis  in  2  mit  sie- 
ben Achtel  Roth  51  Blumen  auf  a  bis  d,  nur  5  auf  e  bis  h 
kommen,  die  tiefen  Töne  die  hohen  um  das  zehnfache  übertreffen. 

Es  ist  eine  besondere  Eigenthümlichkeit  der  gelben  Farbe, 
dass  sie  bei  bunten  Blumen  immer  die  innerste,  tiefste,  dem  grünen 
Kelche  am  nächsten  stehende  Stelle  einnimmt,  so  bei  der  drei- 
farbigen Winde,  der  Ackerwinde,  bei  allen  Vergissmeinnichtarten, 
den  Löwenmäulern,  bei  Euphrasia  officinalis  L.,  Linum  catharti- 
cum  L.,  Rosa  Thea  Hort.^  Ormenis  bicolor  Cassini,  Chrysanthe- 
mum tricolor  Andr,,  Nierembergia  gracilis  Hooker,  den  Schlüssel- 
blumen, Aurikeln,  Narcissus  poeticus  L.,  Gladiolus  psittacinus  Lind- 
ley,  Tigridia  pavonia  Pers.,  Erythronium  Dens   canis  L.;  die  Ta- 


—    295    — 

zette  S  e,  Nectarium  8  d,  ändert  ab  mit  weissen  Blumenblättern, 
der  innere  Becher  bleibt  aber  dunkelgelb  8  d  oder  wird  höch- 
stens um  einen  Ton  heller,  8  e,  auf  weiss  hat  man  ihn  nicht 
bringen  können;  bei  den  Gorymhiferen  mögen  die  zungeuförmigen 
Strahlenblüthen  jede  beliebige  Farbe  haben,  blau  wie  bei  Aster, 
roth  wie  bei  Se?iecio  elegans  L.,  Erigeron,  weiss  wie  bei  Bellis^ 
Chrysanthemum,  Matricaria,  Anthemis^  stets  sind  die  röhrenförmi- 
gen Scheibenblüthen  gelb,  beinahe  immer  rein  gelb  9  e,  in  den 
seltenen  Fällen  einer  dunkleren  Färbung  braun  oder  dunkelorange, 
wie  bei  Sonvitalia  procumhens  Lam.  5  a,  bei  Gazania,  Rudbeckia 
purpurea  L.,  einigen  Astern,  getrübt,  aber  nie  ganz  der  gelben 
Reihe  entfremdet,  ebenso  bei  den  Randblumen  der  Calliopsis  hi- 
color  Rchh.  8  e,  am  Grunde  4  a,  der  Gaillardia  aristata  Pursh 
8  e,  am  Grunde  3  b. 

Die  gelbe  Farbe  der  Blumen  ist  die  dauerhafteste  und  er- 
hält sich  in  Herbarien  von  allen  am  Besten,  nur  wenige  haben 
die  sonderbare  Eigenheit,  bei  zu  langsamem  Trocknen  oder  in 
feuchten  Herbarien  grün  zu  werden,  so  die  Blumen  des  Schoten- 
klee's  {Lotus  comiculatus  L.),  der  Chlorocrepis  staticifolia  Griese- 
hach,  des  Arnopogoii  Dalechampii  L.,  der  Gattung  Tolpis,  die 
gelben  Schlüsselblumen. 

Bei  verwelkenden  Blumen  steigt  die  gelbe  Farbe  gewöhnlich 
zu  einem  tieferen  Ton  derselben  Stufe  herab  oder  macht  einige 
Schritte  gegen  Roth,  wie  bei  Gaura  mutabilis  Cav.,  welche  hie- 
von  den  Beinamen  erhielt,  bei  mehreren  Nachtkerzen  {Ceiiothera 
suaveölens  L.,  hienriis  L.  etc.)  aufgehend  9  e,  welkend  3  c;  bei 
einigen  Kleearten  gehen  die  Blüthen  schön  goldgelb  auf,  ver- 
trocknen dann  ohne  einzuschrumpfen,  nehmen  aber  eine  dunkel- 
braune Farbe  an,  so  geht  Trifolium  agrarium  L.  von  9  d  in  7 
0  über,  Trifolium  hadium  Schreher  von  8  e  in  Zimmtbraun  7  a, 
Trifolium  spadiceum  L.  von  9  e  in  ein  tiefes  Schwarzbraun;  bei 
Aster  mutabilis  L.  ist  die  Scheibe  aufgehend  9  e,  welkend  3  a, 
die  weissen  Blumenblätter  der  Rosskastanie  haben  in  der  Jugend 
am  Grunde  gelbe  Flecken  8  e,  welche  alternd  in  karminroth  24, 
b  übergehen,  was  den  grossen  Blüthensträussen,  in  welchen  siclu 
die  Blumen  nicht  gleichzeitig  öffnen,   ein  buntes  Aussehen  gibtp 


—    296    — 

bei  den  Lantanen  rückt  die  anfangs  am  Saume  der  Krone  auf- 
tretende rothe  Farbe  gegen  den  Schlund  vor,  bis  sie  die  gelbe 
ganz  verdrängt,  Lantana  Camara  L.  ist  in  der  Knospe  hellroth 
1  e,  offen  gelb  9  e  mit  rothgelbem  Schlünde  7  e,  alternd  kar- 
minroth  24  c  mit  orangerothem  Schlünde  3  b,  was  sie,  da  ihre 
Blumen  ebenfalls  nicht  gleichzeitig  aufgehen,  auch  vielfarbig  macht : 
nach  Lecoq  sind  die  Blumenblätter  des  dem  Alpenmohn  verwand- 
ten pyrenäischen  Styloplioruni  cainbricuni  Spr.,  so  lange  sie  noch 
im  Kelche  eingeschlossen  sind,  orange,  offen  vom  reinsten  Gelb; 
legt  man  aber  die  Pflanze  ein,  so  sind  die  getrockneten  Blumen 
wieder  rothgelb. 

Nur  in  seltenen  Fällen  bleicht  die  gelbe  Krone  alternd  in 
Weiss  aus,  so  bei  den  kleinen  Blüthen  des  Alyssum  calycinum  L., 
bei  Kerria  japonica  Dec,  der  Duc  van  Thol  Tulpe  und  der  gel- 
ben Hyacinthe. 

Der  geistreiche  Decandolle  nahm,  auf  die  Trennung  der  in 
den  Ernährungsorganen  vereinigten  zwei  Grundfarben  in  den  Ee- 
produktionsorganen  anspielend,  in  den  Blumen  zwei  Farbenreihen 
an,  welche  er  die  xanthische  und  die  kyanische  nannte:  allein 
mit  diesem  Gegensatze  linden  wir  einen  zweiten  innig  vereinigt, 
den  zuerst  von  Arago  klar  erkannten  und  ausgesprochenen  der 
sich  ergänzenden,  das  heisst  zur  Herstellung  des  weissen  Lichts 
nöthigen  Farben. 

Da  nämlich  die  Farbentafel  nicht  zwei,  sondern  drei  Haupt- 
farben hat,  so  tritt  der  merkwürdige  Umstand  ein,  dass  der  eine 
Hauptfarbe  bezeichnende  Radius  des  Kreises,  1^  9,  17,  zum  Durch- 
messer der  Scheibe  verlängert,  nicht  auf  eine  andere  Hauptfarbe, 
sondern  auf  die  beiden  andern  im  Gleichgewichte  trifft,  Roth  auf 
Grün,  Gelb  auf  Violett,  Blau  auf  Orange;  nehmen  wir  also  Gelb 
als  Grundton  der  Pflanzenfarben  an,  so  tritt  in  den  Blumen  an 
die  Stelle  eines  Gegensatzes  von  Gelb  und  Blau  der  vollständige 
n'ou  Gelb  und  Violett;  die  der  xanthi sehen  gegenüber  stehende 
Jieihe  muss  also  nicht  als  die  kyanische,  sondern  als  die  jan- 
t  h  i  n  i  s  c  h  e  bezeichnet  werden. 

Ich  zähle  zu  der  xanthi  sehen  Farbenreihe  alle  Stufen  der 
1  «"arbentafel,  welche  noch  etwas  Gelb,  wenn  auch  nur  ein  Achtel, 


—    297    — 

entlialten,  also  15  Stufen,  2  bis  16.  So  bleiben  für  die  ganz 
gelbfreie  Jan  tili  ni  sehe  Reihe  nur  9  Stufen,  von  17  rein  blau 
bis  1  rein  roth,  übrig,  dennoch  tibenviegt  die  Zahl  der  in  dieser 
Reihe  blühenden  Arten  die  der  xanthischen,  in  der  Flora  von 
Württemberg  stehen  den  398  Blumen  der  zweiten  bis  sechszehenten 
Stufe  435  der  siebenzehenten  bis  ersten  gegenüber,  in  der  Garten- 
flora den -656  der  ersteren  1149  der  letzteren,  der  Grund  davon 
ist,  dass  hier,  wie  im  Lomberspiel,  zwei  gegen  einen  stehen;  wollte 
mau  die  Hauptfarben  nach  ihrem  Ueberwiegen  so  theilen,  dass 
jede  8  Stufen  erhielte,  Gelb  die  Hälfte  von  5  bis  zur  Hälfte  von 
13,  Blau  von  der  Hälfte  von  13  bis  zur  Hälfte  von  21  und  Roth 
von  da  bis  zur  Hälfte  von  5 ,  so  träte  die  Ueberlegenheit  der 
gelben  Farbe  trotz  ihrer  engeren  Begrenzung  jedem  der  beiden 
andern  gegenüber  in  der  württembergischen  Flora  Aviedcr  hervor, 
wir  erhielten  eine  xanthische  Reihe  von  376  Arten,  eine  ery- 
thrinische  von  322  Vo  und  eine  k panische  A^on  1 34  V2  Arten. 

Die  blaue  Farbe  spielt  hiernach  im  bunten  Farbenspiel  der 
Blumen  die  kleinste  Rolle,  und  dieses  erklärt  wieder,  warum  in 
der  janthinischen  Reihe  die  meisten  Blumen  nicht  violett,  sondern 
purpurroth,  näher  bei  Roth  blühen,  die  Verbündeten  treten 
so  auf,  dass  in  261  Arten  die  rothe  Farbe  überwiegt,  in  69 
beide  sich  das  Gleichgewicht  halten  und  nur  in  92  die  blaue 
Farbe  vorherrscht. 

Etwas  anders  würde  sich  bei  dieser  Vertheilung  die  Garten- 
flora verhalten,  4971/2  Arten  der  xanthischen  Reihe,  1028 '/o  der 
erythrinischen  und  269  der  kyanischen,  hier  spielt  also  die 
xantliische  Reihe  eine  kleinere  Rolle,  die  kyanische  ist  zwar 
wieder  die  kleinste,  übersteigt  aber  doch  die  Hälfte  der  gelben, 
die  sie  dort  weit  nicht  erreicht;  am  auffallendsten  ist  die  Menge 
der  rothen  Blumen,  anderthalb  mal  so  viel,  als  gelbe  und  blaue 
zusammengenommen,  was  wieder  auf  wärmere  Himmelsstriche 
Auswahl  der  Sammler  und  Liebhaberei  der  Blumenfreunde  be- 
ruht, die  rothe  Farbe  ist  als  die  glänzendste  und  lebhafteste  bei 
weitem  den  meisten  Menschen  die  angenehmste,  die  rothe  Blume 
die  schönste,  so  die  Rose,  von  welcher  der  Name  der  Farbe 
stammt.    Die  rothen  Blumen  haben,  wie  Lecoq  treffend  bemerkt, 


—    298    — 

vor  den  andern  allen  den  Vortheil  voraus,  beinahe  immer  das 
Grün  der  andern  Pflanzentheile  als  Unterlage  zu  haben,  welches  als 
Ergänzungsfarbe  durch  den  Gegensatz  ihre  Fai'be  lebhafter  her- 
vorhebt, als  wo  dieser  volle  Accord  fehlt. 

Als  weitere  Folgen  des  Gegensatzes  der  beiden  Ergänzungs- 
farben gegen  die  Hauptgrundfarbe  tritt  die  auffallend  geringe 
Zahl  der  rein  roth  oder  blau  blühenden  Pflanzen,  besonders  in 
gemässigten  und  kalten  Himmelsstrichen  auf;  wir  finden  in  unserer 
Flora  nur  vier  ganz  rein  roth  blühende  Pflanzen,  alle  vier  nicht 
ursprünglich  einheimisch,  sondern  mit  dem  Getreide  aus  Asien 
eingeführt,  Ädonis  ßammea  Jacq,  und  die  Klatschrose  oder 
Ackerschnalle  1  b,  dann  Papaver  Argemone  und  duhium  L.  1  d.  Die 
Zahl  der  rein  blauen  Blumen  ist,  wenn  auch  doppelt  so  gross,  doch 
sehr  gering  und  fällt  überdem  noch  meist  auf  die  lichteren  Töne, 
am  lebhaftesten  17  d  blüht  die  mehr  als  Gartenflüchtling  zu  be- 
trachtende Sternhyacinthe  (Scilla  amoena  L.) ;  unsere  vier  Yergiss- 
meinnichtarten  blühen  hellblau  17  e,  noch  heller  17  f  Echino- 
spermum  Lappula  Lehm,  und  Glohularia  vulgaris  L.,  endlich  der 
Schwarzkümmel  {Nigella  arvensis  L.)  17  g;  alle  andern  blauen 
Blumen,  unsere  Gentianen,  Ehrenpreisarten,  Kornblumen,  Cichorien, 
Glockenblumen,  Wiesensalbei,  Sinngrüu,  Natternkopf  u.  s.  w. 
sind  nicht  ganz  frei  von  Roth  und  fallen  in  die  Stufen  18  bis  20. 

In  der  Gartenflora  tritt  der  vorhin  erwähnte  Umstand  ein, 
dass  ein  reines  Roth  als  Lieblingsfarbe  stark,  durch  84  Arten, 
vertreten  ist,  freilich  immer  noch  wenig  über  den  dritten  Theil 
der  rein  gelben,  indessen  befinden  sich  viele  theils  natürliche, 
theils  künstlich  hervorgebrachte,  sehr  häufige  und  verbreitete 
Blumen  darunter,  welche  sämmthch  den  alten  Griechen  und 
Römern  unbekannt  waren;  zu  der  in  der  Blüthezeit  der  italieni- 
schen Republiken  aufgekommenen  Gartennelke,  der  wie  diese  eben- 
falls aus  der  Flora  der  Mittelmeerländer  stammenden  Sulla  {Redy- 
sarum  coronarium  L.)  und  der  im  sechszehenten  Jahrhundert  aus 
dem  Orient  eingeführten  Tulpe  {Tulipa  sylvestris  L.)  lieferte 
Ostindien  durch  die  Portugiesen  die  Balsamine  und  das  Blumen- 
rohr (Ca7ina  coccinea  Aito?i),  durch  die  Britten  die  Potentilla  atro- 
sanguinea  und  fonnosa  Don,    erstere    als  Kinder   des  Tieflandes 


—    299    — 

vom  leichtesten  Froste  getödtet,  letztere  als  vom  Himalaja  herab- 
gestiegen unserem  Winterfroste  ti'otzend,  aus  Japan  erhielten 
unsere  Gärten  die  frühblühende  japanische  Quitte,  unsere  Ge- 
wächshäuser die  schon  in  Genua  im  Freien  gedeihenden 
Camellien,  von  der  Südspitze  von  Afrika  ihre  zahlreichen,  nun 
durch  Kunst  zahllosen  Pelargonien,  die  meisten  rein  rothen  Blumen 
aber  lieferte  das  wärmere  Amerika,  so  die  prächtigen  Dahlien, 
Fuchsien  und  Verbenen,  die  Kai'dinalsblumen  {Lobelia  cardinalis 
L.  und  fulgens  Willd.) ,  den  Scharlachsalbei  (Salvia  cocciriea  L. 
und  Pseudococci7iea  Jacq.),  den  vierblättrigen  Sauerklee,  den 
Korallenbaum  {Erythrina  Corallodendron  und  Crista  galli  L.), 
die  schönste  aller  Cactusblumen  [Cereus  speciosissimus  Dec),  die 
kletternde  Trompetenblume  {Bignonia  radicans  L.)  und  den 
grossblumigen  Portulak. 

In  der  rein  blauen  Stufe  dagegen  herrscht  in  der  Garten- 
flora eine  ebenso  grosse  Armuth,  wie  in  der  wilden,  ich  fand 
unter  1200  Arten  nur  7,  den  chinesischen  Rittersporn  17  b,  die 
japanische  Commeline  und  eine  Farbenvarietät  der  Akelei  17  c, 
Scilla  amoena  L.  17  d,  Scilla  italica  L.  und  ein  Lithospermum 
17  e  und  Gretchen  im  Busch  (Nigella  damascena  L.)  17  f.  Zwar 
fehlt  es  unsern  Gärten  so  wenig,  als  unseren  Wiesen  und  Wäl- 
dern, an  blauen  Blumen,  allein  mit  einem  Zusatz  von  roth,  so 
sind  Borago  offiicinalis  L.,  mehrere  Rittersporne,  der  Rosmarin,  der 
Hyssop,  dsiS  Echiumfastuosum  Jacq.,  die  Purpurwinde,  die  blauen 
Seerosen  {Nymphaea  coerulea  Sav,  und  cyanea  Roxh.),  das  Garten- 
vergissmeinnicht  {Omphalodes  verna  Moench),  einige  Salbeiarten, 
besonders  die  prächtige  mexikanische  Salvia  patens  L.,  Symphytum 
asperrimum  und  Centaurea  depressa  Bieb.  aus  dem  Kaukasus,  Clitoria 
ternatea  L  ,  PonteAeria  azurea  Sw.,  plumbago  coeruleaH.  etB.  präch- 
tig blau,  aber  nicht  Kobaltblau  17,  sondern  ültramarinblau  18. 

Die  blaue  Farbe  nimmt  als  die  lichtbedürftigste  im  Gegen- 
satz zur  gelben  immer  den  obersten  oder  äussersten  Theil  der 
Blumen  ein  und  geht  oft  nach  Innen  zu  in  weiss  über,  so  bei 
Lohelia  Erinus  L.,  Browallia  elata  L.,  Borago  officinalis  L.,  Con- 
volvulus  tricolor  L.,  Omphalodes  verna  Moench,  Nemophila  insignis 
Benth. 


'      —    300    — 

Ein  weiterer  Gegensatz  der  janthinischen  Reihe  zur  xanthischen 
ist  das  viel  liäiiiigere  Auftreten  der  tieferen  Farbentöne  in  der 
ersteren;  während  in  der  gelben  Farbe  der  5te  Ton  e  als  die 
Normalfarbe  erscheint,  welche  am  häufigsten  vorkommt,  tritt  m 
der  blauen  und  rothen  Farbe  schon  der  zweite  Ton  b  als  solche 
auf,  wir  zählen  in  Württembergs  Flora  in  den  4  dunkleren  Tönen 
der  janthinischen  Farbenreihe  300,  in  den  4  helleren  220  Arten, 
in  der  Gartenflora  in  ersteren  702,  in  letzteren  447. 

Dass  bei  eingelegten  Pflanzen  die  biaurothen  Farben  sich 
nicht  so  gut  erhalten,  wie  die  gelben,  hat  seinen  Grund  darin, 
dass  es  gemischte,  Süchtigere  Farben  sind,  am  schlimmsten  ist  der 
Sammler  mit  den  überwiegend  blauen  Blumen  daran;  gelingt  es 
ihm  auch,  durch  möglichst  rasches  Trocknen  zwischen  erwärmtem, 
täglich  zweimal  gewechseltem  Fliesspapier  Gentianen,  Glocken- 
blumen oder  Kornblumen  in  ihrer  ganzen  Schönheit  zu  erhalten, 
wie  dieses  bei  dem  grossen  Meister  in  der  Einlegekunst,  Hoppe 
in  Regensburg,  der  Fall  war,  so  bleichen  sie  doch  im  wohlver- 
wahrten Fascikel  allmählig  aus  und  haben  häufig  im  zweiten 
oder  dritten  Jahr  ihre  ursprüngliche  Farbe  ganz  eingebüsst:  nur 
der  Rittersporn  macht  eine  rühmliche  Ausnahme  und  behält  auch 
flüchtig  eingelegt  sein  prächtiges  Violett  21  b  c  fast  unver- 
ändert bei. 

Aufblühend  schreiten  die  Knospen  der  janthinischen  Reihe 
häufig,  durch  Desoxydation,  wie  nicht  ohne  Widerspruch  ange- 
nommen wird,  von  roth  gegen  blau  vor,  besonders  auifallend  in 
der  an  blauen  Blumen  reichen  Familie  der  Boragineen,  Linne's 
Asperifolien,  so  bei  Symphytum  asperrimum  Bieb.  von  24  c  auf 
18  c,  bei  Borago  oß-lcinaUs  L.  von  23  f  auf  18  c,  ebenso  bei 
Lithospermiim  purpureo-coeruleum  L.,  bei  Myosotls  j^cihistris  Witli. 
von  23  f  auf  17  e,  Myosotis  versicolor  p.  von  7f  auf  19  d,  bei 
Echium  vulgare  L.  von  23  e  auf  23  c,  Anchusa  officinaUs  L.  von 
23  c  auf  21b,  Tulmonaria  virginica  L.  von  22  d  auf  19  e.  Auch 
die  Purpurwinde  ist  in  der  Knospe  23  c,  geöffnet  18  e.  Vey^hena 
officinaUs  von  24  c  auf  22  c  bis  f,  Vicia  Cirtcca  L.  von  22  c 
auf  21  b;  auch  bei  mehreren  Arten  der  Gattung  Campamda  tritt 
die  blaue  Farbe  später  zur  rothen. 


—     301    — 

Bei  dem  Ver)}lühen  nehmen  auch  die  Blumen  dieser  Reihe 
gleichsam  trauernd  dunklere  Töne  an  und  schreiten  dabei  öfters 
von  roth  gegen  blau  vor,  wenn  auch  nicht  so  stark  wie  bei  dem 
Aufblühen,  so  Aesculus  Pavia  L.  von  24  d  auf  22  b,  Malva  mau- 
ritiana  L.  von  23  a  und  d  auf  21  a  und  c,  Petunia  violacea 
Hooker  von  21  g  auf  19  d  und  eine  Spielart  derselben  von  23  a 
auf  20  b,  Rosa  Lord  Raglan  Hort,  von  23  b  auf  22  b,  Rubus 
odoratus  L.  von  23  c  auf  22  c,  ebenso  Swainsonia  pur  pur  ea  Hort. 

Ein  reines  Schw^arz,  die  Verneinung  aller  Farbe,  mit  all 
seinen  Tönen  durch  dunkelgrau  und  hellgrau  kommt  an  den 
Blumenkronen  nie  vor,  alle  Versuche  der  Kunstgärtner  und  Blu- 
menliebhaber, es  zu  erhalten,  sind  vergeblich  gewesen,  sie  spre- 
chen zwar  wohl  von  schwarzen  Kosen,  Nelken,  Dahlien,  Herbst- 
rosen, haben  es  aber,  wie  der  flüchtigste  Blick  zeigt,  nur  dahin 
gebracht,  die  ursprüngliche  rothe  oder  purpurne  Farbe  dieser 
Blumen  durch  ihre  Verdunkelung  der  schwarzen  möglichst  zu 
nähern,  oft  noch  über  den  tiefsten  Ton  a  hinaus,  während  die 
überwiegend  blauen  Stufen  der  janthinischen  Reihe  und  die  der 
ganzen  xanthischen  Reihe  nicht  die  geringste  Neigung  zu  einer 
solchen  Verdunkelung  zeigen,  wenn  gleich  die  blaue  Farbe  nach 
Göthe  der  schwarzen  am  nächsten  verwandt  sein  soll. 

Ein  solches  dunkles  Purpurroth  oder  Violett  sind  auch  genau, 
besonders  gegen  das  Licht  betrachtet,  die  Flecken,  Striche  und 
Zeichnungen  an  der  chinesischen  Iselke,  am  Grunde  der  Gilia 
tricolor  Benth.  und  des  Gossypium  puniceuin  Jacq.^  am  Schlünde 
der  Viola  tricolor  L.  und  an  den  beiden  oberen  Blättern  mehre- 
rer Pelargonien^  endlich  alle  die  Blumen,  welche  wiegen  der  auf- 
fallenden Tiefe  ihrer  Farbe  den  Beinamen  der  schwarzen  erhal- 
ten haben,  wie  Pelargonimn  raelananthos  Jacq.^  Erica  nigrita  L., 
Empetrurn  nigrum  L. ,  Satyimim  nigrum  L.,  Veratrum  nigrum  L., 
Nigrina  viscosa  L.,  Hyoscyamus  niger  L.,  tief  violett  geädert,  ist 
so  Wenig  schwarz,  als  Hyoscyamus  cdhus  L.  weiss:  freilich 
getrocknet,  besonder»  langsam  getrocknet,  werden  diese  Blu- 
men zuweilen  wirklich  schwarz,  daher  manche  von  ihnen 
nach  dergleichen  '  Exemplaren  benannt  worden  sein  mögen, 
wie     Orobus     niger    L.     und    Cytisus    nigricans    L.    nach    ihren 


.       —    302    — 

schwarE  werdenden  Blättern.  Am  reinsten  scheint  die  schwarze 
Farbe,  wie  schon  Pythagoras  annahm,  in  den  Flecken  der  weissen 
Blume  der  Ackerbohnen  ( Vicia  Faba  L.)  aufzutreten,  allein  auch 
hier  beweist  die  rothblühende  Spielart  dieser  Bohne,  da&s  man 
nur  ein  verdunkeltes  Purpurroth  vor  sich  habe. 

An  diese  angeblich  schwarzen  Blumen  reihen  sich  einige 
wenige  an,  in  welchen  ein  schwaches  Gelb  mit  dunklem  Purpur 
oder  Violett  vermischt,  nicht  stark  genug,  den  vollen  Accord  der: 
weissen  Farbe  zu  bewirken,  einen  trüben  Misston  hervorbringt. 
Hieher  gehören  unsere  zwei  berüchtigsten  Giftpflanzen,  das  Bil- 
senkraut {Hyoscyamus  niger  L.)  und  die  Tollkirsche  {Atropa  Bella- 
donna L.),  ersteres  mit  trübviolettem  Netze  22  a  auf  trübroth- 
gelblichem  Grunde  6  f,  letztere  düster  braunroth  23  a,  Dr.  Schüz 
in  Calw  entdeckte  aber  in  einem  Fichtenwalde  eine  Tollkirschen- 
staude mit  lauter  trübgelblichen  Blumen  4  f,  die  sich  auch  in 
der  zweiten  Generation  im  botanischen  Garten  zu  München  im 
vollen  Sonnenschein  unverändert  erhielten,  hier  hatte  sich  das 
bleiche  Gelb  behauptet,  während  von  den  beiden  dunklen  Farben 
kaum  eine  Spur  zurückblieb.  Aehnliche  trübdunkle  ternäre  Far- 
ben zeigen  Gerariium  phaeum  L.,  Comarum  palustre  L.  und  meh- 
rere unserer  Orchideen,  Ophrys  muscifera,  aranifera  und  apifera 
Hudson,  Ophrys  arachnites  Reichard  und  Cypripedium  Calceolus  L. 
Unter  unsern  Gartenblumen  finden  wir  ähnliche  Missfarben  an 
manchen  Aurikelu,  dem  Gewürzstrauch  {calycanthus  floridus  L.), 
der  Auciiba  japonica  L.,  der  Tolpis  barhata  Oaertn.,  dem  Jakobsklee 
{Lotus  jacohaeus  L.)  und  mehreren  Asciepiadeen ,  so  an  den  capi- 
schen  Stapelien,  der  Periploca  graeca  L.,.  der  ostindischen  Cero- 
pegia  juncea  Roxh.^  dem  karolinischen  Gonolohus  macrophyllus 
Michaux^  besonders  aber  an  einigen  Schwertlilien,  (7m  sambucina 
L.  und  lurida  Aiton),  denen  man  den  Kampf  zwischen  violett  und 
gelb  ansieht,  und  vor  Allem  der  prächtigen  Wittwe  im  Trauer- 
flor, Lirio  franciscano  der  Spanier  (Iris  susiana  L.);  durch  Kunst 
hat  man  wider  Willen  solche  schwankende  Farben  durch  die 
Versuche  hervorgebracht,  in  den  Blumen  die  gelbe  Farbe  durch 
die  blaurothe  zu  verdrängen,  so  bei  der  schmalblätterigen  Schwert- 
lilie {Iris  Xiphium  L.) ,  den  Pensees  {Viola  tricolor  L.)  und  den 
Aurikeln;  endlich  verbinden  drei  in  unsern  Gärten  selten  gewor- 


—    303    — 

dene  Blumen  mit  der  sonderbaren  Eigenschaft,  im  Sonnenlicht 
geruchlos,  bei  Nacht  einen  starken  Wohlgeruch  zu  verbreiten, 
trübe  ternäre  Farben,  welche  durch  ihren  Namen  angedeutet 
werden,  die  Nachtviole  [Hesperis  tristis  L.)  hat  trüb  grüngelbliche 
11  g,  schwärzlich  23  a  geäderte  Blumen,  ähnliche  Farben  zeigt 
die  Nachtlevkoje  {Mathiola  tristis  Dec.)^  das  Nachtgeranium  {Pe- 
largojiium  triste  L.),  eine  schwärzliche  23  a  Palmenzeichnung  auf 
leichenfarbigem  Grunde. 

Weiss,  die  Vereinigung  aller  Farben,  die  volle  Zurück- 
strahlung  des  begierig  gesuchten  Lichtes,  an  sich  nur  Ein  Ton, 
verbindet  sich  in  allen  Stufen  mit  allen  andern  Farben  und  schliesst, 
unmittelbar  an  h  grenzend,  wie  schwarz  an  a,  die  Leiter  ihrer 
Töne  ab.  Ich  fand  ein  reines  Weiss  in  der  württembergischen 
Flora  an  255,  in  der  Gartenflora  an  337  Blumen,  in  beiden 
also  an  nicht  viel  weniger  als  einem  Drittheil  der  Gesammtzahl. 

2)  Farbenäuderungen  der  Blumenkronen. 

Im  freien  Naturzustande  hat  jede  Blume  ihre  bestimmte  feste 
Farbe,  und  Ausnahmen  von  dieser  Regel  bleiben  immer  seltene 
isolirte  Erscheinungen. 

Am  seltensten  ändern  Blumen  der  xanthischen  Reihe  ihre 
Farbe,  die  Flora  von  Württemberg  liefert  zwei  Beispiele  davon, 
welche  jedoch  von  den  jetzigen  Botanikern  verneint  werden,  in- 
dem sie  die  Linne'sche  Art  in  zwei  besondere  spalten,  so  die 
violettblaue  AnagalUs  coeruUa  Schreb.  19  b  von  der  normalen 
rothorangerothen  Aiiagallis  arvensis  L.  2  d,  das  violett-violettrothe 
Symphytum  patens  Sibih.  22  c  von  dem  normalen  weissgelben 
Symphytwn  officinale  L.  9  g.  Bei  dem  Schotenklee  {Lotus  corni- 
culatus  L.)  und  dem  Wundkraut  (AnthyUis  Vuhieraria  L.)  tritt 
oft  bei  starkem  Lichte  und  geringer  Wärme  an  der  normal  gel- 
ben Blume  ein  scharlachrother  Anflug  auf. 

Die  gelbe  Medicago  falcata  L.  erzeugt  zuweilen  mit  dem  vio- 
letten Luzernerklee  die  sonderbarsten  Uebergänge  durch  grün  in 
violett,  eine  ganze  Farbenreihe,  welche  man  unter  dem  Namen 
Medicago  media  P.,  richtiger  M.  hyhrida  Gaudin,  zusammenge- 
fasst  hat ;  sie  lauft  ganz  parallel  mit  dem  Uebergang  der  schma- 
len Blätter  der  M.  falcata  L.  in  die  breiten  der  M.  sativa  L. 


—    304    — 

In  andern  Fällen  beschränkt  sich  die  Aenderung  auf  ein 
blosses  bleicher  werden,  so  geht  in  den  Kornfeldern  oft  die  feuer- 
rotiie  Ado7iis  aestivalis  L.  3  d  in  ein  blasses  Orangegelb  7  f  über, 
Impatiens  Noli  längere  L.  von  8  e  in  8  f,  Verbascum  Lychnitis  L. 
von  9  f  in  9  h,  Melilotus  oßicinalis  L.  von  9  e  in  weiss^  die  so- 
genannte M.  Petltplerreana   Willd. 

Bei  den  Grartenblumen  finden  wir  üebergänge  von  gelb  in 
roth,  meist  mit  gleichzeitiger  Verdunkelung,  bei  Tidipa  sylvestris 
L.  von  8  f  in  1  b,  bei  Tulipa  suaveolens  Roth  von  9  e  in  2  b, 
bei  Tidipa  Gesneriana  L.  von  9  e  in  2  a.  bei  den  Aurikeln  von 
8  f  in  3  a,  Primida  elatior  Jacq.  9  f  bis  3  b,  Frimala  oficincdis 
L.  8  6  bis  2  a,  Ranunculus  asiaticus  L.  8  e  bis  2  b,  bei  den 
peruanischen  Calceolarien  von  9  e  bis  2  a,  bei  CaUiopsis  bicolor 
Rchh.  von  8  e  in  4  a,  bei  dem  Goldlack  von  8  d  in  3  a,  bei 
der  Kapuzinerkresse  von  5  a  und  c  bis  9  a  und  bei  der  gelben 
Rose  in  der  Spielart  Rosa  bicolor  L.  von  9  e  ohne  üebergänge 
auf  3  b. 

Uebergriffe  der  xanthisclien  Reihe  in  die  janthinische  sind 
seltener,  sie  finden  Statt  bei  Calceolaria  von  9  e  bis  22  a,  bei 
Primida  elatior  Jacq.  von  9  f  bis  22  c,  bei  den  xlurikeln  von  8 
f  bis  20  c,  bei  der  Gartenranunkel  von  8  e  bis  22  b,  bei  Tulipa 
Gesneriana  L.  von  9  e  bis  21  c,  bei  Tulipa  sylvestris  L.  von  8 
f  bis  22  a,  bei  Priimda  acaidis  Jacq,  von  9  g  bis  21  d. 

Lichter  werden  kommt  hier  nicht  oft  vor,  doch  geht  die 
Ringelblume  von  6  b  bis  9  e,  8  f  und  5  g,  die  Sonnenblume 
von  8  e  in  9  f,  Tagefes  erecfa  L.  von  7  d  in  8  f  und  9  f, 
Tagetes  patida  L.  von  3  durch  4  b,  5  a  b,  Gab,  7  c  d  bis  8 
d  e,  die  Granatblüthe  von  2  d  ohne  üebergänge  auf  8  e,  die 
Kaiserkrone  von  4  c  auf  9  e  und  4  h,  das  Malteserkreuz  (Lychnis 
clicdcedonica  L.J   von  2  b  auf  2  f,  Calceolaria  von  9  e  bis  9  h. 

Noch  seltener  ist  der  üebergang  einer  Blume  der  xanthischen 
Reihe  in  weiss:  in  der  Flora  von  ^Württemberg  kommt  er  gar 
nicht  vor,  in  den  Gärten  bei  der  Feuerbohne  von  3  d  durch  2  c 
und  f  in  der  zweifarbigen  zu  weiss  in  der  weissen  Spielart,  bei 
Chrysanthemum  coronarium  L.  von  9  e,  bei  der  Tazette  von  8  e, 


—    305    — 

bei  Primula  elatior  Jacq.^  bei  Primula  acaulis  Jacq.^  bei  den  Tul- 
pen und  nach  Weinmann  auch  bei  der  Gartenranunkel  und  der 
Aurikel. 

Eine  merkwürdige  Eigenthümlichkeit  der  Familie  der  Corym- 
biferen  ist  das  häufige  Vorhandensein  von  zweierlei  ganz  ver- 
schieden gestalteten  und  gefärbten  Blumen  in  einem  Blumenkopf, 
die  inneren  sind  kleiner,  röhrenförmig,  gelb,  die  Randblumen 
dagegen  zungenförmig  und  von  allen  Farben ;  indem  man  nun  bei 
den  unrichtig  gefüllt  genannten  Gartenblumen  die  kleinen  Röh- 
renblumen in  grosse  Zungenblumen  verwandelt,  nehmen  erstere 
mit  der  Gestalt  auch  die  Farbe  der  letzteren  an,  roth  z.  B.  bei 
Senecio  elegans  L.,  Chrysanthemum  indicum  L.,  Bellis  pei^ejinis  L., 
weiss  bei  Matricaria  Parthenium  L.,  Anthemis  iiobilis  L.,  Achillea 
Ptarmica  L.  und  selbst  blau  oder  richtiger  violett  20  f  bei  Aster 
chinensis  L.,  während  sonst  die  Farbenänderungen  der  xanthischen 
Reihe  in  die  janthinische  nie  weiter  hereinreichen,  als  höchstens 
um  drei  Stufen,  bis  22  violett-violettroth. 

In  der  janthinischen  Farbenreihe  kommen  auch  Uebergänge 
von  einer  Farbe  in  die  andere  bei  der  freien  Pflanzenwelt  nicht 
oft  vor,  so  bei  Polygala  vulgaris  L.  von  violett -violettblau  20  c 
in  violett-violettroth  22  c,  bei  der  Sternhyacinthe  (Scilla  Ufolia 
L.)  von  violettbLau  19  b  in  lichtrosa  23  h,  bei  der  Ackerscabiose 
von  violett  21  e  in  21  c  d,  20  e  bis  22  f,  bei  Scabiosa  columbaria 
L.  von  20  d  im  Spätherbst  erröthend  in  21  c  d  oder  erbleichend 
in  20  e  bis  f,  seltener  bei  Succisa  pratensis  Mmnch  von  21  c  in 
23  e,  bei  dem  Yergissmeinnicht  von  17  e  in  rosa  23  f,  bei  dem 
Wiesensalbei  von  violett  2 1  b  c  in  violett-violettblau  20  b  d  oder 
Violettroth  23  e,  bei  Ajuga  reptans  L.  von  19  c  in  24  e  oder  g, 
so  dass  die  Farbenänderung  in  der  Regel  von  blau  in  roth  geht. 

Ziemlich  häufig,  doch  in  geringer  Zahl  von  Exemplaren,  fin- 
det man  in  der  freien  Natur  den  Albinismus,  das  Ueberspringen 
einer  Blume  von  ihrer  normalen  Farbe  in  weiss,  meist  bei  zu 
sehr  beschatteten  oder  kränklichen  Pflanzen,  zuweilen  mit  Ueber- 
gangstönen,  häufiger  aber  ohne  solche,  so  bleibt  bei  Polygala  vul- 
garis L.  zuerst  die  blaue  Farbe  aus,  dann  auch  die  rothe,  das 
Heidekraut  bleicht  von  22  d  durch  e  bis  h  endlich  in  o  aus,  Ajuga 

Württtimb.  naturw.  Jalireshefte.     1862.     2s  Hett-  20 


_    306    — 

reptans  L.  19  c  wird  lebhaft  rotli  23  e,  dann  bleichroth  23  g, 
endlich  weiss,  ebenso  der  Wiesensalbei ;  im  Ganzen  hat  man  schon 
47  unserer  württembergischen  rothblauen  Blumen  weiss  angetrof- 
fen und  zwar  von  der  Stufe 

17  blau 1 

18  blau-violettblau 3 

19  violettblau 3 

20  violett-violettblau 2 

21  violett 12 

22  violett- Violettroth 18 

23  Violettroth 7 

24  roth-violettroth ,     .       1, 

so  dass  es  scheinen  könnte,  dass  die  violetten  und  purpurnen 
Blumen  am  meisten  dem  Albinismus  ausgesetzt  seien;  dem  ist 
aber  nicht  so,  die  Vertheilung  ist  sehr  unregelmässig  und  das 
regelmässige  Zu-  und  Abnehmen  in  vorstehender  Uebersicht  mehr 
Folge  der  Zu-  und  Abnahme  der  in  den  einzelnen  Farben  blü- 
henden Arten,  es  bilden  nehmlich  die  zuweilen  weissblühenden  Ge- 
wächse in  der  Stufe 

17  den  achten  Theil  der  Gesammtzahl,  in 

18  den  fünften,  in 

19  den  neunten,  in 

20  nur  den  fünfundzwauzigsten,  dagegen  in 

21  den  fünften,  in 

22  den  sechsten,  in 

23  den  fünfzehnten  und  in 

24  nur  den  dreiundvierzigsten  Theil  derselben. 

Bei  weitem  häufiger  als  im  freien  Zustande  ändern  die  Blu- 
men der  janthinischen  Reihe  ihre  Farbe  unter  der  Hand  der 
Kunstgärtner,  welche  hier  ihren  weitesten  Spielraum  gefunden 
haben;  zwar  ist  mir  von  einer  Versetzung  einer  rein  blauen  Blume 
der  Stufe  17  in  eine  andere  Stufe  nichts  bekannt  geworden,  da- 
gegen ist  es  häufig  gelungen,  Blumen  der  drei  folgenden  Stufen 
nach  dem  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  dadurch  von  blau  in 
roth  zu  verwandeln,  dass  bei  dem  Erbleichen  in  weiss  die  blaue 
Farbe  als  die  flüchtigste  bälder  ausbleibt  als  die  rothe;  so  gehen 


—    307    — 

in  der  Stufe  18  Hyaciuthen  und  Hyssop  bis  in  hellkarmin  24  c 
bis  f  über,  in  der  neunzehnten  Iponma  purpurea  L.  bis  23  c, 
Centaurea  Cyanus  L.  bis  24  e  bis  h,  in  der  zwanzigsten  Anemone 
hepatica  L.  von  20  c  durch  22  c  bis  22  g,  Aquilegia  vulgaris  L. 
von  20  b  bis  22  b  bis  f,  der  Rittersporn  (Delphinium  Consolida  L.) 
von  20  b  bis  24  e  und  da,  wo  viele  Cichorie  gebaut  wird,  auch 
diese  von  20  c  bis  24  d. 

Dasselbe  ist  der  Fall  bei  einigen  sehr  häufigen  violetten 
Blumen,  Aster  chiiiensis  L.  21  b  bis  24  c  bis  g,  Delphinium  Aja- 
eis  L.  21  b  bis  23  d  bis  f  und  Papaver  somniferum  L.  21  e  bis 
1  b  bis  d,  die  viel  bearbeiteten  Pensees  aber  hat  man  in  dieser 
Richtung  nicht  weiter  treiben  können  als  von  21  a  bis  zu  22  a 
bis  g. 

In  der  violett-violettrothen  Stufe  hat  man  die  beliebten  Bal- 
saminen,  in  Venedig  schöne  Männer  genannt,  von  22  c  durch 
23  und  24  bis  1  b  d  gebracht,  die  noch  beliebteren  Levkojen 
aber  nur  um  eine  Stufe  von  22  a  und  b  bis  23  b  bis  e,  ebenso 
die  chinesische  Schlüsselblume  von  22  d  auf  23  f,  Senecio  cruentus 
Dec.  von  22  d  bis  24  e  und  Petunia  violacea  Hooker  von  22  c 
auf  23  a  bis  h;  in  violettroth  finden  wir  noch  die  Bartnelke, 
welche  von  23  c  bis  24  a  bis  e  geht. 

Rückwärts,  durch  Verlust  von  roth  gegen  blau,  gehen  von 
den  drei  Stufen,  in  welchen  die  blaue  Farbe  schon  die  überwie- 
gende ist,  nur  zwei  in  der  letzten  dieser  Stufen  20  stehende 
Blumen,  Aquilegia  vulgaris  L.  von  20  b  auf  17  c  und  Delphinium 
Consolida  L.  von  20  d  auf  19  g ;  von  den  violetten  Blumen  geht 
Aster  chinensislj .  von  21  b  auf  20  f  g,  Delphinium  Ajacis  L.  von 
21  b  auf  20  d  bis  g  und  Viola  tricolor  L.  von  21  a  auf  20  a 
bis  d. 

In  der  nächsten  Stufe  geht  die  Sommerlevkoje  von  22  b  auf 
21  d  bis  f,  Malcolmia  maritima  Br.  von  22  d  auf  21  d  bis  h, 
Petunia  violacea  Hook,  von  22  c  auf  20  c  und  Senecio  cruentus 
Dec.  von  22  d  bis  auf  18  c  d. 

In  der  Purpurstufe  finden  wir  die  Vexirnelke  (Agrostemma 
coronaria  L.)  von  23  e  auf  20  g  zurückgeliend,  die  Herbstrose 
von  23  c  auf  21  a  bis  f,  die  Löwenmäuler  von  23  c  auf  22  c  d, 


—    308    — 

die  Dahlien  von  23  b  auf  22  a  bis  h,  die  Bartuelke  von  23  c  auf 
22  a  bis  e,  Paeonia  Moutaii  Sims  von  23  b  auf  21  f,  Fritillaria 
Meleagris  L.  von  23  b  und  e  auf  22  c  und  h,  endlich  Pelargonien 
von  23  e  auf  22  a  bis  e. 

In  der  karminrothen  Stufe  geht  Azalea  indica  L.  von  24  c 
auf  22  c  zurück,  Diantims  chinensis  L.  von  24  a  auf  22  a  bis  f, 
Phlox  Dru77imondi  Hooker  \on  24:  h  auf  21  f,  Portulaca  grandiflora 
Hook,  von  24  b  auf  23  b  c  und  Rosa  indica  L.  von  24  f  auf 
22  a  b. 

Von  rein  rothen  Blumen  geht  Camellia  japonica  L.  von  1  c 
bis  24  b  c  d,  die  in  Süddeutschland  sehr  selten  gewordene  schöne 
Gartenanemone  von  1  b  bis  21  c  f,  die  Gartennelke  von  1  a  bis 

22  a  bis  g  und  die  diesen  weit  nachstehende,  dennoch  zur  Mode- 
blume gewordene  Verhena  chamaedryfolia  Juss.  von  1  c  bis  auf  20  d. 

Zu  diesen  19  Fällen  einer  von  blau  gegen  roth  vorschrei- 
tenden Blume  und  25  einer  von  roth  gegen  blau  schreitenden 
kommen  noch  17  Fälle,  wo  Blumen  der  janthinischen  Reihe  die 
Grenze  derselben  überschreitend  sich  der  gelben  Farbe  nähern 
oder  dieselbe  sogar  erreichen.  Von  blauviolettblau  18  d  hat  man 
die  Hyacinthe  bis  auf  blass  orange  5  g  gebracht,  die  Fuchsien 
von  dunkelviolett  21  a  auf  scharlachroth  2  d,  den  chinesischen 
Aster  auf  9  f  und  h,  doch  stehen  diese  drei  Fälle  sehr  isolirt  da, 
in  den  übrigen  sind  es  überwiegend  rothe  Blumen  der  drei  äus- 
sersten  Stufen  23,  24  und  1,  die  Herbstrose  von  23  c  bis  7  f, 
Chrysanthemum  indicmn  L.,   etwas  aus  der  Mode  gekommen,  von 

23  b  bis  9  e,  die  Dahlien  von  23  b  bis  9  e,  die  Schweizerhose 
von  23  b  bis  8  d,  die  Modepelargonien  von  23  e  nur  auf  2  b 
und  Zinnia  elegans  Jacq.  von  23  e  bis  8  e. 

Aus    der  Karminstufe   ist  Azalea  indica  L.   von  24  c  bis  auf 

8  f  gekommen,  Portulaca  grandiflora  Hook,  von  24  b  bis  9  e  und 
f,   die  bengalische  oder  Monatrose  {Rosa  iiidica  L.)  von  24  f  bis 

9  e  f  h ;  endlich  sind  unter  den  reinrothen  Blumen  die  Klatsch- 
rose von  1  b  auf  4  c,  das  Scharlachgeranium  von  1  d  auf  3  c, 
die  Gartenanemone  von  1  b  auf  9  e,  die  Gartennelke  von  1  a 
auf  9  g  und  Verhena  chamaedryfolia  Juss,  von  1  c  auf  2  c  ge- 
bracht worden. 


—   309   — 

Weit  besser,  als  die  Hinüberleitung  in  eine  andere  Stufe,  ist 
die  Veränderung  des  Farbentons,  ein  dunkler  oder  heller  werden 
desselben  gelungen,  die  Verdunkelung  bei  den  Herbstrosen  c  auf 
a,  Gartenanemonen  b  auf  a,  Löwenmäulern  c  auf  b,  Aquilegia 
vulgaris  L.  b  auf  a,  Aster  chineiisis  L.  b  auf  a,  Dahlien  b  auf  a, 
Paeonia  Moutan  Sims  b  auf  beinahe  schwarz,  Bartnelken  c  auf  a, 
Hyacinthen  d  auf  a.  Balsaminen  c  auf  a,  Petunia  violacea  Hook. 
c  auf  a,  Phlox  Drummondi  Hook,  b  auf  a ,  Vinca  minor  L.  d  auf 
a,  Sejiecio  cruentus  Dec.  d  auf  b,  Verbe?ia  chamaedryfoUa  Juss.  c 
auf  a,  und  selbst  bei  Normaltönen  der  lichteren  Hälfte  bei  dem 
Gartenmohn,  den  Pelargonien  und  Zimiia  elegans  Jacq.  von  e 
auf  a  der  bengalischen  Rose  und  den  x\urikeln  von  f  auf  a. 

Bei  weitem  häutiger  als  die  Verdunkelung  kommt  das  lichter 
werden  bis  zum  reinsten  weiss  vor,  bald  schrittweise,  wie  bei 
Rosen,  Dahlien,  Xelken,  Levkojen,  Verbenen,  Paeonia  Moutan 
Sims,  bald  als  plötzliclier  Sprung  ohne  vermittelnde  Uebergänge, 
wie  bei  der  dreifarbigen  Winde,  den  Glockenblumen,  dem  Laven- 
del, Polenionium  coeruleum  L.,  Syringa  vulgaris  L.,  Galega  offici- 
nalis  L.,  Tradescantia  virginica  L.,  Agrostemma  coronaria  L.,  Dic- 
tamnus  Fraxinella  P. ,  Hibiscus  syriacus  L.,  Iris  germanica  L., 
Lavatera  trimestris  L.,  Hedysarum  coronarium  L,,  Lunaria  annua  L., 
dem  Oleander  und  manchen  andern. 

Sehr  auffallend  ist  es,  dass  während  ich  in  der  xanthischen 
Reihe  9,  in  der  janthinischen  77  bis  in  weiss  übergehende  Blu- 
men gefunden  habe,  die  von  Natur  weissen  Blumen  so  ganz  und 
gar  keine  Neigung  zeigen,  eine  andere  Farbe  anzunehmen,  so 
geht  in  unserer  Flora  keine  Alsinee,  kein  Anthericum,  Arabis, 
Thlaspi,  Lepidium,  Capsella,  Prunus,  Fragaria,  Daucus,  Pimpi- 
nella  u.  s.  w.  je  in  eine  andere  Farbe  über,  nur  bei  wenigen 
Arten  erscheint  die  Blume  bei  niederer  Temperatur  hell  purpur- 
roth  23  gefärbt,  so  bei  Chaerophyllum  hirsutam  L. ,  Heracleum 
Sphondylium  L.,  Achillea  Millefolium  L.  oder  an  der  unteren 
Fläche  der  Blumenblätter  gegen  die  Spitze,  d.  h.  so  weit  sie  aus 
der  Knospe  schutzlos  hervorstanden,  purpurroth  angeflogen,  wie 
bei  Staphylea  pinnata  L.,  Anemone  nemorosa  L.,  der  Apfelblüthe 
und   den   den  Frühling  verkündigenden  Erstlingen  der  lieblichen 


—    310   —     ' 

Blume,  welche  in  den  romanischen  Sprachen  Marguerite ,  Mar- 
gherita, Margarita  (Perle),  in  Krain  Marietizza  (Mariechen),  in 
Deutschland  allzuprosaisch  Gänseblume  genannt  wird. 

Dieser  Gänseblume  haben  sich  die  Gärtner  angenommen,  sie 
haben  ihre  Scheibenblüthen  in  Zungenblüthen  verwandelt  und 
sie  dahin  gebracht,  alle  Töne  ihres  natürlichen  Anflugs  23  a  bis 
h  anzunehmen,  in  eine  andere  Stufe  hat  sie  sich  aber  nicht  hin- 
überziehen lassen,  und  drei  weitere  weisse  Blumen,  die  zu  färben 
es  gelungen  ist,  sind  merkwürdigerweise  in  die  gleiche  Stufe  ge- 
kommen, der  rothblühende  Weissdorn  23  e,  das  Basilicum,  welchem 
bei  dem  schwarzroth  färben  der  Stengel  und  Blätter  die  Röthe, 
wenn  auch  lichter  23  d,  bis  in  die  Krone  drang,  und  die  Mai- 
blume 23  f. 

Fassen  wir  das  Ergebniss  der  angeführten  Thatsachen  zu- 
sammen, so  erhalten  wir  für  die  Farbenmetamorphose  der  Blumen 
folgende  Regeln: 

1)  Weisse  Blumen  lassen  sich  nicht  verändern ,  von  diesem 
Gesetze  fand  ich  unter  337  Gartenblumen  nur  drei  Ausnahmen, 
nicht  einmal  ein  Procent. 

2)  Mit  den  gelben  Blumen  ist  auch  nicht  viel  anzufangen, 
die  ganze  xanthische  Reihe  hält  an  ihren  Normalstufen  fest,  unter 
den  von  mir  aufgezeichneten  656  Gartenblumen  dieser  Reihe 
fand  ich,  wenn  man  die  Metamorphose  der  gelben  Scheiben- 
blüthen der  Corymbiferen  in  anders  gestaltete  und  gefärbte 
Randblüthen  ausser  Berechnung  lässt,  nur  18  Blumen,  kaum  drei 
Procent,  welche  in  andere  Stufen  übergehen,  darunter  zwei- 
stufige 6,  drei-,  vier-,  fünf-,  sechs-,  acht-  und  zehenstufige  je  eine, 
zwölfstutige  3,  dreizehenstufige  2  und  als  höchste  Zahl  die  Aurikel 
mit  sechszehen  Stufen,  1  bis  9  und  20  bis  24  und  als  Versuche, 
die  blaue  Farbe  von  der  andern  Seite  zu  erreichen,  IIb  und 
15  b.  Die  Aurikel,  ursprünglich  Alpenpflanze,  früher  noch  be- 
liebter und  häufiger  als  gegenwärtig,  hat  überhaupt  die  äussersten 
Grenzen  der  Farbenänderungen  einer  Blume  erreicht,  nur  fünf 
grüne  und  drei  blaue  Stufen  blieben  der  ursprünglich  gelben 
Blume  unerreichbar. 


—    311    — 

3)  Am  ehesten  gehen  noch  gelbe  Blumen  in  rothe  über,  von 
jenen  18  nehmlich  15,  dagegen  in' violett  nur  2,  in  violett-violett- 
blau nur  die  erwähnte  Aurikel,  in  noch  blauere  Stufen  gar  keine. 

4)  In  der  janthinischen  Reihe  ist  das  Verhältniss  der  ver- 
änderlichen Blumen  zu  den  unveränderlichen  den  ersteren  gün- 
stiger, ich  fand  unter  1149  Gartenblumen  dieser  Reihe  44,  bei- 
nahe vier  Procent,  .veränderlich,  darunter  zweistufige  12,  drei- 
und  vierstufige  je  6,  fünfstufige  2,  sechsstufige  7,  siebenstufige  2, 
aclit-,  neun-  und  zehenstufige  je  eine,  elfstufige  2,  zwölfstufige  J 
und  dreizehenstufige  eine. 

5)  Von  den  Farben  dieser  Reihe  erwiedern  die  rothen  die 
freundnachbarliche  Zuneigung  der  gelben,  vierzehen  kommen  ihnen 
bis  in  die  xanthische  Reihe  entgegen,  darunter  drei  bis  gelb- 
orange-gelb 8,  sechs  bis  rein  gelb  9. 

6)  Bei  den  violetten  und  blauen  Blumen  ist  es  dagegen  nie 
gelungen,  eine  einzige  bis  zu  einem  ordentlichen  Gelb  zu  bringen, 
von  dem  näheren  Weg  durch  grün  konnte  gar  keine  Rede  sein, 
und  auf  dem  langen  durch  roth  brachte  man  die  Fuchsien  nur 
auf  scharlachroth,  den  chinesischen  Aster  als  Erinnerung  an  die 
ursprüngliche  Farbe  seiner  Scheibenblüthen  auf  ein  bleiches  Gelb 
9  f  bis  h,  endlich  die  Hyacinthe  als  die  einzige  von  einer  über- 
wiegend blaaen  Stufe  bis  in  die 'Nähe  von  gelb  gebrachte  Blume 
auf  ein  sehr  bleiches  und  flüchtiges  Orange  5  g  und  h. 

7)  Die  überwiegend  rothen  Blumen  der  janthinischen  Reihe 
haben  gar  keine  Neigung,  in  überwiegend  blaue  überzugehen, 
von  29  Arten  sind  nur  3  um  eine  Stufe  über  violett  hinaus  auf 
20 gekommen,  unASenecio  cruentus  Dec.  (die  Cinerarien  der  Gärtner) 
steht  als  einziges  Beispiel  da,  dass  eine  zwar  dicht  au  violett 
grenzende  rothe  Blume  bis  auf  die  an  reines  Blau  grenzende 
Ultramarinstufe  gebracht  worden  ist ;  man  hat,  durch  dieses 
ausserordentliche  Ereigniss  ermuthigt,  in  England  einen  hohen 
Preis  auf  die  Erzeugung  einer  blauen  Dahlie  gesetzt,  doch  bis 
jetzt  ohne  Erfolg,  und  die  Angabe  der  Chinesen,  dass  sie  Paeonia 
Moutan  Sims  auf  blau  und  auf  gelb  gebracht  hätten ,  hat  sich 
als  unwahr  erwiesen. 

8)  Keine  rein  blaue  Blume  hat  sich  jemals  geröthet,  dagegen 


—    312    — 

zeigen  sioh  die  9  vorwiegend  blauen  veränderlichen  Blumen  der 
Stufen  18  bis  20  geneigter,  in  überwiegend  rothe  überzugehen, 
als  diese  in  jene,  drei  erreichen  violett- violett-roth,  eine  purpur- 
roth  und  die  übrigen  5  sogar  karminroth  mit  nur  %  blau,  zu 
reinem  Roth  gelangt  jedoch  auch  von  diesen  keine.  Mit  andern 
Worten,  in  der  blaurothen  Farbenreihe  gelingt  leicht  eine  Stei- 
gerung der  rothen^Farbe,  fast  nie  eine  der  blauen,  der  isolirtesten 
aller  Blumenfarben. 

9)  Am  leichtesten  und  häufigsten  kommt  die  Veränderung 
des  Tons  der  Farbe  vor,  besonders  das  durch  geringere  Stärke 
des  Lichts  bedingte  Erbleichen  derselben,  ich  beobachtete  an  den 
1200  Arten  von  Gartenblumen  eine  solche  Veränderung,  bald  mit 
üebergängen,  bald  sprungweise,  bei  101  Arten,  also  etwas  über 
8  Procent. 

3)  P  a  n  a  s  c  h  i  r  t  e  Blumen. 

Ist  einmal  eine  farbige  Blume  in  die  Reihe  der  w' eissen  tiber- 
getreten, so  theilt  sie  mit  diesen  die  Abneigung  gegen  die  An- 
nahme anderer  Farben,  eine  schrittweise  Rückkehr  zur  Normal- 
farbe von  Ton  zu  Ton  findet  nicht  Statt,  dagegen  kann  eine 
andere  merkwürdige  Erscheinung  eintreten ;  die  Panaschirung  der 
Blütheu,  sagt  der  erfahrene  Stuttgarter  Kunstgärtner  Albert 
Courtin  in  der  dort  erscheinenden  Gartenzeitung  (Band  I  von 
1857,  S.  15),  ist  das  theilweise  Zurückgehen  einer  hellfarbigen 
Varietät  auf  die  Grundfarbe  der  Species,  von  welcher  sie  ur- 
sprünglich abstammte,  und  zeigt  sich  bei  der  ersten  Generation 
nur  schwach,  bei  den  darauf  folgenden  aber  viel  deutlicher  und 
in  breiteren,  dunkleren  Streifen.  Lecoq  bestätigt  unbewusst  dieses 
Gesetz,  wenn  er  (Seite  341)  sagt,  dass  die  Belle  de  nuit  lange 
nur  rothe  oder  gelbe  Blumen  gehabt  habe  und  die  panaschirten 
erst  später  erzielt  worden  seien,  wann  sagt  er  freilich  nicht,  und 
Weinmann  hat  schon  im  Jahr  1742  gute  Abbildungen  davon  ge- 
liefert. Auch  die  Dahlien  haben  nach  Lecoq  lange  der  Pana- 
schirung widerstanden. 

Diese  Blumen,  welche  man  gesprenkelte  oder  gestreifte  nen- 
nen könnte,    zeichnen  sich  durch  einen  hellen,   weissen,  gelben 


—    313  — 

oder  lichtrothen  Grund  aus,  auf  welchem  statt  einer  allgemeinen 
Farbenänderung  nur  einzelne  scharf  begrenzte  kürzere  oder 
längere  dunkle  Streifen  auftreten,  an  denen  man  keine  andere  Regel- 
mässigkeit -wahrnimmt,  als  dass  sie  alle  der  Länge  der  freien 
oder  yerwachsenen  "Blumenblätter  nach  in  der  Richtung  der 
Blattnerven  vom  Mittelpunkt  der  Blume  ausstrahlen,  ohne  die 
mindeste  Biegung  zu  machen,  wohl  aber  mit  Zunahme  der  Breite 
in  ihrem  Fortschreiten  gegen  den  Rand  der  Blume;  zunehmend 
fliessen  diese  Keile  oft  zusammen,  und  zuweilen  findet  man  einzelne 
Blumen,  welche  in  der  Längenrichtung  genau  zur  Hälfte  hell,  zur 
andern  Hälfte  dunkel  gefärbt  sind;  solche  Blumen  fand  ich  bei 
den  Schweizerhoseu,  dem  Rittersporn  und  der  Nelke,  einmal  auch 
als  gewaltigeren  Sprung  bei  Iris  ßorentina  L. ,  deren  weisse 
Blume  zur  Hälfte  zur  Stammart  Iris  germanica  L.  zurückgekehrt 
war,  von  jedem  der  drei  Kreise,  den  3  herabgebogenen  Kelch- 
blättern, den  3  aufrechten  Kronenblättern  und  den  3  Abschnitten 
der  Narbe  fielen  je  anderthalb  auf  jede  Farbe,  einander  deckend, 
so  dass  eine  haarscharf  gezogene  Linie  die  Blume  senkrecht  in 
zwei  gleiche  Hälften  theilte,  deren  eine  blau-violett-blau,  die  andere 
milchweiss  war;  alle  andern  Blumen  dieser  Pflanze  waren  weiss 
und  lieferten  den  Beweis,  dass  es  sich  hier  um  eine  Rückkehr 
zur  ursprünglichen  Farbe  handelte*). 

Gestreifte  oder  panaschirte  Blumenkronen  beobachtete  ich 
theils  selbst,  theils  fand  ich  sie  in  Weinmanns  Blumenwerk**) 
bei  folgenden  Blumen: 

I.  In  der  janthinischen  Reihe. 
1)  Bei  normal  rothen  Blumen: 
Dianthus    Caryophyllus   L.    in  grosser  Mannigfaltigkeit,    der 
Grund  weiss  oder  hell  9,  8,  24,  23,  22,   die  Streifen  dunkel   3, 
1,  24,  23,  22. 

Anemone  coronaria  L.    Grund  weiss   oder  licht   9,    8,  5,  1, 


*)  Jahreshefte  des  Vereins  für  vaterländische  Naturkunde  in  Württem- 
berg 1853.  S.  366  bis  369. 

**)  Johann  Wilhelm  Weinmann  Phytanthoza  iconographica,  Regens- 
burg 1737  bis  1745.   lY  Bände.   Fol. 


—    314   — 

23,  Streifen  umgekehrt,  unten  zusammenfliessend,  nach  oben  ge- 
theilt  und  zugespitzt,  tief  1,  24  oder  23. 

Papaver  Rhoeas  L.    O   "^^^  1  h. 

Caviellia  japonica  L.   O   init  1  c. 

2)  Bei  überwiegend  rothen  Blumen: 

Paeonia  offichialis  L.  24  f  mit  24  b. 

Pelargonium  VAvenii^  Duhus  Q  ^i^  24  b  und  d. 

Azalea  indica  L.  Q  mit  1  b. 

Mirahills  Jalapa  L.  Q  ^^^^  ^^  ^    *^^®^  ^   ^   ^^^  ^^  ^'   ^^^^ 
Lecoq  höchst  selten  auch  Q  ^^^^  ^  ^• 

Dahlia  variabilis   Willd.  9  e  oder  f  mit  23  b. 

Antirrhinum  majus  L.  Q  mit  23  c. 

i?05a  gallica  L.  23  f  oder  g  mit  23  d. 

Zinnia  elegans  Jacq.  8  h  mit  23  e. 

Matthiola  incana  R.  Br.  Q  ^i*  22  c  oder  23  c. 

Hesperis  mcitro7ialis  L.  Q  mit  22  d. 

Petimia  violacea  Hook  Q  "^i^  22  c. 

Impatiens  Balsamina  L.  Q  ^^^i^  ^2  c  oder  23  c  oder  1   b. 

Amygdalus  Persica  L.  Fortune's  gefüllte  Pfirschenblüthe  aus 
China  Q  "^it  23  f. 

3)  Bei  -violetten  Blumen  : 

Viola  odorata  L.  Q  ^it  21  b. 

F/o?a  tricolor  L.  9  e  oder  f  mit  21b. 

Aster  chinensis  L.  Q  ^^^^  21  b  oder  23  b. 

4}  Bei  überwiegend  blauen  Blumen  : 

Aquilegia  vulgaris  L.  Q  ^^^  20  b  oder  22  b. 

Delphinium  Consolida  L.  Q  ^^^i'  22  f  mit  20  b. 

Coiwolvulus  tricolor  L.  erst  seit  1861,  Q  ^^^  ^^  ^• 

Ipomcea  purpurea  L.  seit  1859,  O  ^^it  19  b. 

II.  In  der  xanthischen  Reihe. 
Tulipa  Gesneriana  L.  Q  o^^^'  ^  ^  ^^^r  9  f  mit  8,   6,   3,  2, 

24,  23,  22,  21  oder  ternärem  Braun. 

Tulipa  suaveolens  Roth  9  e  mit  2  b. 

Tidipa  sylvestris  L.    8  f  oder  9  e  mit  7,    6,    4,   3,    2,    1,  24, 
23,  22. 


—    315   — 

Ranunculus  asiaticus  L.  Q  oder  8  e  mit  24  a  b  oder  c. 

Tagetes  patida  L.  8   d  mit  5  a  oder  4  b. 

Primida  Auricida  L.  Q  ^^^i^  24  e  oder  8  e  mit  2  c. 

Die  Panascliirung  tritt  sonach  bei  rein  oder  doch  überwiegend 
rothen  Blumen  häutiger  auf,  als  bei  allen  andern  zusammen  ge- 
nommen, von  30  Fällen  gehören  17  hieher,  bei  violetten 
Blumen  kommen  drei,  bei  überwiegend  blauen  vier  Fälle  vor, 
bei  rein  blauen  keiner. 

Sodann  ist  es  auffallend,  dass  von  diesen  30  gestreiften 
Blumen  27  den  Dicotyledoneen  angehören,  den  Monocotyledoneen 
nur  die  Tulpen,  welche  etwas  abnorm  mehr  geflammt  als  ge- 
streift sind. 

In  den  alten  griechischen  und  römischen  Schriftstellern  habe 
ich  keine  sichere  Spur  dieser  buntgestreiften  Blumen  finden 
können,  die  Alten  scheinen  keine  grossen  Blumenkünstler  ge- 
wesen zu  sein,  von  obigen  29  Blumen,  bei  welchen  eine 
Panaschirung  vorkommt,  waren  ihnen  nur  8  bekannt,  und  auch 
von  diesen  mag  kaum  die  Hälfte  in  den  Gärten  gezogen,  von 
den  Blumenhändlerinnen  zu  Kränzen  geflochten  worden  sein,  sie 
legten  auf  den  Geruch  der  Blumen  einen  grösseren  Werth,  als 
auf  die  Farbe,  daher  Rosen,  Lilien,  Levkojen  und  Goldlack  ihre 
Lieblingsblumen  waren,  paucissima  nostri  genera  coronamentorum 
inter  hortensia  novere^  ac  pene  violas  rosasque  tantum,  Plhiius  hist. 
nat.  Liher  21.  cap.  3. 

Dass  indessen  die  Cultur  panaschirter  Blumen  alt  ist,  be- 
weist schon  ihre  französische,  von  unserri  deutschen  Gärtnern 
und  Blumenliebhabern  angenommene  Benennung  fleurs  panachees^ 
gefederbuschte  Blumen,  von  Panache,  Federbusch,  eine  Yer- 
gleichung  derselben  mit  den  bunten  Federbüschen  auf  den  Helmen 
der  Ritter. 

Mehrere  dieser  gestreiften  Blumen  sind  seit  Jahrhunderten 
bekannt  und  stammen  aus  der  Zeit,  wo  die  Blumencultur  vom 
Morgenland  und  von  dem  Vaterlande  der  ältesten  botanischen 
Gärten,  Italien,  welches  vielleicht  selbst  die  Anregung  dazu  von 
den  Saracenen  erhielt,  aus  verbreitet  wurde,  so  die  Nelken,  Ane- 
monen, Ranunkeln,  Rittersporne,  Tulpen. 


—    316    — 

Als  später  die  Fortschritte  in  Kunst  und  Wissenschaft  ihren 
Antrieb  von  Nord-Europa  erhielten,  nahm  der  Geschmack  an 
schönen  Farben  ab,  man  sieht  jetzt  mehr  auf  Grösse  und  Bau 
der  Blume  als  auf  die  Farbe,  hat  die  gestreiften  Balsaminen 
theilweise  durch  die  minder  schönen,  mit  bleichen  runden  Flecken 
auf  rothem  Grunde  verdrängt,  zahlreiche  Verbenen,  Fuchsien  und 
Pensees  mit  minder  schönen  Farben,  als  der  ursprünglichen, 
erzeugt  und  hält  es ,  nur  auf  Neuigkeiten  bedacht ,  für  Gewinn, 
die  purpurne  Dahlie,  die  hellrothe  chinesische  Schlüsselblume 
und  die  ultramarinblaue  Lohelia  Erinus  in  weisse  verwandelt  zu 
haben;  so  führt  der  ausgezeichnete  Kunstgärtner  Adolph  Hvass 
in  Stuttgart  in  seinem  Pflanzenverzeichnisse  von  1857  nicht 
weniger  als  174  mit  eigenen  Namen  bezeichnete  Pelargonien  auf, 
deren  unendliche  Mannigfaltigkeit  in  Bau,  Grösse  und  Farbe  sich 
innerhalb  der  engen  Grenzen  von  fünf  Farbenstufen,  22  bis  2 
bewegt,  sich  von  der  ursprünglichen  Farbe  nach  jeder  Seite 
kaum  um  zwei  Stufen  entfernt. 

4)  Normal  bunte  Blumen. 

Der  chinesische  Aster  und  die  Sammtblume,  bei  welchen  die 
helle  Farbe  immer  die  Mitte,  die  dunkle  den  Rand  jeder  zungen- 
förmigen  Blüthe  einnimmt,  bilden  den  Uebergang  von  den  pana- 
schirten  Blumen  zu  den  regelmässig  gezeichneten,  bei  welchen 
alle  Blumen  einer  Pflanze  genau  die  gleiche  Zeichnung  haben 
und  deren  die  Kunst  auch  einige  zu  Stande  gebracht  hat,  so 
Phlox  Radezkü  und  eine  Yerbene  mit  schmalem  weissem  Bande 
auf  jedem  Abschnitte,  den  weissumsäumten  Feldmohn  und  einige 
Pensees  und  Dahlien,  und  diese  bilden  wieder  den  Uebergang  zu 
den  ursprünglich  bunten  Blumen,  mit  dunklen  Flecken  an  der 
Basis  jeden  Blattes,  wie  bei  Ilibiscus  syriacus  L.,  JZ  Trionum  L., 
dem  Baumwollenstrauch,  vielen  Papaveraceen  und  einigen  Cistus ; 
bunt  getüpfelt  oder  gefleckt,  wie  viele  Saxifragen^  Dianthus  su- 
perbus,  barbatus,  Armeria  und  chiiiensis  L.,  Bignonia  Catalpa  L.,  die 
Rosskastanie,  Campanula  punctata  Lani.,  Gentiana  punctata  L., 
Digitalis  purpurea  L.,  die  Calceolarien,  sehr  viele  Orchideen^  Li- 
lium   Martagon   L.   und  L.   tigrinum    Gawh,    Tigridia  pavonia  P., 


317 


Pardanthus  chinensis  Ker\  der  Länge  nach  gestreift  wie  einige 
Malven  und  Geranien^  Oralis  Acetosella  L. ;  seltener  der  Quere 
nacli  wie  Stapelia  variegata  L.  und  >S^^.  europaea  Guss.;  anasto- 
mosirend  geädert  wie  J7c/a  sylvatlca  L.,  Dictamnus  Fraxinella 
Lam.^  Hi/oscyamiis  niger  L.,  Abutilon  striatum  Herit.,  Momordica 
Elaterium  L.,  Iris  susiaiia  und  var^iegata  L. ;  oder  endlich  mit  re- 
gelmässiger dunklerer  oder  hellerer  Zeichnung,  wie  bei  vielen 
Pelargonien,  manchen  Rhododendron,  am  häufigsten  an  Blumen 
aus  den  von  Linne  in  der  Classe  Didynamia  zusammengefassten 
Familien. 

Unter  starker  Vergrössei'ung,  dem  Sonnen-  oder  Lampenmi- 
ki-oskop,  erblickt  man  diese  Zeichnungen  wunderschön  als  regel- 
mässige Anordnung  gleicher  Zellen,  gefüllt  mit  verschieden  ge- 
färbtem Safte. 

Lecoq  macht  (S.  402)  darauf  aufmerksam,  dass  in  manchen 
Fällen  die  zweite  Farbe  der  zweifarbigen  Blumen  die  Ergänzung 
der  Farbentrias  ist,  und  führt  als  Beispiele  Tigridia  coelestis  Hort.^ 
Gilia  tricolor  Benfh.,  Corydalis  nohiUs  P.,  Iris  persica  L.,  Strelitzia 
reginae  Ait.  und  Linaria  alpina  Miller  an,  doch  sind  solche  Fälle 
nicht  häufig,  in  den  meisten  treten  nur  mehr  als  ein  Farbenton, 
nicht  mehr  als  eine  Farbenstufe  auf. 

Die  Farbe  der  normal  bunten  Blumen  steht  in  enger  Bezie- 
hung zu  der  Gestalt  derselben,  mögen  die  Kronenblätter  frei 
(Corolla  polypetala)  oder  mit  einander  verwachsen  (Corolla  mono- 
petalaj  sein,  stets  haben  sie,  wenn  sie  gleichgestaltet  sind,  auch 
gleiche  Farben,  Cruciferce,  Bosacece,  Älalvacece,  Boraginece^  Pri- 
midacece.  Sind  dagegen  die  Kronenblätter  einander  nicht  gleicli- 
gestaltet,  so  sind  sie  auch  nicht  gleich  gefärbt,  Papilionacece,  Vio- 
larice, Pelargonium,  Rhododendron,  Labiatee,  Personatoi^  Scrophu- 
larinecB,  Orchideoi. 

Linne  hat  für  die  ersteren  den  schon  früher  üblichen  Namen 
regelmässige  Blumen,  für  die  letzteren  den  der  unregelmässigen 
Blumen  beibehalten,  ich  möchte  sie  lieber  gleichblättrige  (flores 
isopetali)  und  ungleichblättrige  fflores  heteropetali)  nennen,  denn 
regelmässig  sind  alle  gebaut,  der  ganze  Unterschied  besteht  da- 
rin,  dass   bei   den  gleichblättrigen    so  viele   durch  ihren  Mittel- 


—    318   — 

punkt  gezogene  gerade  Linien,  als  die  Blume  Blätter  hat,  die- 
selbe in  zwei  gleiche  sich  symmetrisch  entsprechende  Hälften  thei- 
len,  bei  dem  Spindelbaum  z.  B.  4,  bei  der  Nelke  und  der  Auri- 
kel  5,  bei  Tulpen  und  Hyacinthen  6,  bei  den  ungleicliblättrigen, 
z.  B.  den  Feyisees,  dem  Löwenmaul,  aber  nur  eine  einzige  Linie; 
erstere  entsprechen  hierin  gerade  den  untersten  Thierklassen, 
Radiarien  und  Zoophyten,  die  in  einen  Kreis  gestellten  Blätter 
bilden  einen  Stern,  daher  Anspielungen  darauf  in  den  Namen 
Stellaria  L.,  Stellanthe  Benth,^  Asterias  Reneahn,  Asteranemia  Rchb., 
Asteranthos  Desf.  und  manchen  andern,  letztere  den  höheren 
Thierklassen,  der  strengen  Symmetrie  der  Schmetterlingsflügel, 
dem  Bau  der  Wirbelthiere,  daher  Anspielungen  auf  diese  Thier- 
klassen in  den  Bezeichnungen  als  Papilionacece,  Perso?iatce,  Gale- 
opsis  L,,  Oriiithidium  Salisb.,  Ornithocephalus  Hooker,  Orchis  7ni- 
litaris  L.,  Orchis  Sinüa  Lam.,  Ophrys  Scolopax  Cav.,  Ophrys  an- 
thropophora  L.  und  die  vielen  nach  Insekten  benannten. 

Die  Blumen  der  in  unsern  Gärten  gezogenen  Gewächse  zei- 
gen nur  da  mannigfaltige  Farbenänderungen,  wo  diese  der  Zweck 
des  Anbaues  sind;  baut  man  eine  Pflanze  der  Wurzel,  Blätter 
oder  Frucht  wegen,  so  variirt  nur  der  bezweckte  Theil  derselben, 
und  die  Blume  erhält  sich  bei  allen  Spielarten  unverändert,  so 
bei  dem  Kohl,  dem  Rettig,  den  gelben  Rüben,  allen  Obstarten; 
kaum  dass  sich  hie  und  da  eine  Spielart  schon  in  der  Farbe 
ihrer  Blumen  leise  andeutet,  so  bei  Aepfeln  durch  grössere  oder 
geringere  Röthe,  bei  weissen,  rothen  und  blauen  Kartoffeln,  bei 
den  Gartenbohnen  schwarz  durch  lichtviolett,  roth  durch  blass- 
rosa,  gelb  gar  nicht,  da  alle  gelben  Bohnen  so  weiss  wie  die 
weissen  blühen. 


5)  Farbenverhältnisse  der  Blumenkrone  in  andern 
Floren. 

Nachdem  ich  die  Gesetze  der  Farbenvertheilung  in  den  Blu- 
men an  denen  unserer  freien  und  Gartenflora  zu  erforschen  ver- 
sucht hatte,  gieng  ich  zu  ähnlichen  Nachforschungen  und  Ver- 
gleichungen  in  andere  Floren  über,   welche  hinreichend  von  den 


—    319    — 

ersteren  verschieden  wären,  um  nicht  blos  als  Echo,  sondern  als 
Probe  für  diese  Gesetze  zu  dienen. 

Ich  wählte  drei  kältere,  der  Alpen,  von  Grönland  und  von 
Spitzbergen,  dann  als  wärmere  und  eigenthümlichste  die  Strand- 
und  Küstenflora  Europas;  für  die  Alpen-  und  Strandflora  hatte 
ich  schon  viele  eigene  Beobachtungen,  ich  ergänzte  sie  durch 
Aufzeichnungen  nach  guten  Abbildungen,  vorzüglich  der  Flora 
Danica^  Jacquins  Prachtwerken  Flor^a  Austriaca  und  Hortus 
Vindobonensis  und  Sturms  Deutschlands  Flora;  Grönlands  Blu- 
men konnte  ich  ganz  nach  den  meisterhaften  Abbildungen  der 
Flora  Danica  bestimmen,  für  Spitzbergen  freilich  musste  ich  mich 
begnügen,  die  wenigen  Arten  dieser  Flora  nach  alpinen  und  grön- 
ländischen Exemplaren  zu  bestimmen.  So  gelangte  ich  zu  folgen- 
den Ergebnissen. 

1.  Flora  der  Alpenregion. 

Die  Alpenregion  unserer  Alpenkette,  45  bis  47  ^  Breite  und 
von  6000  p.  Fuss  über  der  Meeresfläche  aufwärts,  bietet  den 
Pflanzen  einen  kurzen,  durch  Nebel,  Regen  und  Schnee  oft  ge- 
störten Sommer,  viele  nasse,  wenige  windstille,  licht-  und  wärme- 
reiche Tage,  endlich  einen  langen,  strengen  Winter,  aber  in  die- 
sem Schutz  zum  Winterschlafe  durch  eine  reichliche  Schneedecke. 

Die  mittlere  Temperatur  der  sechs  Herbst-  und  Wintermonate 
fällt  auf  diesen  Höhen  überall  unter  den  Gefrierpunkt,  im  Früh- 
ling übersteigt  sie  solchen  nur  am  geschützten  Posthause  des  an 
seltenen  Gewächsen  so  reichen  Mont  Cenis,  45<^  14' Br.  6000  p. 
F.  Höhe,  mit  +  4,67  o.  Die  für  die  Flora  entscheidende  mittlere 
Temperatur  des  Juni  bis  August  beträgt  auf  dem  Mont  Cenis 
+  11,13^,  so  ziemlich  die  höchste  der  ganzen  Alpenregion,  denn 
am  Hospiz  des  Set.  Gotthard,  46»  32'  Br.  6650  p.  F.  über  das 
Meer,  beträgt  sie  schon  nur  -|-  5,67*^,  am  Hospiz  des  Set.  Bern- 
hard, 450  50'  Br.  7670  p.  F.  Höhe,  -j-  4,90 <^  und  auf  dem  Faul- 
horn,  460  40'  Br.  8250'  Höhe,  +  2'670  R. 

Ueberfluss  an  Wasser  und  doch  Mangel  an  Wasserpflanzen 
wegen  dessen  niedriger  Temperatur  und  wenig  Sonnenschein  hat 


320 


die  Alpenregion  mit  der  Polarregion  gemein,  aber  der  höhere 
Stand  der  Sonne  und  die  viel  geringere  Dichtigkeit  der  Atmos- 
phäre bedingen  eine  weit  grössere  Stärke  des  Lichts  und  diese 
intensivere  Farben  der  Pflanzentheile. 

Grössere  Blumen  als  das  Tiefland  besitzt  die  Alpenflora  nicht, 
sondern  nur  verkürzte  Gewächse  mit  gleich  grossen  Blumen,  da- 
her die  Täuschung,  wie  bei  Zwergen,  denen  man  grosse  Köpfe 
zuschreibt,  weil  man  diese  nicht  mit  denen  erwachsener  Männer, 
sondern  mit  den  Köpfen  gleich  grosser  Kinder  vergleicht. 

Mein  Verzeichniss  der  in  der  Alpenregion  lebenden  Phäno- 
gamen  enthält  400  Arten  von  Dicotyledoneen  und  81  von  Mono- 
cotyledoneen ,  zusammen  481 ,  von  den  Dicotyledoneen  haben 
nur  19  Apetalae  und  Amentacece^  also  der  einundzwanzigste  Theil 
oder  5  Procent  keine  Blumenkrone,  von  den  Monocotj'ledoneen 
dagegen  74  Glujiiacece  oder  91  Procent,  und  auch  bei  den  7  üb- 
rigen kommen  nur  corallenartige  Blumenhüllen  ohne  deutliche 
Scheidung  des  Kelchs  von  der  Krone  vor. 

•  Nach  Abzug  dieser  93  kronenlosen  Blüthen  bleiben  388,  und 
zählt  man  61  derselben,  welche  mit  zwei  Farben  blühen,  jeder 
dieser  Farbe  zu,  also  doppelt,  so  erhält  man  449  Arten. 

Von  diesen  449  Arten  blühen  115,  also  25  Procenl  oder  ein 
Viertheil  weiss. 

Gehen  wir  die  übrigen  334  nach  der  Farbentafel  durch,  so 
finden  wir<  zwei  rein  rothe  Blumen  1 ,  Pedicularis  acaulis  Scop, 
und  atrorubens  Schi. 

Tief  Orangeroth  5,  eine  ganz  isolirte  Erscheinung  in  Floren 
kalter  Länder,  blüht  ein  schönes  Habichtskraut  [Hleracium  auran- 
tiacum  L.y*,  drei  andere  Blumen,  Valeriana  celtica  L.,  Cirsium 
spinosisshmim  Scop.  und  Fhaca  frigida  L.  zählen  zwar  auch  zur 
fünften  Stufe,  aber  nur  zu  deren  bleichen  Tönen,  und  zu  orange- 
orange-gelb 6  kann  man  Sedum  atratum  L.,  Androsace  carnea  L. 
und  die  Punkte  auf  den  gelben  Blumenblättern  der  häufigen 
Saxifraga  aizoides  L.  zählen.  So  haben  wir  für  die  ersten  sechs 
Stufen  nur  9  Blumen,  aber  so  wie  wir  uns  der  gelben  nähern,  ändert 
sich  schnell  das  Verhältniss,  10  Blumen  halten  schon  in  der 
siebenten  Stufe  die  Mitte  zwischen  orange  und  gelb,    27  nähern 


321 


sich  auf  der  achten  nur  um  einen  Schritt  der  rothen,  und  108 
blühen  rein  gelb,  beinahe  eben  so  viele,  als  rein  weiss,  vorzüglich 
Rosaceen,  Corymbiferen  und  Cichoraceen. 

Mit  diesem  Culminationspunkte  bricht  aber  die  selbstständige 
gelbe  Blumenfarbe  ab,  der  Verbindung  mit  blau  noch  abgeneigter, 
als  der  mit  roth.  Schon  den  nächsten  Schritt  10  deuten  nur 
zwei  bleiche  Blumen  leise  an,  Heracleum  sibiricum  L.  und  ChamoB- 
orchis  alpina  Rieh.,  beide  wenig  verbreitet,  11  fehlt,  12  g  blüht 
Zahlhruknera  paradoxa  Rchb.,  13  g  Sempervivum  Braunii  Funk 
und  S.   Widfeni  Hoppe,  14,  15  und  16  sind  gar  nicht  vertreten. 

Ein  Hauptzug  in  dem  Charakter  der  Alpenflora  ist  ihr 
Reichthum  an  blauen  Blumen,  13  Pflanzenarten  blühen  rein  blau, 
14  blau- violett-blau ,  12  violett-blau  und  19  violett- violett-blau, 
so  das«  58  Blumen,  das  ist  13  Procent,  auf  die  Farbenstufe  rein 
blau  bis  an  die  Grenze  yon  violett  fallen;  es  sind  vorzüglich  die 
Familien  der  Veilchen,  Schmetterlingsblumen,  Glockenblumen, 
Gentianen  und  Boragineen,  welche  mit  oft  weit  verbreiteten  und 
gesellig  in  grosser  Anzahl  auftretenden  Arten  diesen  Reichthum 
an  blauen  Blumen  bewirken. 

Violett  blühen  26  Arten,  violett-violett-roth  23,  violettroth 
oder  purpurfarbig  55,  und  roth-violett-roth  oder  karminroth  14, 
so  dass  92  Arten  zwischen  violett  und  roth  stehen. 

Es  tritt  als  Hauptergebniss  die  entschiedene  Selbstständig- 
keit der  gelben  Farbe  hervor,  108  rein  gelbe  Blumen  gegen  44 
mit  einem  Zusätze  von  roth  und  4  mit  einem  Zusätze  von  blau, 
und  als  schroffer  Gegensatz  die  enge  Verwandtschaft  der  beiden 
andern  Grundfarben,  rein  roth  nur  2,  rein  blau  13,  aber  zwischen 
blau  und  roth  163  oder  etwas  über  36  Procent. 

Forscht  man  aber  nach  dem  Umfange  jeder  der  drei  Grund- 
farben in  ihrer  Verschmelzung  mit  ihren  beiden  Nachbarn,  so 
stellt  sich  ein  anderes  Verhältniss  heraus,  gelb  finden  wir  in  den 
Farbenstufen  2  bis  16  bei  157  Arten,  blau  in  10  bis  24  bei  181 
und  roth  in  1  bis  8  und  18  bis  24  bei  209  Arten,  also  gelb  bei 
35  Procent,  blau  bei  40  Procent  und  roth  bei  47  Procent  der 
farbig  blühenden  Alpenpflanzen. 

Württemb.  natura.  Jahresheft».    1862.    3s  Heft,  21 


—    322    — 

Es  wird  nehmlich  hier  z.  B.  eine  Blume,  deren  Farbe  24 
aus  Vs  roth  und  i/s  ^^^^  gemischt  ist,  beiden  Farben  gleich  zu- 
gezählt, und  da  gelb  sich  am  wenigsten  mit  den  Xachbarfarben 
mischt,  bleibt  es  in  der  Zahl  zurück;  berechnet  man  aber  die 
Farben  nach  Quotienten,  so  dass  z.  B.  von  8  Arten  obiger  Far- 
benstufe 24,  sieben  der  rothen,  eine  der  blauen  Farbe  zugezählt 
werden,  so  stellt  sich  das  wirkliche  Verhältniss  wieder  heraus, 
die  Zahl  der  blauen  Farbe  ist  dann  81  "4  ?  der  rothen  104^^4, 
der  gelben  144  Vs. 

Die  Intensität  der  Farben  betreffend,  finden  wir  auf  dem 
tiefsten  Tone- a  12  Arten,  auf  b  24,  also  doppelt  so  viele,  auf 
c  52  als  nochmalige  Verdoppelung,  dann  in  d  mit  43  eine  kleine 
Abnahme,  in  e  aber  mit  105  die  dritte  Verdoppelung,  f  hat  59 
Arten,  wenig  über  die  Hälfte  von  e,  g  mit  27  kaum  die  Hälfte 
von  f  und  h  mit  12  kaum  die  Hälfte  von  g. 

Zu  den  vier  tiefsten  Tönen  a  bis  d  gehören  131  Arten,  zu 
den  vier  helleren  e  bis  h  203,  zieht  man  aber  von  den  letzteren 
e  als  die  besonders  in  den  gelben  Blumen  vorherrschende  Normal- 
farbe mit  105  ab,  so  bleiben  für  die  Töne  f  bis  h  nur  98  Arten, 
bedeutend  weniger,  als  für  die  vier  tiefsten  Töne,  etwas  über  29 
Procent  aller  farbigen  Blumen,  während  bei  den  3  folgenden  Floren 
die  drei  hellsten  Töne  die  vier  dunkelsten  übersteigen  und  bei 
der  Meerstrandflora  gegen  37  Procent,  bei  der  von  Grönland  41 
Procent  und  bei  der  von  Spitzbergen  beinahe  57  Procent  aller 
farbigen  Blumen  umfasst. 

Auch  in  der  Mannigfaltigkeit  der  Farben  übertrifft  die  Alpen? 
flora  diese  drei  aus  dem  natürlichen  Grunde,  dass  sie  viel  reicher 
an  Arten  ist,  von  den  26  Farben  unserer  Tafel  sind  hier  19 
vorhanden,  von  den  194  Tönen  77. 

2.  Flora  von   Grönland. 

Grönlands  Südspitze  liegt  unter  59^  40'  nördlicher  Bmte, 
gegen  den  Pol  ist  Kane  bis  8P  vorgedrungen,  ohne  das  nörd- 
lichste Ende  der  Insel  oder  die  Eisgrenze  ihrer  Flora  zu  erreichen. 

Die  mittlere  Temperatur  des  Frühlings  und  Herbstes  ist  in 
Gtodhaab,   64^  10'  Br.,   unter  dem  Gefrierpunkt,  in  Lichtenau, 


—    323    — 

6O0  35'  Br.,  erreicht  sie  nicht  lOR.,  so  bleiben  der  Vegetation 
nur  die  drei  Soimnermonate ,  deren  mittlere  Wärme  kaum  in 
Godhaab  4«,  in  Lichtenau  5^  erreicht.* 

Die  Flora  beschränkt  sich,  wie  Grönlands  Fauna,  auf  die 
Küsten  bis  höchstens  zehen  Meilen  landeinwärts,  denn  ein  unge- 
heurer Gletscher  bedeckt   das  ganze  völlig  unzugängliche  Inland. 

Man  hat  bis  jetzt  an  diesen  Küsten  329  Phänogamen  ge- 
funden, von  welchen  137,  also  42  Procent  oder  über  zwei  Fünf- 
theile ohne  Blumenkrone  blühen  (Apetalae ,  Amentaceae  und 
Glumaceac). 

Von  den  übrigen  192  blühen  69,  also  beinahe  36  Procent 
oder  über  ein  Drittheil  rein  weiss. 

Gehen  wir  die  123  oder  die  4  zweifarbigen  doppelt  zählend 
die  127  farbigen  Blumen  nach  der  Farbentafel  durch,  so  finden 
wir  keine  rein  roth  1,  ein  üebergang  zu  orange  5  fehlt,  wie 
diese  warme  Farbe  selbst,  erst  jenseits  derselben  hndet  man  in 
Plantago  maritima  L.  eine  leise  Andeutung  der  sechsten  Stufe, 
von  hier  an  steigt  aber  rasch  die  Häufigkeit  der  Farbe,  wir  be- 
gegnen 3  orangegelb,  dann  6  gelb-orange-gelb  blühenden  Pflanzen 
und  gelangen  zu  51  rein  gelben  Blumen. 

Zwischen  gelb  und  blau  treffen  wir  auf  die  grösste  Kluft, 
schon  die  nächste  Stufe  10  gelb-grün-gelb  ist  nur  durch  vier 
Arten  vertreten,  Potentilla  pulchella  R.  Brown,  Pyrola  chlorantha 
Sw.  und  zwei  Orchideen,  Gymnadenia  albida  R.  Br.  und  Flatan- 
thera  hyperhorea  Lindley;  zwei  andere  Mitglieder  dieser  sonder- 
baren Familie,  Piatanthera  Königii  Retz  und  Corallorhiza  innata 
R.  Br.,  gehen  noch  einen  Schritt  weiter  zu  11  grüngelb,  aber 
selbst  diese  geringe  Annäherung  an  grün  findet  ihre  Erklärung 
darin,  dass  bei  den  Orchideen  die  Krone  zugleich  den  Kelch 
vertritt. 

Die  fünf  Stufen  12  bis  16  fehlen,  und  rein  blau  sind  nur 
zwei  Blumen,  die  kleine  Gentiana  nivalis  L.  und  die  bleiche 
Draba  lactea  Adams. 

Nun  nehmen  die  Farben  mit  Schwankungen  gegen  roth  zu, 
drei  Arten,  Gentiana  serrata  Gunner,  Vcronica  alpina  L.  und 
Pinguicula    vulgaris  L.    sind    blau- violett-blau ,    eine,    Pleurogyne 


—    324    — 

rotata  Griesebach,  ist  violettblau,  die  violett-violett-blaue  Farbe 
schmückt  5  Arten,  die  violette  deren  9,  die  violett- violett-rothe, 
6,  und  Violettroth  erreicht  mit  22  Arten  die  höchste  Zahl,  denn 
roth-violett-roth  blühen  nur  noch  12  Arten. 

So  tritt  auch  in  dieser  Flora  als  Hauptergebniss  die  Selbst- 
ständigkeit der  gelben  Grundfarbe  hervor,  51  rein  gelbe  Blumen 
gegen  11  mit  roth  und  5  mit  blau  gemischte,  und  als  Gegensatz 
die  innige  Schwesterschaft  der  beiden  andern,  keine  Blume  rein 
roth,  nur  zwei  rein  blau,  aber  58,  deren  Farbe  eine  Mischung 
von  blau  und  roth  ist. 

Zählt  man  jede  Blume  der  Grundfarbe  zu,  die  in  ihrer 
Mischung,  wenn  auch  in  noch  so  geringem  Grade,  vorkommt, 
also  die  meisten  bei  zwei  Grundfarben,  so  stellen  sich  die  Farben 
beinahe  gleich,  roth  bei  58  Arten,  blau  bei  (iC^^  gelb  bei  67; 
um  die  wirkliche  Ungleichheit  hervortreten  zu  lassen,  muss  man 
daher  die  Quotienten  berechnen,  dann  erhält  man  für  blau  23  V4, 
für  roth  38'/^,  für  gelb  64Vs5  also  für  gelb  mehr  als  für  blau 
und  roth  zusammen. 

Forschen  wir  nach  der  Intensität  der  Farben,  so  linden  wir 
in  a  2  Arten,  in  b  4,  in  c  11,  in  d  12,  in  e  46,  in  f  37,  in  g 
10  und  in  h  5,  also  von  der  Grenze  der  schwarzen  Farbe  an 
ein  Steigen  bis  e,  das  als  die  Normalfarbe  betrachtet  werden 
kann,  dann  ein  Sinken  bis  an  die  Grenze  von  weiss. 

Zugleich  zeigt  sich  ein  Ueberwiegen  der  hellen  über  die 
dunkeln  Farben,  auf  die  vier  tiefsten  Töne  fallen  27  Arten,  auf 
die  vier  hohen  98,  und  wenn  man  auch  e  abzieht,  bleiben  immer 
noch  für  die  drei  hellsten  Töne  52  Arten,  doppelt  so  viel,  als 
die  vier  tiefsten  haben. 

Ein  Versuch,  Grönland  durch  den  Polarkreis  in  Nord-  und 
Süd-Grönland  abzutheilen,  lieferte  für  die  Farbenverhältnisse  keine 
erhebliche  Verschiedenheit,  da  auch  Südgrönland,  von  Inlandeis 
und  Treibeis  rings  umgeben,  ganz  der  arktischen  Flora  angehört. 

3.    Flora   von   Spitzbergen. 
Spitzbergen  liegt  unter  75  bis  81 0  nördlicher  Breite,    die 
mittlere  Temperatur  der  drei  Sommermonate  beträgt  wenig  über 


325 


10  R. ,  die  der  andern  neun  Monate  bleibt  tief  unter  dem 
Gefrierpunkt. 

Ton  dieser  nördlichsten  Flora  der  Erde  kennt  man  74 
Phänogamen,  und  von  diesen  haben  22,  also  30  Procent,  keine 
Blumenkrone. 

Eben  so  viele  blühen  rein  weiss,  obschon  keine  im  Schatten 
wachsen,  denn  an  die  Stelle  des  Waldschattens  treten  hier  die 
langen  Schatten  der  Berge  wegen  des  niederen  Standes  der 
Sonne  und  die  vorherrschende  Trübung  der  Luft  durch  Wolken 
und  Nebel. 

So  bleiben  nur  30  farbig  blühende  Arten,  und  gehen  wir 
diese  nach  der  Farbentafel  durch,  so  fehlen  rein  rothe  bis 
orangegelbe  Blumen  1  bis  7  gänzlich. 

Dagegen  bilden  rein  gelbe  Blumen  9,  wenn  wir  den  14  ganz 
gelben  noch  Erigeron  uniflorum  L.  wegen  seiner  Scheibenblüthen 
hinzufügen,  die  Hälfte  aller  farbigen. 

Drei  weitere  Arten,  Ranunculus  nivalis  L.,  Potentilla  emar- 
ginata  Pursli  und  Saxifraga  ßagellaris  Willd.,  nähern  sich  durch 
etwas  wärmere  Farbe  in  8  nur  um  einen  Schritt  der  rothen, 
und  Potentilla  imXchdla  R.  Br.  scheint  sich  mit  10  c  eben  so 
viel  der  grünen  Farbe  zu  nähern. 

Es  bilden  sonach  die  gelben  Blumen  60  Procent  oder  drei 
Fünftheile  aller  farbigen  Blumen  von  Spitzbergen. 

Nun  folgt  die  grosse  Kluft  der  grünen  Farben,  aber  auch 
die  blauen  fehlen,  wir  finden  eine  Lücke  von  11  grüngelb  bis 
20  violett-violett-blau. 

Auf  der  violetten  Stufe  finden  wir  nur  die  Wiesenkresse 
{Cardamine  pratensis  L.^;  die  Rauschbeere  vertritt  die  violett- 
violett-rothe  Stufe,  die  Farbe  von  6  Arten  ist  violettroth,  und 
4  Arten  blühen  roth-violettroth. 

So  gehören  die  Blumen  der  sieben  zwischen  blau  und  roth 
stehenden  Farben  sämmtlich  der  überwiegend  rothen  Hälfte  dieser 
Stufen  an  und  bilden  mit  einander  40  Procent  oder  zwei  Fünf- 
theile aller  farbigen  Blumen  von  Spitzbergen. 

Wir  haben  auch  hier,  wie  in  Grönland,  ein  bedeutendes 
Uebergewicht  der  gelben  Farbe  über  die  beiden  andern,   sowohl 


—   326    — 

in  Bezug  auf  Häufigkeit,  als  auf  Reinheit ,  denn  blau  und  rotli 
kommen  nicht  nur  rein  gar  nicht  vor,  sondern  es  fehlen  auch 
ihre  Uebergangsfarben  zu  gelb,  orange  und  grün. 

Eine  Zusammenstellung  der  drei  Grundfarben  nach  ihrem 
ganzen  Umfange  liefert  in  Spitzbergen  abweichend  von  den  andern 
Floren  das  natürliche  Yerhältniss,  blau  ist  mit  12  Arten  die 
seltenste  Farbe,  roth  tritt  in  14  auf,  gelb  in  18,  und  die  Be- 
rechnung nach  Quotienten  lässt  das  gleiche  Ergebniss  nur  schärfer 
hervortreten,  blau  2^/s,  roth  8%  gelb  ISi/o- 

Die  Intensität  der  Farben  betreffend,  finden  wir  auch  hier 
ein  Steigen  bis  zur  Normalfarbe,  dann  ein  Sinken  bis  in  die 
Nähe  von  weiss,  aber  mit  der  grösseren  Nähe  des  Pols  blassere 
Farben,  a  und  b  fehlen  gänzlich,  der  dritte  Ton  ist  nur  durch 
zwei  Arten  vertreten,  Saxifraga  oppositifolia  L.  22  c  und  Pedi- 
cularis  Ursuta  L.  24  c;  d  fehlt  wieder,  e  hat  11  Arten,  f  10, 
g  5  und  h  2. 

Es  sind  also  die  2  dunkelsten  purpurroth,  von  den  11  nor- 
malfarbigen 10  gelb,  von  dem  Tone  f  6,  also  über  die  Hälfte, 
wogegen  in  g  und  h  nur  je  eine  Art  der  gelben  Farbe  angehört. 

Den  4  dunkelsten  Tönen  gehören  nur  2  Arten  an,  den  4 
andern  28  und  auch  nach  Abzug  der  Normalfarbe  noch  17,  also 
den  drei  hellsten  Tönen  mehr  als  acht  Mal  so  viele,  als  den 
vier  dunkelsten. 

Von  den  26  Farben  der  Tafel  kommen  an  den  Blumen  von 
Spitzbergen  8  vor,'  nur  halb  so  viele  als  in  Grönland,  von  den 
194  Farbentönen  16,  nur  ein  Drittheil  der  in  Grönland  gefundenen. 

4.   Europäische    Meerstrandflora. 

In  der  mir  näher  bekannten  europäischen  Pflanzenwelt  bildet 
die  Küsten-  und  Strandflora  den  stärksten  Gegensatz  zur  Flora 
der  Alpenregion  und  zu  den  dieser  verwandten  polaren  Floren. 

Ich  habe  daher  eine  Zusammenstellung  der  maritimen  Phä- 
nogamen  von  Dänemark,  Deutschland  und  Italien  zur  Untersu- 
chung ihrer  Farbenverhältnisse  versucht  und  folgendes  Ergebniss 
erhalten. 


—    327    — 

Die  zwar  sehr  eigenthümliche,  aber  doch  arme  und  mono- 
tone Flora  der  im  Bereich  des  Salzwassers  liegenden  Ufer  jener 
Länder  zählt  nur  217  Arten  von  Phänogamon,  143  mehr  als  die 
von  Spitzbergen,  aber  112  weniger  als  die  von  Grönland. 

Von  diesen  34  Familien  angehörenden,  salzliebenden  Pflanzen 
blühen  87,  also  40  Procent  oder  zwei  Fünitheile,  ohne  Blumen- 
krone (Apetalm  und  Glumacecß). 

Von  den  andern  130  blühen  25,  also  etwas  über  19  Procent 
oder  beinahe  ein  Fünftheil  weiss. 

Zählt  man  von  den  übrigen  105  Arten  vier  mit  zweifarbigen 
Blumen  {Aster  Tripoliuvi  L.,  Tripleurospermum  maritimwn  Schultz^ 
Btachys  maritima  L.  und  Teuer  tum  Polium  L.)  zu  beiden  Farben, 
so  erhält  man  109  farbig  blühende  Salzpflanzen. 

Von  diesen  blühen  nur  die  sehr  unscheinbare  Euphorbia  Pe- 
plis  L.  hellroth  1  f,  Scabiosa  rutaefolia  Vahl  hell  incarnat  3  g, 
aber  vier  rothgelblichweiss  5  h,  es  zeigt  sich  also  schon  ein  An- 
fang der  in  der  Tropenflora  culminirenden  rothgeiben  Blumen- 
farben. 

Die  gelbe  Farbe  tritt  eben  so  häufig  als  rein  auf,  vorherr- 
schend in  den  Papilionaceen  und  Compositen,  dann  in  einzelnen 
Arten  aus  Familien,  welche  gewöhnlich  andere  Farben  zeigen, 
so  in  den  Papaveraceen  mit  Glaucium  luteum  Scop.,  in  den  Li- 
neen  mit  Linum  maritimum  h.,  in  den  Convolvulaceen  mit  Cressa 
cretica  L.,  in  den  Gentianeen  mit  Erythraea  maritima  Tenore-^ 
ich  zählte  28  Arten,  welche  rein  gelb  blühen,  12,  die  nur  einen 
Schritt  gegen  roth  machen  und  eine  mit  einem  Schritte  gegen 
blau,  die  unscheinbare  Artcmisia  variabilis  Tenore,  zusammen  41 
Arten,  beinahe  38  Procent  oder  über  ein  Drittheil  aller  farbigen. 

Wie  immer  und  überall  fehlen  auch  hier  den  Blumenkronen 
die  grünen  Farben  der  Blätter  und  Kelche,  von  den  sechs  Stu- 
fen 11  bis  16  ist  eine  einzige,  12  grüngrüngelb,  bei  zwei  Blumen 
leicht  angedeutet,  ßilene  Mandralisci  Farlatore  12  g  und  Crith- 
murn  maritimum  L.  12  h. 

Eine  andere  häufige  Doldenpflanze,  die  Seemannstreue  {Eryn- 
gium  maritimum  L.),  hat  rein  bläuliche  ßlüthen  17  g. 


—   328    — 

Den  drei  Stufen  zwischen  blau  und  violett  gehören  16  Arten 
an,  und  -8  blühen  violett,  eine  ungewöhnlich  starke  Zahl,  bewirkt 
durch  die  mit  20  Arten  auftretende  Gattung  der  Meernelken 
(Statice). 

Zwischen  violett  und  roth  fallen  35  Arten. 

Wir  haben  also  auch  hier  das  gleiche  Ergebniss,  wie  in  den 
andern  Floren,  doch  weniger  entschieden,  21  rein  gelbe  Blumen 
gegen  17  sich  zu  roth  und  3  sich  zu  blau  neigende,  und  als  Ge- 
gensatz nur  eine  rein  rothe  und  eine  rein  blaue  gegen  59  üeber- 
gänge  von  blau  in  roth.  Der  ganzen  janthinischen  Reihe  von  17 
bis  1  gehören  61  Arten  an,  das  ist  56  Procent,  die  Blumen  die- 
ser Reihe  überwiegen  die  der  xanthischen  2  bis  16  und  ver- 
halten sich  zu  ihnen  wie  61  zu  41  oder  drei  Fünftheile  zu  zwei 
Fünftheilen. 

Zählt  man  jede  Blume  der  Grundfarbe  zu,  die  in  ihrer  Mi- 
schung noch  vorkommt,  wenn  auch  nur  zu  Vs?  so  kommt  gelb  bei 
48  Arten  vor,  blau  bei  63,  roth  bei  77.  Berechnet  man  aber 
jede  Farbe  nur  nach  ihren  Quotienten,  so  erhält  man  die  Zahlen 
27^4  für  blau,  40%  für  roth  und  42 "^/s  für  gelb,  blau  bleibt  be- 
deutend in  der  Minderzahl,  aber  gelb  hat  nur  ein  geringes  Ueber- 
gewicht  über  roth. 

Diese  Verhältnisszahlen  mit  denen  der  Flora  von  Grönland 
verglichen  zeigen 

1)  eine  beinahe   gleiche  Zahl  von   Blüthen   ohne   Blumen- 
krone,  indem  die  zahlreichen  Chenopodeen  der  Strand- 
flora   den    zahlreichen    Riedgräsern    des    Nordens     das 
Gleichgewicht  halten,  dagegen 
3)  beinahe  nur  halb  so  viele  weisse  Blumen, 

3)  weniger  gelbe, 

4)  etwas  mehr  rothe   und 

5)  beinahe  doppelt  so  viele  blaue. 

Forschen  wir  auch  hier  nach  der  Tiefe  der  Farben,  so  fin- 
den wir  in  a  2  Arten,  in  b  8,  in  c  11,  in  d  13,  in  e  35,  in  f 
15,  in  g  15,  in  h  10,  also  ein  Steigen  bis  zum  Normalton,  dann 
ein  langsames  Sinken;  die  Farben  sind  lebhafter,  als  in  den  Po- 
larfloren,   das  Ueberwiegen   der  bleichen  Farben  über  die  tiefen 


329 


ist  zwar  auch  vorhanden,  aber  in  geringerem  Grade,  den  \ier 
tiefsten  Tönen  gehören  34  Arten  an,  den  vier  hohen  75,  und 
wenn  man  e  als  Normalfarbe  abzieht,  bleiben  nur  noch  40,  also 
für  die  drei  hellsten  Töne  nur  ein  Siebentel  mehr,  als  für  die 
vier  dunkelsten. 

Die  Mannigfaltigkeit  der  Farben  ist  nicht  so  gross  als  man 
glauben  sollte,  durch  ein  sonderbares  Zusammentreffen  stimmen 
die  Zahlen  der  in  dieser  Flora  an  den  Blüthen  vorkommenden 
Farben  der  Tafel  genau  mit  denen  der  grönländischen  überein, 
16  Farbenstufen  mit  43  Farbentönen,  hierin  liegt  nur  in  so  fern 
eine  grössere  Mannigfaltigkeit,  als  diese  gleichen  Zahlen  bei  einer 
geringeren  Zahl  von  Pflanzenarten  vorliegen,  in  Grönland  bei 
192,  hier  bei  130  Arten. 

6)  V  e  r  t  h  e  i  1  u  n  g   der  Farben   der  B  1  u  m  e  n  k  r  o  n  e 
nach  den  Jahreszeiten. 

Nach  Linne*)  blühen  die  Pflanzen  im  Frühling  vorzugs- 
weise weiss,  im  Sommer  roth,  im  Herbst  gelb;  ich  habe  nun  die 
Jahreszeiten  nach  Dove  so  getheilt,  dass  die  Monate  März  bis 
Mai  den  Frühling,  Juni  bis  August  den  Sommer,  September  bis 
November  den  Herbst  bilden  und  erhielt  nun  in  der  Flora  von 
Württemberg  438  Frühlingsblumen,  1033  Sommerblumen  und  288 
Herbstblumen. 

Die  Zahlen  fielen  darum  so  gross  aus,  weil  ich  mehrfarbige 
Blumen  in  jeder  ihrer  Farben  aufnahm  und  Blumen,  welche  in 
mehr  als  einer  Jahreszeit  blühen,  in  jeder  derselben;  so  haben 
von  den  438  Frühlingsblumen  nur  134  am  ersten  Juni  schon 
vollständig  abgeblüht,  und  von  den  288  Herbstblumen  beginnen 
sogar  nur  6,  die  Zeitlose  und  der  Epheu,  welche  die  Samen  erst 
im  folgenden  Frühling  reifen,  und  vier  Gentianen,  erst  nachdem 
31.  August  zu  blühen,  weitaus  die  meisten  sind  Nachblumen 
des   Sommers,    besonders    auf   den  Wiesen,    wo    die    durch    die 


*)  Caroli   Linnaei   Phüosophia    botanica.      Editio    4ta    itudio    Curtn 
Sprengel.  Halae  ad  Salam  1809.  S  o. 


—    330   — 

Sense  verstümmelten  Pflanzen  ihr  Aeusserstes  thun,  um  wie  die 
Vögel,  denen  die  Eier  geraubt  wurden,  eine  zweite  Brut  zu  Stande 
zu  bringen,  freilich  meist  vergebens,  da  die  zweite  Blüthe  der 
Oehmdernte  zum  Opfer  fällt ,  wie  die  erste ,  wenn  sie  sich  nicht 
«ehr  beeilte,  der  Heuernte. 
Es  blühen  nun 

I.  im  Frühling: 

1,  rein  roth  1  =  V438  ' 

2  bis  4,  überwiegend  roth  gegen  gelb  5  =  1/9 s 

5,  orange  3  =  Vi  46 

6  bis  12,  überwiegend  oder  rein  gelb  142  =  1/3 

17,  rein  blau  6  =  Vßo 

18  bis  20,  überwiegend  blau  56  =  Vg 

21,  violett  29  =  V15 

22  bis  24,  überwiegend  roth  gegen  blau  88  =  V5 

0,  weiss  108  =  V4 

II.  im  Sommer: 

1,  rein  roth  5  =  V207 

2  bis  4,  überwiegend  roth  gegen  gelb  15  =  ^69 

5,  orange  11  ==  1/94 

6  bis  12,  überwiegend  oder  rein  gelb  340  =  V3 

17,  rein  blau  8  =  Vi  2 9 

18  bis  20,  überwiegend  blau  79  =  V13 

21,  violett  68  =  1/15 

22  bis  24,  überwiegend  roth  gegen  blau  298  =  1/3 


0,  weiss  209  =  1/5 
III.  im  Herbst: 

1,  rein  roth  keine 

2  bis  4,  überwiegend  roth  gegen  gelb  2  ==  Vi  4 4 

5,  orange  2  =  1/144 

6  bis  12,  überwiegend  oder  rein  gelb  100  =  V3 

17,  rein  blau  3  =  1/9 g 

18  bis  20,  überwiegend  blau  20  =  Vi 4 

21,  violett  21  =  Vi4 

22  bis  24,  überwiegend,  roth  gegen  blau  99  =  V3 

0,  weiss  41  =  Vt 


331 


oder  die  Farbentafel  nach  den  drei  Grundfarben  abgetheilt: 

I.  im  Frühling: 

von  der  Hälfte    von    5   bis   zur  Hälfte   von   13  gelb  143 

=   V3 

von  der  Hälfte  von  13  bis  zur  Hälfte  von  21  blau  76=  Ve 
von  der  Hälfte  von  21  bis  zur  Hälfte  von  5  roth  112=  V4 
weiss  108  =   1/4 

II.  Im  Sommer  eben  so 
gelb  345  =  V3 
blau  121  =  Vs 
roth  357  =   V3 
weiss  209  =  V5 

III.  im  Herbst: 

gelb  101    etwas  über  V3 

blau  33  =  Vi) 

roth  112,  über  V3 

weiss  41  =  V7. 
Hiernach  ist  es  richtig,  dass  die  weissen  Hlumen  im  Früh- 
ling am  häufigsten  sind,  wenn  gleich  nur  der  vierte  Theil  aller 
Frühlingsblumen,  da  im  Sommer  nur  der  fünfte,  im  Herbst  nur 
der  siebente  Theil  weiss  blüht;  dieses  Verhältniss  scheint  mit 
der  Temperatur  im  Zusammenhang  zu  stehen,  so  dass  eine  Jahres- 
zeit um  so  mehr  weisse  Blumen  hat,  je  niedriger  ihre  Tempera- 
tur ist,  denn  die  mittlere  Temperatur  von  Stuttgart  ist  im  Früh- 
ling 7,57  R. ,  im  Sommer  14,38,  im  Herbst  7,86,  wobei  freilich 
die  Störung  eintritt,  'dass  der  Sommer  noch  viele  Frühlingsblumen, 
der  Herbst  aber  noch  weit  mehr  Sommerblumen  und  desswegen  die 
geringste  Zahl  von  weissen  hat. 

Dagegen  hat  der  Sommer  zwar  etwas  mehr  rothe  Blumen, 
als  der  Frühling,  aber  nicht  ganz  so  viele  als  der  Herbst,  und 
was  die  gelben  Blumen  betrifft,  so  bilden  solche  in  jeder  der 
drei  Jahreszeiten  den  dritten  Theil  der  blühenden  Gesammtzahl. 
Die  relative  Zahl  der  blauen  Blumen  ist  im  Frühhng  am 
grössten,  ein  Sechstel,  und  nimmt  wie  die  weisse  mit  dem  Fort- 
gang des  Jahres  ab,  ein  Achtel  im  Sommer,  ein  Neuntel  im 
Herbst. 


332 


7)  Vertheilung  der  Farben  der  Blumenkrone  in  den 
Familien  der  Pflanzen. 
Für  die  Vertheilung  der  Farben  der  Blumen  in  den  Pflan- 
zenfamilien habe  ich  kein  anderes  Gesetz  entdecken  können,  als 
das  sich  von  selbst  verstehende ,  dass  eine  Farbe  in  einer  um 
so  grösseren  Zahl  von  Familien  auftritt,  je  häufiger  sie  überhaupt 
vorkommt. 

Ich  habe  zur  Bestimmung  dieser  Farben,  da  grün  13  fehlt, 
eben  so  schwarz,  die  andern  Stufen  der  Tafel  in  sechs  Farben 
abgetheilt, 

1)  rein  oder  überwiegend  gelb  6  bis  12, 

2)  gelb  und  roth  im  Gleichgewicht,  orange  5, 

3)  rein  oder  überwiegend  roth  1  bis  4  und  22  bis  24, 

4)  roth  und  blau  im  Gleichgewicht,  violett  2!, 

5)  rein  oder  überwiegend  blau  14  bis  20  und 

6)  vreiss  0. 

Die  Flora  von  AYürttemberg  umfasst  111  Familien,  von  wel- 
chen 27  keine  Blumenkrone  haben,  also  84  hieher  gehören. 

Gelbe  Blumen  findet  man  in  52  dieser  84  Familien,  und 
unter  diesen  52  Familien  befinden  sich  9,  in  welchen  die  gelben 
Blumen  die  Hälfte  der  Gesammtzahl  übersteigen,  die  also  vor- 
wiegend gelb  blühen,  darunter  5  mit  mehr  als  10  Arten  in  jeder, 
die  Ranunculaceen  mit  45  Arten,  wovon  23  gelb  blühen,  die  Co- 
rymbiferen  mit  52  gelben  unter  63,  die  Cichoraceen  mit  49  gelben 
und  nur  4  anders  gefärbten,  die  Rhinanthaceen  mit  10  gelben 
unter  16  und  die   Primulaceen  mit  10  unter  15  Arten. 

Bei  zwei  grossen  Familien  kommt  die  Zahl  der  gelben 
Blumen  der  Hälfte  der  Gesammtzahl  nahe  ,  bei  den  Cruciferen 
30  unter  63  und  bei  den  Papilionaceen  31  von  70;  dass  in  elf 
Familien  ausschliesslich  nur  gelbe  Blumen  vorkommen,  wie  bei 
deli  Berberideen,  den  Hypericineen,  den  Balsamineen,  fällt  wie 
bei  den  folgenden  Farben  weniger  in's  Gewicht ,  weil  es  lauter 
Familien  sind,  welche  nur  wenige  Vertreter,  oft  nur  einen,  in 
dieser  Flera  haben. 

Die  rothen  Blumen  schliessen  sich,  in  51  FamiHen  auftre- 
tend, dicht  an  die  gelben  an:   unter  diesen  51  Familien  befinden 


—    333    — 

sich  11,  in  welchen  mehr  als  die  Hälfte  der  Arten  roth  blühen, 
darunter  die  Sileneen  mit  19  von  25  Arten,  die  Onagrarien   mit 

11  von  15,  die  Cynarocephalen  mit  24  von  30  und  die  Labiaten 
mit  28  von  53.  In  zwei  monocotyledonischen  Familien  kommt 
die  Zahl  der  rothblühenden  Arten  der  Hälfte  der  Gesammtzahl 
nahe,  bei  den  Orchideen  mit  20  unter  45  ,  bei  den  Liliaceen  mit 
10  unter  23 ;  endlich  haben  9  Familien,  darunter  die  Malvaceen, 
dia  Lythrarieen,  die  Tamariscineen  und  die  Ericineen,  in  unserer 
Flora  nur  rothe  Blumen. 

Weiss  ist  die  dritte  Farbe,  welche  in  Württemberg  bei  mehr 
als  der  Hälfte  der  84  Familien  vorkommt,  man  hndet  sie  in  46. 
Mehr  als  die  Hälfte  der  Arten  blüht  in  sechs  dieser  Familien 
weiss,  am  auffallendsten  bei  den  Alsineen,  von  denen  26  schnee- 
weiss  und  nur  zwei  der  kleineren,  Lepigonum  medium  und  rubrum 
Wahlenb.,  hell  purpurrotli  23  g  und  e  blühen,  dann  in  der  grossen 
Familie  der  Umbelliferen  47  unter  54  und  bei  den  Stellaten  11 
unter  18.  Nicht  viel  unter  der  Hälfte  beträgt  die  Zahl  der  weiss- 
blühenden  Cruciferen,  27  von  63,  und  9  Familien  haben  nur 
weisse  Blumen,  darunter  die  Amygdaleen,  die  Pomaceen,  die  Olea- 
ceen,  die  Corneen  und  die  Amaryllideen. 

Blau  ist  die  einzige  Hauptfarbe,  welche  in  weniger  als  der 
Hälfte  der  hier  in  Frage  stehenden  Familien  vorkommt,  von  den 
84  haben  nur  22,  also  wenig  über  den  vierten  Theil,  blaue  Blu- 
men, in  vier  blüht  mehr  als  die  Hälfte  der  Arten  blau,  bei  den 
Polygaleen  4  von  5,  bei  den  Gentianeen  7  von  13,  bei  den  Bo- 
ragineen  15  von  23  und  bei  den  Antirrhineen,  vorzüglich  durch 
die  Gattung  Yeronica,  17  von  33;  die  drei  Familien,  welche 
wild  nur  blau  blühen,  sind  die  Apocyneen  mit  Vmca  minor  L., 
die  Polemoniaceen  mit  Polemonium  coeruleum  L.  und  die  Globu- 
larien  mit  Globularia  vulgaris  L.,  drei  wenig  verbreitete,  cultivirt 
leicht  in  weiss  übergehende  Pflanzen. 

Von  den  zwei  vorkommenden  Mittelfarben,  findet  man  Vio- 
lett in  17  Famiüen,  darunter  die  der  Farbe  den  Namen  geben- 
den Violarieen  mit  8    unter    13  Arten,    die  Campanulaceen    mit 

12  unter  18. 


-    334    — 

Orange  kommt  am  wenigsten  vor,  nur  in  10  Familien, 
meist  bleich ,  wie  in  Monotropa  Hipopitys  L.  5  g ,  welche  die 
einzige  ausschliesslich  in  dieser  Farbe  blühende  Familie  bildet. 

Die  Farben  sind  in  den  84  Familien  der  württembergischen 
Flora  so  vertheilt,  dass  die  Zahl  der  Familien  in  dem  Grade  zu- 
nimmt, in  welchem  die  der  Farben  abnimmt,  wobei  freilich  die 
an  Farben  ärmsten  Familien  auch  die  ärmsten  an  Arten  sind. 
Alle  sechs  Farben  kommen  nur  in  zwei  Familien  vor,  den  Corym- 
biferen  und  den  Labiaten,  in  beiden  sind  auch  zweifarbige  Blumen 
häufig,  sieben  Familien  blühen  in  fünf  Farben,  zehen  in  vier, 
dreizehn  in  drei ,  neunzehen  in  zwei  und  drei  und  dreissig  nur 
in  einer  Farbe. 

Oft  tritt  eine  Farbe  ganz  isolirt  und  fremdartig  in  einer  Fa- 
milie auf,  so  unter  den  wesentlich  gelben  Cichoraceen  die  rothe 
Pvenanthes  purpurea  L.  23  d,  die  blaue  Lactuca  perennis  L.  19 
d,  die  der  Familie  den  Namen  gebende  Cichorie  19  d,  Mulgedium 
alpinum  Lessing  18  d,  das  schöne  violette  Fragopogon  porrifolium 
L.  21  d,  dagegen  unter  den  rothen  Cynarocephalen  die  ihnen 
den  Namen  gebende  Artischoke  blau  18  d,  der  Saflor  orange 
5  b,  die  Gattung  Scolymus  lebhaft  gelb  8  e  und  in  der  grossen 
Gattung  Centaurea  neben  den  vorherrschenden  purpurrothen 
Arten  die  blauen  Kornblumen  19  c,  C.  montana  L.  20  b,  C.  de- 
pressa  Bieberst.  18  c,  die  goldgelben  C.  solstitialis  L. ,  C.  meli- 
tensis  L.,  C.  benedicta  L. 

Unter  den  Labiaten  zeichnen  sich  die  Arten  der  Salbeigat- 
tung durch  die  Mannigfaltigkeit  ihrer  Farben  eben  so  selir  aus, 
wie  durch  die  Schönheit  derselben,  schon  unter  den  einheimischen 
finden  wir  Salvia  pratemis  L.  blau  20  c,  S.  verticillata  L.  roth 
22  d  und  die  bleiche,  weil  im  Waldschatten  lebende  S.  glutinosa 
L.  schwefelgelb  9  f,  unter  den  tropischen  unserer  Gärten  aber 
neben  der  ultramarinblauen  S.  patens  Cav.  18  b,  der  hellblauen 
S.  Sdarea  L.  19  g  und  der  violetten  S.  officinalis  L.  21  c  und 
S.  Horminum  L.  21  b  die  karminrothe  8.  dulcis  Hort.  24  b  und 
die  schar lachrothen  S.  cardinalis  H.  et  B.  2  c,  S.  coccinea  L.  1 
b  und  )S.  splendens  Ker  2  c. 


—   335   — 

Lecoq  macht  auf  das  häutige  Auftreten  gelber  Blumen  mitten 
uirter  blauen  aufmerksam,  so  Aconitum  Lycoctonum  und  A.  Anthorah., 
Linum  maritimum  und  L.  fiavum  L.,  Viola  hiflora  L..  Lupinus 
luteus  L.,  Geiitiana  lutea  L. ,  Campanula  aurea  L.  iil.,  Gyanella 
lutea  L.,  gelbe  und  blaue  Schwertlilien,  ähnliche  Fälle  unter  den 
Boragineen  und  der  erwähnte  umgekehrte  bei  den  Cichoraceen ; 
aber  auch  in  den  sonst  rothblühenden  Gattungen  treten  solche 
einzelne  gelbblühende.  Arten  auf,  wenn  auch  weder  absolut  noch 
weniger  relativ  so  häufig,  so  Rosa  Eglanteria  L.  und  sulfurea 
Ait.,  Saponaria  lutea  L.,  Euphrasia  lutea  L.,  Papaver  nudicaule 
L.,  die  Opuntien  unter  den  Cacteen,  und  umgekehrt  Potentilla 
formosa  und  atrosanguinea  Don. 

Fremdartige  Seltenheiten  sind  eine  von  Lecoq  erwähnte 
himmelblaue  Meconopsis  aus  dem  Himalaya  unter  den  Papaveraceen, 
die  neuholländische  Trachymene  cyanea  Cunningham  20  e  unter 
den  Umbelliferen. 

Die  meisten  Arten  der  Gattung  Ranunculus  blühen  lebhaft 
gelb,  die  im  Wasser  und  in  der  Alpenregion  lebenden  aber  weiss, 
unsere  Nymphäaceen  sind  weiss  oder  gelb,  die  tropischen  auch 
roth  und  blau. 

8)  Verhältuiss  der  Farbe  zum  Geruch  der  Blumen. 

Der  Geruch  der  Blumen  ist  noch  weit  mehr  als  ihre  Farbe 
von  der  Temperatur  abhängig,  mit  welcher,  vorausgesetzt  dass 
es  an  Feuchtigkeit  nicht  fehlt,  die  Lebensthätigkeit  der  Pflanzen 
steigt  und  fällt;  die  späten  Herbstblumen  der  Monatrosen  und 
Reseda  in  unsern  Gärten  lassen  den  Wohlgeruch  der  sommer- 
lichen kaum  ahnen,  dieselben  Blumen  riechen  im  südlichen  Europa 
viel  stärker  als  im  nördlichen,  so  konnte  ich  in  Albano  den 
Wohlgeruch  der  Petunia  violacea  Hook.,  in  Mira  den  der  von 
Sphinx  Convolvuli  umschwärmten  Mirabilis  Jalapa  L.  auf  mehrere 
Schritte  Entfernung  wahrnehmen,  in  Stuttgart  kaum  auf  einige 
Spannen;  indessen  besteht  keine  Grenze  zwischen  riechenden 
und  geruchlosen  Blumen,  eine  Menge  verbreitet  unter  günstigen 
Umständen  einen  Geruch,  hinreichend,  um  Insekten  zur  Förderung 
ihrer  Befruchtung  anzulocken,   aber  zu  schwach,  um  von   dem 


—    336    — 

Menschen  beachtet  zu  werden ;  ich  habe  daher  meine  Unter- 
suchungen auf  die,  wie  die  Farben,  oft  ganz  vereinzelt  mitten 
in  einer  Familie  oder  Gattung  geruchloser  auftretenden  stark- 
riechenden Blumen  beschränkt,  besonders  solche,  welche  vorzüg- 
lich ihres  Geruchs  wegen  in  Gärten  gezogen  werden,  wie  die 
Reseda,  oder  zu  Markt  gebracht,  wie  die  Veilchen  und  Mai- 
blumen, freilich  sind  mir  viele  starkriechende  Blumen  der  Tro- 
penländer der  Farbe  und  dem  Geruch  nach  unbekannt  geblieben, 
und  selbstverständlich  wurden  alle  diejenigen  Pflanzen  ausge- 
schlossen, bei  welchen  nicht  die  Blumen,  sondern  die  Blätter 
und  andere  grüne  Theile  stark  riechen,  -^ie  die  Pelargonien, 
Dictamnus,  Calendula,  Tagetes^  Balsamita  und  sehr  viele  Labiaten. 
So  habe  ich  ein  Verzeichniss  von  hundert  und  elf  Arten  zusam- 
mengebracht, von  welchen  31  der  Flora  von  Württemberg  ange- 
hören, die  meisten  einen  angenehmen  und  nur  zehen  einen  un- 
angenehmen Geruch  verbreiten. 

Unter  den  weissen  Blumen  findet  man  die  meisten  wohl- 
riechenden, 35,  ein  Drittheil  der  Gesammtzahl,  darunter  sehr 
ausgezeichnete  und  beliebte,  die  schon  von  Salomo  gerühmte 
weisse  Lilie,  während  ihre  farbigen  Schwestern  geruchlos  sind, 
die  Tuberose,  die  Pomeranze,  die  Myrte,  drei  echte  und  zwei 
unechte  Jasmine,  die  Gardenien,  den  Cereiis  grandiflorus  Mill., 
die  weisse  Narcisse,  die  ungemein  lieblich  riechende  kleine  Blüthe 
des  Oelbaums  und  unter  unsern  einheimischen  den  gefeierten 
Waldmeister,  die  Maiblume,  den  Holder,  die  schattenliebenden 
Pyrola  uniflora  L.  und  Piatanthera  hifolia  Rieh,  und  die  Nacht- 
blumen der  Lychnis  vespertina  Sibth,,  deren  purpurrothe  Schwes- 
ter Lychnis  sylvestris  Scop.   geruchlos  ist. 

Zu  den  übelriechenden  weissen  Blumen  kann  man  die  Schlehe, 
die  den  Spaziergänger  in  'Stuttgarts  Schlossgarten  belästigende 
Traubenkirsche  und  den  gern  am  Wege  blühenden  Attich 
rechnen. 

Den  weissen  Blumen  kommen  die  rothen  am  nächsten, 
mit  30  Arten,  etwas  über  den  vierten  Theil  der  Gesammtzahl, 
darunter  die  beliebte  Gartennelke,  die  Federnelke  und  die  Pfingst- 
nelke,   die  Rosen,  Sommer-  und  Winter-Levkojen,  der  Oleander 


—    337    — 

(Neriimi  odorum  Ait.),  die  orientalische  Seidenrose  (Bcacia  Juli- 
brissin  Willd.)  und  der  Gewürzstrauch  {Calycanthus  floridus  L.), 
unter  den  wildwachsenden  der  Seidelbast,  zwei  Nelken,  Dianthus 
superhus  L.  und  caesius  Smith,  das  Chocoladkraut  {Plantago  media 
L.),  die  Weinrose  {Rosa  rubiginosa  L.),  die  Mairose  {Rosa 
cinnamomea  L.) ,  die  nächtliche  Silene  rioctiflora  L.  und  eine 
Orchidee,  Gymnadenia  odoratissima  Rieh. ;  zwei  andere  Orchideen, 
Nigritella  angustifolia  Rieh,  und  suaveolens  Koch,  berühmt  in  der 
Schweiz  als  Brentle,  im  Zillerthal  als  Braunellen,  zeichnen  sich 
unter  den  Alpenpflanzen  durch  ihren  durchdringenden  Vanillen- 
geruch noch  mehr  aus,  als  durch  ihre  an  schwarz  grenzende 
Pui*purfarbe. 

Als  übelriechende  rothe  Blume  haben  Römer  und  Schultes 
eine  Tulpe,  TuUpa  maleolens,  bezeichnet,  deren  schwacher  Mehl- 
geruch diesen  Namen  nicht  verdient. 

Den  dritten  Rang  unter  den  starkriechenden  Blumen  nehmen 
die  gelben  ein,  21  Arten;  hier  finden  wir  den  so  allgemein  ver- 
breiteten Goldlack,  die  Oenothera  suaveolens  Desf.,  Jasminum 
odoratlssbiium  L.,  Ribes  aureum  L.,  die  Theerose,  das  in  w^eiss 
und  roth  hinüberschwankende  Geisblatt,  Tidipa  suaveolens  Roth, 
Narcissus  Jonquilla,  odorus  und  Tazzetta  L.,  die  grünliche  Ptelea 
trifoliata  L.  und  den  Mangel  an  Schönheit  gleich  der  Reseda 
reichlich  durch  herrlichen  Geruch  ersetzend  die  gelbgrüne  Blüthe 
der  Rebe;  unter  den  einheimischen  gehören  die  Schlüsselblume, 
die  Linden  und  als  einzige  Wasserpflanze  mit  wohlriechenden 
Blumen  die  gelbe  Seerose  hieher, 

Uebelriechend  kann  man  die  gelben  Blumentrauben  des 
Sauerdorns  {Berberis  vulgaris  L.)  nennen. 

Violett  fand  ich  nur  9  wohlriechende  Blumen,  das  Vanillen- 
kraut {Heliotropium  peruviamnn  L.)  als  die  einzige  starkriechende 
Boraginee,  die  seltene  Datura  fastuosa  L.,  Petunia  violacea  Hook., 
jetzt  eine  Modepflanze,  Syringa  chinensis  Willd.,  die  auch  rosa 
und  weiss  blühende  spanische  Wicke  {Lathyrus  odoratus  L.),  die 
ebenfalls  vielfarbige  Hyacinthe,  Hyptis  suaveolens  Poit.  und  unter 
den  einheimischen  das  Veilchen  und  die  bleichere,  aber  ebenso 
angenehm  riechende   Viola  mirabilis  L. 

Württemb.  natiirw.  Jahreshefte.     1862.     3s  Heft.  22 


—    338    — 

Auffallend  wenig  wohlriechende  und  keine  übelriechende 
Blume  hat  der  vorwiegend  blaue  Theil  der  janthinischen  Reihe; 
ich  fand  nur  4  hieher  gehörige  Blumen,  die  Hyacinthe,  die  Trau- 
benhyacinthe  {Muscari  racemosum  Mill.),  die  Aprikosenblume 
(Iris  graminca  L.)  und  den  Flieder  {Syringa  vulgaris  L.). 

Orange  fand  ich  nur  eine  in  Deutschland  fast  unbekannte, 
Meher  gehörige  Blume,  welche,  weil  sie  zuerst  im  Jahr  1611  in 
dem  farnesischen  Garten  in  Rom  gezogen  wurde,  den  Namen 
Acacia  Farnesiana  Willd.  fiihrt ,  ihre  sehr  angenehm  riechenden 
Blumen  werden  zwischen  die  Wäsche  gelegt  und  von  den  Spaniern 
Aromo  genannt. 

Sechs  Arten  starkriechender  Blumen  haben  ternäre,  in  der 
Farbentafel  nirgends  hinpassende  Blumen,  zwei  derselben,  die 
Nachtviole  (Hesperis  tristis  L.)  und  das  Nachtgeranium,  Geranie 
notturno  der  Italiener  {Pelargonium  triste  Cav.),  sind  bei  Tag 
geruchlos  und  verbreiten  bei  Nacht  wie  die  Belle  de  nuit  einen 
äusserst  angenehmen,  die  Dämmerungsfalter  anlockenden  Geruch; 
zwei  andere  haben  einen  widrigen,  eckelhaften  Geruch,  die  hohe 
Ailanthus  glandidosa  Desf.  und  die  Stapelia  hirsuta  L:,  deren  Farbe 
und  Aasgeruch  die  Fliegen  verführt,  ihre  Eier  darauf  zu  legen; 
die  übrigen  sind  Muscari  moschatum  Desf.  mit  Bisamgeruch  und 
Iris  sambucina  L.  mit  dem  Geruch  der  Holderblumen. 

Endlich  gibt  es  noch  vier  sehr  übelriechende  Blumen  ohne 
Krone,  die  essbare  Kastanie,  die  nur  durch  die  Hoffnung  auf 
die  süsse  Frucht  den  widrigen  Geruch,  den  sie  w^eit  herum  ver- 
breitet, erträglich  macht,  und  der  dieses  Trostes  mangelnde  Stink- 
baum (Sterculia  foetida  L.),  dann  Arum  Dracunculus  L.  und 
A.  crinitum  Alt.,  welche  beide  wie  jene  capische  Stapelie  durch 
Farbe  und  Geruch  verw^esenden  Fleisches  den  zudringlichen  Aas- 
fliegen verderblich  werden. 

IX.   Staubfäden,  Staubbeutel,  Blumenstaub. 

Ist  die  Blumenkrone  noch  so  lebhaft  gefärbt,  so  bleibt  doch 
der  unterste,  nicht  an  das  Licht  gelangende  Theil  derselben  im 
Kelche  farblos,  glasartig  oder  kaum  weisslich  getrübt,  Nelken, 


—    339    — 

Schlüsselblumen,  Rochea;  aus  demselben  Grunde  sind  die  Staub- 
fäden {füamenta) ,  welche  einen  oder  mehrere  Kreise  innerhalb 
der  Krone  bilden,  farblos,  so  lange  oder  so  weit  sie  durch  ihre 
Umhüllungen  dem  Lichte  unzugänglich  bleiben. 

Treten  aber  die  Staubfäden  durch  ungewöhnliche  Verlänge- 
rung über  die  ihre  Basis  verhüllende  Krone  heraus,  so  färben  sie 
sich  bald  gleich  der  Krone,  wie  bei  Schotia  latifolia  Jacq.,  Vero- 
nica  Fortieri  Hort.,  bald  davon  abweichend,  wie  bei  Fuchsia  coc- 
cinea  L.,  wo  sie  die  Farbe  des  Kelchs  wiederholen,  bei  Metrosi- 
deros  albiflora  Gacrtn.  und  Echium  vulgare  L.,  bald  harmonisch 
mit  dem  gelben  Blumenstaub ,  wie  bei  vielen  Acacien,  besonders 
den  neuholländischen  9  e,  Thalictrum  flavum  L.  9  e,  Nierembergia 
gracilis  Hook.  9  g,  Echeveria  secunda  Bot.  Reg.  9  g ,  Acacia 
Farnesiana  Willd.  8  d,  Clematis  integrifolia  L.  7  g,  Verbascum 
floccosum  Willd.  6  c,  iMesembryanthemum  aurcum  L.  fil.  5  f,  bald 
in  der  Ergänzungsfarbe  zu  demselben,  wie  bei  dem  nach  seinen 
schönen  Staubfäden  benannten  Callistemon  speciosum  Dec.  24  b, 
eben  so  schön  karminroth  bei  den  meisten  Fuchsien,  deren  hän- 
gende Blumen  in  ihrer  regenreichen  Heimath,  den  Cordilleren 
von  Mexiko  bis  zum  Feuerlaud  und  den  Falklandsinseln ,  die 
Staubkolben  vor  Regen  schützen,  ohne  ihnen  die  Sonne  zu  neh- 
men, purpurroth  bei  Portulaca  grandiflora  Hook.  23  b,  Hibiscus 
Trionum  L.  22  a,  ^"erbascum  phoeyiiceum  L.  22  c,  Plantago  media 
L.  22  e,  Thalictrum  atropurpureum  Jacq.  22  h ;  violett  bei  Vero- 
nica  Fortieri  Hort.  21  b  ist  die  äusserste  Grenze  gegen  blau, 
welche  die  Staubfäden  erreichen,  denn  selbst  bei  unserem  violett- 
blauen Natterkopf  {Echium  vulgare  L.)  bleiben  sie  der  Purpur- 
farbe 23  e  treu,  welche  die  Krone  vor  dem  Aufblühen  zeigte. 

Unter  allen  Theilen  der  Pflanze  haben  die  Staubbeutel 
(aniherae)  das  dringendste  Bedürfniss  nach  Sonnenlicht,  um  ver- 
trocknend aufzuspringen  und  den  durch  seine  ölige  Beschaffenheit 
vor  zu  starker  Vertrocknung  geschützten  Blumenstaub  auszu- 
streuen ;  dieses  Bedürfniss  zu  ])efriedigcn  steigt  die  Blume  auch 
der  entschiedensten  Wasserpflanze  über  den  Wasserspiegel  empor, 
wendet  sich  jede  aufgehend  der  Sonne  zu,  schliesst  sich  oder  senkt 
sich  bei  Nebel.  Thau  oder  Regen.  Gentia?ia,  Portulaca,  Erythraea, 


—    340    — 

Ornithogalum,  Tulipa;  nur  wenige  machen  eine  Ausnahme,  so  die 
Pflanzen  ohne  trockenen  Blumenstaub,  Asclepiadeen,  Orchideen, 
die  nicht  grünen  Schmarotzer,  Lathraea,  Monotropa,  Orohanche, 
Cytinus^  Rafflefia,  einige  andere  schattenliebende  G-attungen, 
Cyclamen^  Asarurn,  Aristolochia,  und  die  vor  OeiFnung  der  Erone 
sich  im  Verborgenen  befruchtenden  Campanulaceen. 

Diese  so  nothwendige  Erwärmung  und  Trocknung  wird  häufig 
durch  die  dunkle  Farbe  der  Staubbeutel  im  Gegensatze  zu  der 
bleichen  der  sie  tragenden  Fäden  befördert,  und  häufig  ist  daher 
der  Staubbeutel  der  am  dunkelsten  gefärbte  Theil  der  Blume, 
so  vom  tiefsten  Purpurroth,  beinahe  schwarz,  bei  Arhutus  Unedo 
und  Ut>a  ursi  L.,  Erica  carnea  L.,  multiflora  L.  und  vielen  andern 
Heidekräutern,  Borago  qfficinalis  L.,  Anchusa  officinalis  L.,  Papa- 
ver  Rhoeas  L. ,  Veratrum  nigrum  L.,  etwas  weniger  dunkel  bei 
Astrantia  major  L.  23  c,  dem  Buchweizen,  dessen  weisser  Blüthe 
die  purpurnen  Staubbeutel  einen  rothen  Schimmer  verleihen, 
dem  Teufelsabbiss  23  e,  der  rothen  Hyacinthe  22  b ,  Lychnis 
grandiflora  Jacq.  22  c  und  vielen  Disteln  22  c  bis  e. 

Dunkelviolett  21  a  sind  die  Staubbeutel  der  Petunia  violacea 
Hook.,  des  Augentrostes  gleich  der  Linienzeichnung  an  der  weissen 
Blumenkrone,  des  Faulbaums,  der  Justicia  paniculata  Vahl,  der 
Bignonia  capensis  Thunb.,  des  Muscari  mosckatum  Desf.  und  vieler 
Tulpen,  etwas  heller  21  c  die  von  Carduus  nutans  L.,  eine  Stufe 
weiter  gegen  blau,  bis  20  b,  gehen  die  Staubbeutel  der  blauen 
Hyacinthen  und  der  Nardosmia  fragrans  Rchb. ;  bei  der  drei- 
farbigen Winde  entsprechen  die  Staubfäden  der  weissen  Mitte 
der  Blume,  die  Staubbeutel  19  a  dem  Saume  derselben,  diejeni- 
gen der  Kugeldistel  sind  18  c,  rein  blaue  17  Staubbeutel  habe 
ich  aber  nie  gesehen,  und  die  etwas  unbestimmt  als  blau  angege- 
benen von  Phacelia,  Nemophila,  Gilia  und  Hydrolea  dürften  kaum 
violettblau  überschreiten. 

Verlassen  wir  die  janthinische  Reihe  und  schreiten  in  der 
xanthischen  von  roth  gegen  gelb,  so  werden  die  in  der  Farbe 
mit  dem  entgegenkommenden  Blumenstaub  übereinstimmenden 
Staubbeutel  immer  häufiger  und  überwiegen  weit  diejenigen, 
welche  seiner  Farbe  als  Ergänzungsfarben  gegenüber  stehen;  die 


—    341    — 

Staubbeutel  von  Lilium  chalcedonkum  und  pomponium  L.  haben 
die  Farbe  der  Blume  3  b,  die  der  Reseda  gehen  eine  Stufe  wei- 
ter 4  e  ;  die  Staubbeutel  von  Galanthus  nivalis  L.  fand  ich  6  d, 
von  Solanum  Pseudocapsicv.m  L.  und  Amorpha  fruticosa  L.  7  d, 
bei  den  meisten  Pflanzen  sind  sie  rein  gelb,  grüne  und  weisse 
gibt  es  nicht. 

Der  Blumenstaub  {pollen)  ist  der  einzige  Theil  der  Pflanze, 
welcher  beinahe  bei  allen  Gewächsen  gelb  ist,  in  der  ungeheuren 
Mehrzahl  rein  gelb  9  d  bis  f  oder  eine  Stufe  gegen  roth  8  d 
bis  f,  grössere  Entfernungen  von  diesen  Farben  sind  seltene  Aus- 
nahmen, ich  beobachtete  in  vielen  Jahren  nur  folgende:  heller 
9  g  bei  Echeveria  secunda  Bot.  Keg.  und  den  Fuchsien,  beinahe 
weiss  9  h  bei  der  Ulme,  bei  Gonvolvulus  tricolor  L, ,  Nardosmia 
fragrans  Rchb. ,  dem  Majoran  und  Canna  iridica  L. ;  orangegelb 
ist  der  Bluntenstaub  bei  der  Platterbse  {Lathyrus  sativus  L.)  7  e, 
ßine  Stufe  röther  bei  dem  Türkenbund  {Lilium  Martagon  L.)  6  b 
und  der  Schafgarbe  6  c,  ebenso  bei  mehreren  Arten  der  Gat- 
tung Verbascunu  bei  Colutea  arborescens  und  orientalis  L.,  Hibis- 
cus  Trionuni  L.,  Anthericum  Liliage  und  ramosum  L. ;  der  Blumen- 
staub von  Lilium  lancifolium  Thunb.,  chalcedcmicum  und  pompo- 
nium. L.  ist  völlig  orange  5  b,  bei  der  Rosskastanie  4  c,  h^iAlo'e 
barbadensis  Miller  3  f,  bei  den  Erythrinen  11  f,  bei  Malva  mau- 
ritiana  L.  22  h;  bei  den  Tulpen  mit  schwarzvioletten  Staubbeu- 
teln fand  ich  auch  den  Blumenstaub  von  gleicher  Farbe,  Petunia 
violacea  Hook,  hat  schön  blauviolettblauen  Blumenstaub  18  d. 

X.  Die  Frucht. 

1)     Farbige  Griffel  und  Narben. 

Dtr  Stempel  (pistillum),  durch  seinen  Namen  an  die  Apo- 
theker als  Förderer  der  Pflanzenkunde  erinnernd,  ist  der  innerste 
Kreis  oder  Wirtel,  die  letzte  Metamorphose  der  Blätter,  von  allen 
am  meisten  geschützt  und  verhüllt,  daher  am  seltensten  gefärbt; 
indessen  fehlt  es  nicht  ganz  an  Beispielen  farbiger  Griffel  und 
Narben,  das  bekannteste  ist  der  durch  seinen  arabischen  Namen 
an    die    Saracenen  erinnernde  Safran  6   c,  die   einzige  Pflanze, 


—    342    — 

deren  Griffel  einen  brauchbaren  Farbestoff  liefert,  auch  die  Griffel 
der  andern  Crocusarten  haben  bald  wie  er  im  Gegensatz  zur 
Krone,  bald  wie  bei  Crocus  luteus  Lam.  in  Uebereinstimmung 
mit  derselben  eine  rothgelbe  Farbe. 

Lebhaft  orange  5  b  fand  ich  den  Griffel  von  Echinocactus 
corynodes  Hort,  berol.,  scharlachroth  2  c  den  der  Granatblüthe 
und  mehrerer  Cannaarten,  bei  Fuchsia  und  Metrosideros  hat  der 
Griffel  genau  die  schöne  Karminfarbe  24  b  der  Staubfäden,  kar- 
minroth  sind  auch  die  kleinen  Narben  der  Haselstaude  und  die 
grösseren  des  Wunderbaums  als  Ergüuzungsfarben  zu  den  gelben 
Staubbeuteln,  bei  Hibiscus  Trionum  L.  sind  Griffel  und  Narbe 
dunkelviolett  22  a,  bei  Veronica  Fortieri  Hort,  etwas  lichter  22  b, 
bei  Bignonia  capensis  Thunb.  21  a,  Petunia  violacea  Hook,  hat 
eine  tiefgrüne  Narbe  12  a. 

Bei  den  so  mannigfaltigen  blauen,  violetten  und  gelben,  nie 
rothen  Schwertlilien  hat  der  dreitheilige  Griffel  mit  der  Gestalt 
auch  die  Farbe  der  Blumenblätter  angenommen,  den  aufrechten 
der  Krone  gleich  oder  doch  nahe  stehend;  so  fand  ich  ihn  gelb 
bei  Iris  sambucina  L.  9  c,  Pseudacorüs  L.  und  variegata  L.  9  e, 
squalens  L.  9  f,  violett  bei  Iris  spuria  L.  21  d  und  sibirica  L. 
20  c,  weiss  bei  Iris  plicata  Lam. 

2)   Der  Fruchtknoten. 

Zeigen  auch  zuweilen  Griffel  und  Narben  bunte  schöne  Far- 
ben, so  ist  dieses  doch  nie  bei  dem  Fruchtknoten  {germen)  der 
Fall ,  dieser  ist  ohne  Ausnahme  bleich,  wie  die  Blätter  anfangs 
gelblich,  später  durch  Aufnahme  von  blau  grün.  Indessen  zeigt 
sich  bei  völliger  Gleichheit  der  eine  Sauerstoffaushauchung  an- 
zeigenden Farbe  doch  der  merkwürdige  Unterschied,  dass  die 
unreifen  Früchte  das  Licht  eben  so  eifrig  fliehen,  als  die  Blät- 
ter dasselbe  suchen,  wohl  weil  erstere  zu  ihrer  Entwicklung  das 
Wasser  dringender  bedürfen ;  nebenbei  wird  noch  der  weitere 
Zweck  erreicht,  die  künftige  Brut  durch  Verborgenheit,  wie  durch 
Farbe,  Geruchlosigkeit  und  sauren,  herben  Geschmack  den  Nach- 
stellungen der  Thiere  und  Menschen  möglichst  zu  entziehen. 


—    343    — 

Es  ist  bewunderungswürdig,  durch  wie  mannigfaltige  und 
oft  sinnreiche  Mittel  dieser  Zweck,  möglichst  viel  Licht  für  die 
Blume,  möglichst  wenig  Licht  für  die  junge  Frucht,  erreicht  wird. 

Am  einfachsten  sehen  wir  bei  den  meisten  unserer  Wald- 
und  Obstbäume,  den  Buchen  und  Eichen,  Weiden  und  Erlen, 
wie  bei  den  Ptirschen  und  Kirschen,  Aepfel  und  Birnen,  die 
ßlüthe  den  Blättern  zuvorkommen  und  die  ganze  Fülle  der 
Frühlingssonne  geniessen;  während  dann  die  Blüthen  ihr  kurzes 
Dasein  beschliessen,  treten  die  Blätter  hervor  und  verdecken  die 
ihnen  gleich  gefärbten  Früchte.  Aehnliches  geschieht  bei  niede- 
ren Gewächsen,  an  welchen  Blätter  und  Zweige  sich  verlängernd 
die  Frucht  überwachsen,  wie  bei  den  Veilchen,  dem  Ehrenpreis, 
den  Schlüsselblumen. 

Die  Zeitlose  schmückt  noch  im  späten  Herbst  unsere  feuchten 
Wiesen  mit  ihren  schönen  nackten  Blumen,  die  Frucht  bleibt  den 
Winter  über  sicher  verborgen  tief  im  Boden  zurück,  aus  welchem 
sie  erst  im  folgenden  Sommer  von  den  Blättern  umhüllt  hervor- 
kommt. 

Bei  Stellaria  und  vielen  andern  Alsineen,  bei  Talinujn,  Calan- 
drlnia,  Echeveria,  Pachy^hytum  bildet  der  Blumenstengel  einen 
Bogen,  die  Knospen  befinden  sich  an  demselben  in  einer  Reih'e 
über  einander,  die  sich  öffnende  stets  aufrecht  im  Scheitel  des 
Bogens  die  Sonne  anschauend,  ist  sie  verblüht,  so  senkt  sich  ihr 
Stiel  abwärts,  so  dass  die  Spitze  der  durch  den  Kelch  bedeckten 
Kapsel  wieder  nach  unten  steht,  der  Stengel  richtet  sich  auf  bis 
zur  nächsten  der  schlummernd  herabhängenden  Knospen,  die  nun 
erwacht  und  sich  aufrichtet,  um  nach  kurzer  Freude  das  Loos 
der  Vorgängerin  zu  theilen  und  ihre  Stelle  einer  jüngeren  Schwester 
zu  überlassen ;  die  Vergissmeinnichtarteu,  Heliotropien  und  andere 
Asperifolien  gehen  einen  Schritt  weiter  und  bilden  statt  des  ein- 
fachen Bogens  eine  in  sich  eingerollte  Spirale. 

Berühmt  wie  der  ausgezeichnete  Arzt,  dessen  Andenken  sie 
erhält,  ist  die  Vallisneria  durch  die  schraubenförmige  Verkürzung 
ihres  schlanken  Blumenstiels,  wodurch  die  Blume  von  dem  Was- 
gerspiegel,  wo  sie  an  einem  heitern  Vormittag  im  Sonnenschein 
Besuche    empfieng,  wieder  in  die  dunkle  Tiefe  hinabgezogen  und 


—    344    — 

unter  den  bandförmigen  Blättern  verborgen  wird,  aber  dieses 
Untersinken  theilen  die  Früchte  aller  Wasserpflanzen  mit  ihr, 
die  einen  zurückgedrängt  von  den  fortwachsenden  Zweigen,  wie 
bei  Trapa  natans  L.,  Potamogeton^  Ranunculus  aquatiUs  L.,  an- 
dere durch  Entweichung  der  sie  tragenden  Luft ,  wie  bei  den 
Ütricularien,  und  wieder  andere  durch  Zunahme  ihrer  Schwere, 
wie  bei  den  Seerosen. 

Die  herabziehende  Schraube  der  Vallisneria  steht  auch  nicht 
vereinzelt  da ,  alle  Arten  der  schönen  Gattung  Cydamen  ziehen 
so  die  heranwachsende  Frucht  dicht  an  die  Erde  herab. 

Sonderbarer  noch  sind  einige  Pflanzen,  welche,  nachdem  sie 
im  Sonnenschein  geblüht  haben,  die  Frucht  in  die  Erde  hinab- 
bohren und  begraben,  so  Trifolium  subterraneum  L.,  Morisia 
hypogaea  Gay  und  zwei  in  den  Tropenländern  sehr  beliebte  Hül- 
senfrüchte, die  Erdnuss,  Pistache  de  terre  {Arachis  hypogaea  L.) 
und  die  Bohrblume,  Haricot  de  terre  (Glycine  subterranea  L.), 
welche  wie  die  Kartoffeln  ausgegraben  werden. 

3)    Saftige  Früchte. 

Die  Frucht  der  Pflanze  reift  auf  zweierlei  Weise,  entweder 
wasserreicher,  saftiger  werdend,  oder  vertrocknend. 

Früchte,  welche  reifend  wasserreicher  werden,  sind  dadurch 
in  den  Stand  gesetzt,  auch  nach  dem  Tode  der  Pflanze,  welche 
sie  entwickelt  hat,  ja  selbst  getrennt  von  derselben  ihr  Leben 
noch  einige  Zeit  fortzusetzen,  so  am  längsten  die  Aepfel,  deren 
Lebenszähigkeit  ihren  Hauptwerth  als  Winterobst  bildet;  ich  habe 
oft  auf  dem  Markte  neben  neuen  Aepfeln  vorjährige  gesehen,  und 
Sicklers  zwei  Jahre  dauernde  Reinette,  welche  erst  gegen  Pfing- 
sten ihre  völlige  Reife  erreicht,  hält  sich  selbst  länger  als  zwei 
Yolle  Jahre.  Einige  Monate  lang  halten  sich  auch  mehrere  Win- 
terbirnen, die  Trauben  und  die  Wintermelone.  So  bieten  diese 
Früchte  Menschen  und  Thieien  eine  willkommene  gesunde  Nah- 
rung und  diese  dienen  wieder  der  Pflanze,  indem  sie  einen  Theil 
ihrer  Samen  unverdaut  dem  Boden  zurückgeben. 

Die  reifen  Früchte  stimmen  höchst  selten  in  der  Farbe  mit 
der   vorangegangenen  Blume  überein ;  kaum  ist  der  Schnee  ver- 


345 


schwunden,  so  bedecken  sich  in  unserer  gemässigten  Zone  Bäume 
und  Sträucher  mit  Millionen  schneeweisser  Blumen,  im  Walde 
leuchten  die  Blüthen  der  Erdbeeren,  Brombeeren  und  Maiblumen, 
am  Waldsaume  schimmern  die  Schlehen  und  der  Weissdorn,  an 
den  Landstrassen  und  um  die  Dörfer  die  Kirschen-,  Pflaumen-, 
Birn-  und  Aepfelbäume,  aber  diese  letzteren  allein  erinnern  durch 
einen  leicliten  rothen  Anflug  an  eine  der  mannigfaltigen  Farben, 
welche  im  Herbst  die  nie  weissen  Kinder  dieser  immer  weissen 
Blumen  sclimücken  werden. 

Eben  so  wenig  stimmt  die  Farbe  der  Blüthen  südlicherer  Obst- 
bäume mit  der  ihrer  Früchte  überein,  der  herrlichen  Blüthe  der 
Mandelbäume  folgen  unscheinbare  grüne  Früchte  und  umgekehrt 
auf  die  unansehnliche  Blüthe  der  Rebe  die  prächtigen  Trauben, 
tiuf  die  weissen  Blümchen  der  Oelbäume  schwarze  Oliven;  bei  den 
berühmten  Agrunii  ist  die  Blüthe  weiss,  die  Frucht  orange  oder 
gelb,  bei  den  beliebten  Pomi  d'oro  die  Blüthe  gelb,  die  Frucht 
scharlachroth:  ähnlich  verhält  es  sich  bei  dem  spanischen  Pfeffer, 
den  Naciitschatten,  den  Mispeln,  Quitten,  den  Gattungen  Soi^bus^ 
Lonicera,  Bryonia  und  der  ganzen  Familie  der  Asparageen,  nur 
die  Pfirschen,  einige  Kürbisse,  Gurken,  Melonen  und  Rosen  zei- 
gen in  Blume  und  Frucht  ähnliche  Farben. 

Ganz  anders  ist  das  Verhältniss  der  Farbe  saftiger  Früchte 
zu  derjenigen  der  Blätter,  es  theilen  sich  nehmlich  die  Früchte 
in  zwei  Unterabtheilungen,  je  nachdem  sich  bei  der  Blume  der 
Fruchtknoten  ausserhalb,  unter  derselben  {ßores  superi),  oder 
innerhalb,  über  derselben  {flores  inferi)  befindet.  D^r  wesent- 
liche Unterschied  besteht  darin,  dass  im  ersteren  Falle  der  den 
Blättern  nahe  verwandte  Kelch  die  Oberfläche  der  Frucht  bildet, 
in  dem  letzteren  aber  eine  Schale  oder  Haut,  welche  einem  noch 
innerhalb  der  Blumenblätter  und  Staubfäden  liegenden  innersten 
Kreise  angehört. 

1.    Unterblumige  Früchte. 

Die  unterblumigen  saftigen  Früchte  entwickeln  genau  die 
Farben,  in  welchen  die  Blätter  zur  Zeit  der  Herbsttracht  glänzen, 
Gelb  und  Roth  mit  allen  Zwischenstufen  zwischen  diesen  beiden 


—    346    — 

Gründfarben.  Ich  habe  die  Farben  von  385  unterblumigen  Früch- 
ten theils  nach  dem  Leben,  theils  nach  guten  Abbildungen  ver- 
glichen und  an  96  ein  reines  Gelb  gefunden,  so  an  Crataegus 
flava  Ait,  den  Melonen,  mehreren  Kürbissen,  an  Sorbits  domestica 
L.,  den  Quitten,  37  Birnen-  und  53  Apfelsorten. 

Wenige  mehr,  99,  waren  grünlichgelb  10  bis  12,  die  blaue 
Farbe  hatte  die  Frucht  nicht  ganz  verlassen,  doch  überwog  die 
gelbe  entschieden,  so  bei  der  Schlangengurke  10  e,  einem  Kürbiss 
10  f,  den  Bananen  10  d,  Sicyos  angulata  L.  10  d,  einer  Feige 
10  b,  Adoxa  Moschatell'ma  L.  11  e,  Stachelbeeren  11  c,  der 
Cantalupmelone  12  h  mit  12  a  gefleckt,  dem  Flaschenkürbisse 
12  g  h,  den  Bändern  einiger  Kürbisse  12  a  b,  der  welschen  Nuss 
12  b,  deren  fleischige  Hülle  absterbend  schwarz  wird,  wie  das 
abgefallene  Laub  der  Birnbäume ,  endlich  55  Birnen  und  27 
Aepfel. 

Eine  rein  grüne  Farbe  fand  ich  nur  an  5  Cucurbitaceen  und 
4  Birnsorten,  erstere  sind  Trichosanthes  colubrina  Jacq.,  der  biruför- 
mige  Kürbiss  weisslich  grün  mit  dunkelgrünen  Bändern,  welche  jedoch 
zuletzt  in  röthlichgelb  8  e  übergehen,  Cucu7^hita  variegata  SteudellS 
h  mit  13  b  gefleckt,  Cucurbita  Melopepo  L.  und  die  in  Süd-Europa  so 
beliebte  Wassermelone,  eine  wunderschöne,  mehrere  Pfund  schwere 
Frucht,  die  Schale  dunkelgrün,  nach  Innen  ein  ungeniessbares 
weisses  Fleisch,  dann  aber  ein  wohlschmeckendes  blutrothes  24  b, 
um  so  saftiger  und  süsser,  je  näher  an  den  schwarzen  Samen. 

Beinahe  eben  so  oft,  wie  durch  blau  gedämpft,  findet  man 
bei  den  unterblumigen  Früchten  die  gelbe  Farbe  durch  roth  ge- 
hoben, ich  zählte  95  Früchte  der  Farbenstufen  6  bis  8,  darunter 
Cucumis  pictus  Jacq.  7  d  mit  dunklen  Flecken,  den  Warzenkür- 
bis 6  c  bis  7  b,  den  Pomeranzenkürbis  6  c,  den  gemeinen  Kür- 
bis 6  c  bis  8  e,  den  Sternkürbis  8  f  und  den  Centnerkürbis 
(Cucurbita  ma^hna  Duchesne)^  die  grösste  Frucht  im  ganzen  Pflan- 
zenreich, bis  120  Pfund  schwer,  8  d,  die  Beeren  des  Loranthus 
europacus  L,  7  f,  die  bräunlichen  Mispeln  und  Elsenbeeren  (>S^c»r- 
hus  torminalis  Gr.),  40  Birnen  und  -38  Aepfel. 

Orange  ist  auch  bei  den  Früchten  eine  gegen  den  Aequator 
zunehmende    Farbe,    warm   wie   die  Luft,  wo  ,,im  dunkeln  Laub 


—    347    — 

die  Goldorangen  glühen."  Hieher  gehören  die  berühmte  Anannas- 
frucht  0  I),  die  Zucca  santa  {Cucurbita  urnigera  Schrad.),  die  Gurke 
und  der  Balsamapfel  {Momordica  Balsamina  L.)  sämmtlich  5  c, 
ein  nordamerikanischer  Weissdorn  (Crataegus  parvifolia  Ait.),  7 
Birnen  und  6  Aepfel,  zusammen  19  Früchte. 

Bei  den  Licht  suchenden  Blumen  nimmt,  wie  wir  gesehen 
haben,  gegen  die  Pole  mit  der  Stärke  des  Lichtes  auch  die  In- 
tensität der  rothen  Farbe  ab,  bei  den  lichtscheuen  Früchten 
findet  das  Gegentheil  statt,  das  Liclit  färbt  sie,  wie  die  Blätter, 
um  so  reiner  und  tiefer  roth,  je  niedriger  die  Temperatur  ist; 
in  Süd-Europa  treten  nicht  rothe  Südfrüchte  an  die  Steile  der 
dort  seltenen  oder  ganz  fehlenden,  meist  rothen  nordischen  Bee- 
ren, ich  sah  in  ganz  Italien  nur  einmal  auf  dem  MarLte  in  Mo- 
dena  Stachelbeeren  und  zwar  nur  grüne,  in  Venedig  sind  die  Jo- 
hannisbeeren erst  durch  die  Oesterreicher  so  bekannt  geworden, 
dass  man  sie  seit  einigen  Jahren  auch  bei  den  Obstverkäufern 
findet,  Birnen  und  Aepfel  sind  in  Italien  viel  häufiger  einfarbig 
gelb  oder  grünlich  ohne  rothe  Backen,  als  in  Deutschland,  so  der 
Pero  naranzin  9  f,  der  häufige  Pero  spada  11  e,  die  beliebten 
Peri  brutti  e  buoni,  in  Toscana  Pera  bugiarda,  lügende  Birnen, 
genannt,  weil  sie  noch  unreif  scheinen,  wann  sie  schon  völlig  reif 
sind,  12  d,  ebenso  der  Pomo  di  San  Piero,  dall'  oglio,  di  ferro 
und  manche  andere. 

Auch  nördlich  der  Alpen  sind  die  im  Herbst  reifenden  Kern- 
obstsorten häufiger  und  stärker  geröthet,  als  die  noch  im  vollen 
Sommer,  im  Juli  und  anfangs  August  zur  Reife  gelangenden,  wie 
die  Johannisbirnen  7  f.  Margarethenbirnen  9  f,  Schnabelbirnen 
10  e,  Wachsbirnen  11  d  und  Magdalenenbirnen  11  e,  der  Jo- 
hannisapfel  12  g  und  der  Jakobsapfel  10  e. 

Von  130  unterblumigen  gelblich  rothen  Früchten  kann  man 
nur  drei  Kürbisse  .  welche  2  f ,  3  d  und  4  b  gefärbt  sind,  uud 
etwa  noch  den  Azerolapfel  2  c  zu  den  südlichen  Früchten  zählen, 
die  andern  sind  sämmtlich  Mittel-  oder  Xordeuropäisch  und  Nord- 
amerikanisch, so  die  rothen  Stachelbeeren  und  die  grosse  Moos- 
beere {Vaccinlum  macrocarpum  Ait.)  2  a,  Cornus  Suecica  L.  und 
Crataegus  coccinea  L.  2  b,  Cornus  florida  L.,  Rosa  rubiginosa  L. 


—    348   — 

und  R.  collina  Jacq.  2  c,  der  Traubenhollunder  und  die  Vogel- 
beere 3  c,  der  Sanddorn  {Hippophae  rhamnoides  L.)  und  der 
feurige  Busch  {Crataegus  pyracantlia  L.)  4  c,  endlich  58  Birnen 
und  62  AepfeL 

Unter  den  71  rein  rothen  hieher  gehörigen  Früchten  ist 
die  kirschenähnliche  Frucht  des  Kaffees  1  b  die  einzige  warmer 
Himmelsstriche;  zu  den  andern  gehören  Bryonia  dioica  Jacq., 
Cornus  canadensis  L.,  fünf  Weissdorne,  fünf  Loniceren  und  fünf 
Rosen,  Johannisbeeren  und  Stachelbeeren ,  Ribes  alpinum  L^ 
Viburnum  Opulus  L.,  Sorhus  domestica  L.  und  8,  Aria  Cr.,  Pyrus 
arbutifolia  und  baccata  L.,  Pyrus  BoUwyleriana  Dec,  22  Birnen 
und  20  AepfeL 

Roth  mit  einem  kleineren  Zusatz  von  blau  fand  ich  59 
Früchte,  die  Dürrlitzen  {Cornus  mascula  L.),  die  Preiselbeeren 
und  die  Frucht  der  Rosa  Eglanteria  L.  karminroth  24  a,  die  Moos- 
beere {Vaccinium  Oxycoccos  L.),  eine  Feige,  die  indische  Feige 
{Opuntia  minima  Dec.)  und  die  olivenförmigen  Früchte  der  Tu- 
pelobäume  in  Nordamerika  {Nyssa  integrifolia  und  denticulata  Ait.) 
.22  a,  dann  drei  Birnen  und  48  AepfeL 

Violette  und  blaue  unterblumige  Früchte  gibt  es  nicht,  wie 
es  keine  violette  oder  blaue  Herbstblätter  gibt,  Lonicera  coeridea 
L.,  deren  Frucht  als  violettblau  abgebildet  wird,  dürfte  diese 
Farbe,  wie  die  Heidelbeere  und  die  Sumpfbeere  {Vaccinium  uli- 
ginosum  \j.)  einem  bläulich  weissen,  abstreif  baren  Anflug  von  Wachs 
verdanken;  die  Sprützgurke  (Momoi^dica  Elaterium  L.)  14  b  und  drei 
Birnen   14  e  gehen  nur  eine  Stufe  über  grün  gegen  blau  hinaus. 

Zwar  scheinen  die  vom  Kelch  bekleideten  Früchte  darin  von 
den  Herbstblättern  abzuweichen,  dass  sie  zuweilen  schwai'z  sind, 
dass  aber  diese  schwarze  Farbe  nur  ein  sehr  dunkles  Purpurroth 
sei,  wie  es  auch  an  Herbstblättern  vorkommt,  dafür  sprechen 
manche  Umstände,  die  schwarzen  Früchte  gehören  oft  zu  Gat- 
tungen, deren  andere  nahe  verwandte  Arten  rothe  Früchte  haben, 
so  bei  Junipeinis ,  Rosa ,  Vaccinium ,  Sambucus ,  Viburnum^ 
sie  gehen  stets  reifend  schrittweise  von  grün  durch  roth  in  schwarz 
über,  indem  die  rothe  Farbe  mit  dem  Verschwinden  der  blauen 
zuerst  in  lichten  Tönen  auftritt  und  allmählig  dunkler  wird ;  roth 


—    349    — 

bleibt  auch  das  Innere,  Fleisch  und  Saft  der  Frucht,  und  selbst 
die  Haut  oder  Schale  erscheint  abgezogen  und  gegen  das  Licht 
gehalten  purpurroth. 

Ich  zählte  unter  den  beobachteten  Früchten  dieser  Abthei- 
lung 28  schwarze,  die  meisten  der, gemässigten  und. kalten  Zone 
angehörend,  wie  die  Felsenbirnen  {Aronia  rotundlfoUa  und  Bo- 
triapium  P.J,  Cotonea^er  vulgaris  Lindl.,  Bryonia  alba  L,,  Gornus 
sangubiea  L.,  Juniperus  communis  L.,  nana  Willd.,  vlrginiana  und 
Sabina  L.,  Lonicera  nigra  L.,  Ribes  nigrum  und  aureum  L.,  Mosa 
pimpinellifolia  L.,  Sambucus  nigra  und  Ebulus  L.,  Viburnum  Lan- 
tana  L.,    Vaccinium  Myrtillus  und  uligiiiosum  L. 

Zu  den  schwarzen  Früchten  wärmerer  Himmelsstriche  gehören 
die  stille  Myrte,  die  schwarzen  Feigen,  Vibumum  Tinus  L.  und 
Putoria  calabrica  P. 

Während  so  die  bei  den  Blumen  beinahe  unerhörte  schwarze 
Farbe  bei  den  Früchten  öfters  auftritt,  gehört  die  dort  so  häufige 
weisse  Farbe  hier  zu  den  grössten  Seltenheiten,  schneeweiss  wie- 
eine Lilie  oder  eine  Alsinee  ist  keine  Frucht.  Die  Mistelbeeren 
sind  gelblich  weiss  9  h,  Cornus  alba  L.,  Benincasa  cerifera  Savi 
und  Symphoricarpos  vulgaris  Mx.  haben  milchweisse  Früchte  15  h 
bis  17  h,  eben  so  die  weissen  Spielarten  der  Heidelbeere  und  der 
Myrte,  während  die  in  der  Flora  danica  abgebildete  weisse  Spiel- 
art der  hochnordischen  Preiselbeere  röthlich  -veiss  24  h  ist. 
2)  U  e  b  e  r  b  1  u  m  i  g  e  Früchte. 

Wie  unter  den  im  Bereiche  meiner  Beobachtung  gelegenen 
unterblumigen  Früchten  die  Pomaceen,  Birnen,  Aepfel,  Quitten, 
Mispeln,  Weissdorn,  Sorbus,  Aronia^  (Jotoneasier,  Photinia,  zu- 
sammen von  383  Früchten  258,  beinahe  drei  Viertheile,  die  Mehr- 
zahl bilden,  so  unter  den  überblumigen  die  Amygdaleen,  Mandeln, 
Pfirschen,  Aprikosen,  Pflaumen,  Kirschen,  zusammen  von  326 
Früchten  191,  mehr  als  die  Hälfte,  verschieden  von  jenen  durch 
dünnere,  glattere  Schale  oder  Haut  (nur  die  Mandeln  und  Pfir- 
schen machen  in  letzterer  Beziehung  eine  Ausnahme),  stets  ein- 
fächerig und  meist  auch  durch  Fehlschlagen  eines  Eychens  ein- 
samig,  mit  weicherem  Fleische  und  härterer  Samenhülle,  daher 
im  Gegensätze  zum  Kernobst  Steinobst  genannt. 


—    350    — 

Statt  des  vertrockneten  Theils  des  Kelches,  welchen  das 
Steinobst  schon  in  frühester  Kindheit  ganz  abstreift,  zeigt  hier 
die  dem  Stiel  entgegengesetzte  Stelle  der  meist  runden  Frucht 
nur  die  kaum  sichtbare  Narbe  des  abgefallenen  Griffels  als  kleinen 

Punkt. 

* 

In  den  Farben  zeigt  sich  gleich  bei  gelb  die  Unabhängigkeit 
dieser  in  der  Jugend  bleicheren,  weil  melir  geschützten  Früchte 
von  den  Farben  der  Blätter,  nur  29  sind  rein  gelb  und  zwar 
meist  südliche,  die  berühmte  Citrone,  im  Auslande  mehr  gesucht 
und  geschätzt  als  in  der  Heimath,  wo  sie  fast  nur  zu  Limonade  und 
Sorbetti  verwendet  und  die  bittere  Schale  weggeworfen  wird, 
drei  holzige  Nachtschatten  {Solarium  pyracanthos  Jacq.,  margina- 
tiim  und  sodomaeum  L.),  zwei  Alraune  {Mandragora  vernalis  und 
autumnalis  Bertoloni),  die  nordamerikanische  Arbutus  xanthocar-pa 
Wangenheim,  10  Pfirschen,  7  Pflaumen  und  5  Kirschen. 

Noch  schwächer  tritt  die  grünlichgelbe  Farbe  auf,  nur  in 
25  Obstarten,  der  weissen  Monaterdbeere  10  g,  fünf  Ptirschen 
und  eben  so  vielen  Pflaumen,  darunter  die  beliebte  Reine  Claude, 
so  dass  sie  noch  viel  seltener  wäre,  hätte  nicht  die  mehr  noch 
als  wegen  ihrer  süssen  nahrhaften  Frucht,  wegen  des  daraus  be- 
reiteten berauschenden  Saftes  berühmte  und  beliebte  Rebe,  bis 
an  die  äussersten  Grenzen  der  Möglichkeit  ihres  Anbaus  ver- 
pflanzt, in  den  kälteren  Ländern  nur  nothdürftig  reifend  die 
dunkle  Purpurfarbe  verloren  und  dafür  in  14  Spielarten  ein 
bleiches  grünlichgelb  10  b  bis  12  f  angenommen. 

Noch  seltener  sind  überblumige  Früchte  rein  grün,  ich  fand 
nur  drei,  ein  Drittheil  der  unterblumigen,  die  unbenutzte  Frucht 
der  Kartoffeln,  die  Mandel  und  die  Zwergmandel. 

Eben  so  kommen  die  bei  den  Herbstblättern  so  häufigen 
röthlichgelben  Farben  6  bis  8  bei  den  unterblumigen  Früchten 
drei  Mal  häufiger  vor,  als  bei  den  überblumigen,  wo  ich  38  fand, 
meist  subtropische  und  tropische,  wie  die  gelbe  Spielart  des 
spanischen  Pfeffers  8  c,  Lycium  afrum  L.  8  c,  Diospyros  Lotus 
und  virglniana  L.  6  d,  den  echten  Lotus  der  Lotophagen  {Zizy- 
phus  Lotvs  y^iW^.)  6  c,  Passiflora  ciliata  Ait.  6  c,  der  Papaya- 
baum mit  melonenförmigen  und    der   mit  birnförmigen  Früchten 


—    351    — 

{Carica  i  apaya  und  Posoposa  L.),  2  Erdbeeren,  2  Aprikosen,  4 
Kirschen,  6  Pfirschen  und  9  Pflaumen. 

Was  das  Tempera turhedürfniss  der  Früchte  hier  schon  an- 
zeigte, bestätigt  sich  in  den  rein  orangefarbigen,  dass  nehmlich 
rothgelb  bei  den  Früchten  wie  bei  den  Blumen  eine  gegen  den 
Aequator  zunehmende  Farbe  sei ;  wir  tinden  in  dieser  Farben- 
stufe zuerst  durch  das  üebergewicht  des  Wärmebedürfnisses  über 
die  Verwandtschaft  zu  den  Blättern  mehr  über  blumige  als  unter- 
blumige Früchte,  27  gegen  19,  vor  Allen  die  auch  im  Auslande 
mehr  als  in  der  Heimath  gerühmte  Frucht,  welche  der  Farbe 
den  Namen  gibt,  dann  drei  Passionsblumen  {Passiflora  coerulea 
L.,  laurifolia  L.  und  imhricaulis  Jacq.),  Capsicum  frutescens  Willd., 
Physalis  viscosa  L.,  Solanum  Balbisii  Dunal,  die  Frucht  des  Pa- 
piermaulbeerbaums, die  gelbe  Himbeere,  3  Pfirschen,  2  Kirschen, 
5  Aprikosen  und  8  Pflaumen. 

Gelblichroth  2  bis  4,  meist  lebhaft  scharlachroth ,  fand  ich 
in  dieser  Abtheilung  82  Früchte,  bedeutend  weniger  als  in  der 
ersten,  was  blos  von  der  grossen  Zahl  rothbackiger  Birnen  und 
Aepfel  herrührt,  welche  in  den  wenigen  schwächer  gerotteten 
Pfirschen  und  Aprikosen  kein  hinreichendes  Gegengewicht  haben, 
denn  von  andern  Früchten,  als  Gartenobst,  gehören  38  hieher, 
doppelt  so  viel,  als  zu  den  unterblumigen,  darunter  13  nordische, 
wie  die  Bärentraube  2  c,  der  gemeine  und  der  Alpen-Seidelbast 
2  b,  der  Bittersüss  2  b,  die  Himbeere  2  b,  die  Multbeere  {Ruhus 
ChamaeTiiorus  L.)  3  d,  die  Judenkirsche  3  b,  die  deutsche  Arons- 
wurzel  4  c,  der  Spargel,  die  Maiblume,  das  Zweiblatt  {Majan- 
themum  bifolium  Dec.)  und  der  Drehfuss  (Sfreptopus  ampleTifo- 
lius  Dec.)  sämmtlich  3  c. 

Von  den  südlichen  hieher  gehörigen  25  Früchten  sind  viele 
nahe  Verwandte  der  nordischen,  so  der  Erdbeerbaum  2  c,  Daphne 
Gnidium  L. ,  collina  Willd.  und  glandulosa  Si)r.,  sämmtlich  2  b, 
sechs  Nachtschatten,  darunter  die  Pomi  d'oro  3  c  und  die  Koral- 
lenkirsche 2  d,  Physalis  flexuosa  und  sonmifera  L.  4  c,  die  welsche 
Aronswurzel,  sehr  häufig  in  den  pontinischen  Sümpfen,  4  c,  Aspa- 
ragus  albus  L..  scaber  und  tenuifolius  R.  et  S.  und  der  Mäusedorn, 


352 


welcher  in  Südeuropa  die  Maus  von  dem  hängenden  Brodkorb 
abhält,  sämmtlich  3  b. 

Von  andern  Südgewächsen  gehören  hieher  die  Brustbeere 
(Zizyphus  vulgaris  WiWd.J,  Vielehe  unreif  lichtgrün  13  f,  sich  nicht 
gleichförmig,  sondern  durch  schärf  begrenzte,  allmählig  zusammeu- 
fliessende  braunrothe  Flecken  färbt,  bis  sie  endlich  teig  werdend 
mit  der  Säure  auch  jede  Spur  von  grün  verliert  und  eine  schöne 
Scharlachfarbe  3  c  annehmend  abfällt,  Lycium  europaeum  L.  2  b 
und  harbarum  L.  3  b ,  die  schönen,  in  Süditalien  wohl  gedeihen- 
den peruanischen  ^chinus  Molle  und  Areira  L.  3  c,  die  Fäclier- 
palme  4  a  und  die  tropische  Carica  citriformis  Jacq.  3  d. 

Die  hieher  zu  rechnenden  Obstsorten  sind  2  Erdbeeren,  2 
Trauben,  3  Pflaumen,  8  Pfirschen,   13  Aprikosen  und  16  Kirschen. 

Rein  rothe  überblumige  Früchte  zählte  ich  57,  den  Sauerdorn 

1  b  c,  die  ihm  verwandte  schöne  Nandina  domestica  Thunb.  1  b, 
den  Erdbeerspinat  1  a  bis  d,  Hex  Aquifolium  und  Cassine  L., 
vomitoria  Ait.  und  chinensis  Sims,  den  hochnordischen  Rubus  arc- 
ticus  L.,  Rubus  saxatilis  L.,  Rhamnus  Alaternus  L.  und  persicifo- 
lius  Moris,  Capsicum  aiinuum  L.,  chineyise  Jacq.,  cerasi forme  und 
frutescens  Willd.,  Passiflora  edulis  Sims  und  gracilit:  Jacq.  und 
Ardisia  crenulata  Ventenat  aus  den  Antillen,  dann  eine  Pfirsche, 
eine  Aprikose,  2  Trauben,  5  Erdbeeren,  14  Pflaumen  und  14 
Kirschen. 

Die  Zahl  der  überblumigen  zwischen  roth  und  violett  fallen- 
den Früchte  ist  76,  sie  übertrifft  also  die  der  unterblumigen 
beinahe  um  ein  Drittheil,  es  sind  lauter  essbare,  Capsicum  vio- 
laceum  H.  et  B.,  Empetrum  rubrum  Vahl,  die  canadische  Himbeere 
24  b,  die  rothe  Maulbeere  23  a,  die  Mangostanen  (Garcinia  Man- 
gostana und  celebica  L.)  22  a,  die  türkische  Kirsche  (Prunus  cera- 
sifera  Ehrh.)  24  a  b,  eine  Erdbeere,  eine  Aprikose,  6  Trauben, 
20  Pfirschen,  20  Kirschen  und  24  Pflaumen. 

Die  in  der  ersten  Abtheilung  völlig  fehlende  violette  Farbe 
tritt  in  der  zweiten  an  sieben  ebenfalls  sämmtlich  essbaren  Früch- 
ten auf,  besonders  schön  und  lebhaft  an  der  in  Südeuropa  oft 
zu   Markt   gebrachten    Melanzane   (Solanum   Melongena   L.),    an 

2  Trauben  und  an  4  Pflaumen. 


—    353    — 

Auf  die  drei  Stufen  zwischen  blau  und  violett  fallen  nur  zwei 
unbedeutende  ausländische  Früchte,  Passiflora  suherosa  L.  und 
die  jetzt  in  unsern  Gärten  häutige  nordamerikanische  Mahonia 
Aquifolium  Nuttal,  deren  Frucht  20  b  in  den  Ergänzungsfarben 
zur  gelben  Blüthe  reift. 

Rein  blaue  und  zwischen  blau  und  grün  fallende  Früchte  fand 
ich  auch  unter  den  überblumigen  nicht,  dagegen  tritt  hier  häufi- 
ger und  stärker,  als  bei  den  unterblumigen,  der  dort  erwähnte 
zarte,  bei  jeder  Berührung  verschwindende  milchfarbige  Duft  auf, 
ein  lockerer  Ueberzug  von  Wachs,  welcher  die  Frucht  wie  die 
Stengel  vieler  Pflanzen  vor  Nässe  schützt,  wie  das  Fett  die  Fe- 
dern der  Wasservögel.  Dieser  Duft  verleiht  der  Frucht  je  nach 
ihrer  Grundfarbe  einen  hellen,  aber  glanzlosen  Schimmer,  so  dass 
schwarzrothe  und  dunkelviolette  Früchte  eine  bläuliche  Färbung 
erhalten. 

Wie  dort  die  Aepfel  und  Kürbisse,  so  und  noch  viel  ent- 
schiedener zeigen  hier  Pflaumen  und  Trauben  eine  solche  Bestau- 
bung, während  man  dort  an  den  Birnen,  hier  an  den  Pfirschen 
und  Kirschen  keine  Spur  davon  bemerkt. 

Diese  flüchtige,  durch  den  Duft  erzeugte  Farbe  fand  ich  bei 
den  sogenannten  weissen  Trauben  10  f  und  g,  13  g,  14  g,  bei 
den  schwarzen  17  f  und  g,  18  e  f  g,  19  d  und  f,  20  c,  22  c  und 
g,  bei  hellen  Pflaumen  8  h,  13  f,  14  f  und  h,  bei  den  dunklen 
16  c,  18  c  d  e  und  h,  besonders  häufig  19  c  d  und  e,  dann  20 
e  g  und  h,  21  f. 

Schwarze  Früchte  sind  unter  den  überblumigen  beinahe  vier 
Mar  häufiger  als  unter  den  unterblumigen,  sind  aber  auch  hier 
nur  über  a  noch  hinaus  gehende  purpurne  und  häufig  Gattungs- 
genossen der  rothen,  wie  bei  Ruhus,  Daphne,  Asparagus  und 
Convallaria.  Ich  zählte  79  aus  den  verschiedensten  Familien, 
darunter  giftige,  wie  die  berüchtigte  Atropa  Belladonna  L,,  Actaea 
spicata  L. ,  Paris  quadrifolia  L.  und  die  minder  gefährlichen 
Schwarzen  Nachtschatten  {Solanum  nigrum  L.,  bomhense  und  cestri- 
folium  Jacq.),  ungeniessbare  wie  der  Epheu,  die  Ampelopsis  he- 
deracea  Dec,  Ligustrum  vulgareh,,  Phytolacca  decatidrah.,  Prunus 
Padus    und  Mahaleh  L.,    sechs  Schwarzdornarten,    vier    südliche 

Württemb.  naturw.  .Taliresliefbe.    1862.    P.s  Heft.  op, 


^--     354    - 

Spargeln  und  drei  Convallarien,  endlich  viele  essbare  meist  süsse^ 
Ärctostaphylos  alpina  Spr.,  drei  Celtis,  die  schwarze  Maulbeere, 
die  Olive,  die  verdächtige  aber  in  Südeuropa  häufig  genossene 
Kirschlorbeere,  die  Schlehen,  Brombeeren,  9  Pflaumen,  11  Kir- 
schen, 15  Trauben  und  die  kaum  hieher  zu  rechnenden  schwar- 
zen Pfirschen  und  Aprikosen. 

Um  so  seltener  sind  auch  in  dieser  Abtheilung  weisse  Früchte, 
ich  fand  nur  drei,  sämmtlich  essbar,  die  honigsüsse  weisse  Maul- 
beere, die  Eierpflanze,  welche  nur  eine  leichte  Spielart  der  Me- 
lanzane  ist,  und  dieCamarinhas  der  Portugiesen  (jE7?ipe^rw7?i  albumL.). 

Als  allgemeines  Resultat  ergibt  sich  ein  grösseres  Wärmebe- 
dürfniss  für  die  tiberblumigen,  als  für  die  unterblumigen  Früchte 
oder  vielmehr  ein  Ueberwiegen  der  ersteren  in  wärmeren,  der 
letzteren  in  kälteren  Zonen,  dann  ein  Ueberge'wicht  der  überblu- 
migen in  Orange,  Purpur,  Violett  und  Schwarz,  während  in  den 
andern  Stufen  die  unterblumigen  die  Mehrzahl  bilden. 

Rechnet  man  die  weissen  Früchte  zur  xanthischen  Reihe,  die 
schwarzen  zur  janthinischen,  so  ergeben  sich  für  die  erstere  469 
unterblumige  und  160  überblumige  Früchte,  für  die  letztere  207- 
unterblumige  und  221  überblumige;  die  vom  Kelch  bekleideten 
Früchte  schliessen  sich  durch  ihr  starkes  üebergewicht  in  der 
xanthischen  Reihe  an  die  Herbstblätter  an,  bei  welchen  ich  auch 
99  der  xanthischen  und  nur  27  der  janthinischen  Farbenreihe 
angehörende  fand. 

3,  P  a  n  a  s  c  h  i  r  t  e  Früchte. 

Die  Panaschirung  kommt  auch  hei  den  Früchten,  wie  bei 
den  Blumen  vor,  doch  weit  seltener,  übrigens  ebenso  immer  als 
Kunsterzeugniss  an  Culturgewächsen ;  so  sind  einige  Kürbisse,  be- 
sonders der  kleine  birnförmige  der  Länge  nach  grün  13  c  und 
grünlich  weiss  13  h  gestreift,  die  Melonenbirne  oder  Schweizer- 
bergamotte  gelb  9  f,  roth  2  c  und  grün  12  c.  Am  häufigsten 
kommen  gestreifte  Aepfel  vor,  so  in  Württemberg  die  beliebten 
liUiken,  die  rothe  9  g  mit  24  b  und  c  gestreift,  die  weisse  Luike 

9  h  mit  Ö4  a  bis  6- 

Die  sonderbare  Erscheinung,  dass  eine  Frucht  der  Farbe 
nach  aus   zwei    verschiedenen  Hälften   zusammengesetzt   scheint, 


—    355   — 

beobachtete  ich  drei  Mal,  zwei  Mal  war  es  ein  Apfel,  dessen 
eine  Hälfte  der  Länge  nach  scharf  begrenzt  karminroth  24  a  war, 
die  andere  Hälfte  lichtgelb  9  g  mit  24  c  gestreift,  das  dritte 
Mal  eine  Weinbeere,  an  welcher  eben  so  scharf  begrenzt  die  eine 
Hälfte  den  weissen  Trauben,  die  andere  den  schwarzen  angehörte, 
natürlich  sind  es  wie  bei  den  Blumen  ganz  vereinzelte  Fälle, 
welche  sich  nicht  vermehren  lassen,  da  sie  sich  nicht  an  der 
ganzen  Pflanze  wiederholen. 

Noch  zufälliger  sind  die  scharfrandigen  gelben  Flecken; 
welche  dadurch  entstehen,  dass  eine  Spinne  oder  eine  Raupe  ein 
Blatt  an  der  Sonnenseite  eines  Apfels  befestigt  und  dadurch  auf 
der  zugedeckten  Stelle  die  Röthung  verhindert;  man  ist  hiedurch 
auf  eine  Spielerei  geleitet  worden,  welche  darin  besteht,  dass 
man  Silhouetten,  Namenszüge  oder  andere  Figuren  aus  Papier 
ausschneidet  und  an  der  Sonnenseite  der  Borsdorfer  oder  ähn- 
licher Aepfel  aufklebt,  ehe  sie  sich  röthen. 

4.    F  a  r  b  e  n  V  e  r  h  ä  1 1  n  i  s  s  e  der  saftigen  Früchte  in 
e  i  n  i  g  e  u  F 1  0  r  e  n. 

Eine  Vergleichung  der  bei  den  Blumen  untersuchten  vier 
Floren  ergab  wegen  der  geringen  Zahl  ihrer  saftigen  Früchte 
ein  sehr  dürftiges  Ergebniss. 

Die  Alpenflora  hat  unter  481  Pflanzen  nur  eine  einzige 
beerentragende,  Arctostaphylos  alpina  Spr,  und  diese  ist  schwarz. 

Mit  der  Flora  von  Spitzbergen  verhält  es  sich  eben  so,  ihre 
einzige  beerentragende  unter  74  Pflanzen,  die  Rauschbeere,  ist 
ebenfalls  schwarz. 

Nur  Grönland  hat  unter  329  Pflanzen  doch  elf,  welche  zum 
Theil  häufig  gesammelte  und  genossene  Beeren  liefern.  Von  die- 
sen ist  eine  rein  roth,  llubus  saxatilis  L.  1  b,  fünf  sind  gelblich 
roth,  Rubus  Chamaemoms  L.  3  d,  Sorbus  americana  Pursh  3  c, 
Cornus  suecica  L.  2  b,  Arctostaphylos  Uva  ürsi  Spr.  2  c  und 
Streptopus  amplexifolius  Dec.  3  c,  und  zwei  sind  purpurroth,  Vac- 
cinhüu  Vitis  idaea  L.  24  a  und  V,  Ooci/coccos  L.  22  a.  Endlich 
sind  drei  schwarz,  Vaccinium  idiginosum  L, ,  Ennpetruin  nigrum 
L.  und  Juniperus  nana  Willd.    Die  Preiselbeere  und  die  Rausch- 


—   356   — 

beere     kommen     auch   zuweilen   sehr   bldch,    doch   nicht    ganz 
weiss  vor. 

Wie  in  diesen  drei  Floren  die  Kälte,  so  ist  in  der  Strand- 
flora die  Trockenheit,  der  Mangel  an  süssem  Wasser,  den  saftigen 
Früchten  ungünstig;  sie  enthält  unter  217  Pflanzen  nur  vier, 
welche  kleine  unbenutzte  Beeren  tragen,  alle  einer  Gattung  ange- 
hörend, zwei  gcharlachroth  3  b,  Asparagus  scaher  R.  et  S.  und 
albus  L.  und  ZAvei  schwarz,  Asparagus  apliyllus  und  horridus  L. ; 
orange,  gelbe,  grüne  und  violette  Früchte  fehlen  in  allen  diesen 
Floren,  sie  umfassen  nur  6  Farbenstufen  zwischen  22  und  3  nebst 
schwarz. 

5)  Trockene  Früchte. 

Den  saftigen  Früchten  stehen  die  trockenen  gegenüber,  bei 
welchen  mit  dem  Entweichen  der  blauen  Farbe  auch  das  Wasser 
entweicht ;  die  Frucht,  welche  die  Samen  ernährt  und  ausgebildet 
hat,  vertrocknet,  sobald  die  Samen  ihrer  nicht  mehr  bedürfen, 
und  vertauscht  sterbend  die  Sommertracht  der  Blätter  mit  der 
braunen  Winterfarbe  des  abgefallenen  Laubes.  Eine  solche  Lei- 
chenfarbe tritt  bei  den  Früchten  der  grossen  Mehrzahl  der  Pflan- 
zen ein,  bei  den  grössten  Familien,  allen  Cruciferen,  Cyperaceen, 
Gräsern,  den  meisten  Umbellifereu ,  Compositen,  und  den  schön- 
sten Blumen  der  Malvaceen,  Scytamineen,  Amaryllideen,  Irideen, 
Liliaceen,  unsern  Camellieu,  Azaleen,  Rhododendron,  Nelken. 

Zuweilen  geht  die  grüne  Farbe  der  unreifen  Frucht  nicht 
so  schnell  in  die  braune  der  vertrockneten  über,  es  liegt  zwischen 
beiden  ein  der  Herbsttracht  der  Blätter  entsprechender  Zwischen- 
zustand, in  welchem  die  Frucht,  wie  der  Himmel  an  einem  schönen 
Abend,  gelb  und  roth  erscheint;  so  bei  Ricinus  africanus  Mill. 
rein  roth  1  c,  der  aufgeblasene  Kelch  von  Physalis  Alkekengi  L. 
verändert  das  frühere  Grün  in  Scharlachroth  3  c,  der  Kelch  des 
Spindelbaumes  in  licht  Karminroth  24  c  und  der  der  Sanguisorba 
officiiialis  L.  behält  sein  dunkles  Schwarzroth  22  a;  besonders 
häutig  tritt  ein  solcher  Uebergang  bei  den  Hülsenfrüchten  ein,  so 
färben  sich  die  Hülsen  des  Zuckerschotenbaums  (G^/ec^iY^c/««  tria- 
canthos  L.)  dunkelpurpurroth  wie  seine  Stacheln,    sehr  schön  die 


—    357    — 

Hülsen  mancher  Gartenbohnen,  lichtgelb  bei  Phaseolus  compressus 
oca/ithocarpus  9  g,  Ph.  gonospemms  purpureus  8  g,  Ph.  ellipticus 
saccharatus  7  g,  hellorange  bei  Ph.  compressus  candidus  6  e, 
gelb  mit  rothen  Flammen  bei  Ph.  sphaericus  purpureovariegatus 
9  g  mit  1  b,  Ph.  sphaericus  haematocarpus  8  e  mit  1  b,  Ph,  ob- 
longus  Sargentone  8  f  mit  1  b,  Ph.  Pardus  carneus  9  e  mit  2  a, 
die  Hülsen  einiger  schwarzen  Bohnen  gehen  durch  purpurviolett 
22  b  bis  d  reifend  völlig  in  schwarz  über. 

Diese  farbenweehselnden  Früchte  bilden  den  üebergang  von 
den  saftigen  zu  den  trockenen. 

Die  vielsamigen  trockenen  Früchte  leisten  sterbend  und  selbst 
nach  dem  Tode  den  Samen  einten  Dienst,  indem  sie  sich  mecha- 
nisch öffnen  und  sie  ausstreuen,  letzteres  zuweilen  plötzlich  mit 
elastischer  Gewalt,  Avie  Phaseolus.,  Viola .^  Euphorbia.^  vor  allen 
der  westindische  Streubüchsenbaum  {Hura  crepitans  L.),  dessen 
Kapsel  der  Sonnenhitze  ausgesetzt  mit  einem,  einem  Pistolenschuss 
gleichenden  Knall  in  zwölf  Stücke  zerplatzt. 

Einige  lösen  sich  jedoch  vertrocknend  in  so  viele  Theile  auf, 
als  sie  Samen  enthalten,  und  diese  Theile  fallen  mit  dem  darin 
eingeschlossenen  Samen  ab,  so  die  Gliederhülsen  {lomenta)  von 
Scorpiurus,  Coronilla,  Hippocrepis^  Hedysarum^  die  Diachaenen 
der  Doldengewächse,  die  Flügelfrucht  der  Ahorne,  sie  bilden  den 
üebergang  zu  den  einsamigen  Früchten,  welche  jede  ihren  Samen 
eng  umfassend,  ihn  in's  Grab  als  Sarg  begleiten  und  erst  bei 
seiner  Auferstehung  verlassen. 

Diese  einsamigen  Früchte  wurden,  wenn  sie  klein  waren,  bis 
nach  Linne's  Zeiten  für  Samen  gehalten  und  werden  es  noch  von 
der  grossen  Mehrzahl  der  Menschen,  ja  es  kostete  selbst  unter 
den  Pflanzenforschern  einen  langen  Kampf,  heftige  Angriffe  auf  den 
Glauben  an  nackte  Samen,  bis  sich  die  Ansicht  geltend  machte, 
dass  solche  auf  wenige  Familien,  Zamiae,  Coniferae,  beschränkt 
seien.  Man  erfand  nun  für  diese  Nichtsamen,  da  die  alten  Frucht- 
namen nicht  auf  sie  passen  wollten,  mehrere  Namen:  Schliess- 
frucht  (Ache/iiwn)  für  Rosaceae^  Gompositae^  Labiatae,  einen  Theil 
der  Ranunculaceae^  Nüsschen  {Niicula)  für  Asperifoliae^  Najadeae, 


—    358    — 

Schlauchfrucht  (Utriculus)  für  Dtpsaceae^  Lemnaceae  ^  Hautfrucht 
{Caryopsis)  für  Glumaceae. 

Indessen  hindert  dieses  nicht,  dass  auch  der  gelehrteste  Bo- 
taniker mit  dem  LandAvirth  und  dem  Gärtner  von  den  Samen 
des  Lattichs,  der  Petersilie,  des  Majorans  spricht,  wie  man  vom 
Aufgang  und  Untergang  der  Sonne  spricht,  ohne  an  die  schwe- 
ren Kämpfe  zu  denken,  die  es  gekostet  hat,  bis  man  die  Ach- 
sendrehung der  Erde  zur  allgemeinen  Anerkennung  brachte. 

Die  Farbe  dieser  trockenen  Hülsen,  Schoten,  Capseln,  Nüsse 
u.  s.  w.  ist  bei  der  grossen  Mehrzahl  braun  durch  alle  Töne,  ein 
verdunkeltes,  durch  schwarz  und  roth  getrübtes  gelb,  so  dunkel- 
braun bei  dem  Johannisbrod ,  den  meisten  Compositen,  ümbelli- 
feren  und  Labiaten,  schwarzbraun  bei  der  Röhrencassie,  dem  Ma- 
joran, dem  Buchweizen  und  andern  Polygonumarten. 

Nach  braun  ist  schwarz  die  häufigste  Farbe  dieser  Früchte, 
so  bei  dem  Körbel,  der  Ferula,  dem  Basilicum,  dem  Salbei^  Mi- 
rabilis  Jalapa  L.,  Andryala,  Bidens^  Cineraria^  Tagetes;  unter  den 
Boragineen  zeichnen  sich  die  Vergissmeinnichtarten  durch  leb- 
haften Glanz  bei  vollkommener  Schwärze  aus,  in  der  Gattung 
Chenopodium  fand  ich  alle  Früchte  schwarz,  aber  die  von  Ch. 
albimi,  maritimum^  Quinoa  und  urhicum  L.  glänzend,  die  von  Ch. 
glaucum  und  Scoparia  L.  und  olidum  Lam.  ohne  Glanz. 

Weisse  trockene  Früchte  fand  ich  bei  Acroclinium  roseum 
Hort.,  Carthamus  tmctorius  L.  Lieblingsfutter  der  Papageien,  Li- 
thospermmn  officinale  L.,  dem  Reis  und  dem  nordamerikanischen 
Wasserhaber  {Zizania  palustris  L:). 

Die  zweifarbigen  trockenen  Früchte  zeigen  meistens  nur  ver- 
schiedene Töne  der  gleichen  Stufe,  so  viele  dunkelbraune  Früchte 
der  ümbelliferen  mit  hellbraunen  Rippen;  die  Birkenfrucht  ist 
7  a  mit  5  f  Flügel,  die  der  Casuarinen  schwarz  mit  5  f  Flügel, 
bei  der  Cichorie  ist  die  bleiche  Frucht  5  h,  schwärzlich  gesprenkelt, 
bei  der  Artischoke  hellgrau  und  lebhaft  schwarz  gefleckt,  bei 
Mirahilis  longißora  L.  6  c  mit  schwarzen  Flecken. 

Zu  den  zweifarbigen  Früchten  kann  man  auch  die  mit  einer 
trockenen  Krone  (pappus)  versehenen  zählen.  Diese  Haarkrone 
ist  am  häufigsten  rein  weiss,  wie  bei  den  Wollgräsern  (Eriopko- 


—   359    — 

rum) ,  dem  Federgras  (Stipa  pennata  L.) ,  den  Gattungen  Chon- 
drilla,  Preyianthes ,  Lactuca,  Ptcridium,  Crepis,  Senecio;  bei  den 
Compositen,  bei  welchen  die  Haarkrone  am  häufigsten  vorkommt, 
ist  sie  auch  häufig  blass  gefärbt,  so  unterscheidet  sich  die  Gattung 
Hieraciwn  durch  ihre  gelblich  graue  Krone  7  g  von  Crepis; 
Helichrysum  fulgiclum  Willd.  hat  bei  goldgelber  Blüthenhülle  auch 
eine  gelbe  Ilaarkrone  S  e,  ist  aber  die  Blüthenhülle  weiss,  so  ist 
es  auch  die  Haarkrone.  Die  Haar  kröne  von  Baccharis  ivaefolia 
L.  fand  ich  3  f,  von  Erigeron  acris  und  alpinus  L.  5  f,  die 
dunkelsten,  jedoch  vielleicht  erst  im  Herbar  so  geworden,  fand 
ich  bei  drei  von  dem  Vorgebirg  der  guten  Hoffnung  erhaltenen 
Compositen,  bei  Jnida  pinifolia  L.  und  Pteronia  memhranacea 
Thunb.  4  e  und  bei  Pteronia  viö-com  Thunb.  3  e;  noch  dunklere 
Haare  findet  man  wohl  an  andern  Pflanzentheilen,  z.  B.  an  der 
Blüthenhülle  einiger  Hieracien,  an  dem  Stengel  des  Dictamnus, 
aber  nie  an  der  Frucht. 

Farbenspielarten  kommen  bei  den  trockenen  Früchten  im 
wilden  Zustande  gar  nicht,  in  Gärten  selten  vor,  so  hat  die 
Sonnenblume  {Helianthus  cDinuus  L.)  bald  schwarze,  bald  graue, 
bald  grau  und  weiss  gestreifte  Achenien,  bei  dem  Kopfsalat  unter- 
scheiden die  Gärtner  schwarz  Korn,  gelb  Korn  7  a  und  weiss 
Korn  hellgrau. 

Die  Getreidearten  sind  jede  in  ihrer  Farbe  fest  und  einander 
in  der  Farbe  noch  ähnlicher,  als  in  der  Gestalt,  Weizen  und 
Dinkel  3  f  bis  4  f,  Einkorn  3  f,  Gerste  und  Haber  4  g,  Hirse 
7  e,  Kolbenhirse  {Panicum  italicum  L.)  7  c;  man  spricht  zwar 
von  schwarzer  Gerste,  weissem  und  schwarzem  Haber,  blassgelber, 
blutrother,  grauer  und  schwarzer  Hirse,  rother  Kolbenhirse  {Pa- 
nicum erythrospermvm  Hornemann),  allein  es  sind  allemal  nicht 
die  Früchte  selbst,  sondern  die  solche  verhüllende  Spelzen,  welche 
diese  Farben  mehr  oder  weniger  deutlich  annehmen,  wie  bei 
dem  Reis,  dessen  rothgelbe  Spelzen  4  f  bei  einer  Spielart  zie- 
gelroth  3  e  sind,  ohne  dass  der  Reis  selbst  darum  weniger 
weiss  ist. 

Fast  eben  so  verhält  es  sich  mit  der  in  warmen  Ländern 
ihrer"  Fruchtbarkeit  und   der  Leichtigkeit   ihres  Anbaues   wegen 


—   360    — 

trotz  ihrer  geringen  Güte  weit  verbreiteten,  nördlich  der  Alpen 
aber  nicht  zu  völliger  Reife  gelangenden  Mohrhirse;  ich  fand 
bei  Sorghum  vulgare  Pers.  das  Korn  6  a,  die  Spelzen  6  c,  bei 
Ä  saccharatum  P.,  neuerlich  mit  Uebertreibung  als  Futterkraut  und 
Zuckerrohr  empfohlen,  das  Korn  ebenfalls  6  a,  die  Spelzen  aber  1  a,  bei 
,S'.  7iigru7n  Link  das  Korn  wieder  6  a  und  nur  die  Spelzen  glän- 
zend schwarz;  S.  caffrorum  Arduino,  einst  als  Zuckerrohr  em- 
pfohlen, hat  allein  ein  helleres  Korn  5  d  bei  weissgelblichen 
Spelzen  5  h. 

Von  dieser  Einförmigkeit  der  Farbe  bei  den  Halmfrüchten, 
wie  von  der  in  denselben  vorherrschenden  Unscheinbarkeit  macht 
Eine  Pflanze  eine  auffallende  Ausnahme. 

Der  Mais  ist  die  beste  und  reichste  Gabe,  welche  die  alte 
Welt  von  der  neuen  empfangen  hat,  so  allgemein  als  solche  an- 
erkannt, dass  er  jetzt  in  allen  fünf  Welttheilen  überall  gebaut 
wird,  wo  ihm  nicht  das  Klima  eine  Grenze  setzt,  vom  Aequator 
bis  zum  44.  bis  51.  Grad  der  Breite,  das  heisst  so  weit  gegen  die 
Pole,  als  die  Rebe,  gegen  den  Aequator  weiter  als  diese. 

Als  uralte  Culturpflanze  mythischen  Ursprungs  hat  der  Mais 
mancherlei  Spielarten,  man  unterscheidet  der  Grösse  nach  den 
tropischen  {Zea  Mays  exaltata  Kunth)  bis  achtzehn  Fuss  hoch, 
stark  behaart,  dessen  Anbau  in  Europa  vergeblich  versucht  wor- 
den ist;  den  gewöhnlichen  (Zea  Mays  coramunis  Kunth)  in  Süd- 
europa bis  zwölf,  in  Deutschland  nicht  über  sechs  Fuss  hoch; 
den  Dreimonats  Mais  (Zea  Mays  praecox  Pers.)  in  Italien  Cin- 
quantino  genannt,  weil  er  50  Tage  nach  dem  gewöhnlichen  un- 
mittelbar nach  der  Weizenernte  gesäet  wird,  nicht  leicht  über 
vier  Fuss  hoch;  endlich  den  Zwergmais  oder  Hühnermais  {Zea 
Mays  pumila  Martens)  nur  einen  bis  zwei  Fuss  hoch  mit  sehr  klei- 
nen Körnern. 

Nach  der  Zahl  der  Körnerreihen  an  einem  Kolben  gibt  es 
6,  8,  10,  12,  14,  16,  18,  20  und  22  zeiligen  Mais,  ungleiche 
Zahlen  kommen  nicht  vor,  weil  die  Zeilen  paarweise  stehen, 
so  dass  die  Körner  zweier  Zeilen  immer  unter  sich  gleich,  mit 
den  angrenzenden  aber  wechselständig  laufen. 


—    361    - 

Von  sechszeiligem  Mais,  ^velcl^ell  man  für  die  Urform  zu  hal- 
ten geneigt  wäre,  sali  ich  nur  ein  Mal  zwei  Kolben,  der  achtzei- 
lige  ist  bei  weitem  der  häufigste,  viel  häutiger  als  alle  andern 
zusammengenommen,  weil  er  der  ergiebigste  ist,  mit  den  längsten 
Kolben  und  grössten  Körnern;  so  wie  eine  Maispflanze  mehr 
Zeilen  hat,  bleiben  sowohl  die  Körner,  als  auch  die  Kolben,  ja 
alle  übrigen  Theile  der  Pflanze  bis  auf  die  Haare  hinaus  kleiner; 
über  12  Zeilen,  der  Verdoppelung  von  6,  hinaus  werden  die 
Zeilen  weniger  beständig,  von  den  ausgesäeten  Körnern  eines 
Kolbens  kann  man  dann  Kolben  mit  14  bis  18  oder  18  bis  22 
Zeilen  erhalten. 

Die  Farbe  betreffend,  die  uns  hier  zunächst  angeht,  so  ist 
die  Normal-  oder  ursprüngliche  Farbe  der  Maiskörner  röthlich 
gelb,  bei  dem  tropischen  Mais  7  g,  bei  dem  gemeinen  achtzeili- 
gen  (3  c,  bei  Uzeiligem  fand  ich  sie  6  b  und  d,  bei  22zeiligem  7  d. 

Die  durch  Cultur  entstandenen  Farben  sind: 

1)  Weisser  Mais  7  h,  im  nördlichen  Tirol  häutig  gebaut,  in 
Italien,  wo  man  einen  Werth  auf  die  gelbe  Farbe  des  Mehls  legt, 
beinahe  unbekannt. 

2)  Dunkelroth  2  a  und  noch  dunkler,  beliebt,  wo  man  die 
Maiskolben  an  die  äussere  Wand  der  Häuser  befestigt,  um  da- 
mit auf  dem  hellen  Grunde  den  Namenszug  und  andere  Mosaik- 
figuren zu  bilden. 

3)  Bläulichgrau. 

4)  Bunter  Mais,  jedes  einzelne  Korn  einfarbig,  aber  ganz 
regellos  einige  Körner  weisslich  7  h,  andere  gelb  8  e,  violett  21 
c,  bläulich  grau. 

5)  Geflammter  oder  panaschirter  Mais,  die  Körner  gelb  G  e 
mit  rothen  4  b  Flammen  oder  Bändern,  diese  Bänder  beginnen 
alle  an  dem  Punkte,  wo  der  Griffel  sass,  und  werden  nach  unten 
keilförmig  breiter,  ohne  Symmetrie ;  einzelne  Körner  sind  nur  zur 
Hälfte  gestreift ,  zur  Hälfte  einfarbig  gelb ,  keines  ganz  ohne 
Streifen. 

Kolben,  welche  zugleich  ganz  rothe,  ganz  graue  und  gestreifte 
Körner  gehabt  hätten,  habe  ich  nie  gesehen,  ich  vermuthe  daher, 
dass  die  bunten  ihre  Entstehung  der  Befruchtung  einzelner  Kör- 


—    362    — 

ner  durch  den  Samenstaub  verschiedenfarbiger  Nachbarn  ver- 
danken, so  dass  je  die  gelben,  rothen,  grauen  Körner  einen  an- 
dern Vater  hätten,  diese  wären  sonach  von  der  Normalfarbe  sich 
entfernende,  die  geflammten  dagegen  zur  Normalfarbe  zurückkeh- 
rende Kolben,  wie  die  panaschirten  Blumen. 

XI.  Der  Samen. 

"Weit  mehr,  als  die  Fortdauer  des  vergänglichen  Einzelnen, 
ist  in  der  Natur  die  Fortdauer  der  Gattung  gesichert,  durch  un- 
ermessliche  Verschwendung  der  Keime,  durch  die  mannigfaltigsten 
Mittel  zu  ihrer  Verbreitung,  Flügel,  Federn,  Fallschirme,  Haken, 
elastisch  schnellende  Früchte,  anlockende  nahrhafte  Früchte  mit 
in  harter  Schale  wohlgeschützten,  schwer  verdaulichen  oder  durch 
Bitterkeit  abstossenden  Samen,  durch  vielfältige  Verhüllungen. 
Man  sollte  aus  letzterem  Grunde  glauben,  dass  die  Samen  eben 
so  bleich  und  farblos  sein  müssten,  wie  die  Wurzeln,  sie  sind  es 
auch  im  unreifen  Zustande  und  bleiben  es  nicht  nur  in  ihren 
inneren  Theilen,  dem  Keime  mit  seinen  Cotyledonen,  dem  weissen 
Stärkmehl,  sondern  auch  in  den  übrigen  Theilen,  wo  die  Frucht 
den  einzelnen  Samen  fest  umhüllt  und  sich  erst  bei  der  Keimung 
von  ihm  trennt,  aber  für  Samen,  die  bestimmt  sind,  nackt  in  den 
Boden  zu  sinken,  in  welchem  sie  zu  einem  neuen  Leben  erwachen 
sollen,  wäre  durch  eine  helle  Farbe  schlecht  gesorgt,  ihre  Schale 
(testa)  hat  in  der  Regel  mehr  oder  minder  die  Farbe  des  Bodens, 
der  sie  umgibt,  vom  dunkelsten  Schwarzbraua  der  nassen  Pflan- 
zenerde, des  eisenhaltigen  Schlammes  stehender  Gewässer,  durch 
das  Rothbraun  des  von  Eisenoxyd  durchdrungenen  Lehms  bis 
zum  Hellgrau  des  trockenen  Sandbodens. 

Ein  ternäres  Braun  in  allen  Tönen  ist  daher,  wie  bei  den 
todten  trockenen  Früchten,  so  auch  bei  den  schlafenden  Samen 
die  häufigste  Farbe.  Sie  fallen  in  die  Stufen  1  bis  9,  roth  bis 
gelb,  immer  durch  einen  Zusatz  von  schwarz  getrübt  und  daher 
nie  mit  einer  dieser  binären  Farben  genau  übereinstimmend. 

Ich  habe  die  Samen  von  689  Pflanzenarten  und  Spielarten 
untersucht  und  darunter  153  gefunden,    welche  eine  dunkelgelb- 


363 


braune  Farbe  6  a  bis  10  a  und  dunkler  haben,  beinahe  ein  Vier- 
theil der  ganzen  Zahl. 

Hieher  gehören  viele  Papilionaceen,  wie  die  Erdnuss  (Arachis 
hijpogaea  L.)  6  a ,  die  schöne  Acacia  Jidibrissin  Scop. ,  Biserrula 
Pelecinus  L.,  Cytisus  argenteus  L.,  Phaca  alpina  Willd.,  Sparthnn 
scoparium  L.,  sämmtlich  7  a,  Astragaliis  gylcyphijlbi.s ^  hamnsns 
und  Onobryckis  L.  8  a,  sehr  viele  Cruciferen,  die  Mandel,  Pfir- 
schen-,  Kirschen-  und  Pflaumenkerne  sämmtlich  8  a,  Annona  mu- 
ricata  L.  9  a,  die  essbaren  Samen  der  BerthoUetla  excelsa  H.  et 
B.  7  a,  die  dunkelbraunen  Rosenkranzkugeln  der  Canna  indica 
L.,  die  essbaren  Kastanien  6  a,  die  Bucheckern,  der  Stern-Anis 
6  a,  die  Samen  des  Lorbeerbaums,  der  Lecythis  Ollaria  L.,  der 
Leinsamen  7  a,  die  Muskatnüsse,  die  gewürzhaften  Kerne  der 
Ocotea  Pichurim  H.  et  B.,  der  Tabaksamen  7  a  ^Yie  der  Schnupf- 
tabak, also  Samen  gleich  dürrem  Laub,  die  Apfel-  und  Quitten- 
kerne 6  a  bis  8  a,  Traubenkerne  bei  völliger  Reife  8  a,  die  ein 
treffliches  Oel  liefernden  Samen  der  Linden. 

Weniger  zahlreich  sind  die  dunkelbraunen  Samen,  in  welchen 
die  rothe  Farbe  die  gelbe  überwiegt,  1  a  bis  5  a  und  dunkler, 
ich  fand  deren  66,  darunter  die  Rosskastanie  3  a,  den  Kohl,  die 
weissen  Rüben,  den  Reps,  die  Samen  des  Johannisbrodes  4  a. 
Ojcalis  stricta  L.  3  a,  Hibiscus  Trionum  L.,  Lathyrus  latifolius  und 
sylvestris  L.,  mehrere  Winden,  Silenen,  Birnkerne,  sämmtlich  2  a. 

Aehnlich  verhält  es  sich  mit  den  hellbraunen  Samen  in  den 
Tönen  b  bis  d,  ich  fand  37  überwiegend  gelbe  und  21  überwie- 
gend rothe  Samen ;  unter  den  ersteren  die  Coloquintenkerne  und 
die  der  Gleditschia  triacanthos  L.  und  sinensis  Lam.  8  b,  Wall- 
nusskerne  7  c,  Wachholderkerne,  Dattelkerne,  Pignolen,  Zirbel- 
nusskerne,  sämmtlich  7  b,  unter  den  letzteren  mehrere  Kleearten, 
Trichosanthes  colubrina  Jacq.  4  c,  Tulpensamen  4  d,  Draba  verna 
L.  3  d,  Erodium  gruiyium  Herit.  1  b. 

So  fand  ich  im  Ganzen  unter  689  Samenarten  277  braune, 
nicht  viel  weniger  als  die  Hälfte. 

Nach  den  erdfarbigen  Samen  sind  die  schwarzen  die  häufig- 
sten, ich  fand  124  vollkommen  schwarze  und  48  graue,  zusam- 
men 172  oder  den  vierten  Theil  der  Gesammtzahl, 


—    364   — 

Mit  diesen  scliwarzen  Samen  verhält  es  sich  ziemlich  wie 
mit  den  schwarzen  Blumen,  sie  sind  halbreif  sehr  häufig  roth, 
purpurfarbig,  bei  den  Gichtrosen  so  schön  karminroth  wie  die 
Blume ,  zuweilen,  wie  bei  den  Gartenbohnen,  selbst  violett  und 
greifen  so  in  die  janthinische  Farbenreihe  hinüber,  ohne  jedoch 
je  die  Stufen  zu  erreichen,  in  welchen  die  blaue  Farbe  überwiegt, 
erst  trocken  nehmen  sie  mit  völliger  Reife  auch  eine  völlig 
schwarze  Farbe  an. 

Einige  dieser  schwarzen  Samen  sind  ohne  Glanz,  matt  glatt, 
wie  die  Samen  der  Wassermelone,  der  Cucurbita  variegata  Steu- 
del,  der  Lufa  Jacquini  Schrad. ,  die  Tonkabohne  {Baryosma 
Tongo  Gaertn.),  welche  wie  der  Bisamkäfer  (  Ceramhyx  moscha- 
tus  L.)  in  die  Dosen  gelegt  wird,  um  dem  Schnupftabak  ihren  Wohl- 
geruch mitzutheilen ,  Acacia  lophantha  Willd. ,  alle  Samen  der 
Gattungen  ÄUiimi,  Asphodelus,  Anthericum,  Cereus,  Chlora,  Gom- 
melma,  Datura,  Delphinlum,  Dianthus^  die  Kicherlinge  (Cicer 
arietinumL.),  die  schwarzen  Spielarten  der  Linsen,  Ackerbohnen  und 
Dolichosbohnen,  die  Samen  der  Kaute,  der  Purpurwinde  und  des 
Kuh  Weizens,  der  seinen  antiken  Namen  Melampyrum  von  ihrer 
Farbe  erhalten  hat. 

Andere  Samen  sind  fein  gekörnt  oder  chagrinirt,  wodurch 
sie,  besonders  wenn  sie  mehr  in's  Graue  fallen ,  kleinen  Erd- 
klümpchen  täuschend  ähnlich  sind,  so  bei  Sileiie,  Agrostemma, 
Saponaria,  Ccdandrima,  Montia. 

Endlich  zeichnen  sich  die  schwarzen  glatten  Samen  häufiger 
als  andere  durch  einen  lebhaften  glasartigen  Glanz  aus,  so  die 
der  Gattungen  Amarantusy  Aqullegia^  Celosia,  Dictanuuis,  Paeonia, 
bei  Arenaria  peploides  und  trinervia  L.,  Moehringia  muscosa  L., 
während  die  grauen  wie  die  braunen  in  der  Regel  ohne  Glanz 
sind;  isolirte  Erscheinungen  sind  Thlaspi  arvense  L.,  die  einzige 
mir  vorgekommene  Pflanze,  deren  Samen  zugleich  gekörnt  sind 
und  glänzen ,  dann  Euphorbia  platyphyllos  L.  und  Portulaca  gran- 
diflora  Cambessedes ,  eine  Zierde  unserer  Blumengärten,  deren 
Samen  mit  der  Farbe  des  Bleis  auch  dessen  lebhaften  metalli- 
schen Glanz  erhalten. 

Weiss   habe  ich  nur  die  Samen   von  Cticiirbita  Melopepo  L., 


—    365    — 

StÜlingia  sehifera  Mich.,  Symphoricarpos  racemosa  Mich,  und  meh- 
rerer Bohnensorten  gefunden,  dagegen  gibt  es  mehrere  Samen, 
deren  Farben  auf  die  drei  hellsten  Töne  der  xanthischen  Reihe 
fallen  und  die  daher  im  gemeinen  Leben  weiss  genannt  werden, 
in  diesem  Sinne  ausgedehnt  habe  ich  die  Samen  von  95  Pflanzen 
weiss  gefunden,  darunter  die  Feigbohne  (Licjnnus  albus  L.)  2  g, 
die  Erve  und  die  Kneifelerbse  3  f,  die  Feld-  und  Brockelerbsen 
3  g,  die  Samen  der  Adansonia^  von  Cucumis  prophetarum  L., 
Opu7itia  minima  Dec.  4  f,  Galanthus  nivalis  L.  4  g,  Melonenkerne, 
die  häufig  als  Thee  benützten  Kerne  der  Rosa  canina  L.  5  f, 
die  Samen  der  Feigen  und  des  weissen  Mohns  5  g,  die  Kerne 
der  Citronen  und  Pomeranzen,  der  gemeinen  und  Flaschenkür- 
bisse, der  Gurken,  der  Goldäpfel  und  des  spanischen  Pfeffers. 

Zu  diesen  helleren  Samen  gehören  theilweise  auch  die  Kaffee- 
bohnen, welche  ganz  frisch  bläulichgrün  14  g,  mit  dem  A'erluste 
der  Keimkraft  in's  Bräunliche  oder  Graue  übergehen.  Ein  alber- 
nes Vorurtheil  bestimmt  viele  Käufer,  auf  schöne  Farbe  einen 
Werth  zu  legen  und  grünliche  Bohnen  den  andern  vorzuziehen, 
während  die  Kaffeebohne  um  so  besser  ist,  je  älter  sie  ist.  Die- 
ses Vorurtheil  hat  noch  die  schlimme  Folge,  dass  der  Kaffee  oft, 
wie  der  grüne  Thee,  mit  der  Gesundheit  keineswegs  zuträglichen 
Stoffen  künstlich  gefärbt  wird,  um  Käufer  anzulocken. 

In  Stuttgart  hat  man  jetzt  sechs  Kaffeesorten,  drei  bräun- 
liche und  drei  grünlichgraue,  deren  Farbenunterschied  Folge  der 
Art,  sie  aut  trockenem  oder  nassem  Weg  von  ihrer  Umhüllung 
zu  befreien ,  sein  wird ;  von  den  bräunlichen  ist  der  berühmte 
Stammvater  aller  übrigen,  der  Mocca-Kaffee  mit  den  kleinsten 
Bohnen  der  dunkelste,  trüb  4  e,  dann  folgt  brauner  Java  4  g 
und  als  der  hellste  gelber  Java  6  g;  zwischen  den  grünlichgrauen 
ist  der  unterschied  geringer,  der  dunkelste  ist  der  Ceylon  Kaffee 
©  d,  dann  folgt  Surinam  0  e  und  als  der  hellste  blauer  Java 
0  f,  der  den  Beinamen  blau  so  wenig  verdient,  als  die  blauen 
Katzen. 

Dem  grossen  Reichthum  an  Samen  der  xanthischen  Reihe 
steht  eine  grosse  Armuth  an  Samen  der  janthinischen gegenüber; 
hier,  im  Abschluss  des  alten  und  Anfang  des  neuen  Pflanzenlebens 


—    366   — 

tritt  die  blaue  Farbe  am  stärksten-  zurück,  ein  blaues  Samenkorn 
ist  mir  nie  vorgekommen,  kaum  dass  sich  an  Euphorbia  Pinea 
und  Peplis  L.  und  drei  Gartenbohnen,  Phaseolus  Pardus  lacteus 
Martens,  Ph.  ellipticus  Bocconi  M.  und  Ph.elHpticus  fasciatus  M. 
17  h  die  weisse  Farbe  der  blauen  nähert;  in  welche  Stufe  die 
Bohnen  des  Cyanospermum  tomentosum  Wight  et  Arnott  gehören, 
ist  mir  nicht  bekannt,  rein  blau  werden  sie  wohl  nicht  sein. 

Grün  sind  wohl  viele  unreife  Samen,  äusserst  wenige  aber 
bei  vollendeter  Reife,  die  rein  grüne  Stufe  13  fand  ich  nie,  ein 
trübes  grtingrünblau  14  c  ist  die  Farbe  der  Samen  des  in  den 
Tropenländern  beliebten  Gombo  (Hibiscus  esculentus  L.),  grün- 
grüngelb fand  ich  nur  drei  gebaute  Samen,  die  Knight  Marron 
Erbse  12  e,  die  Klunkererbse  12  f  und  die  Laoner  Dattel- 
bohne 12  g,  Phaseolus  Mungo  L.,  im  innern  Afrika  häufig  gebaut 
und  in  Italien  niclit  unbekannt,  ist  dunkel  gelbgrüngelb  10  a. 

Lebhafte  Farben  sind  an  Samen  noch  seltener,  als  trübe  an 
Blumen,  die  Samenhaut  (arillus)  der  Iris  foetidissi?na  L.  ist  koral- 
lenroth  1  c,  die  des  Spindelbaums  lebhaft  pomeranzengelb  5  c; 
trüb  purpurroth  sind  die  Samen  der  Rauschbeere,  del'  Pistacie 
und  des  Terpentinbaums. 

Auch  bunte  Samen  sind  selten,  die  Samen  der  Levkojen 
und  des  Lepigonum  marginatum  Koch  7  a  mit  hellem  Rande,  der 
Myrte  glänzend  schwarzbraun,  5  h  eingefasst,  des  Wunderbaums 
{Ricinus)  2  g  mit  2  a  marmorirt,  von  Euphorbia  dendroides  L. 
5  h,  grau  marmorirt,  einer  Spielart  der  Wassermelone  {Cucurbita 
CitruUus  ß  saccharina  Martens)  4  f  mit  schwarzen  Punkten;  die 
drei  in  einer  dreifächerigen  Blase  eingeschlossenen  kugelrunden 
Samen  des  Cardiospermum  Halicacabuia  L.  Pols  de  merveille, 
Paternostri  di  San  Domenico,  und  der  17  andern  Arten  dieser 
Gattung  sind  kohlschwarz  mit  einem  weissen  Flecken  von  regel- 
mässig herzförmiger  Gestalt. 

Die  grosse  Familie  der  Hülsenfrüchte,  von  Endlicher  mit 
Recht  als  die  oberste  des  Plianzenreichs  aufgeführt,  mit  vielen 
Bäumen,  windenden  und  rankenden  Gattungen,  gegliederten,  ge- 
dreiten  oder  gefiederten  Blättern  (man  musste  bis  nach  Neuhol- 
land gehen,  um  einfachblättrige  Leguminosen  zu  entdecken),  mit 


367 


dem  deutlichsten  Schlaf,  der  berühmten  Reizbarkeit  der  Sinn- 
pflanzen,  schönen  bunten  Blumen,  hat  wahrscheinlich  auch  mehr 
lebhaft  gefärbte  und  bunte  Samen,  als  alle  andern  Familien  mit 
einander. 

Dunkel  bis  lebhaft  scharlachroth  2  a  bis  b  sind  die  Samen 
der  ostindischen  Adenatithera  pavonbia  L. ,  purpurroth  die  zu 
Hals-  und  Armbändern  verwendeten  von  Dolichos  Faba  nigrita 
Forsk.,  hellroth  2  e  die  schmackhaften  von  Dolichos  sinensis  L., 
trüb  violett  21  b  die  des  Wiesenklees  und  der  Anagyris 
foetida  L. 

Bunte  Samen  haben  Pflanzen  dieser  Familie  schon  in  der 
deutschen  Flora,  so  Ervum  hirsutum  L.  10  e  scliwarz  punktirt, 
Lathynis  Aphaca  L.  10  e  schwarz  punktirt  mit  lebhaftem  Glänze, 
die  Felderbse  10  f  dunkel  punktirt,  die  Zuckererbsen  und  meh- 
rere Wicken. 

In  Südeuropa  kommen  manche  weitere  hinzu,  wie  Bonjeanea 
hirsuta  Rchb.  9  b  mit  schwarzen  Flecken,  drei  Platterbsen  und 
drei  Wolfsbohnen ,  unter  den  Culturgewächsen  zwei  gefährliche 
Platterbsen,  Lathyrus  Cicera  L.  aschgrau  mit  rostgelbeu  Flecken 
und  L.  sativus  L.  8  f  braun  gefleckt,  danrt  die  niedlichen,  wohl- 
schmeckenden Fasioletti  dall'  occhio  (Dolichos  melanophthalmos 
Dec.)  hell  incarnat  3  g  mit  schwarzem  Auge,  und  die  verschie- 
denen Spielarten  der  im  Orient  zu  Lauben  benützten  egyp- 
tischen  Bohne  (Lablab  vulgaris  Savi)  schwarz,  kaffeebraun 
oder  röthlichgelb  6  g,  alle  mit  einem  ^symmetrischen  weissen 
Halbmond, 

Schönere  bunte  Leguminosensamen  treten  innerhalb  der 
Wendekreise  auf,  so  Aeschinomene  aspera  L.  braun  mit  schwarzen 
Punkten,  Glycine  carihaea  Jacq.  lebhaft  glänzend  grau  und  schwarz 
marmorirt,  die  Taubenerbse,  Pois  de  Congo  {Cytisus  Cajan  L.) 
in  Afrika  von  Kairo  bis  zum  Cap,  in  Ost-  und  W^estindien  häutig 
gebaut,  röthlichgelb  (3  g  mit  dunkleren  Flecken  G  c,  die  Bohnen 
der  Korallcnbäume  (Erythrina)  feuerroth  3  c  mit  symmetrischen, 
fest  begrenzten  schwarzen  Flecken  und  die  eben  so  gefärbten 
kleineren  Rosenkranz-Erbsen  (Abrus  precatorius  L.),  welche  beide 
gegen  die  Sitte  vieler  Hülsenfrüchte  alternd  ihre  Farbe  nicht  ver- 


—    368    — 

ändern,  daher  sie  in  Menge  zu  Hals-  und  Armbändern,  Rosen- 
kränzen und  andern  Schmuckarbeiten  verwendet  werden. 

Im  ganzen  Pflanzenreich  gibt  es  kein  Gewächs,  dessen  Samen 
die  bunte  Mannigfaltigkeit,  den  üppigen  Farbenreichthum  der  weit 
verbreiteten  Gartenbohne  erreichte,  wir  finden  unter  ihren  hun- 
dert und  zwanzig  Spielarten  sieben  schwarze,  drei  graue,  zwölf 
braune,  drei  hellbraune,  neun  und  zwanzig  helle  oder  ganz  weisse, 
neunzehn  lebhaft  gefärbte,  darunter  violette,  purpurrothe,  pome- 
ranzengelbe, dottergelbe,  goldgelbe,  schwefelgelbe,  endlich  nicht 
weniger  als  acht  und  sechszig  bunte,  darunter  die  gebänderten 
Zebrabohnen,  die  gefleckten  Pantherbohnen,  die  gezeichneten 
Adlerbohnen,  einige,  die  halb  weiss,  halb  purpurroth  oder  dunkel- 
gelb sind,  helle  mit  dunklen  Flecken  und  dunkle  mit  hellen 
Flecken,  endlich  dreifarbige;  da  es  sich  aber  nur  von  übergehen- 
den Spielarten  handelt,  so  hat  keine  dieser  bunten  Bohnen  die 
fest  begrenzte  unveränderliche  Zeichnung  des  Labiah,  des  Abms 
oder  der  Erythrina. 

Der  grösste  Theil  dieser  Farben  ist  bei  halbreifen  Bohnen 
noch  viel  schöner  und  lebhafter,  geht  aber  leider  absterbend,  das 
heisst  wann  die  Bohne  die  Fähigkeit  zu  keimen  verliert,  in  ein 
dunkles  trübes  Braun  über,  was  mich  hauptsächlich  zur  Heraus- 
gabe meines  Bohnenbuchs  bestimmte,  um  diese  Farbenmannigfal- 
tigkeit durch  Abbildungen  festzuhalten,  da  es  nicht  durch  Samen- 
sammlungen geschehen  kann.  Die  Zahl  der  Farbenstufen  belauft 
sich  bei  den  Gartenbohnen  auf  zwanzig,  die  der  Farbentöne  auf 
acht  und  vierzig. 

Auf  ähnliche  Weise,  wenn  auch  in  weit  geringerem  Grade, 
wechseln  die  Farben  der  Feuerbohnen,  des  Phaseolus  inamoenus 
L.,  des  Phaseolus  lunatus  L.  und  einiger  andern  in  warmen  Län- 
dern der  Samen  wegen  gebauten  Bohnen. 


—    369    - 

Die  Farben  der  Kryptog-amen. 

I.    Die  Farne. 

Bei  allen  von  mir  gesehenen  Farnen  (Filices)  fand  ich  die 
Wurzel  dunkel ,  schwarz ,  grau  oder  schwärzlich  braun,  nur  die 
schwimmenden  der  Salvinia  natans  All.  bilden  als  blass  eine 
Ausnahme. 

Wurzelstock,  Stamm,  Schuppen,  Haare  und  Frucht  sind  meist 
gelbbraun  7  a,  oft  dunkler,  selten  heller,  wie  die  Frucht  von 
Polypodium  aureum  L.  7  b,  von  Pteris  crispa  und  cretica  L.  und 
Lindsaya  falcata  Drj'ander  8  b.  Zuweilen  ist  der  Wurzelstock 
dunkelrothbraun,  so  bei  Acrostichum  plumosum  Fee  2  a. 

Diese  tief  rothbraune  Farbe  zieht  sich  oft  an  den  Stiel  hin- 
auf, welcher  dann  so  schwarz  wie  Ebenholz  ist,  so  bei  Adiantum 
Capillus  Veneris  L. ,  hienach  benannt,  da  man  billig  der  Venus 
als  Griechin  glänzend  schwarzes  Haar  zuschrieb ,  bei  Gymnogramme 
Calomelanos  Kaulfuss,  Lomaria  Spicant  Desv.,  Pteris  atropurpurea 
Lt.,  allosora  Link  und  Calomelanos  Sw.,  Asplenkmi  mar'inum  Dec, 
monanthos,  Trichomanes  und  Adiantum  nigrum  L.,  Asplenium  ebe- 
neum  und  melanocaulon  Willd.,  Asph  furcatum  Thunb.  und  Aspl. 
heterochroum  Kunze. 

Bei  Asplenium  viride  L.  beschränkt  sich  die  rothbraune  Fär- 
bung auf  den  untersten  Theil  des  Stiels  und  geht,  ehe  die  Fie- 
derblättchen beginnen,  in  hellgrün  über,  bei  andern  Farnen  sind 
nur  der  Wurzelstock  und  dessen  Behaarung  dunkelbraun,  wie 
bei  dem  Adlerfarn,  dessen  gegliederte  Haare  von  Lyngbye  und 
Agardh  als  Mycinema  pteridis  zu  den  Algen  gezogen  wurden, 
wie  von  andern  die  ähnliche  Behaarung  des  einst  berühmten 
Polypodium  Baromez  L.  und  anderer  Farne,  in  neuerer  Zeit  als 
blutstillend  empfohlen,  als  Conferva  aureofulva  Kg.  9  a  bis 
kaffeebraun. 

Das  Laub  (Frons)  der  Farne  mit  Einschluss  der  Schachtel- 
halme, Wasserfarne  und  Bärlappen  ist  ohne  Ausnahme  sehr  ein- 
förmig grwn,  beschränkt  auf  die  tiefsten  Töne  a  bis  c  der  Stufen 
11  bis  13,  Polystichum  Filix  mas  Roth  z.  B.  rollt  sich  IIb  aus 
der  Knospe  auf  und  verdunkelt  im  Sommer  zu  12  a. 

Württemb.  oaturw.  Jahreshefte.      1862.    3.s  Heft.  24 


—    370    — 

Es  beschränken  sich  demnach  die  Farben  dieser  blüthenlosen 
Gewächse  auf  wenige  Stufen  der  xanthischen  Reihe,  nur  als  sel- 
tene Ausnahme  tritt  hie  und  da  eine  andere  Farbe  auf,  so  sind 
die  Stengel  des  schönen  Equisetum  Telmateja  Ehrh.  so  weiss  wie 
Elfenbein,  die  Scheiden  von  Equisetum  hyemale  L.  weiss  mit 
schwarzem  Eande;  mein  Sohn  Eduard  sah  im  Innern  von  Su- 
matra das  jüngste  Laub  einiger  Farne  und  Lycopodiaceen  rosen- 
roth  mit  Stich  in  Grün:  bei  Notochlaena  nivea  Desv.  und  N. 
hypoleuca  Kunze  hat  das  Laub  auf  der  untern  Seite  einen  weis- 
sen Ueberzug,  hei  Gymnogramme  chrysophylla  Kaulf.  einen  goldgel- 
ben 8  e.  Gelb  sind  auch  die  Früchte  der  Mondraute  und  schwe- 
felgelb, beinahe  weiss  9  g  bis  h,  das  Bärlappenmehl.  Lycopodium 
haematodes  Kunze  aus  Südamerika  erhielt  seinen  Xamen  von  der 
blutrothen  Farbe  seines  glatten  Stengels  und  Lycopodium  caesium 
Hort.  Bonn,  von  einem  leichten  bläulichen  Schimmer  seines  grü- 
nen 14  d  Laubes,  die  schwarzen  Früchte  der  Onoclea  sensihilis  L. 
aben  einen  violetten  Schimmer,  die  blaue  Farbe  fehlt  gänzlich 
in  der  ganzen  Klasse. 

51.    Die  Armleiichtepgewäeli?^e. 

Die  kleine  Klasse  der  Armleuchtergewächse  (Characece)  ist 
noch  ärmer  an  Farben,  als  die  der  Farne,  sie  zeigt  uns  deren 
nur  drei,  die  Wurzeln  sind  farblos,  Stengel  und  Laub  grün,  leb- 
haft bei  den  glänzenden  Nitellen,  matt  weil  getrübt  durch  einen 
Niederschlag  von  kohlensaurem  Kalk  bei  den  Charen ;  die  künst- 
lich gebaute  Frucht  ist  bei  allen  schwärzlich  grau,  die  den  An- 
theridien  der  Moose  analogen  Kügelchen  sind  lebhaft  cinnober- 
roth  1  c. 

III.    Die  Moose. 

Die  Moose  (Musci)  bilden  die  dritte  Klasse  der  Kryptogamen, 
deren  Farben  sich  auf  die  xanthische  Reihe,  grün,  gelb  und  braun 
beschränken,  doch  hier  mit  etwas  mehr  Mannigfaltigkeit,  als  in 
den  beiden  vorhergehenden. 

Die  ästigen  gegliederten  Fäden  fCotyledonidiaJ,  welche  die 
Stelle    der  Samenblätter  vertreten  und  die  Entwicklung  keimen- 


-    371    — 

der  Laubmoose  beginnen,  sind  bald  grasgrün,  wie  bei  Phascum 
und  bei  Polytrichum  aloides  L.,  bald  olivenbraun  wie  bei  Orthotri- 
chwn,  bald  dunkelbraun   wie  bei  Funaria. 

Das  Laub  der  Lebermoose  wie  das  der  Laubmoose  spielt  in 
den  unteren  Tönen  der  Stufen  11  bis  13,  selten  heller,  wohl  aber 
oft  durch  seidenartigen  Glanz,  wie  bei  Leskea  sericea  Hedw., 
Hypnum  velutinum  L. ,  splendens  Hedw.,  nitens  Schreb.,  bei  Schi- 
stostega  osmundacea  Weber,  in  lichtere  Töne  und  gelbere  Stufen 
hinüberschimmernd  und  dadurch  eine  in  Alpenlandschaften  sehr 
wirkungsvolle  Mannigfaltigkeit  der  Farben  bewirkend.  Nur  bei 
wenigen  Moosen  nimmt  das  helle  Laub,  wenn  durch  Trockenheit 
ein  Stillstand  in  ihrem  Wachsthum  eintritt,  eine  blassere  Farbe 
an,  S'o  bei  den  darnach  benannten  Riccia  glauca  L.,  Bryum  ar- 
genteum  L. ,  Trichostomum  glaucescens  Hedw.  und  Leucobryum 
vulgare  Hampe  14  f  und  bei  der  ganzen  Gattung  Sphag- 
num  12  e. 

Bei  vielen  Laubmoosen  geht  die  Mittelrippe  des  Blattes  über 
dasselbe  als  weissliches  oder  silberfarbiges  Haar  hinaus,  wodurch 
der  ganze  Rasen  hellgrau  erscheint,  so  bei  der  häufigen  Barhula 
muralis  Timm,  bei  Racomitrium  canescens  Bridel,  Grimmia  affinis 
Horusch.,  leucophaea  Grev.,  crinita  Brid.  und  pulvinata  Hooker 
und  bei  manchen  andern  Laubmoosen. 

Dunkler  belaubte  Moose  werden  dagegen  durch  Trockenheit 
schwarzgrün,  so  besonders  in  den  Gattungen  Orthotrichum  und 
Polytrichum.  Die  dunkelsten  Laubmoose  findet  man  in  den  Alpen, 
wo  starkes  Licht  und  niedere  Temperatur  auch  andere  Gewächse 
und  selbst  Insekten  schwärzen,  hieher  gehören  Weissia  crispula 
var.  atrata  Nees,  Racomitrium  aciculare  Brid.,  Grimmia  atrata 
Mielichhofer,  Hypnum  atrovirens  Smith. 

Ein  in  Süd-Europa  in  schnell  fliessenden  Bächen  häufiges, 
oft  ihren  Grund  ganz  überziehendes  Laubmoos,  Cinclidotus  aqua- 
ticus  Br.  et  Seh.,  sieht  untergetaucht  völlig  schwarz  aus,  ebenso 
unsere  Fontinalis  antipygretica  und  squamosa  L.,  das  Laub  der 
an  Baumstämmen  in  Wäldern  häufigen  FruUania  dilatata  und  ta- 
marisci  Raddi  ist  jung  dunkelgrün  13  a,  alt  schwarzbraun,  das- 
jenige  der    Jungermannia  ruhella  Nees  rothbraun,  bei  Sphagnum 


—   372   — 

findet  man  oft  das  Laub  durch  Austrocknen  des  Torfmoors  ge- 
röthet  23  e. 

Die  Fruchtstiele  und  die  Büchsen  der  Laubmoose  sind  in 
der  Jugend  grün  wie  das  Laub,  nehmen  aber  bälder  oder  später 
eine  gelbe,  gelbbraune  oder  rothbraune  Farbe  an,  welche  sich 
an  der  Basis  des  Stiels  am  frühesten  und  dunkelsten  zeigt  und 
fortschreitend  zur  Büchse  hinaufrückt;  so  schimmert  Barbula  mu- 
ralis  Timm  an  feuchten  Garten-  und  Weinbergsmauern  zur  Zeit 
der  Fruchtentwicklung  in  der  Morgensonne  mit  dem  schönsten 
Goldglanz ,  Ceratodon  purpureus  Brid.  an  lichten  Waldstellen 
glänzend  purpurroth  24  b.  Hiebei  ist  immer  die  Büchse  dunkler 
als  der  Stiel,  die  abfallende  Haube  aber  heller  als  beide,  bleich 
gelblich  oder  bräunlich;  die  Sporen  sind  endlich  nach  Gattung 
und  Art  grünlich  gelb,  blass  gelblich,  gelb  oder  bräunlich. 

Die  meist  Schatten  und  Feuchtigkeit  liebenden  Moose  sind 
vorzugsweise  Bewohner  kälterer  Länder,  in  den  Wäldern  ersetzen 
sie  den  Kompass,  indem  sie  sich  an  der  Nordseite  der  Baum- 
stämme ansiedeln,  nur  wenn  diese  schief  stehen,  ziehen  sie,  wie  an 
den  Aesten,  ohne  Rücksicht  auf  die  Himmelsgegend  die  obere 
dem  Regen  ausgesetzte  Seite  der  trockeneren  nach  unten  ge- 
kehrten vor.  Die  zwei  schönsten  Moose  sind  hochnordisch,  die 
grosse  Frucht  von  Splachnum  rubrum  L.  ist  prächtig  karminroth 
24  b,  die  von  Splachnum  luteum  L.  lebhaft  citronengelb  9  f. 

Die  von  mir  an  Moosen  beobachteten  Farben  umfassen  die 
Stufen  1  bis  14,  dann  23  und  24,  die  blauen  und  violetten  15 
bis  22  fehlen  gänzlich,  ein  Alpenmoos,  Catoscopium  nigritum  Brid., 
erhielt  seinen  Namen  von  seiner  glänzend  schwarzen  Büchse;  zu 
weiss  lassen  sich  nur  nothdürftig  die  Haarspitzen  der  Blätter 
mehrerer  Moose  und  die  Zähne  der  Büchse  von  Leucodon  sciu- 
roides  Schwaegr.  ziehen. 

Diesen  drei  an  Farben  armen  Kryptogamen-Klassen,  Farne, 
Armleuchtergewächse  und  Moose,  stehen  drei  farbenreiche  gegen- 
über, die  Flechten,  die  Algen  und  die  Pilze. 


—    373    — 

IV.   Die  Flechten. 

Alle  Pflanzen  wachsen  nur  so  lange,  als  sie  Wasser  haben, 
fehlt  solches,  weil  es  sich  zu  Eis  crystallisirt  hat,  so  können  sie* 
nur  durch  den  Winterschlaf  dem  Tode  entgehen,  ebenso  durch 
den  Sommerschlaf,  wenn  das  Wasser  in  Dampf  verwandelt  sie 
verlässt. 

Die  Flechten  (Lichenes)  können  unter  allen  Gewächsen  die 
Entziehung  des  Wassers  auf  beiderlei  Art  am  besten  ertragen, 
so  ist  ihnen  kein  Ort  zu  kalt,  Agassiz  traf  sie  in  den  Alpen  noch 
auf  dem  Gipfel  der  Jungfrau,  12,860  p.  F.  über  dem  Meere  an 
und  auch  gegen  die  Pole  gehen  sie  weiter,  als  jede  andere  Pflanze ; 
ebenso  findet  ihre  Fähigkeit,  Trockenheit  und  Hitze  zu  ertragen, 
gegen  den  Aequator  keine  Grenze  und  macht  es  ihnen  möglich, 
auf  Baumrinde,  Steinen,  selbst  Eisen,  z.  B.  auf  dem  sonnigen  Ge- 
länder der  Brücke  von  Canstatt,  zu  gedeihen,  an  Stellen,  wo  sie 
nur  so  lange  wachen  und  wachsen,  als  Regen,  Nebel  oder  Thau 
sie  benetzt.  Dass  sie  dennoch  Standorte  mit  reichlicher  Feuch- 
tigkeit vorziehen,  ist  sehr  natürlich,  ins  Wasser  steigen  sie  zwar 
nicht  hinab,  Endocarpon  fluviat'de  Dec.  und  CoUema  fluviatile 
Schaerer  an  Steinen  in  seichten  Bächen  können  kaum  als  Aus- 
nahme gelten,  aber  ihre  Grösse,  Häufigkeit  und  Fruchtbarkeit 
steigt  mit  der  Höhe  des  Standorts,  mit  der  Rauheit  des  Klimas 
und  dürfte  in  der  Alpenregion  und  der  Nähe  der  Polarkreise 
den  höchsten  Grad  erreichen. 

Das  Laub  {Thallus)  der  meisten  Flechten  hat,  so  lange  es 
nass  ist,  eine  hellgrüne  oder  graulichgrüne  ,  bei  einigen,  wie 
Gyrophora^  CoUema ,  dunkel  oder  bouteillengrüne  Farbe,  weil 
dann  die  obersten  Zellenschichten  das  Chlorophyll  der  inneren 
durchscheinen  lassen,  im  trockenen  Zustande  werden  aber  helle 
Flechten  heller,  oft  ganz  oder  beinahe  weiss,  dunkle  dunkler,  oft 
ganz  oder  beinahe  schwarz,  so  sind  bei  Parme/ia  jmriethia  Ach., 
wenn  sie  nass  ist,  Laub  und  Frucht  gelblichgrün  1 1  d,  im  trocke- 
nen Zustande  ersteres  citronengelb  9  f  bis  gelbgrüulich  10  e, 
letztere  dunkelgelb  9  d,  bei  Parmelia  stellaris  Ach.  nass  das  Laub 
14  e,  die  Brutzellen  (Soredia)  12  d.  trocken  ersteres  wasserbläu- 


—    374    — 

lieh  16  g,  letztere  beryllgrün  14  f,  bei  Lecanora  suhfusca  Ach. 
nass  das  Laub  graugrünlich  15  f,  die  Frucht  dunkel  olivengrün 
10  a,  trocken  ersteres  hell  wasserbläulich  16  h,  letztere  kaffee- 
braun bis  schwarzbraun,  bei  Peltigera  das  Laub  nass  schön  gras- 
grün, trocken  heller  oder  dunkler  grau. 

Die  untere  Fläche  des  Laubes  ist  bald  heller  als  die  obere, 
wie  bei  Peltigera  venosa  Hoffm,,  Solorina  crocea  und  saccata  Ach., 
bald  dunkler,  wie  bei  Parmelia  pertusa  Seh.,  ceratophylla  Wallr., 
sirmosa  Ach.,  Cetraria  glauca  Ach.,  die  Frucht  ist  in  der  Regel 
dunkler,  tiefer  gefärbt  als  das  Laub,  selten  von  gleicher  Farbe, 
nie  heller. 

Ich  habe,  um  eine  üebersicht  der  Farbenmannigfaltigkeit 
der  Flechten  zu  erhalten,  die  Farben  der  Flechten  zusammenge- 
stellt, welche  in  der  Flora  danica  abgebildet  sind,  diesem  mit 
seltener  Beharrlichkeit  durch  beinahe  hundert  Jahre,  von  1761 
bis  1853,  mit  immer  steigender  Schönheit  und  Genauigkeit  fort- 
gesetzten Prachtwerke,  einem  Ehrendenkmal  der  Könige  von 
Dänemark;  es  sind  216  Arten,  darunter  viele  norwegische,  islän- 
dische und  grönländische. 

Unter  diesen  216  Flechten  haben  7  schwarzes  oder  graues 
Laub,  24  schwarze  Früchte  und  bei  33  ist  beides  schwarz  oder 
grau,  diese  Farbe  findet  man  also  beinahe  bei  einem  Drittheil 
dieser  Flechten ,  vorzugsweise  bei  hochnordisehen  und  alpinen, 
wie  Nephroma  arcticum  Fr.,  Lecidea  arctica  Sommerf.  und  geo- 
graphica Seh.,  mehreren  Gyrophoren,  allen  Calicien  und  Ope- 
graphen,  vielen  Urceolarien  und  Collemen. 

Xaeh  der  schwarzen  Farbe  ist  braun,  meist  mit  einem  Zu- 
satz von  grau,  die  häufigste  Farbe,  sie  kommt  61  mal  vor,  so  bei 
dem  isländischen  Moos,  allen  nicht  ganz  schwarzen  Gyrophoren, 
der  Frucht  vieler  Parmelien  und  Gladonien  und  aller  Peltigeren 
und  Cetrarien. 

Die  dritte  Farbe  ist  grün  11  bis  15  am  trockenen  Laube 
von  47  Flechten,  vorzüglich  den  ästigen  Baumflechten,  Usneen, 
Ramalinen  ,  Physcien,  Sticten,  dann  den  meisten  Gladonien,  die 
Frucht  ist  trocken  nie  grün;  eine  Untersuchung  der  Flechten 
im  nassen  Zustande  würde  natürlich  ein  ganz  anderes  Ergebniss 


—    375    — 

liefern  und  die  grüne  Farbe  zur  vorherrschenden  erheben,  man 
sieht  und  malt  jedoch  die  Flechten  bei  weitem  seltener  in  diesem 
Zustande. 

Die  Grundfarbe  des  Pflanzenreichs,  gelb  7  bis  10,  zeigen  29 
dieser  Flechten,  darunter  die  schöne  in  der  Waldregion  der 
Alpen  oft  an  den  Lärchenstämmen  wachsende  Cornicularia  vul- 
pina  Seh.  9  e,  die  Alpenflechten  Cetraria  juniperina  Ach.  8  e, 
C.  cucullaia  Ach.  9  g,  C.  nivalis  x^ch.  10  g  und  Cornicularia 
ochroleuca  Ach.  10  g,  die  bis  in  die  Schneeregion  steigende  Le- 
cidea  geographica  Seh. ,  welche  die  dunklen  nackten  Felsen  des 
Gottharts  schön  citronengelb  übertüncht,  und  zwei  unserer  häu- 
figsten Flechten,  Lecanora  parietina  Ach.  an  Bäumen  und  Bretter- 
zäunen und  Lecanora  murorum  Ach.  an  Mauern  und  Dächern, 
beide  im  Schatten  bleicher,  an  sonnigen  Stellen  lebhafter  gelb; 
die  letztere,  meist  vermengt  mit  der  milch  weissen  Lecanora  mu- 
ralis  Seh.  die  Dachziegel  bunt  bemalend,  ist  ein  sicherer  Maas- 
stab für  die  Regenmenge  eines  Ortes,  ich  vermisste  sie  auf  den 
Dächern  von  Modena  und  Ancona,  fand  dagegen  die  Dächer  von 
l'Ariccia  im  Albanergebirg  so  vollständig  damit  überzogen,  dass 
solche  von  ferne  aus  lauter  gelben  Ziegeln  zu  bestehen  schienen, 
und  schloss  daraus,  dass  es  in  TAriccia  weit  häufiger  regnen 
müsse,  als  in  Modena  und  Ancona,  w^as  auch  der  Fall  sein  wird, 
da  l'Ariccia  sich  an  der  Westseite  des  Appennins  in  einer  Höhe 
von  1306  p.  F.  über  dem  Meere  befindet,  die  beiden  andern 
Städte  aber  an  dessen  Nord-  und  Ostseite  wenige  Fuss  über  dem 
Meere  liegen. 

Roth,  L  bis  4,  zeigen  23  dänische  Flechten,  darunter  bei  4 
nur  das  Laub,  Goniocarpon  cinnaharinum  Dec.  1  e,  Lecidea  deci- 
piens  Ach.  3  d,  L.  squalida  Ach.  2  e  und  L.  globifera  Ach.  2  f, 
diese  drei  mit  schwarzen  Schüsseln  ,  bei  drei  Laub  und  Frucht, 
bei  der  Stürme  liebenden  Lecanora  ventosa  Ach.  Laub  3  g,  Frucht 
3  c,  bei  L.  miniata  Ach.  beides  3  d  und  bei  L.  haematomma 
Ach.  Laub  4  h,  Frucht  1  c ;  bei  allen  andern  ist  nur  die  Frucht 
roth,  oft  sehr  lebhaft,  wie  bei  Cladonia  coccifera  Baumg.  und 
einigen  andern  Becherflechten  schön  siegellackroth  4  c,  bei  Par- 
melia  ruhina  Ach.  rubinroth  3  c. 


—    376    — 

Die  weisse  Farbe  kommt  theils  ganz  rein,  theils  als  hellster 
Ton  h  anderer  Farben  auch  bei  23  dieser  Flechten  vor,  aber  in 
scharfem  Gegensatze  zur  rothen  nur  am  Laube,  während  die 
Frucht  oft  kohlschwarz  ist,  so  bei  Lecidea  alba  Schi.,  Candida 
Ach.  und  atroalha  Ach.,  bei  JJrceolaria  calcarea  und  scruposa 
Ach.,  bei   Verrucaria  glabrata  Ach. 

Unter  den  14  orangefarbigen  Flechten  zeichnet  sich  die  auf 
Granit  der  Alpen  und  Pyrenäen,  in  Lappland  und  Grönland  vor- 
kommende Solorina  crocea  Ach.  durch  ihr  Laub  aus,  dessen 
obere  Fläche  dunkelgrün,  die  untere  lebhaft  orange  5  c  ist,  dann 
das  hochnordische  Nephroma  arcticum  Seh.  durch  auffallend  grosse 
orangefarbige  Früchte  5  c  auf  grünem  Laube  13  b. 

Rein  blau  ist  keine  Flechte,  aber  8  der  Flora  danica  sind 
doch  bläulich,  so  Cetraria  glauca  Ach.  oben  18  g,  unten  seh v/arz, 
Parmelia  caesia  und  stellaris  Ach.  Laub  16  g,  Früchte  18  a, 
Lecidea  alhocoeridescens  Ach.  Laub  18  f,  Früchte  schwarz.  Schaerer 
bildet  zwar  sein  Collema  atrocoeriäeum  wasserblau  16  d  ab,  be- 
schreibt es  aber  als  plumbeo-rufescens,  am  blauesten  fand  ich 
noch  unter  allen  Flechten  Collema  azureum  Ach.  aus  Südamerika, 
welches  nass  wirklich  wasserblau  16  c  ist. 

Zu  den  Purpurstufen  22  bis  24  kann  man  nur  die  Frucht 
von  vier  der  in  der  Flora  danica  abgebildeten  Flechten  zählen, 
sämmtlich  sehr  licht  auf  weissem  Laube,  Baeomyces  roseus  Ach. 
pfirschenblüthfarbig  23  e,  Arthoyiia  impolita  Seh.  und  Lecanora 
tartarea  Ach.  um  einen  Ton  heller  23  f,  endlich  Lecanora  rubra 
Ach.  hellamethystf arbig  22  g. 

Violett  fehlt  gänzlich. 


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Y.    Die  Algen. 

Die  Algen  (Älgae)  sind  in  scharfem  Gegensatze  zu  den  an- 
dern Kryptogamen  weitaus  zum  grössten  Theile  Bewohner  des 
Meeres,  weniger  der  süssen  Gewässer,  am  wenigsten  und  nur 
mit  Arten  der  niedersten  Gattungen  des  Landes,  wie  mehrere 
Arten  der  Gattungen  Protococcus^  Gloeocapsa,  Palmogloea,  Phor- 
midiu?n,  Chthonoblastus,  Symploca,.  Scytonema^  Sirosipho7i,  Prasiola, 


—    377    — ^ 

Vaucheria,  die  an  der  Nordseite  der  Bäume  und  Mauern  häutige 
Botrydina  vulgaris  Brebisson,  Palmella  cruenta  Ag.  am  Fusse  der 
Mauern,  das  auf  Sandwegen  nach  Längerem  Regen  erscheinende 
Nostoc  commune  V.,  Botrydium  argillaceum  Wallr.,  Ulothrix  radi- 
cans  Kg.,  alle  nur  an  nassen  oder  wenigstens  feuchten  schattigen 
Stellen,  manche  wohl  nur  gerade  durch  Mangel  an  Wasser  in 
ihrer  Entwicklung  gehemmte  Anfänge  anderer  Algen  oder  andern 
Klassen  zuzuweisen,  wie  Stigonema  und  Lichina  den  Flechten, 
Cryptococcus,   Ulvina,  Hygrocrocis,  Chroolepus  den  Pilzen. 

Die  Farbe  ist  bei  den  Algen  in  ihrer  Mannigfaltigkeit  so 
beständig,  dass  sie  schon  längst  bei  der  Bildung  der  Gattungen 
und  Familien  berücksichtigt  wurde.  William  Harvey,  einer  unserer 
berühmtesten  und  geistreichsten  Algologen,  welcher  in  allen  fünf 
Welttheilen  Algen  beobachtet  und  gesammelt  hat,  theilt  nach  der 
Farbe  die  ganze  Klasse  in  drei  grosse  Ordnungen:  die  Schwarz- 
samigen {Melanospermeae)^  die  Rothsamigen  {Rhodos per meae)  und 
die  Grünsamigen  {Chlor ospermeae);  zwar  ist  hiebei  die  Farbe 
der  Sporen  zu  Grunde  gelegt,  diese  unterscheidet  sich  aber 
von  der  Farbe  der  übrigen  Theile  der  Alge  nur  durch  einen 
tieferen  Ton  der  gleichen  Stufe. 

Die  Schwarzsamigen  sind  die  eigentlichen  Tange,  die 
grössten  und  ausgebildetsten  Formen  der  Klasse,  merkwürdig  da- 
durch, dass  sie  vom  Aequator  gegen  die  Pole  an  Grösse,  von 
den  Polen  gegen  den  Aequator  an  Yollkommenheit  der  Bildung 
durch  Trennung  von  Stengel ,  Blatt  und  Frucht  zunehmen,  es 
herrschen  innerhalb  der  Wendekreise  die  Sargasseen  vor,  selten 
über  zwei  Fuss  lang,  aber  die  einzigen  Algen  mit  achselständigen 
Zweigen  und  Früchten,  wie  bei  den  Phänogamen,  in  den  ge- 
mässigten Zonen  die  unvollkommeneren  Cystosireen,  deren  grösste 
Länge  ich  an  Cystosira  abrotanifolia  Ag.  von  Neapel  2  Fuss 
9  Zoll  fand,  im  hohen  Norden  rohe  Fucusarten,  Desmarestien 
und  Chordarien,  12  Fuss  lange  Himanthalien,  über  24  Fuss  lange 
Laminarien  und  die  riesige,  nach  Heinrich  Mertens  bis  über  300 
Fuss  lange  Nereocystis;  dieser  entsprechend  gegen  den  Südpol 
die  früher  übertreibend  bis  zu  1500  Fuss  und  selbst  noch  von 
Humboldt  zu  800  Fuss  lang  angegebene  Macrocystis,  die  Ecklonia 


—    378    — 

huccinalis  Hörnern.,  deren  Stamm  Bory  45  Fuss  Länge  gibt,  die 
ästigen  bis  30  Fuss  langen  Lessonien  und  Durvilleen. 

Bei  allen  diesen  Meertangen  wird  die  grüne  Farbe  der 
Chlorophyllkörner  durch  einen  mehr  oder  weniger  braunen  Zel- 
lensaft olivengrün  10  a  und  b  getrübt,  im  Trocknen  bleicht  die 
grüne  Farbe  aus  und  die  braune  dunkelt,  so  dass  sie  dunkel- 
braun bis  kohlschwarz  werden,  wie  man  sie  in  allen  Herbarien 
findet. 

Von  den  kleineren  Gattungen  dieser  Ordnung  sind  einige 
grüner,  so  Desmarestia  viridis  Lx,,  Chorda  lomeiitaria  Lgb.,  einige 
Dictyoten  und  Punctarien,  völlig  grün  13  a  und  b  nur  mehrere 
Arten  der  Gattung  Ectocarpus^  kleine,  zarte,  fadendünne  Ge- 
wächse, welche  in  geringer  Tiefe  leben  und  sich  bis  in  die  Fluss- 
mündungen ziehen,  Ectocarpus  fluviatilis  nach  Kützing  in  den  Ti- 
mavo,  E.  amphibius  Harvey  nach  Hooper  bei  Xewyork  in  den 
Hudson. 

Die  rothsam  igen  Algen  sind  eben  so  entschiedene  Be- 
w^ohner  des  salzigen  Wassers ,  als  die  schwarzsamigen ,  die  in 
süssem  fliessendem  Wasser  früher  nur  in  der  Nähe  des  Meeres, 
nun  aber  von  einem  unserer  trefflichsten  Pflanzenforscher,  Pfarrer 
Kemmler  zu  Untersontheim ,  auch  in  Württemberg  entdeckte 
Hildenbrandtia  rosea  ß  fluviatilis  Breb.  ist  bis  jetzt  die  einzige 
sichere  Ausnahme,  da  Leprieurs  Angabe  von  Florideen  in  Brun- 
nen Guiana's  noch  sehr  zu  bezweifeln  ist. 

Diese  Algen  zeichnen  sich  durch  ihre  Zartheit  und  Schönheit 
aus,  überschreiten  nur  selten  in  wenigen  Arten,  wie  Sphaerococ- 
cus  co7ifervoides  ß  procerrimus  Turner  und  Gelidium  corneum  ,3 
sesquipedale  Clemente,  die  Länge  von  zwölf  Zoll  und  haben  eine 
hellere  oder  tiefere  Purpurfarbe,  welche  im  Leben  durch  einen 
kleinen  Zusatz  von  grün  der  Chlorophyllkörner  getrübt  ist,  trocknet 
man  sie  aber  im  Finstern,  so  verschwindet  die  grüne  Trübung 
und  die  rothe  Farbe  tritt  lebhafter  hervor,  z.  B.  wunderschön 
23  c  bis  24  d  bei  Trichoihamnion  coccineum  Kg.,  Plocamium  coc- 
cineum  Lgb.,  Delesseria  sanguinea  Lx.  Die  dunkelsten,  tief  vio- 
letten oder  schwarzrothen  Rhodospermeen,  wie  Rhodomela,  Ryti- 
phlaea,  Polysiphonia,  Bostrychia,  trocknen  noch  dunkler  bis  völlig 


—    379  — 

schwarz,  wie  die  Melanospermeen;  die  kalkhaltigen  Corallineen 
sind  dagegen  hell  rosenroth  und  behalten  getrocknet  diese  Farbe, 
auch  zählt  Harvey  zu  dieser  Ordnung  die  bleichgrünen  13  g  bis 
h  Liagoren,  welche  auf  dem  Meeresgrunde  zwischen  den  dunkle- 
ren anderen  Seegewächsen  silberweiss  hervorschimmern. 

Im  Gegensatz  gegen  die  schwarzsamigen  sind  die  rothsami- 
gen  Algen  gegen  das  Licht  sehr  empfindlich  und  bleichen  unge- 
mein leicht  aus,  sie  sind  daher  lichtscheu,  gehen  im  Wasser  am 
tiefsten  hinab  und  lieben  durch  überhängende  Felsen  oder  grössere 
Meergewächse  beschattete  Stellen,  in  eigentliche  Höhlen  gehen  sie 
aber  doch  nicht  hinein,  ich  fand  in  der  blauen  Grotte  auf  Capri 
wohl  Madreporen,  aber  keine  Algen,  und  in  der  Donnergrotte 
bei  Pausilipo  nur  Gelid'mm  corneum  Lx.  nahe  an  ihrer  Mündung. 

Laurencia  ohtusa  Lx.,  welche  ich  bei  Venedig  im  Innern  der 
Pfahlgruppen  des  Hafens  schön  purpurroth  gefunden  hatte,  fand 
ich  bei  Neapel  an  untiefen  offenen  Stellen  gelblich,  daher  Ber- 
toloni  sie  Fucus  luteus  genannt  hat,  ebenso  fand  ich  Hypnea  mus- 
ciformis  Lx.  und  Ceramium  rubrum  Ag.  als  wohlgeschützte  Pa- 
rasiten anderer  Algen  purpurroth,  an  nackten,  vom  Meer  nur 
wenig  bedeckten  Felsen  hellgrün,  gelblich  bis  weiss,  obschon  noch 
lebend  und  wachsend.  Bekannt  ist  das  ehemals  häufiger  vom 
Kap  der  guten  Hoffnung  gebrachte  und  von  Esper  treu  abgebil- 
dete Gelidium  cartilagineum  Lx.,  an  einem  Exemplar  sieht  man 
dunkclrothe  Stellen,  andere  scharlachroth,  orange,  gelb,  kupfer- 
grün  bis  beinahe  weiss;  es  sind  am  Strande  im  Auswurf  des  Mee- 
res aufgelesene  Exemplare,  welche  mit  andern  Sachen  vermengt 
und  theilweise  von  ihnen  bedeckt  ungleich  ausgebleicht  sind,  und 
dunkelroth  allein  ist  ihre  ursprüngliche  Farbe;  man  kann  solche 
bunte  Rhodospermeen  auch  aus  schon  getrockneten  Exemplaren 
leicht  künstlich  darstellen,  wenn  man  einzelne  Stellen  derselben 
mittelst  eines  Pinsels  mit  einer  bald  stärkeren,  bald  schwächeren 
Auflösung  von  Chlorkalk  in  destillirtem  oder  Regenwasser  be- 
streicht, im  gesunden  Zustande  sind  jedoch  alle  Algen  einfarbig. 
Nitophyllum  versicolor  Griffiths  hat  seinen  Namen  nur  davon  er- 
halten, dass  es  in  süsses  Wasser  gelegt  seine  Purpurfarbe  in 
Orange  verändert,  dieses  geschieht  aber,  wie  ich  selbst  in  Neapel 


—    380   — 

an  Aglaophyllum  ocellatum  Eudl.,  an  Griffitbsien  und  Polysipho- 
nien  beobachtete ,  durch  Endosmose ,  das  eindringende  süsse 
Wasser  sprengt  die  Zellen,  welche  platzend  ihren  purpurnen 
Inhalt  theilweise  ausstossen,  das  Wasser  färben,  selber  aber  blas- 
ser werden  ;  ungemein  reich  an  solchem  Purpursaft  ist  Rytiphlaea 
tinctoria  Ag.,  womit  die  Cretenser  ihre  Kleider  färbten,  die  Rö- 
merinnen sich  schminkten. 

Die  dritte  Ordnung  der  tilgen,  die  Grün  sämigen,  liebt 
das  Licht  und  geht  daher  im  Meere  am  wenigsten  tief  hinab; 
die  meisten  hieher  gehörigen  Algen  sind  schön  grasgrün  12  b 
bis  e,  so  ülva^  Codium,  Bri/opsis,  Valonia,  Udotea,  Halimeda; 
die  als  auf  Sandboden  lebend  ganz  einzig  dastehenden  Caulerpeen 
haben  bei  lebhaft  grünem  Laube  weisse  Wurzeln,  andere  sind 
hellgrtinlich,  wie  Äcetabularia,  PeniciUiis,  keine  reine  Meergattung 
hat  eine  andere  Farbe ,  denn  die  von  Harvey  bei  den  Ulven 
gelassene  Porphyra  hat  Kützing  mit  vollem  Recht  zu  den  Rho- 
dospermeen  versetzt,  mit  denen  sie  nicht  nur  die  Farbe,  sondern 
auch  das  schnelle  und  vollständige  scheinbare  Wiederaufleben 
im  Wasser  gemein  hat,  während  alle  Ulvaceen  sich  nur  sehr  un- 
vollkommen und  nicht  viel  besser,  als  trockene  Salat-  oder  Spi- 
natblätter, aufweichen  lassen. 

Am  Strande  bleichen  die  Chlorospermeen  durch  gelb  in 
weiss  aus,  doch  nicht  so  bald,  wie  die  Rhodospermeen,  im  Her- 
bar erhalten  sie  sich  fast  unverändert. 

Der  Hauptunterschied  zwischen  dieser  Ordnung  und  den  bei- 
den vorhergehenden  besteht  darin,  dass  die  grünsamigen  Algen 
aus  dem  Meere  durch  Brackwasser  in  süsses  Wasser  übergehen, 
so  dass  alle  Süsswasseralgen  mit  höchst  wenigen,  kaum  erwäh- 
nungswerthen  Ausnahmen  ihr  angehören,  und  mit  diesem  Ueber- 
gang  ist  zugleich  eine  bedeutende  Mannigfaltigkeit  der  Farben 
verbunden. 

Letzteres  ist  gleich  bei  der  überwiegend  marinen  Gattung 
Bangia  der  Fall,  von  dieser  führt  Kützing  18  Arten  auf,  darun- 
ter 4  der  Flüsse:  Bangia  coccinea,  coccineo-purpurea,  roseopur- 
purea  und  atropurpurea,  die  andern  14  im  Meere  lebenden  Arten 
sind  ebenfalls  von  dunkel-  bis  rosenroth  mit  wenigen  Abweichungen, 


—    381    — 

welche  Folge  des  Ausbleichens  zu  sein  scheinen,  wie  bei  Bangia 
lutea  J.  Ag.,  aurantia  Kg.,  pallida  Kg.  und  versicolor  Kg.,  welche 
als  braun,  violett  und  purpur  mit  grün  gefleckt  beschrieben  wird. 

Das  der  Gattung  Phormidium  verwandte  Trichodesmium  ery- 
ihraeum,  von  Ehrenberg  im  December  1823  im  Hafen  von  el  Tor 
am  Fusse  des  Sinai  entdeckt,  von  Dupont  auf  einer  Strecke  von 
256  Seemeilen  von  Kosseir  bis  el  Tor  beobachtet,  färbt  das  Meer 
so  roth ,  dass  Montagne  den  uralten  Namen  des  rothen  Meers 
davon  herleitet. 

Stets  grün,  doch  in  verschiedenen  Stufen  und  Tönen,  sind 
drei  andere  dem  Meere  und  süssen  Wasser  gemeinschaftliche 
grosse  Grattungen:  Enteromorpha,  Cladophora  und    Vaucheria. 

Unter  den  ausschliessend  im  süssen  Wasser  lebenden  Fami- 
lien sind  die  Hydrodyctien  und  Desmidieen  schön  grün,  ebenso 
die  meisten  Zygnemaceen,  bei  denen  jedoch  Staurospermum  und 
Zygogonium  auch  schwärzlich  violette  xlrten  haben;  diesen  letz- 
teren ähnliche  Farben  haben  die  Lemanien,  Thorea  ist  lebend 
dunkelgrün,  geht  aber  trocknend  in  schwarzviolett  bis  in  das 
schönste  Veilchenblau  21  b  über,  und  Batrachospermum  wechselt 
vom  schönsten  Kupfergrün  bis  stahlblau  und  purpurroth;  die. 
Oscillarineen  und  Nostochineen  sind  ebenfalls  bald  licht  blaugrün 
14  f,  bald  olivengrün,  bald  stahlblau  und  scheinen  oft  völlig 
schwarz,  z.  B.  Oscillaria  7iigra  V. ;  von  den  5  Arten  der  Gattung 
Campsopogon  ist  C.  aeruingosus  Kg.  kupfergrün,  die  andern  sind 
stahlblau  16  a  und  b,  stahlblau  ist  auch  die  Mehrzahl  der  12 
Arten  der  Gattung  Chantransia,  aber  Ch.  violacea  Kg.  violett  21  a, 
Ch.coccinea  Kg.  dunkelroth  und  Ch.  investiensLenormanYOsenroth24: 
f;  stahlblau  oder  wasserblau  16  a  bis  eist  auch  die  Farbe  der  Süss- 
wasseralgen,  welche  man  als  blau  bezeichnet  hat,  wie  Nostoc  coeru- 
leum  Lgb.,  Chroolepus  coeruleum  Naegeli,  Sphaerozyga  cyanea  Kg. 

Am  mannigfaltigsten  ist  die  Farbe  der  Landalgen,  wenn 
gleich  auch  hier  die  grüne  vorherrscht,  oft  lebhaft  und  schön, 
wie  bei  den  10.  Ulothrixarten  und  4  Schiiogonien,  welche  auf 
dem  Lande  leben,  und  den  12  Prasiolen,  von  welchen  Prasiola 
crispa  Ag.  in  Dänemark  und  Schweden  selbst  die  Strohdächer 
der  Bauernhäuser  besetzt;  andere  sind  schwarzgrün,  wie  das  be- 


382 


kannte  Nostoc  commune  V.,  Symploca  lucifuga  Breb.,  Protococcus 
atrovirens  Kg.,  oder  ganz  schwarz  wie  Chroolepus  eheneum  Ag., 
Gloeocapsa  coracina  und  atrata  Kg.,  Polycoccus  punctiformis  Kg. 

Stahlblau  16  a  sind  mehrere  ausserhalb  des  Wassers  wach- 
sende Oscillarien  und  Phormidien,  Symploca  muralis  Kg.  und 
cyanea  Meneghini,  Protococcus  coeruleus  Kg.,  violett  21  a  bis  c 
Gloeocapsa  violacea  Kg.  und  janthina  Naegeli. 

Unter  den  jiurpurrothen  Landalgen  ist  Palmella  cruenta  Ag. 
die  häufigste,  man  sieht  sie  fast  das  ganze  Jahr  in  den  Strassen 
am  Fusse  der  Mauern,  vergossenem  Blute  ähnlich,  meist  in  Ge- 
sellschaft des  schwärzlichen  Phormidium,  vulgare  Kg. ;  berühmt  ist 
der  vielbesprochene  rothe  Schnee  {Protococcus  nivalis  Ag.),  durch 
dessen  Entdeckung  der  unergiebigen  ersten  Polarreise  des  Capi- 
täns  Ross  ein  höherer  Werth  beigelegt  werden  wollte,  obgleich 
Saussure  schon  lange  vorher  auf  ihn  aufmerksam  gemacht  hatte ; 
hieher  gehören  ferner  Protococcus  pluvialis  Flotow  und  roseus 
Men.,  Gloeocapsa  sanguinea^  sanguinolenta ,  hämatodes^  purpurea 
und  rosea.  Kg. 

Zwischen  roth  und  gelb  finden  wir  den  Protococcus  miniatus 
und  cinnamomeus  Kg.,  Fr.  Clementii  Men.,  besonders  aber  eine 
vielleicht  besser  mit  andern  Linneischen  Byssusarten  zu  den  Pilzen 
zu  stellende  Gruppe  von  schimmelartigen  Gewächsen,  welche  lebend 
dunkelrothgelb  3  c,  noch  so  sorgfältig  und  schnell  getrocknet 
doch  nach  dem  Tode  ihre  Farbe  in  ein  blasses  Grünlichgrau  ver- 
ändern:  hieher  gehören  der  berühmte  Veilchenstein  {Chroolepus 
JolitJius  Ag.),  von  Haller  zu  den  Flechten,  von  Nees  zu  den  Pil- 
zen gestellt,  auf  Granit  wachsend,  angefeuchtet  einen  Veilchenge- 
ruch verbreitend,  das  viel  häufigere,  ebenso  gefärbte  Chroolepus 
aureum  Kg.  an  feuchten  schattigen  Felsen  und  Weinbergsmauern, 
das  zarte  Chroolepus  cohaltigineum  Kg.,  welches  auf  unserer  würt- 
tembergischen Alp,  z.  B.  in  den  Ruinen  von  Hohen-Gerhausen 
und  an  der  Uracher  Steige,  dem  weissen  Jurakalk  eine  flüchtige 
Porphyrfarbe  verleiht ,  und  einige  andere  auf  Baumrinde  wach- 
senden Chroolepus^  wahrscheinlich  auch  Bulbotrlchia  peruana  Kg. 

Rein  gelb  9  e  ist  keine  Alge,  das  zweifelhafte  Chroolepus 
flavum  Kg.  an  den  Zweigen  und  Blättern  der  Bäume  in  Peru  und 


—    383    — 

Chile  so  wenig  als  Palmella  flava  und  Stypopodium  flavum  Kg. 
dagegen  haben  mehrere  Landalgen  eine  bald  mehr  bald  weniger 
derjenigen  der  Seetange  sich  nähernde  braune  Farbe,  so  Proto- 
coccus  Orsinü,  7nacrococcus,  ci?i?ianiomeus,  aureoviridis,  aurantiofuscus 
und  fusco-ater  Kg.,  Gloeocapsa  mellea  und  fulva  Kg ;  gelbbraun 
7  a  ist  auch  lebend  das  Heer  der  kieselgepanzerten  Diatomeen, 
an  der  Grenze  des  Pflanzen-  und  Thierreichs,  seit  Anfang  dieses 
Jahrhunderts  von  einem  halben  Dutzend  Arten  auf  mehr  als 
tausend  gestiegen. 

Endlich  ist  noch  das  Schillern  einiger  Algen  zu  erwähnen, 
Bory  hat  eine  Rhodospermeen-Gattung  darnach  Iridaea  benannt, 
von  welcher  einige  Arten,  wie  I.  Augustinae  und  I.  micans  Bory^ 
unter  Wasser  in  den  schönsten  Regenbogenfarben  schillern  sollen; 
nach  Harvey  schillert  Haierica  ericoides  Kg.  im  Meere  glänzend  in 
grün  und  blau,  auch  Chondrus  crispus  Lgb.  irisire  zuweilen,  und 
am  Cap  sah  er  an  lebenden  Champia  compressa  Harv.  und  Chy- 
locladia  iridescens  Harv.  lebhafte  Regenbogenfarben,  Miss  Hutchins 
sah  Cladophora  Hutchinsiae  Kg.  im  Meer  bläulich  und  weiss  schim- 
mern, und  ich  erkannte  im  Golf  von  Neapel  Zonaria  pavonia  Ag. 
noch  in  einer  Tiefe  von  zwei  Klaftern  an  einem  milchweissen 
Schimmer,  welcher  verschwand,  so  wie  ich  sie  aus  dem  Wasser 
an  die  Luft  brachte. 

Als  Hauptergebniss  der  Untersuchung  der  Algenfarben  dürfte 
sich  herausstellen: 

1)  Alle  Algen  sind  im  normalen  gesunden  Zustande  einfarbig, 
selbst  die  Bänder  der  Zonarien  sind  keine  Farbenänderung  des 
Laubes,  sondern  Sporenreihen. 

2)  Die  häufigsten  Farben  sind  grün,  olivenfarbig  und  pur- 
purroth. 

3)  Violett,  orange  und  schwarz  kommen  selten  vor. 

4)  Die  drei  reinen  Grundfarben,  Stufe  1,  9  und  17,  so  wie 
weiss  fehlen  gänzlich. 

\f.     Die  Pilze. 

Den  vorstehenden  Kryptogamen-Classen  steht  eine  sechste 
und  letzte  gegenüber,  von  allen  die  grösste;  Rabenhorst  führt  in 


—    384    — 

seiner  Kryptogamenflora  Deutschlands  6742  Arten  auf,  und  von 
diesen  stehen  4079  in  der  Classe  der  Pilze  (Fimgi),  2663  in 
den  fünf  andern  zusammengenommen.  Dagegen  steht  diese 
letzte  Classe  an  Grösse  der  einzelnen  Arten  allen  andern  nach, 
von  der  einfachen  mikroskopischen  Zelle  erhebt  sich  die  Mehr- 
zahl der  Pilze  nicht  bis  zu  der  Höhe  eines  Zolls,  wenige  zu  der 
einer  Spanne,  höchst  selten  einzelne  Exemplare  der  allergrössten 
Arten,  wie  eines  Agaricus  procerus  Scopoli  oder  eines  Polyporus 
frondosus  Fries,  bis  zu  der  eines  Fusses;  nur  au  Masse  und  Ge- 
wicht übertreffen  mehrere  Pilze  alle  Moose  und  Flechten. 

Den  Algen  am  meisten,  doch  nur  in  den  untersten  Bildun- 
gen, verwandt  unterscheiden  sich  die  Pilze  darin  wesentlich  von 
ihnen,  dass  sie  nie  im  Wasser,  selten  auf  Steinen  wachsen;  zu  den 
Pilzen  gehört  zwar  die  Mehi'zahl  der  von  Kützing  als  Mycophy- 
ceae  unter  die  Algen  versetzten  Bildungen,  allein  diese  schimmel- 
artigen, meist  farblosen,  auf  andern  Organismen  oder  in  künst- 
lichen Flüssigkeiten ,  wie  in  ßiasolettos  Apotheke  auftretenden 
Wesen  sind  meist  nur  unvollkommeue  Anfänge  von  Pilzen,  Reihen 
oder  Netze  von  Zellen  (Hyphasma^  Mycelium)^  welche  den  Coty- 
ledonidien  der  Moose  {Protonemd)  entsprechend  die  Stelle  der 
Samenblätter  einnehmen  und  untergetaucht  gar  nicht  zur  Ent- 
wicklung gelangen,  wenige  schwimmend,  die  meisten^  erst  bei  Ver- 
dunstung der  zu  reichlichen  Flüssigkeit,  denn  bei  aller  Wasser- 
scheu lieben  die  Pilze  die  Feuchtigkeit,  welche  kaum  die  hol- 
zigen Polyporen  auf  einige  Zeit  entbehren  können. 

Ebenso  sind  die  Pilze  lichtscheu,  ohne  das  Licht  ganz  ent- 
behren zu  können,  in  ganz  finstern  Kellern  und  an  den  Stütz- 
balken in  Bergwerken  findet  man  da,  wo  das  Licht  ganz  fehlt, 
wie  im  Wasser,  nur  meist  farblose,  nicht  zur  Entwicklung  gelan- 
gende Vorbildungen,  wovon  die  Wetterzotten  (Byssus  suhterranea 
Scopoli)  das  schönste  Beispiel  sind,  grosse  an  dem  Holze  in  den 
Stollen  hängende,  baumwollenähnliche  Flocken,  welche  zu  Wasser 
zerfliessen,  wenn  man  sie  pflücken  will ;  nur  wenige,  wie  die  Trüf- 
fel, gedeihen  in  völliger  Finsterniss. 

Fast  durchgehends  Parasiten  auf  kranken,  sterbenden  oder 
verwesenden   Pflanzen,    selbst  Laubmoosen   und    andern   Pilzen, 


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iiianclie  sogar  auf  thieiischcn  Sloffoii,  erscheinen  die  Pilze  an 
dumpfen  t'euchlen  Orten,  am  häutigsten  im  Herbste  bei  abneh- 
mender Wärme  und  zunehmender  Feuchtigkeit  in  Wäldern,  ge- 
speusterartig  itber  Nacht  aufsteigend  und  eben  so  schnell  wieder 
verschwindend ,  von  echt  germanischen  Völkerstämmen  wie  die 
Würmer  und  Schlangen  ohne  T/ntorscliied  als  eckelhaft  und  giftig 
gehasst  und  gemieden,  von  vieleii  andern  thoilweisse  als  unschul- 
dig und  nahrhaft  begierig  aufgesucht  und  genossen. 

Den  Pilzen  fehlt,  wie  den  untersten  Algen,  das  Cldoropliyll 
der  andern  (Gewächse,  der  berühmte  i^otaniker  Reichenbach  be- 
zeichnete sie  daher  als  grttnlose  Pflanzen  {Achloroplnjta)^  indessen 
fehlt  ihnen  bei  der  grossen  Mannigfaltigkeit  ihrer  Fai'ben  auch 
die  grüne  nicht  ganz. 

Wie  ])ei  den  Flechten,  habe  ich  auch  bei  den  Pilzen  die 
Farben  ^der  in  der  Flora  danica  abgebildeten  753  Pilze  zusam- 
mengestellt, im  Ganzen  auch  nach  Abzug  einiger  Wiederholungen 
und  unklarer  ternärer  Farben,  da  viele  davon  zwei  Farben  zeigen, 
also  doppelt  zählen^  793. 

Die  bei  diesen  Pilzen  am  liäufigsten  auftretende  Farbe  ist 
die  ihrer  Standorte,  der  Baumrinde,  des  abgefallenen  Laubes  und 
der  Walderde,  IHS  Arten  sind  braun  in  allen  Tönen,  von  dem 
dunklen  Kastanienbraun  der  jMorcbeln.  des  Hydnum  iinbricatum 
L.  und  des  Boletus  castcmeKs  ßuHiard  bis  zu  dem  lichten  Hell- 
liraun  des  Agaricus  dypeolariia:  Bull. ,  des  ikwdharcllus  lutescens 
Fr.  und  des  Polypoms  frondosus  Y\\ :  diese  Zahl  wäre  noch 
grösser,  wenn  man  die  Gattungen  Tapliruta,  Erincian  und  Phylle- 
r'wm  liinzufügte,  diese  gehören  aber,  wie  Fee  nachgewiesen  hat. 
nicht  zu  den  Pilzen ,  es  sind  durch  Insekten  veranlasste  Aus- 
wüchse, wie  die  Galläpfel,  der  Bedeguar  und  die  Weidenrose. 

Auch  schwarz  -ind  viele  Pilze,  so  der  Brand  im  Getreide, 
die  Bulgar'ai  inqainanti  Fr.,  lidvella  atru  Koenig,  (deoglosdimi 
glahiu.ia  P. ,  llypojylon  polymorphiuu  Link,  viele  Sphärien  un<l 
Hysterien,  bis  hellgrau  wie  ArcyrUi  cinerea  P.,  Pclyporua  caesivs 
Fr.,  Ibd'tridar'ia  pluinhta  Fr.,  im  Ganzen   12(1  Arten. 

Von  sclnvarz  gelangen  wir  durch  die  grauen  Töne  zur  weissen 
Farbe,   welche   wir  l)ei  112  dieser  793  Pilze  antreffen,   Beispiele 

Württeml).  natiirw.  Jahresliefto.     1802.     :;.s  Ilefr.  '      25 


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sind  der  echte  Champignon  (Agaricu^  camjjesfris  L.),  der  Pfeffer- 
fchwamm  {A. j^iiperatus  L.),  der  kolbenförmige^.  co??irt^?<5  Müller, 
der  schöne  A.  churneus  Buil.,  Sphaerla  nivea  Hoffm.,  Peziza  alba 
Fr.,  riwea  Fr.  und  vtrginea  Batsch. 

Gelb  fand  ich  101  Pilze,  darunter  mehrere  schön  und  leb- 
haft, so  eine  Spielart  des  A^garicus  conicus  Scov».  9  f,  A.  luteoni- 
tens  Fr.  7  f,  A,  cltrinellus  P.  9  f,  ^.  aureus  Bull.  7  c,  Boletus 
luteus  L.  8  a,  Stiel  und  Löcher  8  d,  Polyporus  sidfureus  Fr.  8  f, 
Peziza  sulfurata  Fr.  9  f,  citr'ma  Batsch  8  e,  chrgsocoma  Bull.  8  d. 

Orange  sind  90  dieser  Pilze,  besonders  schön  Agaricus  j^uni- 
ceus  Fr.  5  b ,  ^.  tonninosus  Schaeffer  5  c,  A.  deliciosus  L.  mit 
einer  der  von  Chelidonmm  majus  L.  gleichenden  Milch,  Hydnum 
aurantiacum  Hörn, ,  Thelephora  pruni  Schum. ,  Clavaria  ahietina 
P.,  Crihraria  aiirantiacaSchväd.  und Ozo?iium  aiiricomum  hk.  ssunmt- 
lich  5  c,  Peziza  lutea  Schum.  5  d  und  der  häufige  Cantharelliis 
ciharius  Fr.  5  f,  Unterseite  5  e. 

Roth  fand  ich  in  der  Flora  danica  99  Pilze,  darunter  Arcy- 
ria  punicea  P.  1  b,  Peziza  scuteUata  L.  und  rutilans  Fr.  1  c, 
Tuhercularia  imlgaris  Tode  1  e,  Agaricus  cocciiieus  Wulf.  2  b, 
Blätter  2  e,  Peziza  hiimosa  Fr.  und  Sphaerla  coccinea  P.  2  c, 
Fistulina  hepatlca  Bull.  3  b,  Agaricus  miniatus  Fr.  und  Peziza 
aurantla  P.  beide  3  c,  Agaricus  magnlficus  Fr.  4  a,  Blätter  2  g. 
Polyporus  lucldus  Fr.  4  c,  der  berüchtigte  Fliegenschwamm  4  c 
mit  weissen  Flecken  und  Blättern  und  Agaricus  crocatus  Schrad. 
4  d.  Südlichere  rothe  Pilze  sind  der  schöne  Polyporus  clnnaha- 
rinus  Fr.  4  d  mit  helleren  Zonen  4  g,  Löcher  3  c,  den  ich  auch 
aus  Brasilien  sah  und  von  Sidney  in  Neuholland  erhielt,  dann 
der  berühmte  Kaiserling  {Agaricus  caesareus  Scopoli),  im  südli- 
chen Europa  sehr  beliebt,  dem  Fliegenschwamm  nahe  verwandt, 
er  gleicht  in  der  Kindheit  in  der  weissen  Hülle  ganz  eingeschlos- 
sen einem  Hühnerei,  sprengt  dann  diese  Hülle  mit  dem  glühend- 
rothen  Hut,  breitet  solchen  schirmförmig  aus  und  entwickelt  die 
citronengelben  Blätter  der  Unterseite.  Er  ist  der  Boletus,  mit 
welchem  Kaiser  Klaudius  vergiftet  wurde,  ob  absichtlich,  ob  durch 
Verwechslung  mit  dem  Fliegenschwammm  oder  weil  er  zu  alt 
war,  ist  ungewiss,  er  wird  nehmlieli,  wie  es  bei  allen  Pilzen  sehr 


— ,  887    — 

rathsam  ist,  nur  ganz  jung  gegessen,  ehe  er  dem  Ei  ganz  cnt- 
sclilüpft,  so  habe  icli  selbst  ihn  in  Venedig  oline  Nachtheil  ge- 
nossen. Der  sonderbare  flüchtige  &itterscll^Yamm  (Ckithrus  can- 
ceUatics  L.)  ist  wie  der  Kaiserliug  in  der  Kindheit  ein  weisses  Ei, 
aus  welchem  ein  scharlachrothes  Gitterwerk  hervorbricht,  in  Würt- 
temberg wurde  dieser  merkwürdige  Pilz  nur  einmal  aber  in  Mehr- 
zahl gefunden,  im  September  1851  in  der  Willielma  bei  Canstatt 
auf  Grasboden  im  Freien  unter  ^Mimosen,  vrelclie  mit  den  Kübeln 
eingegraben  worden  w'aren. 

Blau  oder  nahezu  blau  16  bis  19  fand  ich  23  Pilze,  aber 
nur  einen  davon,  Ili/du/ua  suaveolens  -j  coeruleum  Fr.  18  c,  leb- 
haft gefärbt,  alle  andern  kommen  in  die  drei  hellsten  Töne,  wie 
Agaricus  pratoisis  coeruleacenn  Fr.  und  Peziza  Schumacheri  coe- 
rulescens  Fr.  19  f,  Agaricus  stylohates  P.  und  der  gemeine  Schimmel 
(Peni'Hlliiim  glaucum  Lk.)  19  g,  Cunüiarellus  retinigus  Fr.  18  g. 
Physarum  hyalinum  P.  und  iitriculare  Fr,  17  g,  Coremium  glau- 
cum Fr,  19  h,  Physarinn  caeshan  Fr.  1!^'  h  Aind  Botrytis  cinerea 
P.  17  h. 

Mehr  dunkelgefärbte  haben  die  21  grünen  Pilze,  nehmlich 
12,  darunter  Phallus  impudicus  L.  w'eiss  mit  dunkelgrünem  Hut 
13  a.  Trichoderma  viride  P.  13  b,  Geoglossum  vlride  P.  13  d, 
Botrytis  aeruginosa '^ohwm,  14  d,  Agaricus  aerugi?iosus  Ciwüs  und 
Peziza  aeruginosa  P.  14  e. 

Purpurroth  sind  22  der  dänischen  Pilze,  darunter  Peziza 
purpurea  Fr.  24  a,  die  häufige  Russula  emetica  Fr.  24  b,  Stiel 
und  Blätter  weiss,  Agaricus  roseUus  Fr.  24  e,  yl  laccatus  Scop. 
bald  nur  die  Blätter,  bald  ganz  22  c,  Thelephora  purpurea  Schum. 
Unterseite  22  c  und  Ciavaria  purpu7'ea  Mülle]'  22  f. 

'  Die  seltenste  Farbe  der  Pilze  ist  violett,  nur  bei  11,  wie 
Ilydnum  Aariscalpium  L.  21  a,  die  Blätter  von  Agaricus  nudus 
Bull,  und  Candollianus  Fr.  21  d,  A.  Schwnacheri  Fr.  ganz  21  d. 
A.  violaceus  Scholl  20  c. 

Nach  dieser  üebersicht,  von  vv-elcher  auf  andere  Zählungen 
gegründete  w^ahrscheinlich  niclit  erheblich  a])weichen  werden, 
kommt  schwarz  mit  seinen  Tönen  bis  weiss  bei  238  der  793  Fälle 
vor,  roth  und  gelb  ohne  blau  bei  478,  blau  allein  oder  mit  roth 


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oder  mit  gelb  nur  bei  77,  äbnlicb  wie  bei  den  Flechten,  bei 
welchen  schwarz  und  weiss  in  87,  roth  und  gelb  ohne  blau  in 
127  und  blau  mit  andern  Farben  nur  in  59  Fällen  vorkommt, 
letzteres  wegen  des  noch  vorhandenen  Chlorophylls  etwas  häufi- 
ger als  bei  den  Pilzen,  bei  denen  die  blaue  Farbe  im  ganzen 
Pflanzenreich  die  kleinste  Rolle  spielt. 

Die  Pilze  bleichen  nicht  aus,  sondern  werden  alternd  dunk- 
ler, so  ist  bei  den  höheren  der  Anfang,  das  Hyphasma,  weiss, 
der  Stiel  gewöhnlich  schon  weniger,  der  Hut  noch  dunkler,  di<^ 
Sporen  am  dunkelsten,  die  auf  Dung  wachsenden  Pilze  mögen 
jung  noch  so  hellfarbig  sein,  so  werden  sie  im  Alter  schwarz, 
Ägaricus  comains  Müller  steigt  blendend  weiss  aus  dem  Graso 
auf,  wird  bald  rosenfarbig  und  zerfliesst  endlich  zu  einer  Dinten- 
ähnlichen  Flüssigkeit,  Lycogala  Epidendron  Fr.  ist  jung  hellroth 
2  f,  älter  dunkelroth  2  d,  zuletzt  grauviolett.  Noch  so  sorgfällig 
getrocknet  trüben  und  verdunkeln  sich  immer  die  Farben  dieses 
vergänglichen,  lebend  und  todt  mehr  als  jedes  andere  Gewächs 
der  Zerstörung  durch  Insektenlarven  ausgesetzten  Geschlechts, 


Date  Due 


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